LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/604 (15/517) 28.08.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: Berufliche Mobilität in der EU Vorbemerkung des Fragestellers: „Die saarländische Wirtschaft hat aufgrund der demographischen Entwicklung zunehmend mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen . Gleichzeitig besteht in den Krisenländern Südeuropas Massenarbeitslosigkeit, die vor allem die junge Generation trifft. Vor diesem Hintergrund hat der EUSozialkommissar Andor einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der die berufliche Mobilität in der Europäischen Union erleichtern soll. Er sieht hier vor allem die Staaten in der Pflicht, die die Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten in ihren Arbeitsmarkt integrieren wollen. Im Interesse der saarländischen Wirtschaft sollten alle Bemühungen unternommen werden , um qualifizierte Fachkräfte für unser Land zu gewinnen. Hierfür würde sich etwa eine Kooperation mit dem italienischen Konsulat in Saarbrücken anbieten.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Landesregierung unterstreicht die Bedeutung der grenzüberschreitenden beruflichen Mobilität als wichtigen Beitrag zur territorialen Kohäsion in der EU. Die „Großregion SaarLorLux“ ist mit über 215.000 Grenzgängern die erste und größte grenzüberschreitende Arbeitsmarktregion der EU. Die Landesregierung unterstützt die Fortentwicklung der grenzüberschreitenden beruflichen Mobilität sowohl auf interregionaler Ebene als auch mit der Nachbarregion Lothringen, aus der täglich rund 19.000 Einpendler als Grenzgänger in das Saarland kommen. Zur Intensivierung und Fortentwicklung dieser starken grenzüberschreitenden Verzahnung der Arbeitsmärkte fördert die Landesregierung umfangreiche Maßnahmen, um den aktuellen wie zukünftigen Bedarf qualifizierter Fachkräfte sicherzustellen und eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Ausgegeben: 28.08.2013 (06.06.2013) Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - In der „Saarbrücker Erklärung vom 15.7.2013“ der Auswärtigen Ämter Deutschlands und Frankreichs werden zahlreiche Maßnahmen für den deutsch-französischen beruflichen Austausch bis Ende 2014 aufgeführt. Ein Runder Tisch „Grenzüberschreitende berufliche Bildung“ wurde eingerichtet; die bessere grenzüberschreitende Verzahnung der beruflichen Bildung zwischen Deutschland und Frankreich ist ebenfalls Schwerpunkt der Ministerpräsidentin in ihrer Funktion als Bevollmächtige der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit. Welche Anstrengungen werden unternommen, um das Saarland als Ziel für ausländische Fachkräfte attraktiv zu machen? Zu Frage 1: Zur Unterstützung einer nachhaltigen Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs ist es erforderlich, das Saarland als attraktiven und leistungsstarken Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort sowie als eine Region mit hoher Lebensqualität und somit als Zuwanderungsland zu positionieren. Die Landesregierung hat diese Notwendigkeit – auch im Hinblick auf die Standortsicherung des Saarlandes – erkannt und die Entwicklung und Umsetzung eines nachhaltigen Marketingkonzepts („Saarland-Marketing“) für unser Land veranlasst. In diesem Zusammenhang intensiviert die Landesregierung ihr Engagement im Bereich der Willkommenskultur. Durch zielgruppengerechte Betreuungs-, Beratungs- und Serviceangebote – nicht nur für die umworbene Gruppe der innerdeutschen und deutschsprachigen Zuwanderer, sondern auch für Zuwanderer aus dem EU-Raum (und deren Familien) sowie für außereuropäische Migranten – soll die Zuwanderung qualifizierter auswärtiger bzw. ausländischer Fach- und Führungskräfte gefördert werden. Entscheidend für die Attraktivität des Saarlandes als Zielland für Fachkräfte aus dem Ausland ist, dass diese ihrer Qualifikation