LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/382 (15/333) 14.03.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: Krankenhäuser im Saarland „Pille danach“ Vorbemerkung des Fragestellers: Zwei katholische Krankenhäuser aus Köln haben diversen Medienberichten zufolge vergewaltigten Frauen eine vollumfängliche Versorgung verwehrt. Da vor allem die „Pille danach“ den religiösen Grundsätzen der Träger widerspräche, musste die Frau, gerade Opfer einer Gewalttat geworden, ein anderes Krankenhaus aufsuchen. Eine umfassende medizinische Versorgung wurde dadurch verzögert und eventuell im Erfolg gemindert . Die betroffenen Krankenhäuser - die katholischen Krankenhäuser im Verbund der Hospitalvereinigung St. Marien GmbH - berufen sich bei dieser Vorgehensweise auf das klinische Ethikkomitee der Hospitalvereinigung. Auf diese Weise möchten sie eine Beratung über Schwangerschaftsabbrüche umgehen. Nicht nur, weil solche Krankenhäuser regelmäßig auch durch Steuermittel finanziert werden, ist eine derartige Verhaltensweise gegenüber vergewaltigten Frauen würdelos und in unserer liberalen und offenen Gesellschaft des Grundgesetzes eigentlich unvorstellbar. Die Vorfälle in Köln führten zu einem europaweiten Medienecho. Sie zeichneten von Deutschland ein Bild wie im finsteren Mittelalter - das kann nicht im Interesse der Behörden und der Politik in Deutschland sein. Ausgegeben: 14.03.2013 (31.01.2013) Drucksache 15/382 (15/333) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Was ist der Grund der Aufregung? Die „Pille danach“ ist ein hormonelles Notfallkontrazeptivum . Sie kann eine Schwangerschaft verhindern, wenn sie rechtzeitig nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen wird. Präparate mit dem Wirkstoff Levonorgestrel sind in 28 europäischen Staaten rezeptfrei erhältlich . In der FAZ vom 13.05.2010 ("Arzneimittelstreit um die „Notfallverhütung") heißt es: "In Frankreich werden diese Pillen sogar in den Schulen verteilt. In Deutschland fallen sie unter die Verschreibungspflicht, obwohl sich der zuständige Ausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte schon vor Jahren für eine Aufhebung der Rezeptpflicht ausgesprochen hat." Neben diesem Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stellt auch die WHO fest, dass die Einnahme sicher ist und eine schädigende Wirkung bei einer bereits bestehenden Schwangerschaft praktisch ausgeschlossen ist. (vgl. 2010 - Editorial in the Bulletin of the World Health Organization Volume 88 No. 4). Die Piratenfraktion Saar erreichten Berichte, wonach es in mindestens einer Klinik in Saarbrücken zu unsachgemäßen Behandlungen gegenüber Frauen gekommen sei, die die Pille danach benötigten . So sollen die Ärzte von den Frauen verlangt haben, die Klinik zu verlassen, sich privat einen Schwangerschaftstest zu beschaffen und mit diesem wieder die Klinik zu betreten. Erst danach sei die Verschreibung der Pille erfolgt. Möchte und wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass solche Praktiken, die nicht im Interesse und Wohl des Patienten liegen, in Kliniken im Saarland in Zukunft unterlassen werden? Zu Frage 1: Der Landesregierung liegen keine Informationen darüber vor, wonach es in „mindestens einer Klinik in Saarbrücken“ zu unsachgemäßen Behandlungen gegenüber Frauen gekommen sei, die die Pille danach benötigten. Auch ist nicht bekannt, dass Ärzte von den Frauen verlangt hätten, die Klinik zu verlassen, sich privat einen Schwangerschaftstest zu beschaffen und mit diesem wieder die Klinik zu betreten. Drucksache 15/382 (15/333) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die Rechtsaufsicht über die Krankenhäuser ist in § 15 Saarländisches Krankenhausgesetz (SKHG) geregelt. Die Aufsicht erstreckt sich darauf, dass die für die Krankenhäuser geltenden Rechtsvorschriften beachtet und eingehalten werden. Sollte es zu Vorfällen kommen, die eine Verletzung der für die Krankenhäuser geltenden Rechtsvorschriften beinhalten und werden diese der Krankenhausaufsicht bekannt, wird unverzüglich eine Prüfung eingeleitet. Hat ein Krankenhaus einen begründeten Verdacht auf einen Verstoß gegen Berufspflichten der Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und - therapeuten ist es