LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/380 (15/304) 14.03.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: V-Leute im Fußball Vorbemerkung des Fragestellers: „Im August letzten Jahres berichtete ‚Spiegel Online’, dass auch in der Fußball-Fanszene VLeute zum Einsatz kommen. In mehreren Städten sollen demnach V-Leute von der Polizei in die Klubs und Fanvereinigungen geschleust worden sein, um Informationen über Fangruppierungen zu erhalten. Diesen Bericht nahm die Fraktion DIE LINKE im Bundestag zum Anlass, eine kleine Anfrage mit dem Titel ‚V-Leute und verdeckte Ermittler in Fußball-Fanszenen’ zu stellen (Drucksache 17/10827). Laut diversen Presseberichten bestätigte das Bundesinnenministerium den Einsatz von V-Leuten in Fangruppierungen. Es gab Einsätze von polizeilichen ‚Vertrauenspersonen ’ und Ersuche durch bzw. an die zuständigen Landespolizeibehörden.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Im Zusammenhang mit der Austragung von Fußballspielen muss auch die Polizei des Saarlandes seit Jahren immer wieder Maßnahmen der Strafverfolgung sowie der Gefahrenabwehr gegen Personen treffen, von denen Gefahren für Leib und Leben Unbeteiligter – und damit auch für die weit überwiegende Anzahl friedlicher Fußballfans – ausgehen. Adressat polizeilicher Maßnahmen ist insoweit nicht der „Fußballfan“, sondern der Gefahrenverursacher oder Straftäter, der anlässlich eines Fußballspiels auftritt und die Plattform der Veranstaltung für die Verwirklichung seiner strafbaren Vorhaben benutzt. Es dreht sich dabei um teils erhebliche Straftaten, insbesondere Gewaltdelikte . Die Vollzugspolizei trifft ihre Maßnahmen in Konsequenz des verfassungsmäßigen Schutzauftrages des Staates, indem sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und der gesetzlichen Befugnisse Gefahren für die öffentliche Sicherheit abwehrt, Störungen beseitigt und Straftaten verhütet oder verfolgt. Ausgegeben: 14.03.2013 (29.01.2013) Drucksache 15/380 (15/304) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Zur Erfüllung ihrer Aufgaben - auch in dem Phänomenbereich „Sport und Gewalt“ - ist die Polizei in Einzelfällen u.a. auf vertrauliche Informationen und Hinweise angewiesen . So dient z.B. der Einsatz von Informanten, V-Leuten (Vertrauenspersonen – VP) und Verdeckten Ermittlern (VE) bei der Bekämpfung bestimmter Kriminalitätsformen oder der Abschottung von Zielgruppierungen der Gewinnung spezifischer Erkenntnisse für die Aufklärung bzw. vorbeugende Bekämpfung von Straftaten. Straftäter, die anlässlich von Fußballspielen auftreten, verfügen zuweilen über organisierte Strukturen und zeigen Abschottungsverhalten. Sachdienliche Hinweise bzw. Informationen zur Verhinderung geplanter Straftaten sind dann in Einzelfällen nur über die vorgenannten besonderen Formen der Erkenntnisgewinnung zu erlangen. Als Informant wird dabei in kriminalistischer Hinsicht allgemein eine Person bezeichnet , die der Polizei im Einzelfall Informationen zukommen lässt und deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist. Hiervon zu unterscheiden ist die VPerson , deren Zusammenarbeit mit der Polizei auf Dauer angelegt und ebenfalls Dritten nicht bekannt ist. Verdeckte Ermittler sind dagegen Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende ) ermitteln. Die Inanspruchnahme bzw. der Einsatz von Informanten, VP und VE durch die Polizei hat den verfassungsmäßigen, rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen und ist insoweit an Recht und Gesetz gebunden. Die gesetzliche Entsprechung findet sich in den Polizeigesetzen der Länder – im Saarland im Saarländischen Polizeigesetz - für die Gefahrenabwehr und in der Strafprozessordnung für die Strafverfolgung. Insoweit steht vor jeder möglichen Nutzung dieser Methoden der Erkenntnisgewinnung durch die Polizei zwingend die Prüfung der formell- und materiell-rechtlichen Voraussetzungen , und dabei in jedem Einzelfall im Besonderen die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Sollte anlässlich der Austragung eines Fußballspiels die konkrete Gefährdung erheblicher Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit oder gar das Leben erkennbar oder die Verfolgung entsprechender Straftaten erforderlich werden, könnte für die Polizei des Saarlandes im Einzelfall und nach Maßgabe der gesetzlichen Befugnisse zur Abwehr dieser Gefahren bzw. zur