LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/450 (15/343) NEU 30.04.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Nachfrage zur Antwort der Landesregierung auf die Anfrage betreffend Umset- zung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Schule [Drucksache 15/279 (15/172)] Welche weitergehenden über die Integrationsverordnung hinaus reichenden Änderungen von Rechtsgrundlagen zur inklusiven Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Förderbedarfen plant die Landesregierung? In welchem Schuljahr sollen diese Änderungen in Kraft treten? Zu Frage 1: Wie schon in der Antwort zur LT-Drs. 15/172 ausgeführt, beabsichtigt die Landesregierung deutlich weitergehende Veränderungen der Rechtsgrundlagen zur inklusiven Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Förderbedarfen als nur die Änderung der Integrationsverordnung. Nach Ansicht der Landesregierung kann eine Veränderung der Integrationsverordnung allein der Verpflichtung aus der UNBehindertenrechtskonvention nicht gerecht werden. Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Umsetzung der Inklusion gründlich und sorgfältig vorbereitet werden muss. Dabei will sie sich auf die Ergebnisse und die Erfahrungen der Regelschulen, die im Pilotprojekt zur Entwicklung eines inklusiven Förderkonzepts („s. Erlass zur Einrichtung des Pilotprojektes zur Entwicklung eines inklusiven Förderkonzepts an Regelschulen im Saarland“) beteiligt sind, stützen und die Ergebnisse der Evaluation zu diesem Projekt in ihre weitere Planung zur Umsetzung der Inklusion einarbeiten. Davon abhängig werden die Rechtsgrundlagen zur inklusiven Beschulung von allen Kindern und Jugendlichen (nicht nur von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Förderbedarfen) geändert. Alle Änderungen werden Schritt für Schritt durchgeführt, vorher angekündigt, diskutiert und erläutert. Umsetzung von Inklusion bedeutet die Mitnahme aller Gesellschaftsschichten , will sie auch gelingen. In den nun folgenden Schuljahren werden nach und nach die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Inklusion veranlasst. Ausgegeben: 03.05.2013 (04.02.2013) Drucksache 15/450 (15/343) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Die in der Antwort zu Frage 2 aufgeführten Maßnahmen der Landesregierung zur frühzeitigen individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler sind allesamt Maßnahmen, die von der Vorgängerregierung erfolgreich eingeleitet bzw. durchgeführt worden sind. Daraus ergibt sich folgende Nachfrage: Gibt es darüber hinausgehend neue bzw. weitergehende Maßnahmen zur individuellen Förderung und zur Vermeidung des weiteren Anstiegs der Zahl von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf? Zu Frage 2: Die bisher eingeleiteten Maßnahmen erfahren in der jetzigen Phase ihre Ausgestaltung und eine umfassende und in die landesweite Praxis umzusetzende Weiterentwicklung. Darüber hinaus wurde im Sommer 2012 ein Konzept zur Fortentwicklung inklusiver Aspekte in Regelschulen erstmals erstellt und auf den Weg gebracht. Dieses Konzept liegt nun für den Primarbereich vor, befindet sich zurzeit in der Abstimmungsphase und wird danach - wie oben beschrieben - nach und nach umgesetzt. Der Einsatz der ausgebildeten Inklusionsberater/innen wurde konzeptionell überarbeitet und in Zusammenarbeit mit dem LPM auf eine neue Grundlage gestellt. „Umgang mit Heterogenität“ war vom Konzept der Lehrerausbildung für den neuen Studiengang Grundschule als Wahlpflichtfach geplant. Inzwischen gibt es in der Lehrerbildung (erste, zweite und dritte Phase) eine enge Zusammenarbeit zwischen Universität , Studienseminaren, Fortbildungsinstituten und dem Ministerium für Bildung und Kultur. Um weitergehende Maßnahmen zur individuellen Förderung verwirklichen zu können und eine Vermeidung des weiteren Anstiegs der Zahl von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu erreichen, ist das noch bestehende Verfahren zur Anerkennung sonderpädagogischen Förderbedarfs zu optimieren. Steigt bei zurückgehenden Schülerzahlen