LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/232 (15/186) 21.11.2012 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: Verbesserung der Haushaltslage des Saarlandes Vorbemerkung des Fragestellers: „Trotz der restriktiven Haushaltspolitik der Landesregierung lässt sich das angestrebte Ziel eines Haushaltshalts ohne strukturelle Neuverschuldung nicht erreichen. Daher ist nicht nur der Länderfinanzausgleich für das Saarland überlebenswichtig , sondern die Landesregierung muss jede Chance nutzen, die Einnahmeseite des Haushalts zu verbessern. Es muss daher darüber nachgedacht werden, welche weiteren Einnahmequellen sich das Saarland erschließen könnte. Als Lösung bietet sich eine Aussage an, die im Bericht des Ausschusses für Finanzen und Haushaltsfragen zur Prüfung der Haushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 2009 steht. Unter Tz 26 Steuerliche Betriebsprüfung steht zu lesen: Naturgemäß kann die Betriebsprüfung mit der vorhandenen Personalausstattung nicht alle Betriebe prüfen. Ziel muss es daher sein, diejenigen Betriebe auszuwählen, bei denen der größte Prüfungsbedarf besteht, also die Betriebe mit den mutmaßlich höchsten Steuernachforderungen .“ Dieser Satz birgt zweierlei Erkenntnisse und eine Schlussfolgerung: Die Personalausstattung ist zu gering, damit kann man nicht alle Betriebe prüfen. Es werden nur die Betriebe mit den „mutmaßlich“ höchsten Steuernachforderungen geprüft. Schlussfolgerung: Betriebe, bei denen „mutmaßlich “ keine höchste Steuernachforderungen zu erwarten sind, werden nicht geprüft. Ausgegeben: 21.11.2012 (12.10.2012) Drucksache 15/232 (15/186) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Um den Landeshaushalt zu entlasten, sollen weitere Planstellen eingespart werden. Zwar überzeugt eine solche Personalstrategie im Großen und Ganzen nicht, jedoch in Bezug auf die Personalausstattung bei den Finanzbehörden ist das außerdem kontraproduktiv. So moniert zum Beispiel der Rechnungshof für das Jahr 2009 die Niederschlagung von Steuerrückständen durch die Finanzämter. Das ist dem o.g. Bericht zu entnehmen . Eine solche Niederschlagung geschieht eindeutig aus Personalmangel. Wenn nicht mehr alles bezahlbar ist, wie Herr Toscani in Bezug auf Behindertenhilfe und Kulturausgaben formuliert, dann sollte man sich erst recht darauf besinnen die Einnahmeseite zu verbessern. Der Ansatz, Steuereinnahmen effizienter auszuschöpfen ist daher ein wichtiger Weg. So liegen nach offiziellen Zahlen in BadenWürttemberg die Erfolgssummen je Steuerprüfer um die 1,4 Mio. Euro im Jahr. Das Saarland hat weniger Betriebe als der südwestliche Nachbar, aber eine größere Personalausstattung könnte den „Mutmaßlichkeiten“ und darüber hinaus helfen, mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen und Steuern gleichmäßig und vollständig zu erheben. Als Gewinn für das defizitäre Saarland. Vorbemerkung Landesregierung: In der Anfrage wird die Frage nach den Feststellungen des Rechnungshofes zur Niederschlagungspraxis der saarländischen Finanzämter (Tz. 28 des Jahresberichtes 2010 des LRH) angesprochen. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) sollen niedergeschlagen werden, wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen (§ 261 AO). Die Niederschlagung ist eine verwaltungsinterne Maßnahme der Vollstreckungsbehörde ; sie führt – im Gegensatz zum Steuererlass (§§ 163, 227 AO) - nicht zum Erlöschen der Steueransprüche. Bis zum Erlöschen des Anspruchs (§ 47 AO) ist seine jederzeitige Geltendmachung – d.h. Fortsetzung des Vollstreckungsverfahrens - möglich . Die Niederschlagung ist ein (einstweiliger) Verzicht auf das weitere Beitreiben einer Forderung gegen einen Schuldner. Wie der LRH in seinem Bericht vom 09.08.2010 zu Recht anführt, dient die Niederschlagung dazu, einerseits unnötigen Verwaltungsaufwand und damit einhergehende Kosten durch die Aufrechterhaltung uneinbringlicher bzw. auf absehbare Zeit nicht realisierbarer Rückstände zu vermeiden und andererseits dem Steuergläubiger (Fiskus) einen realistischen Überblick über die Höhe der „einziehbaren“ Steuerforderungen zu verschaffen. Drucksache 15/232 (15/186) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - Der Fragesteller stellt in seiner Anfrage allgemein fest, dass die Prüfung des LRH ergeben habe, dass „die Niederschlagung (wohl durch