LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/467 (15/352) 08.05.2013 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Jasmin Maurer (PIRATEN) betr.: Alkoholkonsum von Jugendlichen im Saarland zur Faschingszeit Vorbemerkung der Fragestellerin: „Fastnacht ist die Zeit, in der ausgelassen gefeiert und gerne mal zu dem ein oder anderen Glas Alkohol gegriffen wird. Leider werden Alkoholexzesse bei Jugendlichen immer häufiger, besonders in der närrischen Zeit. Rasant steigende Fallzahlen mit sich anschließenden stationären Krankenhausaufenthalten beherrschen die Medien. Laut Presseberichten hat Trier aufgrund ausschweifender Alkoholexzesse am Fetten Donnerstag 2012 für dieses Jahr ein Alkoholverbot in der Innenstadt ausgesprochen. Vergangenes Jahr mussten beispielsweise über 60 junge Menschen dort mit zum Teil lebensbedrohlichen Alkoholvergiftungen behandelt werden. Nun sollen mobile Streifen an Weiberfastnacht das geltende Alkoholverbot in Trier überwachen, d.h. Jugendliche ansprechen und kontrollieren. Wer am 7. Februar zwischen 9 und 19 Uhr in Trier auf öffentlichen Plätzen und Straßen Alkohol trinkt, muss mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 5.000 Euro rechnen. Der „Arbeitskreis Gemeindenahe Suchtprävention“ des Landkreises St. Wendel will insbesondere an die Eltern appellieren, auf den Jugendschutz zu achten. Es sollten Abmachungen und Regeln zum Alkoholkonsum vereinbart werden, die altersangemessen sind. Gerade auch auf Fastnachtsumzügen gibt es häufig Gelegenheiten für Jugendliche, Alkohol zu trinken . Daher ist es wichtig, mit den jungen Menschen über den Umgang mit Alkohol zu sprechen .“ Ausgegeben: 10.05.2013 (13.02.2013) Drucksache 15/467 (15/352) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Wie viele Jugendliche wurden im Saarland in den letzten fünf Jahren wegen übermäßigem Alkoholkonsum ambulant und stationär behandelt während der Faschingszeit? Bitte die Fallzahlen für die Jahre 2008 – 2013 und die Schwere der Alkoholvergiftung aufgeschlüsselt angeben. a) Zum Vergleich: Wie viele Menschen wurden im Saarland in den letzten fünf Jahren wegen übermäßigem Alkoholkonsum ambulant und stationär behandelt während der Faschingszeit? Bitte die Fallzahlen für die Jahre 2008 – 2013 und die Schwere der Alkoholvergiftung aufgeschlüsselt angeben. Zu Frage 1 und 1a: Der Landesregierung liegen keine Zahlen dazu vor. Entsprechende Angaben wurden bei der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland sowie bei der saarländischen Krankenhausgesellschaft angefragt. Die Kassenärztliche Vereinigung Saarland teilte mit, dass Informationen aus dem ambulanten Bereich zum Alkoholkonsum von Jugendlichen im Saarland weder hinsichtlich der Zahl noch der Schwere der Erkrankung vorhanden sind. Die saarländische Krankenhausgesellschaft e.V. (SKG) wies darauf hin, dass differenzierte Angaben zum Alkoholkonsum von Jugendlichen im Saarland nicht vorliegen, insbesondere fehlen die Informationen für die ambulante Behandlung durch die Krankenhäuser (zum Beispiel als Notfall). Ebenso seien keine Aussage über die Schwere der Alkoholvergiftung möglich. Eine Befragung der Krankenkassen und privaten Krankenversicherer hat sowohl für den ambulanten Bereich als auch stationären Bereich ergeben, dass nur einzelne Kassen über Daten verfügen. Damit ist in der Gesamtheit kein Überblick über Alkoholintoxikation bei Jugendlichen und Erwachsenen über die Faschingstage möglich. Um die Fallzahlen aus Frage 1 korrekt einzuordnen: Wie viele Jugendliche wurden im Saarland in den letzten fünf Jahren wegen übermäßigem Alkoholkonsum ambulant und stationär behandelt? Bitte die Fallzahlen für die Jahre 2008 – 2013 und die Schwere der Alkoholvergiftung aufgeschlüsselt angeben. a) Zum Vergleich: wie viele Menschen wurden im Saarland in den letzten fünf Jahren wegen übermäßigem Alkoholkonsum ambulant