LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/503 (15/417) 27.05.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Grundlage zur Dauerüberwachung entlassener und weiterhin gefährlicher Straftäter Vorbemerkung der Landesregierung: Die Frage, ob es im Saarland einen dringenden gesetzlichen Handlungsbedarf im Hinblick auf die gesetzlichen Grundlagen zur Dauerüberwachung entlassener und weiterhin gefährlicher Straftäter gebe, war bereits am 10. Januar 2013 unter Tagesordnungspunkt 1 Gegenstand der Erörterungen im Ausschuss für Justiz, Verfassungsund Rechtsfragen sowie Wahlprüfung. Diese Beratungen fanden unter Hinzuziehung des Ausschusses für Inneres und Sport statt. Seinerzeit war die Landesregierung gebeten , mit Blick auf die aktuelle Beschlusslage des Bundesverfassungsgerichts, hier Beschluss vom 8. November 2012, Az.: 1 BvR 22/12, über die geplanten Änderungen des Saarländischen Polizeigesetzes (SPolG) zu berichten. Der vorgenannte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts befasst sich mit der Zulässigkeit der längerfristigen polizeilichen Beobachtung eines aus der Sicherungsverwahrung Entlassenen. Es handelte sich dabei um einen Fall aus Baden-Württemberg. Im Ergebnis stellte das Gericht fest, dass die Maßnahme verfassungswidrig gewesen sei. Bedeutsam an dem Urteil ist, dass nicht etwa eine fehlende Rechtsgrundlage angenommen wurde, sondern darauf abgestellt wird, dass sich „…die Dauerobservation eines aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Mannes (…) auf hinreichend aktuelle Tatsachengrundlagen zur Einschätzung seiner Gefährlichkeit stützen (muss)“. Das Gericht hat vielmehr für eine Übergangszeit konzediert, dass die Maßnahme auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden könne. Danach kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die Befugnisse der Polizei besonders geregelt sind. Nach hiesigem Verständnis besteht nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kein zwingender gesetzgeberischer Handlungsbedarf, vielmehr müssen – lediglich – beim Vollzug die insoweit unmissverständlich formulierten verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtet werden. Polizeiliche Maßnahmen müssen sich auf aktuelle Erkenntnisse stützen und nicht ausschließlich auf Prognosen, die auf unter Umständen überholten Annahmen beruhen. Dabei handelt es sich um eine selbstverständliche Voraussetzung polizeilichen Handelns, die jedoch keiner gesetzlichen Regelung bedarf , da sie verfahrensimmanent ist. Ausgegeben: 27.05.2013 (05.04.2013) Drucksache 15/503 (15/417) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Diese Rechtsauffassung der Landesregierung wurde im Ausschuss vorgetragen und fand dort auch Zustimmung. Sieht die Landesregierung nunmehr einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um eine spezielle Ermächtigung zu schaffen, auf deren Grundlage dann der Eingriff einer polizeilichen Dauerobservation von ehemals Untergebrachten oder in Sicherungsverwahrung befindlichen entlassenen Straftätern , die aber weiterhin gefährlich sind, zulässig ist? Zu Frage 1: Das Verwaltungsgericht Freiburg hat sich mit dem in Bezug genommen Urteil mit dem Anwendungsbereich des § 22 des baden-württembergischen Polizeigesetzes (PolG BW) befasst. Dabei wurde festgestellt, dass die Vorschrift keine Ermächtigungsgrundlage sei, um jahrelang rund um die Uhr für rückfallgefährdet gehaltene Sexualstraftäter zum Zweck der Gefahrenabwehr polizeilich zu überwachen. Eine Entscheidung über die im Saarland geltende Rechtslage ist hierin nicht zu sehen. Das zuständige Verwaltungsgericht des Saarlandes hat diesbezüglich mit Urteil vom 20. Dezember 2012, Az.: 6 K 745/10 (noch nicht rechtskräftig), festgestellt, dass „…die Kammer nicht an ihren bisher geäußerten Bedenken zur Anwendbarkeit des § 28 SPolG für den Fall der offenen Dauerobservation festhalte. “. Weiter weist das Gericht darauf hin, dass die Vorschrift des § 28 Absatz 2 Nummer 1 SPolG bereits jetzt unzweifelhaft die längerfristige Observation – und zwar offen und verdeckt - regele. Dem stehe auch nicht die systematische Stellung der Norm als Datenerhebungsvorschrift entgegen, womit eines der Hauptargumente des VG Freiburg auf die hiesige Rechtslage nicht übertragbar ist. Gestützt wird diese Rechtsauffassung vor allem auf die amtliche Begründung zum Saarländischen Polizeigesetz (LtDrs. 9/1929). Darin wird zu § 28 Absatz 2 Nummer 1 ausgeführt, dass es sich bei der Observation eben um die längerfristige Beobachtung einer Person handele, insbesondere „rund um die Uhr“, also genau den in Rede stehenden Fall des Walter H.. Die von der Landesregierung vertretene Rechtsauffassung wird auch durch das Urteil des VG Aachen vom 21. Januar 2011, Az.: 6 K 140/10 gestützt, wonach § 16a PolG NRW „…eine wirksame Rechtsgrundlage für eine durchgehend länger als 24 Stunden oder an mehr als an zwei Tagen vorgesehene oder tatsächlich durchgeführte und planmäßig angelegte Beobachtung, mithin die längerfristige Observation, der von den Sätzen 1 und 2 der Vorschrift erfassten Personen (sei).“. § 16a PolG NRW entspricht sowohl im materiellen Regelungsgehalt als auch von der systematischen Stellung der Norm her im Wesentlichen § 22 PolG BW. Drucksache 15/503 (15/417) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Falls die Landesregierung hier einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht, an welcher Stelle soll eine derartige Eingriffsermächtigung geschaffen werden? Zu Frage 2: Das Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes hat in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2010, Az.: 3 B 284/10, 6 L 746/10, inzident eine gesetzgeberische Klarstellung der polizeilichen Observation angeregt. Es ist beabsichtigt, dem im Rahmen der nächsten Änderung des Polizeigesetzes Rechnung zu tragen. betr.: Grundlage zur Dauerüberwachung entlassener und weiterhin gefährlicher Straftäter