LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/569 (15/499) 09.07.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Konsequenzen der Schließung der Pädiatrie-Abteilung am Merziger SHG- Klinikum Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Saarland Heilstätten GmbH (SHG) kündigte bereits an, zum 31. Dezember 2013 die pädiatrische Abteilung am Merziger Klinikum zu schließen . Derzeit verfügen die SHG-Kliniken in Merzig noch über fünf Kinderbetten, davon sind der Neonatologie (Neugeborenenabteilung) drei Betten zugewiesen. Die SHG-Geschäftsführung erklärte (Artikel der Saarbrücker Zeitung vom 16.3.2013), die Pädiatrie habe mit ihren fünf Betten zuletzt ein jährliches Defizit von rund 900.000 Euro erwirtschaftet . Zur Qualitätssicherung bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen werden Kinderkliniken in Levels eingeteilt. Die SHG Klinik Merzig besitzt nach dieser Einteilung das Qualitätsmerkmal Level 3. Dies bedeutet: Schwangere ab der 32. Schwangerschaftswoche, Risikogeburten und dazu zählende Zwillingsschwangerschaften dürfen im Moment noch in Merzig entbunden werden. Ab dem Zeitpunkt der Schließung der Pädiatrie sind in Merzig nur noch Entbindungen in der weiterhin bestehenden Geburtshilfe-Abteilung ab der 37. Schwangerschaftswoche möglich, diese Schwangerschaften dürfen jedoch keine Begleiterkrankungen oder weitere Komplikationen mitbringen (ausgeschlossen sind damit Zwillingsgeburten). Im Jahr 2012 wurden von den 600 Geburten in Merzig 310 Neugeborene von einem Kinderarzt an den SHG-Kliniken medizinisch betreut. Ein Kinderarzt ist zurzeit noch 24 Stunden vor Ort. Von der Kinderklinik in Merzig wird ein großes Versorgungsgebiet , das sich von Perl bis Wadern erstreckt , abgedeckt. Ausgegeben: 10.07.2013 (22.05.2013) Drucksache 15/569 (15/499) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Durch die Schließung der Pädiatrie-Abteilung am SHG-Klinikum in Merzig Ende des Jahres fällt jedoch ein zentrales Angebot der medizinischen Versorgung weg. Gleich-zeitig wird ein sogenannter „weicher Faktor“, der für Neuansiedlungen von Firmen und Familien im Kreis Merzig wichtig ist, vernichtet. Denn sich ansiedelnde junge Familien möchten auch für ihren Nachwuchs gute Versorgungsstrukturen , die sie im Merziger Umkreis bald nicht mehr vorfinden. Gerade bei Risikoschwangerschaften sei ein wohnortnahes Krankenhausangebot wichtig, damit lange Fahrtstrecken im Notfall vermieden werden könnten. Durch die geplante Schließung werde die Infrastruktur im ländlichen Raum stark geschwächt.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die vom Krankenhausträger beabsichtigte Schließung der Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Merzig wurde bereits ausführlich in der Plenarsitzung am 15. Mai 2013 diskutiert. Der von der B90/Grüne-Landtagsfraktion eingebrachte Antrag (Drucksache 15/483) betreffend „Schließung der Kinderklinik in Merzig verhindern, Pädiatrie erhalten !“ wurde mit Stimmenmehrheit abgelehnt, darauf wird Bezug genommen. Die Auffassung , dass durch die Schließung der Kinder- und Jugendmedizin ein sogenannter „weicher Faktor“ für Neuansiedlungen von Firmen und Familien im Kreis Merzig „vernichtet “ wird, teilt die Landesregierung ausdrücklich nicht. Denn die Betten fallen nicht weg, sondern werden der Hauptfachabteilung Neurologie für die neurologische Frührehabilitation zugewiesen. Dadurch konnte die Landesregierung einerseits vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung den Bedarf an neurologischer Frührehabilitation decken und andererseits dem Krankenhaus eine langfristige Perspektive verschaffen und somit auch Arbeitsplätze sichern. Das Saarland ist eine Versorgungsregion . Mit zwei Level-1-Zentren und zwei Level-2-Zentren für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen wird eine ausgezeichnete Versorgung mit einer hohen Qualität an Leistungen sichergestellt. Für Risikoschwangere gilt der Grundsatz „Ergebnisqualität vor Wohnortnähe“ zum Wohle der Neugeborenen. Wie ist in Zukunft die notfallmäßige Versorgung eines Neugeborenen, das dringende kinderärztliche Hilfe benötigt im SHG Klinikum Merzig gewährleistet ? Zu Frage 1: Es ist Aufgabe des Krankenhausträgers, die notfallmäßige Versorgung eines Neugeborenen , das dringend kinderärztliche Hilfe benötigt, zu organisieren. Er muss den ihm von der Landesregierung übertragen Versorgungsauftrag erfüllen, dazu gehört auch die Sicherstellung der Notfallversorgung. Das Klinikum Merzig verfügt nach eigener Auskunft über Notfallmediziner, die auch im Umgang mit Notfällen im pädiatrischen Bereich geschult sind. Drucksache 15/569 (15/499) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Vor dem Hintergrund, dass das saarländische Krankenhausgesetz eine Schließung von Geburtskliniken vor-schreibt, die nur noch 300 Geburten im Jahr vorweisen können: Was geschieht mit der Geburtsklinik Merzig, sollten die Geburtenzahlen auf 300 im Jahr sinken? Zu Frage 2: Die Landesregierung teilt diese Befürchtung des Fragestellers ausdrücklich nicht. Seit dem Jahr 2000 wurden durchschnittlich 649 Kinder jährlich im Klinikum Merzig geboren . Die Geburten bleiben seit Jahren im Klinikum Merzig stabil und dies, obwohl die Kinder- und Jugendmedizin von 30 Betten im Jahr 2006 auf 12 Betten im Jahr 2007 und dann auf 5 Betten im Jahr 2011 reduziert wurde. Dies zeigt, dass die Reduzierung der Betten in der Kinder- und Jugendmedizin nicht zwingend mit der Bereitschaft, im Klinikum Merzig zu entbinden, zusammenhängt. Dies wird auch in Zukunft so sein, denn in einer reinen Geburtsklinik können weiterhin ca. 91 % der bisherigen Geburten durchgeführt werden. Dies wären, ausgehend vom Jahresdurchschnittswert der letzten Jahre, 591 Geburten pro Jahr. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Geburten auf unter 300 im Jahr sinken, vernachlässigungswert gering. Darüber hinaus ist durch die Schließung der Geburtshilfe in Hermeskeil eine steigende Zahl von Normalgeburten im Klinikum Merzig zu erwarten. Wie werden die Internisten und Anästhesisten des SHG Klinikums Merzig auf die ihnen bevorstehende Aufgabenerweiterung vorbereitet? Zu Frage 3: Nach Auskunft des Krankenhausträgers sind die behandelnden Ärzte in den Abteilungen Anästhesie und Innere Medizin im Umgang mit Notfällen geschult. Sowohl die Chefärzte als auch die Oberärzte sind seit Jahren am Klinikum beschäftigt und im Umgang mit Notfällen erfahren. Warum wird der ländliche Raum, in dem ohnehin die Infrastruktur schwächer und die Wege weiter sind, immer mehr von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten? Zu Frage 4: Die Landesregierung teilt diese Auffassung ausdrücklich nicht. Gerade das Klinikum Merzig zählte in der derzeitigen Krankenhausplanungsperiode 2011-2015 zu den „Gewinnern “ der Krankenhausplanung und dies, obwohl landes-weit über 2 % der vollstationären Betten abgebaut wurden. Hielt das Krankenhaus im Jahr 2010 noch 305 Betten und Plätze vor, sind es seit dem Jahr 2011 310 Betten und Plätze, und zwar bis zum Ende des derzeit gültigen Krankenhausplans (31. Dezember 2015). Durch die Schließung der Kinder- und Jugendmedizin kommen die Betten nicht in Wegfall, sondern werden ab diesem Zeitpunkt in gleicher Höhe der Neurologie für die neurologische Frührehabilitation zur Verfügung stehen. Drucksache 15/569 (15/499) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wer übernimmt nach Einschätzung der Landesregierung die Verantwortung, wenn zukünftig durch eine falsche Weichenstellung in der Gesundheitspolitik Kinder zu Schaden kommen (bei akutem Asthmaanfall, Krupp-Anfällen etc.)? Wie kann verhindert werden, dass das gesundheitliche Wohl eines Kindes - ob Neugeborenes oder Kleinkind - in Zukunft vom Einkommen seiner Eltern abhängt? Zu Frage 5 und 6: Die Landesregierung teilt die der Fragestellung zugrundeliegenden Hypothesen des Fragestellers ausdrücklich nicht. Sie geht weder von einer falschen Weichenstellung in der Gesundheitspolitik (und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene), noch davon aus, dass vor dem Hintergrund des vorgegebenen Sachverhaltes das gesundheitliche Wohl eines Kindes in Zukunft vom Einkommen seiner Eltern abhängt. Dies verbietet schon der allgemeine Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz , der als soziales Grundrecht auch eine Ungleichbehandlung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder der Art der Versicherung verbietet. § 1 des Saarländischen Krankenhausgesetzes (SKHG) sieht darüber hinaus ausdrücklich vor, dass jede Patientin und jeder Patient nach Art und Schwere der Erkrankung unabhängig (!) von ihrer oder seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sozialen Stellung oder Krankenversicherung medizinisch zweckmäßig und ausreichend zu versorgen ist. Dafür trägt die saarländische Landesregierung Sorge, indem sie gemäß § 22 SKHG den Krankenhausplan aufstellt. Dieser weist die für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Krankenhausversorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser aus. In der vom Krankenhausträger beabsichtigten Schließung von fünf Betten der Kinder- und Jugendmedizin sieht die Landesregierung keine Gefährdung der gesundheitlichen Versorgung. Bei akuten Asthma- oder Kruppanfällen ist durch § 5 Absatz 1 SKHG die stationäre medizinische Notfallversorgung, auch für Kinder und Jugendliche , am Klinikum Merzig jederzeit sichergestellt. Darüber hinaus stehen im ambulanten Bereich mit einem Versorgungsgrad von 130,1 % für den Landkreis MerzigWadern (ab 110 % liegt eine Überversorgung vor) auch ausreichend niedergelassene Kinder– und Jugendärzte zur Verfügung, die in sprechstundenfreien Zeiten auch den fachgebietsbezogenen Notfalldienst für Kinder und Jugendliche sicherstellen. Berechnungen zu Folge werden dem SHGKlinikum durch das Ausbleiben der Geburten ein Einkommensverlust von ca. 500.000 € entstehen. Durch eine 24h-Kinderarztpräsenz entstehen Kosten in Höhe von ca. 400.000 €. Ist man sich in der Landesregierung darüber bewusst, dass sich derartig hohe finanzielle Einbußen bzw. Belastungen nach der Schließung der Kinderklinik ergeben und wie werden diese kompensiert? Zu Frage 7: Es liegt in der Verantwortung des Krankenhausträgers ein Krankenhaus so zu führen, dass Verluste vermieden werden. Aus diesem Grund ist die Landesregierung dem Anliegen des Krankenhausträgers auch nachgekommen, die Kinder- und Jugendmedizin zu Gunsten der neurologischen Frührehabilitation zu schließen.