entsprechende Arbeitsplätze finden. Mit der Initiierung des Gesetzes über die Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen im Saarland (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz Saarland, BQFG-SL) hat die Landesregierung hierzu eine entscheidende Voraussetzung geschaffen . Das Gesetz gewährt Migranten aus so genannten Drittstaaten einen Rechtsanspruch auf die Prüfung und Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsausbildung . Bislang galt dieser Anspruch nur für Bürger aus EU-Staaten und des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR). Daneben wurden die Regelungen auf nicht reglementierte Berufe ausgeweitet. Mit diesem Gesetz wird der Einstieg in qualifizierte Arbeitsverhältnisse – und damit auch die gesellschaftliche Integration – gefördert. Dies dient unmittelbar der Fachkräftesicherung im Land. Zudem wurde mit der Einrichtung der „Servicestelle zur Erschließung ausländischer Qualifikationen“ (SEAQ) eine Anlaufstelle geschaffen, welche die verschiedenen Aspekte der Anerkennungsberatung aller Akteure der beruflichen Integration in ein umfassendes , ganzheitliches Angebot zusammenführt, um so individuelle Integrationsstrategien für zugewanderte Fachkräfte zu entwickeln. Durch die Vernetzung der Akteure und deren Angebote werden Schnittstellenprobleme minimiert und das Anerkennungsverfahren transparenter gestaltet, was die Verfahrensdauer verkürzt. Das Konzept unterstützt somit die Umsetzung des Landesanerkennungsgesetzes und verbessert die Zugangschancen ausländischer Fachkräfte am Arbeitsmarkt. Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Bezüglich der Förderung der Willkommenskultur ist die Einrichtung eines Welcome Center Saar (WCS) als integraler Bestandteil des o.a. Marketingkonzepts vorgesehen. Vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Zuwanderungs- und Integrationsmanagements soll das WCS Dienstleister für qualifizierte Fach- und Führungskräfte (und deren Familien) als besondere Zielgruppe bezüglich der Anerkennung beruflicher Qualifikationen und eines speziellen ausländer- und melderechtlichen Behördenservices sein. Dazu wird die SEAQ eng in das Konzept des WCS eingebunden. Zudem soll das WCS – in Zusammenarbeit mit der im Saarland landesweit vorhandenen Infrastruktur aus Integrationsfachberatungsstellen – eine zentrale Anlaufstelle sein für Neubürger bezüglich migrationsspezifischer Themen sowie relevanter Informationen für das Leben im Gemeinwesen. Auch in diesem Zusammenhang werden Probleme der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen sowie der Feststellung von Kompetenzen in Mangelbereichen sowie Weiterbildungsangebote zur Unterstützung der beruflichen Integration gelöst. Über das Integrationsmanagement hinaus wird es zum Aufgabenspektrum des WCS gehören, die saarländischen Unternehmen bei der Gewinnung von ausländischen bzw. auswärtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu unterstützen. Verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung des o.a. „Saarland-Marketings“ sowie des WCS ist die Zentrale für Produktivität und Technologie Saar e. V. (ZPT); sie ist zudem Ansprechpartnerin bei weiterführenden Fragen zum Entwicklungs- und Umsetzungsstand des Gesamtkonzepts und zum künftigen Einsatz des dafür notwendigen Instrumentariums. Weiterhin hat im Januar 2013 die „Fachstelle für grenzüberschreitende Ausbildung“ ihre Arbeit aufgenommen. Sie wird finanziert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, der IHK Saarland und dem Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes e.V. (ME Saar). Projektträger ist die „Verbundausbildung Untere Saar e.V.