die die saarländischen Finanzämter ) eindeutig aus Personalmangel“ geschehe. Der LRH hatte zwar – zu Recht – auf Personalengpässe bei den beiden geprüften Finanzämtern während des Prüfungszeitraumes hingewiesen. Eine generalisierende Schlussfolgerung, dass die Niederschlagung von Steuerforderungen im Saarland „eindeutig “ auf Personalmangel zurückzuführen ist, kann aus fachlicher Sicht hieraus jedoch nicht gezogen werden. Nach personalwirtschaftlichen Analysen und Erkenntnissen des Ministeriums für Finanzen und Europa sind die Vollstreckungsstellen der saarländischen Finanzämter im Prüfjahr laut der Personalbedarfsberechnung - Stand 01.01.2010 - gemäß dem errechneten Personalbedarf ausreichend personalisiert, um die gesetzlichen Aufgaben des Steuervollzugs im Erhebungs- und Vollstreckungsbereich zu gewährleisten. Im Ergebnis ist damit das Thema „Niederschlagung“ nicht geeignet , eine konkrete und messbare Verbesserung der Haushaltslage des Saarlandes herbeizuführen. Wie viel Prozent der Betriebe können mit der vorhandenen Personalausstattung generell geprüft werden? Zu Frage 1: Im Saarland gibt es nach der - alle 3 Jahre durchzuführenden - Einordnung zum 01.01.2010 insgesamt 84.870 Betriebe. Umgerechnet auf Vollzeitkräfte gibt es in den Betriebsprüfungsstellen (per 01.01.2012) 143,20 Prüfer. Bei 220 Arbeitstagen pro Prüfer stehen somit 31.500 Prüfungstage zur Verfügung. Um alle Betriebe zu prüfen, müsste jeder Betriebsprüfer fast 3 Fälle am Tag prüfen. Dies ist unrealistisch. Selbst bei kleinsten Betrieben dauert eine Prüfung im Normalfall mehrere Tage. Bei Großbetrieben kann die Prüfung eines einzelnen Unternehmens durchaus mehrere Monate oder Jahre dauern. Eine quantifizierte Aussage im Sinne der Fragestellung ist nicht möglich. Das Ministerium für Finanzen und Europa hat die Prüfungsquote (Anteil der geprüften Betriebe an der Gesamtzahl der Betriebe) in den letzten Jahren im Übrigen deutlich verbessert. Das Saarland ist nach dem Ergebnis des Jahres 2011 im Bundesvergleich bei den Großbetrieben auf Platz 8, bei den Mittelbetrieben auf Platz 1, bei den Kleinbetrieben auf Platz 6 und bei den Kleinstbetrieben auf Platz 8. Entwicklung der Prüfquote (Anteil der geprüften Betriebe am Gesamtbestand) Rangplatz im Bundesvergleich 2007 2008 2009 2010 2011 Großbetriebe 16 15 10 4 8 Mittelbetriebe 16 9 4 2 1 Kleinbetriebe 12 8 6 5 6 Kleinstbetriebe 11 10 10 3 8 - 3 - Drucksache 15/232 (15/186) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wie häufig werden die Betriebe geprüft, bei denen „mutmaßlich“ keine höchsten Steuernachforderungen zu erwarten sind? Zu Frage 2: Die Fallauswahl orientiert sich - bundeseinheitlich - bisher an der Betriebsgröße. Erfahrungsgemäß ist das Mehrergebnis bei größeren Betrieben höher als bei kleineren. Vor einer Prüfung ist eine Prognose sehr schwer. Aus Gründen der Generalprävention werden aber unabhängig von der Betriebsgröße flankierend immer auch zufällig ausgewählte Betriebe geprüft. Wie hoch beziffert sich die Anzahl der Betriebe (in Prozent) mit den „mutmaßlich“ höchsten Steuernachforderungen ? Zu Frage 3: Die Betriebe mit dem erfahrungsgemäß höchsten Mehrergebnis pro Prüfung sind Großbetriebe mit einem Umsatz von mindestens 39 Mio. Euro. Der Anteil dieser Betriebe beträgt im Saarland 0,23 %. Wie häufig werden dann die mit den „mutmaßlich“ geringsten Steuernachforderungen geprüft? Zu Frage 4: Erfahrungsgemäß haben Klein- und Kleinstbetriebe das geringste Mehrergebnis. Von diesen Unternehmen gibt es im Saarland rund 75.000. Im Jahr 2011 wurden rund 1.200 derartige Betriebe geprüft. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es viele „Betriebe “ gibt, die durch den Innendienst der Finanzämter effektiver geprüft werden können und die nicht durch die aufwändigere Betriebsprüfung geprüft werden müssen, z. B. Betreiber von kleinen Solaranlagen mit einer zumeist einmaligen Investition. Im Übrigen liegt das Saarland hier bei der Prüfungsquote im Bundesvergleich in 2011 auf dem 8. Platz (vgl. Frage 1.) Wie viele Steuerprüfer der sind im Saarland eingesetzt (je 100.000 Einwohner) Zu Frage 5: Es wird davon ausgegangen, dass mit „Steuerprüfer“ die Betriebsprüfer gemeint sind. Bei einer Bevölkerung von 1.017.567 zum 31.12.2010 (Statistisches Jahrbuch 2011) ergibt sich somit ein Wert von 14,1 Prüfern je 100.000 Einwohner. Wie