Verhütung oder Verfolgung einschlägiger schwerwiegender Straftaten grundsätzlich auch der Einsatz von Informanten, VP und in besonders gravierenden Fällen sogar von VE in Betracht kommen. Die Maßnahmen richten sich dann aber gezielt nur gegen einzelne Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, also identifizierte oder potenzielle Gefahrenverursacher bzw. Straftäter und nicht gegen die Gesamtheit der Zuschauer bei einem Fußballspiel. In welchem Ausmaß wurden im Saarland V-Leute, verdeckte Ermittler oder Informanten in FußballFanszenen eingesetzt? Bitte für die Jahre 2008- 2012 aufschlüsseln. Zu Frage 1: Der Einsatz von Verdeckten Ermittlern oder Vertrauenspersonen in Fußball-Fanszenen ist bisher nicht erfolgt. Im Jahr 2009 hat die damalige Landespolizeidirektion Saarbrücken in zwei Fällen und im Jahr 2011 in einem Fall Hinweise von Informanten genutzt. In diesen Fällen konnte die Polizei geplante Gewalttaten verhindern. Drucksache 15/380 (15/304) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Welche Straftaten wurden durch die Einsatze aufgeklärt? Bitte aufschlüsseln nach Datum, Straftatbestand, Anzahl der Straftäter, betroffenen Fußballverein und ggf. Fanvereinigung. Zu Frage 2: Durch die in der Antwort zu Frage 1 genannten Maßnahmen ist es der Polizei gelungen , eine nicht näher zu beziffernde Anzahl von Delikten wie z.B. gefährliche Körperverletzungen , Sachbeschädigungen und Landfriedensbruch, die erfahrungsgemäß bei gewalttätigen Auseinandersetzungen verfeindeter Fangruppierungen registriert werden , zu verhindern. Hält die Landesregierung den Einsatz von VLeuten und anderen nachrichtendienstlichen Ermittlungsmethoden in den Fußballvereinen für ein verhältnismäßiges Mittel? Bitte mit Begründung. Zu Frage 3: Die Vollzugspolizei des Saarlandes verfügt nicht über nachrichtendienstliche Ermittlungsbefugnisse . Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen . a) Wie werden die Informationen, die in die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) fließen, gewonnen ? b) Kam es im Zusammenhang mit der ZIS unter anderem zum Einsatz nachrichtendienstlichen Ermittlungsmethoden oder nachrichtendienstähnlichen Ermittlungsmethoden ? c) Wie viele Saarländerinnen und Saarländer sind von dieser Datei bzw. Stelle betroffen? Zu Frage 4: a) Die vollzugspolizeilichen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern unterhalten einen systematisierten, standardisierten Informationsaustausch zur polizeilichen Lagebewältigung anlässlich von Fußballspielen. Dazu haben alle Länderpolizeien und die Bundespolizei jeweils eine Zentralstelle eingerichtet, die Landesinformationsstellen (LISen) und die Informationsstelle Sporteinsätze beim Bundespolizeipräsidium Potsdam (BUPolP-IS). Mit der Einrichtung der ZIS wurde eine bundesweite Zentralstelle beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste in Nordrhein-Westfalen geschaffen. Im Rahmen des standardisierten Informationsaustausches übersenden die LISen und die BUPolP-IS im Vorfeld eines Fußballspiels einen Vorausbericht und nach Einsatzende einen Verlaufsbericht mit relevanten Erkenntnissen an die ZIS. Drucksache 15/380 (15/304) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Inhalt der Vorausberichte sind im Wesentlichen die mit Blick auf ein bevorstehendes Spiel erlangten Aufklärungsergebnisse der involvierten Dienststellen zu Fangruppierungen und deren Verhalten und Beziehungen zu anderen Fans sowie zu Anreisemodalitäten , wie z.B. mit Bahn, Bus oder PKW. Für die Aufklärungsarbeit werden u.a. spezialistisch geschulte Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamte eingesetzt, so genannte „Szenekundige Beamte“. Diese pflegen u.a. Kontakte zu den Vereinen sowie den Sicherheits- und Fanbeauftragten, den Fanprojekten und nicht zuletzt zu den Fangruppierungen selbst. In den Verlaufsberichten werden die vor dem Spiel, während des Spiels und in der Nachspielphase tatsächlich festgestellten, polizeilich relevanten Sachverhalte bzw. Lageentwicklungen aufgenommen. Die ZIS führt die Berichte jeweils ligabezogen zusammen und erarbeitet daraus einen „Lagebericht Fußball“ mit wesentlichen Führungs- und Lageinformationen, der den beteiligten Stellen für aktuelle und künftige Einsatzplanungen zur Verfügung gestellt wird. b) Nein. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 hingewiesen. c) Im Rahmen des Informationsaustausches mit der ZIS werden keine Dateien erstellt, in denen Personendaten recherchierbar gespeichert werden. Eine recherchierbare Datei im Zusammenhang mit dem Thema „Sport und Gewalt“ ist allerdings die „Datei Gewalttäter Sport“. Diese Datei ist eine beim Bundeskriminalamt geführte Verbunddatei, die auf der Grundlage der §§ 8, 11 und 13 Bundeskriminalamtgesetz (BKAG - Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten) errichtet und geführt wird. Die inhaltliche Ausgestaltung der Datei richtet sich gemäß der BKA-DatenVerordnung (BKADV - Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des BKAG gespeichert werden dürfen) nach einer Errichtungsanordnung, die mit Zustimmung der Länder gemäß § 34 BKAG erlassen wurde. Die in der Datei gespeicherten Daten liefern der Vollzugspolizei belastbare Informationen für ihre Einsatzbewältigung zur Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere von Fußballspielen. Dazu werden die nachfolgend beispielhaft aufgeführten Anlässe, soweit diese im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen festgestellt wurden, recherchefähig erfasst. Gespeichert werden vor allem eingeleitete und abgeschlossene Ermittlungsverfahren sowie rechtskräftige Verurteilungen bei Gewaltdelikten wie Körperverletzungen, Verstößen gegen das Waffengesetz und Sprengstoffgesetz, Haus- und Landfriedensbruch, Diebstahls- und Raubdelikte, Volksverhetzung, gefährliche Eingriffe in den Straßenoder Bahnverkehr. Außerdem gespeichert werden Personalienfeststellungen, Platzverweise oder Ingewahrsamnahmen zur Verhinderung anlassbezogener Straftaten. Die in der „Datei Gewalttäter Sport“ erfassten Personen werden nach dem Merkmal der Vereinszugehörigkeit recherchefähig gespeichert. Der Wohnort ist insoweit nicht automatisiert recherchierbar, zumal eine solche Möglichkeit für die Arbeit der Sicherheitsbehörden keinen Mehrwert brächte. Die Datei enthält aktuell insgesamt 229 Datensätze, bei denen die registrierten Personen der Anhängerschaft von saarländischen Fußballvereinen zugerechnet werden. Im Ergebnis eines aus Anlass der Anfrage vorgenommenen manuellen Abgleichs der Daten mit den Meldebehörden und Auswertung durch das aktenführende Landespolizeipräsidium haben davon 208 Personen einen Wohnort im Saarland, sind also Saarländerinnen bzw. Saarländer. Drucksache 15/380 (15/304) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass eine vergleichsweise minimale Zahl von Personen mit Wohnort im Saarland auch mit Zuordnung zu einem außersaarländischen Verein in der Datei Gewalttäter Sport eingetragen ist. Die Feststellung dieser genauen Anzahl würde in allen Bundesländern bei den aktenführenden Behörden ebenso entsprechende manuelle Aktenrecherchen nach dem Wohnort und Datenabgleich mit den zuständigen Einwohnermeldeämtern erfordern. Dazu müsste der bundesweite Bestand von 16.882 Datensätzen 1 überprüft werden. Der dazu erforderliche Verwaltungsaufwand wäre unvertretbar hoch und ist insoweit nicht zu leisten. Wie beurteilt die Landesregierung den Schaden, der durch diesen Vertrauensbruch – Fußballfans sind keine politischen Extremisten – bei den Fangruppierungen entstanden ist? Zu Frage 5: Der Landesregierung liegen keine belastbaren Informationen vor, wonach das Vertrauen der Fangruppierungen in die Arbeit der Sicherheitsbehörden beschädigt wäre. Im Gegenteil, im Saarland arbeiten unter anderem Fangruppierungen, Fanbeauftragte, Vereine, Saarländischer Fußballverband, Städte und Gemeinden, Fanprojekte sowie die Polizei sehr eng und vertrauensvoll in einem Netzwerk zusammen. Dabei besteht nicht nur Konsens, sondern geradezu die Erwartungshaltung, dass sich die Polizei mit ihren Maßnahmen zielgerichtet an die Personen wendet, die Gefahren verursachen oder Straftaten begehen und durch konsequentes Handeln sowie auch mit dem notwendigen Augenmaß die Entstehung von rechtsfreien Räumen verhindert. Interessenvertreter und friedliche Fußballfans distanzieren sich mit Nachdruck von diesem Personenkreis , dessen delinquentes Handeln auch nicht toleriert wird. Insoweit dürfen alle Fußballzuschauer darauf vertrauen, dass die Polizei die taktisch notwendigen und rechtlich zulässigen Maßnahmen anwendet, um derartige Sportveranstaltungen zu einem sicheren Familienerlebnis zu machen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung hingewiesen 1 Quelle – ZIS, Stand: 03.12.2012