nach § 15 Absatz 5 SKHG verpflichtet die Krankenhausaufsichtsbehörde , das Landesamt für Soziales und die jeweils zuständige Heilberufekammer zu unterrichten. Zwischenzeitlich war der Presseberichterstattung zu entnehmen, dass sich der vom Fragesteller erhobene Vorwurf, es sei zu unsachgemäßen Behandlungen von hilfebedürftigen Frauen gekommen, auf Behandlungsfälle in der von der Ärztebereitschaft Saar betriebenen Bereitschaftsdienstpraxis an der Caritasklinik St. Theresia bezieht. Die Bereitschaftsdienstpraxis ist organisatorisch selbständig. Die Kassenärztliche Vereinigung Saarland (KVS) hat durch Dienstanweisung an die in den saarländischen Bereitschaftsdienstpraxen tätigen Ärzte eine sachgemäße Behandlung von Frauen sichergestellt, die um die Verordnung von den zur postkoitalen Verhütung zugelassenen Substanzen Levornorgestrel und Ulipristalacetat nachsuchen . Die Dienstanweisung liegt der Landesregierung vor und hält einer aufsichtsrechtlichen Überprüfung Stand. Demnach ist einer Patientin, die den diensthabenden Arzt mit dem Wunsch nach postkoitaler Empfängnisverhütung aufsucht, das entsprechende Medikament unter Beachtung der Indikation und Kontraindikation zu verordnen . Sofern sich jedoch der diensthabende Arzt aus Gewissensgründen außer Stande sieht, die „Pille danach“ zu verordnen, so soll die Patientin darüber aufgeklärt werden, dass für die Behandlung ein Zeitfenster von in der Regel 48 Stunden zur Verfügung steht. Weiterhin soll die Patientin informiert werden, wo der nächste Arzt zu erreichen ist. Das Durchführen eines Schwangerschaftstests vor der Verordnung der „Pille danach“ gebietet die ärztliche Sorgfaltspflicht, da eine bestehende Schwangerschaft bei Anwendung der Präparate eine Kontraindikation darstellen kann. Schwangerschaftstests werden in den Bereitschaftspraxen nicht vorgehalten und müssen daher von den Patientinnen in einer Apotheke (rezeptfrei) besorgt werden. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, in denen in saarländischen Kliniken aufgrund religiöser Moralvorstellungen Behandlungen verweigert wurden? a) Falls der Landesregierung solche Fälle be- kannt sind; was wird die Landesregierung unternehmen, um dies in Zukunft zu vermeiden ? b) Falls keine entsprechenden Maßnahmen geplant sind, warum nicht? Zu Frage 2: Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass in saarländischen Kliniken aufgrund religiöser Moralvorstellungen Behandlungen verweigert wurden. Drucksache 15/382 (15/333) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wie bewertet die Landesregierung die Vorgänge, bei denen Vergewaltigungsopfern in Deutschland die bestmögliche medizinische Versorgung aus religiösen Gründen verwehrt bleibt? Zu Frage 3: Die Vorgänge, auf die in der Anfrage Bezug genommen wird, entziehen sich einer Bewertung durch die Landesregierung, da die näheren Umstände hier nicht bekannt sind und diese auch nicht im Regelungsbereich der saarländischen Landesregierung liegen. Grundsätzlich vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass jedem Vergewaltigungsopfer der unmittelbare Zugang zu bestmöglicher medizinischer Versorgung sowie psychosozialer Beratung und Begleitung unabhängig von religiösen Überzeugungen unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts der Frau zu ermöglichen ist. Welche besonderen Regeln schränken in konfessionellen Krankenhäusern im Saarland die freie Wahl der Behandlung ein? Wie schätzt die Landesregierung die Rechtmäßigkeit dieser Regelungen ein? Zu Frage 4: Auch konfessionelle Krankenhäuser unterliegen dem Saarländischen Krankenhausgesetz . Ausnahmen gelten gemäß § 2 Absatz 2 SKHG, nicht jedoch für die jedem Krankenhaus obliegende Pflicht, die akut-stationäre Versorgung der saarländischen Bevölkerung durchzuführen. Der Landtag von Baden-Württemberg hat seine Landesregierung aufgefordert, im Bundesrat eine Initiative zu starten, um die Pille danach - mit Beratung - rezeptfrei in Apotheken abzugeben. Wie bewertet die Landesregierung diese Initiative aus Baden-Württemberg? Welche Position vertritt die Landesregierung in Bezug auf diese Initiative? Zu Frage 5: Die Landesregierung wird sich mit der Initiative beschäftigen, wenn sie in den Bundesrat eingebracht worden ist.