weiterhin die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit anerkanntem sonderpädagogischen Förderbedarf, sinken auch die Ressourcen an Lehrerwochenstunden für Maßnahmen zur individuellen Förderung. Aus diesem Grund werden auch schon bei Antragstellung auf Überprüfung auf sonderpädagogischen Förderbedarf nicht alle Anträge von den Förderzentren und dem Ministerium für Bildung und Kultur gerade im Sinne der Schülerinnen und Schüler zur Gutachtenerstellung weitergeleitet. Vielmehr werden die Anträge genau geprüft und bei Nichterteilung des Gutachtenauftrags die Antragssteller in Bezug auf die individuelle Hilfe für den Schüler/die Schülerin in der Regelschule beraten. Drucksache 15/450 (15/343) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Beispiele für Nichterteilung des Gutachtenauftrags: - Dokumentation der Beeinträchtigung des Kindes rechtfertigt nicht die Meldung (unterschiedliche subjektive und stark divergierende Einschätzungen der Beeinträchtigungen der Kinder durch Lehrkräfte und Schulleitungen) - Dokumentation des Leistungsstandes und der Leistungsbeurteilung rechtfertigt nicht die Meldung. - Die Fördermöglichkeiten des Kindes durch die Regelschule sind nicht ausgeschöpft . Die genaue Prüfung der Anträge ist für jede Meldung notwendig, um nicht leichtfertig einem Schüler/einer Schülerin sonderpädagogischen Förderbedarf anzuerkennen, der ihn dann als Schüler/Schülerin der Förderschule ausweist. Momentan ist in der Tendenz zu erkennen, dass es zum kommenden Schuljahr erstmals keinen Anstieg der Anzahl, ja sogar einen Rückgang der Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf geben wird. Die Zuweisung von Lehrerwochenstunden (pro Kind) für Integrationsmaßnahmen ist laut Ihrer Antwort auf Frage 4 von 2,08 Stunden im Schuljahr 2011/12 auf 1,92 Stunden pro Maßnahme abgesenkt worden. Die Landesregierung räumt ein, dass eine Erhöhung der Lehrerwochenstundenzahl der Förderschullehrkräfte, die Schülerinnen und Schüler im gemeinsamen Unterricht unterstützen , wünschenswert ist und dazu derzeit nicht genügend Bewerberinnen und Bewerber zur Einstellung zur Verfügung stehen. Des Weiteren räumt die Landesregierung ein, dass die Personalisierung von Integrationsmaßnahmen keinen rechtlichen Vorgaben unterliegt, im Gegensatz zur Personalisierung der Förderschulen; ebenso bestätigt die Landesregierung in Ihrer Antwort, dass die bisherige Personalisierung der Förderschulen im Vergleich zur Personalisierung der Integrationsmaßnahmen bisher unausgewogen gestaltet war. Diesbezüglich ergeben sich aus der Antwort der Landesregierung folgende Nachfragen: a) Durch welche Maßnahmen will die Landes- regierung in dieser Hinsicht eine Verbesserung der Personalisierungssituation erreichen ? Zu Frage 3 a): Durch die zu erwartende Reduzierung der Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf ergibt sich folgerichtig eine bessere Personalisierung der Integrationsmaßnahmen für das kommende Schuljahr 2013/14. Des Weiteren wurde in diesem Schuljahr die Ausbildungskapazität im Studienseminar Förderschule erhöht. Statt nur der (von der Aufnahmekapazität möglichen) 15 Stellen für Lehramtsanwärter/innen wurden alle 25 Bewerber/innen in die zweite Ausbildungsphase übernommen. Drucksache 15/450 (15/343) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Inklusionspädagogische Konzepte werden in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte implementiert: Lehramtsstudium • Module zur inklusiven Förderung sowie zur Unterrichtsgestaltung in heterogenen Klassen/Lerngruppen • Ausbildung im Zentrum für Lehrerbildung durch Landesfachberaterin für das Handlungsfeld „Inklusive Unterrichtung“ Referendariat (aller Lehrämter) • thematische Ausbildung in der zweiten Ausbildungsphase auch in der gemein- samen Unterrichtung • Ausbildung durch Fachleiter/innen und Landesfachberaterin am Studienseminar in den jeweiligen Fachrichtungen sowie in der gemeinsamen Unterrichtung in der Regelschule Lehrerfortbildung • zusätzlicher Pädagogischer Tag für Schulen zum Thema „Inklusi- on/Schulentwicklung“ • Schwerpunktthemen der Fortbildungsinstitute sind „Inklusion“, „Diagnose und Förderung“, „Individualisiertes Lernen“ und „Unterrichten heterogener Schülergruppen “ Lehrerberatung • Landesfachberaterin am Landesinstitut für Pädagogik und Medien • Inklusionsberater/innen Zusätzlich wurden dem Förderschulreferat weitere 10 Lehrerstellen von den anderen Schulreferaten zur Verfügung gestellt. Diese Stellen sind alle besetzt worden. b) Inwiefern wird die Personalisierung der Integrationsmaßnahmen im Vergleich zu den Personalisierungen an den Förderschulen im Sinne Ihrer Antwort „künftig ausgewogener gestaltet“ werden? Zu Frage 3 b): Die Landesregierung hat sich die Umsetzung der Inklusion als Ziel gesetzt. Alle gelingenden Schritte dorthin können als Zwischenschritte gesehen und anerkannt werden. Ein Zwischenziel ist die gleichberechtigte Personalisierung von Integrationsmaßnahmen im Vergleich zur Personalisierung der Förderschulen. Dies bedeutet auch die Erschließung vorhandener Ressourcen von Lehrerwochenstunden. Zum nächsten Haushaltsjahr wurden 80 Förderschullehrerstellen den Grundschulen zugewiesen. Dies geschieht, damit Förderschullehrkräfte mit ihren Stellen fest den Grundschulen zugeordnet werden können. Es geht dabei um Konstanz in der Personalisierung der Maßnahmen, vor allem auch im Hinblick auf Prävention in den Regelschulen . Drucksache 15/450 (15/343) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Eine Budgetierung mit Förderschullehrkräften ist angedacht für die Förderbedarfe Lernen , Sprache sowie für emotionale und soziale Entwicklung für alle Regelschulen, zunächst beginnend mit den Grundschulen. Weiterhin werden für Kinder mit Anspruch auf besondere pädagogische Förderung und Unterstützung im Bereich der körperlichen und motorischen Entwicklung, der geistigen Entwicklung, des Hörens oder Sehens zusätzlich entsprechende Förderstunden durch Förderschullehrkräfte zugewiesen . Dadurch wird eine personale Kontinuität durch Einsatz eines oder – bei Bedarf – mehrerer Sonderpädagogen für die fachliche, teamorientierte und präventive Arbeit an einer Regelschule geschaffen. So ist dann der Grundschule eine zusätzlich qualifizierte sonderpädagogische Lehrkraft zugewiesen. Benötigt der Förderpädagoge fachliche Unterstützung für Maßnahmen, in denen er nicht ausgebildet ist, kann er sich an das regionale Förderzentrum wenden. c) Welche konkreten Veränderungen wird es dazu im kommenden Schuljahr geben? Zu Frage 3 c): Für das nächste Schuljahr sollen die in a) und b) genannten Maßnahmen umgesetzt werden. Wann wird die in der Antwort zu Frage 7 angekündigte Budgetierung der Regelschulen mit Förderschullehrkräften für die genannten Förderbedarfe eingeführt? Zu Frage 4: Siehe Antwort zu Frage 3 c. a) Betrifft diese Budgetierung alle Grundschulen und weiterführende Schulen oder erfolgt eine schrittweise Einführung? Zu Frage 4 a): In vielen Regelschulen sind Förderschullehrkräfte schon fest budgetiert. Bisher gab es dazu jedoch keine Tätigkeitsbeschreibung der Förderschullehrkräfte und damit rechtliche Unsicherheiten. Dies wird zurzeit mit allen Beteiligten (Förderzentren, Personalräten , Lehrkräften) diskutiert und entsprechende Regelungen formuliert. b) Nach welchem Berechnungsmodell wird die Budgetierung vorgenommen? Zu Frage 4 b): Auch ein entsprechendes Berechnungsmodell wird gemeinsam erarbeitet. Drucksache 15/450 (15/343) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - In der Antwort zu Frage 9 gibt die Landesregierung an, dass hinsichtlich der Beschulung eines Schülers/einer Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf entweder an einer Regelschule oder an einer Förderschule „weitestgehend “ Wahlfreiheit für die Erziehungsberechtigten besteht. Im Koalitionsvertrag ist allerdings vereinbart , dass „Eltern ein echtes Wahlrecht zwischen Regelschulen und Förderschulen erhalten“ sollen. Diesbezüglich ergeben sich aus der Antwort der Landesregierung folgende Nachfragen: a) Ist die Landesregierung der Auffassung, dass das