und stationär behandelt? Bitte die Fallzahlen für die Jahre 2008 – 2013 und die Schwere der Alkoholvergiftung aufgeschlüsselt angeben. Drucksache 15/467 (15/352) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Zu Frage 2 und 2a: Zum ambulanten Bereich liegen nur kassenspezifische Angaben vor. Auch seitens der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland sind Informationen aus dem ambulanten Bereich zu Alkoholintoxikationen weder hinsichtlich der Zahl noch der Schwere der Erkrankung vorhanden. Daten zur stationären Behandlung liefert die Krankenhausdiagnosestatistik für die Jahre 2008 bis 2011: 10-15 J. 15-20 J. Jugendliche gesamt Erwachsene 2008 77 375 452 1.582 2009 55 372 427 1.577 2010 54 390 444 1.451 2011 63 392 455 1.334 Welche Erkenntnisse und Zahlen liegen der Landesregierung über die Entwicklung des sog. „Rucksack-Saufens“ (Jugendliche reisen bereits mit hochprozentigen Spirituosen zu öffentlichen Veranstaltungen an) im Saarland vor? a) Inwiefern wird von der Landesregierung das Phänomen wahrgenommen, dass sich Jugendliche, im Falle der durch Städte und Gemeinden ausgesprochene Alkoholkonsumverbote , bei öffentlichen Veranstaltungen in der Nähe des Veranstaltungsorts treffen und selbst beschafften Alkohol dort konsumieren? Zu Frage 3: Der Landesregierung liegen keine validen Zahlen zum so genannten „RucksackSaufen “ vor. Das Landespolizeipräsidium (LPP) berichtet jedoch, dass das so genannte „Rucksack-Saufen“ in den letzten Jahren verstärkt festgestellt wurde. Jugendliche bringen zu den Veranstaltungen ihre alkoholhaltigen Getränke mit, um sie außerhalb des Veranstaltungsraumes zu konsumieren. Auf eine Befragung der 52 saarländischen Kommunen bezüglich des so genannten „Rucksack-Saufens“ antworteten 40 Ortspolizeibehörden. Lediglich von den Ortspolizeibehörden Schiffweiler, Merchweiler und St. Wendel wurde dies „positiv“ bestätigt. Allerdings trat dieses Phänomen nicht während der Faschingszeit auf, sondern im Zusammenhang mit Kirmesveranstaltung. Zu Frage 3a: Nach den vorliegenden Rückmeldungen der Kommunen wurden keine lokalen und temporär begrenzten Alkoholverbote ausgesprochen. Allgemeine Alkoholverbote in Form von Verordnungen der Ortspolizeibehörde existieren ebenfalls nicht. Dieser Feststellung steht nicht entgegen, dass eine Vielzahl örtlicher Polizeiverordnungen ein Alkoholverbot vorsieht, wenn durch den Konsum Passanten oder die Allgemeinheit gefährdet werden. Drucksache 15/467 (15/352) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wurden im Saarland vor den Faschingszeiten Präventionsmaßnahmen durchgeführt, die Eltern sowie Jugendliche über die Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum aufgeklärt haben? a) In welcher Höhe wurden Landesmittel für solche Maßnahmen in den vergangenen Jahren bereitgestellt? Zu Frage 4: Seit Einführung des Präventions- und Interventionsprojektes „Hart am Limit“ („HaLT“) im Landkreis Neunkirchen sind die Faschingstage ein besonderes Einsatzgebiet für die im Rahmen des Projektes aufgebauten Jugendschutzteams zur Ansprache von Kindern und Jugendlichen vor und bei Alkoholkonsum. Dabei werden auch die zuständigen Ordnungsämter bzgl. wünschenswerter Maßnahmen zur Gewährleistung des Jugendschutzes an den Faschingsumzügen angesprochen. Im HaLT-Netzwerk sind sowohl die Suchtpräventionsfachkräfte der Beratungsstelle „Die Brigg“ des Caritasverbandes (Federführung) aktiv, wie auch Vertreter der Jugendpflege und der Polizei. Die Arbeit des Netzwerks umfasst dabei auch die Ansprache von Getränkemärkten und Tankstellen zur Einhaltung des Jugendschutzes bei der Abgabe von Alkoholika. Eine analoge Arbeit zum Neunkircher HaLt-Projekt wird außerdem im Landkreis St. Wendel durch das Netzwerk der „Antenne Schaumberg“ (Jugendpflege, Suchtberatungsstelle Knackpunkt, Gesundheitsamt St. Wendel) geleistet. Zu Frage 4a: Über die Höhe