viele Planstellen von Steuerprüfer sind unbesetzt? Zu Frage 6: Es gibt keine für Steuerprüfer gesondert ausgewiesenen Planstellen, sondern lediglich einen Stellenplan für alle Finanzämter. Dieser differenziert jedoch nicht nach Funktionen . Drucksache 15/232 (15/186) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Wie viele Niederschlagungen von Steuerrückständen wurden in den Jahren 2010 und 2011 vollzogen? Zu Frage 7: In den vorliegenden Statistiken (die bundeseinheitlich gelten) erfasst sind lediglich - die niedergeschlagenen Beträge in ihrer Gesamtzahl, - die hierin enthaltenen aufgrund von eröffneten Insolvenzverfahren zwingend niederzuschlagenden Steuerforderungen, sowie - die Niederschlagungsquoten (um einen Vergleich mit den anderen Bundesländern darzustellen). Niederschlagungsquoten verstehen sich als Verhältnis sämtlicher niedergeschlagener Rückstände zum Kassensoll (= sämtliche zum 31.12. eines jeden Jahres festgesetzte Abgabenforderungen). Nicht erfasst und nicht darstellbar ist die Anzahl der jeweiligen Fälle, in denen die Verwaltung die Niederschlagung verfügt hat. Quote Saarland Quote Bund Platzierung im Ländervergleich Absolute Zahlen Aufgrund Insolvenzeröffnung niedergeschlagen 2010 1,03 1,12 5 52,0 Mio. 22,9 Mio. 2011 1,17 1,16 5 65,6 Mio. 55,2 Mio. - Der Vergleich der saarländischen Niederschlagungsquoten mit der jeweiligen Bundesquote und die Platzierung (am wenigsten niedergeschlagen) des Saarlandes innerhalb der 16 Bundesländer zeigt, dass das Saarland relativ wenige Steuerforderungen niedergeschlagen hatte. - In den absoluten Niederschlagungsbeträgen sind auch diejenigen niedergeschlagenen Steuerforderungen enthalten sind, die aufgrund der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens niederzuschlagen sind (Abschn. 15 VollStrA). Hierbei handelt es sich regelmäßig um vergleichsweise hohe Beträge. Da in Insolvenzverfahren Vollstreckungsmaßnahmen nicht (mehr) ergriffen werden dürfen, haben die Vollstreckungsstellen i.d.R. keinen Einfluss auf diese obligatorisch vorzunehmenden Niederschlagungen. Welche Gründe gab es für diese Niederschlagungen? Zu Frage 8: Die Steuerforderungen wurden niedergeschlagen, nachdem feststand, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird bzw. dass die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem beizutreibenden Betrag standen. Der Niederschlagung voraus ging regelmäßig ein zügiges und konsequentes Vollstreckungshandeln; die Niederschlagungen erfolgten auch generell rechtmäßig und im Wesentlichen zeitnah. Betragsmäßig bedeutende Niederschlagungen müssen vom Ministerium für Finanzen und Europa im Wege der Sach- und Rechtsaufsicht genehmigt werden. Drucksache 15/232 (15/186) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Was unternimmt die Landesregierung, um solche Niederschlagungen von Steuerrückständen zu verhindern? Zu Frage 9: Die Niederschlagung von Steuerrückständen ist – unter den Voraussetzungen des § 261 AO – gesetzliche Aufgabe der Finanzämter im Steuervollzug. Sofern nach den Feststellungen des Landesrechnungshofes Niederschlagungen in Einzelfällen hätten verhindert werden können oder Defizite im Verwaltungsvollzug festgestellt wurden, sind die Anregungen des Landesrechnungshofes zum Anlass genommen, die Finanzämter einerseits erneut zu sensibilisieren. Auch die geforderte Unterstützung der Vollstreckungsstellen , insbesondere durch eine bessere IT-Ausstattung, wurde weitgehend umgesetzt. Die Überwachung der korrekten Niederschlagung von Steuerrückständen ist strukturell gesichert. Mit welchen Erfolgssummen je Steuerprüfer könnte gerechnet werden, wenn die Personalausstattung in den Finanzbehörden angehoben werden würde? Zu Frage 10: Die größten Betriebe (vgl. Frage 3) werden grundsätzlich immer, d. h. ohne Unterbrechungen , geprüft, so dass eine erhöhte Personalausstattung zu keinen Mehrsteuern führen würde. Inwieweit eine erhöhte Personalausstattung im Übrigen zu erhöhten Mehrsteuern führen würde, ist spekulativ und kann seriös nicht beziffert werden. Die Personalausstattung ist zu gering, damit kann man nicht alle Betriebe prüfen. Es werden nur die Betriebe mit den „mutmaßlich“ höchsten Steuernachforderungen geprüft. Schlussfolgerung: Betriebe, bei denen „mutmaß lich“ keine höchste Steuernachforderungen zu er warten sind, werden nicht geprüft.