“ (VAUS). Aufgabe der neuen Fachstelle ist die Unterstützung junger Menschen aus Frankreich und Deutschland bei der grenzüberschreitenden Ausbildung. Das Angebot richtet sich gleichermaßen an französische Lycée-Schülerinnen und -Schüler (Niveau Bac Pro und BTS), die einen Teil ihrer vorgeschriebenen Praxisphasen (PFMP) in einem deutschen Betrieb absolvieren möchten, und an deutsche Auszubildende, die einen Teil ihrer Berufsausbildung in einem französischen Betrieb verbringen möchten. Ziel ist die Förderung der deutsch-französischen Handlungskompetenz und der individuellen Mobilität von jungen Menschen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Region. Aus saarländischer Perspektive werden sog. „Klebeeffekte“ in den saarländischen Praktikumsbetrieben erwartet. Abschließend ist das Willkommensportal für internationale Fachkräfte zu erwähnen, das Teil der bundesweiten Fachkräfte-Offensive ist. Das Portal ist zu erreichen unter dem Internet-Link: www.make-it-in-germany.com. In Kürze werden sich hier auch die einzelnen Bundesländer mit einem individuellen „Steckbrief“ präsentieren, so auch das Saarland. Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung zur Umsetzung des Sonderprogramms der Bundesagentur für Arbeit „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften in Europa“? Zu Frage 2: Bei dem Sonderprogramm „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen jungen Fachkräften in Europa“ (MobiPro-EU) handelt es sich um ein Bundesprogramm, das von der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und der BA ab dem 01.01.2013 durchgeführt wird. Vor dem Hintergrund einer hohen Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der Europäischen Union und zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland soll das Sonderprogramm Hemmnisse abbauen, die in der Praxis häufig die Mobilität Jugendlicher und junger Erwachsener aus anderen EU-Staaten in den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt beeinträchtigen. Das Sonderprogramm richtet sich sowohl an Ausbildungssuchende als auch an arbeitslose Fachkräfte aus Europa, die in Deutschland eine qualifizierte Beschäftigung in sogenannten Engpassberufen aufnehmen möchten, und unterstützt diese Zielgruppe mit zielgerichteten Förderleistungen. Obgleich die Landesregierung keine unmittelbare Zuständigkeit für die Umsetzung des Sonderprogramms hat, begleitet sie das Projekt intensiv durch einen stetigen Informationsaustausch mit der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland und beobachtet die Ergebnisse. Nach Angaben der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland wurden bis Ende April 2013 bundesweit – eine Aufschlüsselung nach Bundesländern ist derzeit nicht möglich – rund 550 Anträge von Ausbildungsinteressenten gestellt. Im Bewerberpool waren im Februar 2013 ca. 3.200 ausländische Bewerber aus den Engpassberufen registriert. Davon konnten bisher 166 Personen auf eine Stelle in Deutschland vermittelt werden. Insgesamt wurden bisher aus dem Bereich Fachkräfte 170 Förderanträge des Programms MobiPro-EU registriert. Wie werden saarländische Firmen bei der Bewerbersuche im Ausland unterstützt? Zu Frage 3: Siehe Antworten zu den beiden Fragen 1 und 2. Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Welche Unterstützung erhalten Bewerber bei der Arbeitsplatzsuche im Saarland? Gibt es spezielle Hilfen für das Bewerbungsverfahren? Zu Frage 4: Ausländische Bewerber erhalten bei der Arbeitsplatzsuche im Saarland Unterstützung durch die EURES-Berater sowie die Berater der Arbeitskammer des Saarlandes. Kernaufgabe der EURES-Berater ist die grenzüberschreitende Beratung und Vermittlung von Arbeitsuchenden und Mobilitätswilligen. Die ca. 20 EURES-Berater sind bei der Agentur für Arbeit Saarland sowie den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden angesiedelt und bieten im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit auch spezielle Hilfen für das Bewerbungsverfahren an. Das Gleiche trifft auf die Grenzgänger-Berater der Arbeitskammer des