der Landesmittel, die für solche Maßnahmen (zur Faschingszeit) bereitgestellt werden, liegen keine Zahlen vor. Eine Aufschlüsselung der verausgabten Mittel nach speziellen Maßnahmen zur Faschingszeit ist nicht möglich. Landesweit haben in 2012 über 220 Maßnahmen der Präventionsfachkräfte zur Prävention des Alkoholkonsums bei 14- bis 27-Jährigen stattgefunden (entsprechend der Datenbasis Dot.Sys. zur Dokumentation suchtpräventiver Maßnahmen im Saarland). Die öffentlichen Mittel (Land und Landkreise) für alle Suchtpräventions- und Suchtberatungsfachstellen betragen in der Summe rund 1,2 Mio. € pro Jahr. Sind der Landesregierung Fälle bekannt, wo in der Faschingszeit unerlaubt Alkohol an Jugendliche unter 16 Jahren ausgeschenkt wurde? a) Wie stellt die Landesregierung sicher, dass auf die im Jugendschutzgesetz festgelegten Altersgrenzen und Abgabeverbote geachtet wird? b) Welche Möglichkeiten sieht die Landes- regierung, die Kontrollen zu verbessern? Drucksache 15/467 (15/352) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - c) Welche Maßnahmen plant die Landesregierung , die Kontrollen zu verbessern? Zu Frage 5: Der Landesregierung ist im Jahr 2013 lediglich ein Fall bekannt, in dem durch einen Gaststättenbetreiber in der Faschingszeit Alkohol an Jugendliche verausgabt wurde. Von zwei Ortspolizeibehörden wurde über Verstöße gegen das Ausschankverbot berichtet . In anderen Fällen, welche das Gebiet der Landeshauptstadt betrafen, die aber zahlenmäßig nicht beziffert sind, wurden Bußgeldverfahren eingeleitet. Seitens der Landeshauptstadt Saarbrücken wurde die Anfrage lediglich dahingehend beantwortet, dass bei Bekanntwerden von Verstößen diese geahndet werden. Im Jahre 2012 sei dies nur geringfügig vorgekommen. Die Anzahl der Vorkommnisse wurde allerdings nicht angegeben. Zu Frage 5a: Im Saarland sind für die Durchführung aller anlassunabhängigen Jugendschutzkontrollen die Landkreise, der Regionalverband Saarbrücken und die Landeshauptstadt Saarbrücken (Kreispolizeibehörden) originär zuständig. Die Vollzugspolizei leistet Vollzugshilfe bzw. führt anlassbezogene Kontrollen durch. Es bleibt demnach neben den Appellen an Veranstalter und Handeltreibende der Hinweis an die zuständigen Ortspolizeibehörden, Altersgrenzen und Verbote zu kontrollieren . Dies gehört zu den permanenten Aufgaben während des ganzen Jahres. Zu Frage 5b und 5c: Aus Sicht der Landesregierung können verstärkte Kontrollen durch die zuständigen Behörden sowie Sensibilisierung und Kontrolle des Personals im Einzelhandel zu einer Verbesserung der Situation führen. Jedoch setzt eine höhere Kontrolldichte lediglich auf der Wirkungsseite Akzente, nicht aber auf derjenigen der Ursachen. Hierzu bedarf es unter Umständen eines weiteren Ausbaus von Präventionsmaßnahmen bis hin zur weiteren Sensibilisierung von Gastwirten und Verkäufern. Dass dies zu guten Ergebnissen führt, wird durch die Stellungnahmen verschiedener Ortspolizeibehörden belegt. Auch Ausschankbeschränkungen und -verbote haben zu guten Ergebnissen geführt. Dies zeigt ganz deutlich das Beispiel der Kreisstadt Homburg. In diesem Kontext muss erwähnt werden, dass bedingt durch das Verbot eines Außenausschanks an Rosenmontag in den Jahren 2012 und 2013 keine alkoholbedingten Probleme mehr festgestellt wurden. Ähnlich gute Erfahrungen werden auch von der Gemeinde Illingen berichtet, die das Projekt Hart am Limit „HaLT“ durchführt. Wie steht die Landesregierung zu sozialen Maßnahmen für Jugendliche (z.B. in Form von Sozialstunden anstatt Bußgeldern, wie in Trier), die aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums auffällig geworden sind? Drucksache 15/467 (15/352) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Zu Frage 6: Die Landesregierung befürwortet soziale Maßnahmen im Grundsatz. Bei den sog. „Sozialstunden “ handelt es sich um eine Erziehungsmaßregel, welche