von ihr genannte „weitestgehende Wahlrecht “ kein „echtes Wahlrecht“ ist, das durch die Regelungen der Integrationsverordnung im Hinblick auf räumliche, personelle und sächliche Voraussetzungen für eine Beschulung von Kindern mit einer Behinderung in Regelschulen eingeschränkt wird und ohnehin eine Regelbeschulung erst auf Antrag der Eltern möglich ist? Zu Frage 5 a): Das Ministerium für Bildung und Kultur räumt den Erziehungsberechtigten ein Wahlrecht ein und berät alle Beteiligten diesbezüglich. Derzeit behält die Integrationsverordnung noch ihre Gültigkeit, bis deren Änderungen - eher deren Neufassung - im Blick auf die Umsetzung der Inklusion allumfänglich sein wird. Es wäre nicht zielführend, die geltende Integrationsverordnung stückweise zu ersetzen. Bezüglich der Wahlfreiheit wurden Regelungen in Rundschreiben an alle Regelschulen formuliert. b) Beabsichtigt die Landesregierung diese Einschränkungen abzuschaffen oder ist sie der Auffassung, dass das von ihr formulierte „weitestgehend bestehende Wahlrecht“ der Eltern ausreichend ist, die UN - Behindertenrechtskonvention umzusetzen und im Übrigen auch den Koalitionsvertrag zu erfüllen? Zu Frage 5 b): Die Rechtsgrundlagen zur inklusiven Beschulung von allen Kindern und Jugendlichen (nicht nur von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Förderbedarfen) werden geändert (s. Antwort zur Frage 1) Drucksache 15/450 (15/343) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - In der Antwort zu Frage 10 nehmen sie Abstand von der im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelung , den Einsatz der Integrationshelfer im Schulbereich zukünftig ins Bildungsministerium zu verlagern . Daraus ergibt sich folgende Nachfrage: Welche Gründe führten dazu, dies im Koalitionsvertrag zu vereinbaren und warum wird diese Vereinbarung nicht umgesetzt? Zu Frage 6: Die Finanzierung der Integrationshelferinnen und Integrationshelfer erfolgt aus Mitteln der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch (SGB). Die vom Land zu erbringenden Sozialleistungen, unter die auch die Eingliederungshilfe fällt, sind haushaltsmäßig in einem Titel mit entsprechend hohem Haushaltsansatz beim Landesamt für Soziales veranschlagt. Innerhalb dieses Titels können bedarfsgerechte Verschiebungen im Rahmen der unterschiedlichen SGB-Leistungen vorgenommen werden. Durch die Ausgliederung eines im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Sozialleistungen eher geringen Haushaltsansatzes für die Integrationshelfer/innen wäre diese Flexibilität im Einsatz der Mittel verloren gegangen. Die Koalitionspartner haben sich daher darauf verständigt, den Haushaltsansatz beim Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen zu belassen und die inhaltliche Ausgestaltung des Einsatzes der Integrationshelferinnen und Integrationshelfer in enger Kooperation zu realisieren. Die Verantwortung für den schulischen Bereich liegt damit beim MBK, so wie es im Koalitionsvertrag festgelegt ist. Weder der „Beirat Inklusion“ noch die „Lenkungsgruppe Inklusion“ haben seit der Regierungsübernahme durch die große Koalition getagt. Existieren beide Gremien noch und wann ist beabsichtigt mit welchem Ziel eines dieser Gremien oder auch beide wieder einzuberufen? Zu Frage 7: Der „Beirat Inklusion“ und die „Lenkungsgruppe Inklusion“ wurden von der Regierung der 14. Legislaturperiode im Jahr 2010 erstmalig einberufen. Die „AG Inklusion“ des MBK hat meist gemeinsam vor beiden Gremien ihre Arbeitsergebnisse vorgestellt. Durch die hohe Anzahl von Berufenen (über 100) in diesen Gremien kam es kaum zu Diskussionen und erst recht nicht zur Lenkung. In dieser Hinsicht haben beide Gremien ihre Funktion nicht erfüllen können. Es ist nun die Aufgabe des MBK, beide Gremien von der Anzahl ihrer Mitglieder zu reduzieren, damit Arbeitsfähigkeit gewährleistet wird. Gesetzes- und Verordnungsänderungen, die im Zusammenhang mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention stehen, werden in einem transparenten Beteiligungsprozess diskutiert und umgesetzt.