in § 9 Nummer 1 in Verbindung mit § 10 Absatz 1 Nummer 4 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) als Sanktion für Verstöße gegen strafbewehrtes Handeln vorgesehen ist. Ihre Verhängung ist nach § 33 dieses Gesetzes im Jugendgericht vorbehalten; hier ist kein Raum für ein Tätigwerden der Ortspolizeibehörden oder lokaler Bußgeldbehörden. Bußgelder als klassische „Verwaltungsstrafe“ kommen nur bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Betracht. Ein Austausch gegen andere Sanktionen ist nur möglich , wenn dies gesetzlich zugelassen ist. § 98 Abs. 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) sieht zwar vor, dass anstelle von Geldbußen auch Arbeitsleistungen auferlegt werden können. Dies setzt aber voraus, dass eine zuvor rechtskräftig verhängte Geldbuße nicht gezahlt wurde. Zuständig für diese Umwandlung ist auch nicht die Bußgeldbehörde, sondern der Jugendrichter. Die Kreisverwaltung Trier Saarburg stellt klar, dass in der Stadt Trier keine „Sozialstunden anstatt Bußgeldern“ ausgesprochen wurden, da keine Jugendlichen bzw. junge Heranwachsende aufgrund der komplexen Interventionsmaßnahmen (generelles Alkoholverbot für die gesamte Innenstadt an Weiberfastnacht von 9:00 Uhr bis 19:00 Uhr) am „Fetten Donnerstag“ auffällig geworden sind. Darüber hinaus wurde ein solcher Ansatz nicht grundsätzlich konzeptionell festgeschrieben, sondern durch eine enge Einbindung des „Allgemeinen Dienstes“ der Jugendämter einzelfallbezogenen bearbeitet. Wie steht die saarländische Regierung zu einem spezifischen Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen und Straßen während der Faschingszeit wie in Trier? Zu Frage 7: In Trier gilt lediglich am „Fetten Donnerstag“ ein generelles Alkoholverbot für die gesamte Innenstadt von 9:00 Uhr bis 19:00 Uhr. Aus Sicht der saarländischen Landesregierung kann laut Rechtsprechung ein solches Verbot bei der geltenden Rechtslage kaum Bestand haben. Es ist der Ortspolizeibehörde nicht freigestellt, eine derartige Regelung zu treffen. Welche positive Entwicklung ist aus Sicht der Landesregierung seit Beginn der Aktion „Saarbob“ festzustellen? Zu Frage 8: Das Projekt „SAARBOB“ gilt generell für alle Verkehrsteilnehmer, aber insbesondere sollen junge Fahrer im Alter von 18 bis 24 Jahren für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol am Steuer sensibilisiert werden. Gerade junge Fahrer verursachen laut Verkehrsunfallstatistik jeden vierten bis fünften schweren Verkehrsunfall. Im Jahr 2009 wurde das Projekt im Landkreis Saarlouis eingeführt. In den anderen Landkreisen wurde das Projekt sukzessive eingeführt, eine flächendeckende Implementierung wird weiterverfolgt. Drucksache 15/467 (15/352) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - „BOB“ wird in mehreren Bundesländern (Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen und Thüringen ) seit mehreren Jahren durchgeführt. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass in Ländern, in denen das Projekt schon mehrere Jahre praktiziert wird, die Anzahl der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinwirkung im Mehrjahresvergleich kontinuierlich zurückgegangen ist. Dies gilt insbesondere für die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz. Aufgrund der kurzen Laufzeit kann dies für das Saarland noch nicht wissenschaftlich bestätigt werden, aber es wird erwartet, dass „SAARBOB“ ebenfalls erfolgreich sein wird. Eine Popularitätsoffensive (Brückenbanner, Plakatwerbung in Bussen und Gaststätten) im Frühjahr 2013 wird mit dazu beitragen, dass die Kampagne bekannter wird. Das Hauptziel des Präventionsprojekts „SAARBOB“ ist die „Reduzierung der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinwirkung“. Dass daneben auch die Klinikeinlieferungen nach Alkoholmissbrauch reduziert werden können, ist zu vermuten, aber bisher nicht nachweisbar.