Saarlandes zu. Auch hier erhalten ausländische Bewerber eine umfassende Unterstützung auch für das Bewerbungsverfahren. Wie gedenkt die saarländische Landesregierung den Beschluss der Kommission zur Modernisierung und Verbesserung von EURES vom 26. November 2012 umzusetzen? Zu Frage 5: Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr (MWAEV) ist einer der Partner des Netzwerkes EURES-Transfrontalier Saarland-Luxemburg-LothringenRheinland -Pfalz (EURES-T SLLR) und unterstützt die Arbeit von EURES-T SLLR mit einem jährlichen finanziellen Beitrag. Das MWAEV ist Mitglied im Lenkungsausschuss von EURES-T SLLR und damit in die Projektplanung und Projektbegleitung eingebunden . Aufgrund der großen Bedeutung von EURES-T für die Förderung der grenzüberschreitenden Arbeitskräftemobilität hat sich die saarländische Landesregierung in hohem Maße für die angemessene Fortsetzung von EURES-T in der neuen StrukturfondsFörderperiode ab 2014 eingesetzt – ausgestattet mit einem eigenen Finanzbudget und nicht eingebettet in die ESF-Regelförderung. Mittlerweile wurde im europäischen Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament vereinbart, dass EURES-T mit eigenen Finanzmitteln im Rahmen des neuen EU-Programms „Sozialer Wandel und soziale Innovation “ Berücksichtigung findet. Damit ist der Erhalt von EURES-T über 2014 hinaus gesichert und die Grundlage dafür geschaffen, dass der Beschluss der Kommission zur Modernisierung und Verbesserung von EURES vom 26. November 2012 umgesetzt werden kann – denn dieser tritt erst ab 1. Januar 2014 in Kraft. Verantwortlich für die Umsetzung des Beschlusses ist in erster Linie der Bund und sind lediglich unterstützend die Bundesländer. So ist die Bundesagentur für Arbeit offizielles EURES-Mitglied und leitet das nationale Koordinierungsbüro . Die Landesregierung wird die Umsetzung des Beschlusses mit der Fortsetzung ihrer Aktivitäten zur Förderung der grenzüberschreitenden Arbeitskräftemobilität konstruktiv begleiten und mitgestalten. Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Mit welcher Unterstützung können Fachkräfte rechnen, die sich für eine Tätigkeit im Saarland entscheiden? Gibt es Angebote zur Sprachförderung ? Wenn ja, wie sind diese ausgestaltet und in welcher Form werden sie vom Land unterstützt? Zu Frage 6: Im Saarland besteht eine Vielzahl von sprachfördernden Angeboten, von Deutsch als Fremdsprache in allen Niveaustufen bis hin zu betriebswirtschaftlichen Grundlagen für ausländische Fachkräfte (z.B. „Europäischer Wirtschaftsführerschein“). Die aktuellen Angebote können unter dem folgenden Internet-Link abgerufen werden: www.kursnet.arbeitsagentur.de Sofern die Fachkräfte bereits im Saarland leben und arbeitsuchend sind, können die Angebote ggf. über die Arbeitsagentur oder die Jobcenter finanziert werden. Für junge EU-Bürger besteht das in der Antwort zu Frage 2 dargestellte Programm „MobiPro-EU“ der Bundesagentur für Arbeit. Die Zielgruppe kann u.a. einen Gutschein für einen Sprachkurs im Heimatland oder in Deutschland erhalten. Fachkräfte, die bereits einen Arbeitsplatz im Saarland haben, können eine Förderung aus Landes- oder EU-Mitteln über die regulären Förderprogramme zur betrieblichen Weiterbildung erhalten. Welche Anstrengungen unternimmt das Saarland, um eine Willkommenskultur für neue Mitbürger zu etablieren? Werden die ausländischen Arbeitskräfte bei Umzug, Wohnungssuche und Verwaltungsangelegenheiten unterstützt? Zu Frage 7: Siehe Antwort zu Frage 1. Welche Unterstützung können Familienmitglieder von ausländischen Arbeitnehmern erwarten? Gibt es spezielle Angebote zur Unterstützung der Arbeitsplatzsuche für mitreisende Ehegatten? Wie sind die saarländischen Schulen auf Schüler aus anderen Mitgliedstaaten eingestellt? Zu Frage 8: Zu dieser Frage sind folgende Unterstützungsangebote zu nennen: 1. Migrationsfachdienste Die Landesregierung verfolgt eine Integrationspolitik, die den zugewanderten Menschen hilft, sich in den neuen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten zurechtzufinden und ihre Umgebung nach und nach als Heimat zu erfahren und anzunehmen . Zuwanderern soll eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen , wirtschaftlichen und politischen Leben in Deutschland ohne Aufgabe der eigenen kulturellen Identität ermöglicht werden. Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Zuwanderung und Integration sind in der Regel Prozesse, die nicht nur Einzelpersonen , sondern auch Partner und Familien betreffen. Migration ist in der Regel ein „Familienprojekt “; viele Zuwanderer leben im Familienverband. Die Zuwandererfamilien leisten einen bedeutenden Beitrag für die Integration der Familienmitglieder. Die Familie ist ein identitätsstiftender Pol und kann Belastungen, die mit der Integrationsleistung verbunden sind, auffangen. Erfolgreiche Integrationspolitik muss daher die wichtige Funktion familiärer Bindungen im Rahmen der Neuorientierung, Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit berücksichtigen und die Familie in ihrer Integrationskraft stärken. Integration muss frühzeitig und systematisch erfolgen. Unmittelbar nach der Einreise sollte bereits über Integrationsmaßnahmen informiert und mit dem Integrationsprozess begonnen werden. Integrationspolitik bedeutet „Hilfe zur Selbsthilfe“ und „Fördern und Fordern“. Einer Teilhabe an Integrationsangeboten steht die Forderung zur Integration gegenüber. In diesem Sinne setzt Integration entscheidend auch auf die Eigenverantwortung der Zuwanderer. Die unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse verschiedener Zuwanderergruppen haben eine Beratungs- und Betreuungsstruktur entstehen lassen, die einer veränderten Rechtslage, aber auch neuen Anforderungen und Bedürfnissen der Zielgruppen Rechnung tragen muss. Im Saarland sind im Bereich der Beratung und Betreuung verschiedene Fachdienste für Integration tätig: • Dienste der Migrationsberatung für Neuzuwanderer, • Dienste zur nachholenden Integration und • die Jugendmigrationsdienste für die Zielgruppe der 12- bis 27-jährigen Zuwanderer. Fachdienste für Integration haben die Aufgabe, zugewanderte Menschen und deren Familienangehörige durch Hilfe zur Selbsthilfe dazu zu befähigen, ihr Leben selbstständig und eigenverantwortlich zu planen und zu gestalten. Zuwanderer sollen befähigt werden, ihre Integrationschancen in den unterschiedlichen Handlungsfeldern zu erkennen und wahrzunehmen. Hierzu sind das Bewusstsein individuell vorhandener Kompetenzen, das Schaffen von Selbstwertgefühl, die Förderung der Motivation und die Begleitung während des Integrationsweges erforderlich. Dies gilt sowohl für Neuzuwanderer („Erstintegration“) als auch für Zuwanderer, die bereits in Deutschland leben („nachholende Integration“). Integrationslotsen Mit Hilfe des Integrationslotsen (ILO) soll die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Landkreisen, dem Regionalverband Saarbrücken sowie der Landeshauptstadt eingeleitet und beschleunigt werden. Dies erfolgt insbesondere durch die Herstellung des Erstkontakts mit neuzugewanderten Menschen mit Migrationshintergrund im Wege der aufsuchenden Arbeit. Allgemeine Aufgabe des Integrationslotsens ist es, den Neuzuwanderern eine erste Orientierung in der für sie fremden Umgebung zu geben, sie in den ersten Tagen und Wochen bei wichtigen Behördengängen zu begleiten und zu beraten (zum Beispiel bei Gemeinden, Landkreisen, Arbeitsverwaltung) und sie an erste Integrationsangebote, wie zum Beispiel Integrationskurse sowie Kindergarten und Schule, heranzuführen. Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 8 - Eine wichtige Aufgabe der Integrationslotsen besteht auch darin, erste Erkenntnisse bezüglich der Kompetenzen der betreuten Personen und die Erfahrungen der ersten Integrationsschritte an die Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) und die Jugendmigrationsdienste (JMD) weiterzugeben. Sie sind somit auch „vorbereitende Stellen“ für die weiteren Integrationsfachdienste, die den Integrationsprozess gemeinsam mit den Neuzuwanderern fortsetzen. Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) Das Bundesministerium des Innern und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben das Konzept der Migrationserstberatung entwickelt. Im Jahr 2009 wurde der Begriff der Migrationserstberatung geändert. Die bestehenden Dienste erhielten die Bezeichnung „Migrationsberatung für Erwachsene“ (MBE). Mit der MBE stellt der Bund ein den Integrationskurs ergänzendes migrationsspezifisches Beratungsangebot für erwachsene Zuwanderer zur Verfügung. Zielgruppe sind jetzt nicht nur Neuzuwanderer (ab dem 27. Lebensjahr), sondern auch bereits länger in Deutschland lebende Zuwanderinnen und Zuwanderer, bei denen ein entsprechender Integrationsbedarf festgestellt wird (sogenannte nachholende Integration). Die Betreuung ist auf drei Jahre angelegt. Personen unter 27 Jahren werden in der Regel von den Jugendmigrationsdiensten betreut. Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) ist, neben den Integrationskursen , ein Grundpfeiler der neuen Integrationspolitik des Bundes. Die MBE verfolgt einen ganzheitlichen, an den Ressourcen der Zuwanderer ausgerichteten Integrationsansatz . Hauptberufliche Migrationsberater ermitteln auf der Grundlage eines professionellen Fallmanagements den individuellen Unterstützungsbedarf der Zuwanderer , entwickeln gemeinsam mit diesen realistische Förderpläne und binden die Zuwanderer auf einer festgelegten Zeitschiene aktiv in die Umsetzung der vereinbarten Integrationsmaßnahmen ein. Damit leistet die MBE einen qualitativen Beitrag dazu, die Zuwanderer zu selbstständigem Handeln in ihrem neuen Lebensumfeld zu befähigen. Jugendmigrationsdienste Der Jugendmigrationsdienst ist ein Teil der Jugendhilfe und Jugendsozialarbeit. Er richtet sich an junge Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von 12 bis 27 Jahren . Auftrag der Jugendmigrationsdienste ist die individuelle Begleitung vor, während und nach den Integrationskursen. Sie beraten bei migrationsbedingten Problemen und Konfliktsituationen. Weiterhin initiieren und begleiten sie die interkulturelle Öffnung von Diensten und Einrichtungen in öffentlicher und privater Trägerschaft. Landesintegrationsbegleitung (LIB) – Fachdienste der „nachholenden Integration“ Die Landesintegrationsbegleitung richtet sich in der Regel an Menschen mit Migrationshintergrund , die nicht mehr an Integrationskursen teilnehmen und die nach Ablauf der Zuständigkeit der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer weiterhin einer Beratung und Begleitung bedürfen beziehungsweise später mit Situationen konfrontiert werden, die eine Beratung notwendig machen. Es ist somit ein „Programm der nachholenden Integration“. Das Konzept LIB beinhaltet Aufgabenfelder und zielorientierte Angebote und Verfahren , die grundsätzlich und erfahrungsgemäß geeignet sind, den Zugang von Menschen mit Migrationshintergrund in das Erwerbsleben zu erleichtern, zu fördern beziehungsweise den Erhalt des Arbeitsplatzes zu sichern. Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 9 - Zielgruppen sind arbeitslose Menschen mit Migrationshintergrund (i.d.R. Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, Eingebürgerte mit weiterhin hohem Integrationsbedarf, Frauen, Senioren, Ungelernte sowie Personen mit geringem Bildungs- und Ausbildungsniveau ), die schon längere Zeit in Deutschland leben, aber auf Grund von noch vorhandenen Integrationsdefiziten den Zugang zum Arbeitsmarkt noch nicht erreicht haben, beziehungsweise solche Gruppen, die von wirtschaftlichen Strukturveränderungen betroffen sind, sodass ihre Arbeitsplätze bedroht oder sie bereits arbeitslos geworden sind. Weitere Projektziele sind die Öffnung der Regeldienste, der Aufbau von Ehrenamtsstrukturen, die fachliche Qualifizierung von Ehrenamtlichen und die Einsatzkoordination . 2. Sonstige Integrationsprojekte Neben den landesweit agierenden Integrationsfachdiensten finden Zuwandererfamilien eine Vielzahl von weiteren Integrationsmaßnahmen vor; insbesondere Projekte mit gemeinwesenorientiertem Charakter. Dazu gehören Projekte, die • zur interkulturellen Öffnung von öffentlichen und nichtöffentlichen Organisationen und Institutionen beitragen, • Ehrenamtsstrukturen aufbauen und begleiten, • Kinder, Jugendliche und Frauen als besondere Zielgruppe ausweisen, • das Zusammenleben im Gemeinwesen fördern, • Integrationshindernisse vor allem im Bereich Fremdenfeindlichkeit und Extremismus abbauen, • Begegnungen von einheimischer und zugewanderter Bevölkerung fördern, • Beratung in migrationsspezifisch bedingten Konfliktsituationen anbieten und • die Bildungschancen zugewanderter Kinder fördern. Diese Projekte dienen insbesondere • der Information und Beratung aller gesellschaftlichen Gruppen, Organisationen, In- stitutionen und Einzelpersonen zu Fragen der Einwanderung und der vielfältigen Facetten von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, • dem Zusammenleben der unterschiedlichen Kulturen und Nationalitäten in der Gesellschaft und der Familie durch Beratung sowie Begegnung und Information in Form von praxisorientierten Veranstaltungen und Informationen über die hier lebenden Minderheiten sowie der Beratung, • der Begegnung von Jungen und Mädchen deutscher und nichtdeutscher Herkunft durch regelmäßige Treffen und gemeinsame Freizeitangebote im Rahmen interkultureller Jugendsozialarbeit sowie der individuellen Beratung und Hilfe bei persönlichen und schulischen Problemen, im Freundes- und Familienkreis, in der Ausbildung , bei Diskriminierungsfällen, bei der Berufswahl usw., • der Schaffung gegenseitiger Akzeptanz und Toleranz zwischen den Nationalitäten im Rahmen der offenen Jugendarbeit sowie der Zusammenarbeit mit den Familienangehörigen und der Kooperation mit den Schulen, • in Bereichen mit einem hohen Zuwandereranteil der Eltern- und Familienberatung bei Problemen im Kindergarten und in der Schule, der Sprachförderung von Zuwandererkindern im Vorschulalter sowie interkultureller Lernprozesse durch Öffentlichkeitsarbeit zur Verbesserung des Zusammenlebens im Gemeinwesen, Drucksache 15/604 (15/517) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 10 - • der Begegnung von Zuwanderinnen mit deutschen Frauen zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch und zur Freizeitgestaltung, zur Durchführung von Informationsveranstaltungen zu Fragen der Erziehung, Medien und beruflichen Integration sowie der beruflichen Bildung und • der gesellschaftlichen und politischen Partizipation der Zuwanderer. 3. Erwerb der deutschen Sprache Das Beherrschen der deutschen Sprache ist die entscheidende Voraussetzung zur Integration. Die deutsche Sprache ist das zentrale Element des wirksamen Zugangs zu allen integrationspolitischen Handlungsfeldern und bildet die Basis der Verständigung mit der einheimischen Bevölkerung. Fehlen deutsche Sprachkenntnisse oder sind diese nicht ausreichend vorhanden, kann der geplante Integrationsweg nicht, kaum oder nur mit mäßigem Erfolg beschritten werden. Für Neuzuwanderer ergibt sich die Möglichkeit, zeitnah zur Einreise an einem aus Bundesmitteln geförderten Integrationskurs teilzunehmen. Durch 600 Stunden Sprachförderung soll das Sprachniveau B 1 der GER (Skala des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) erreicht werden. Die Durchführung der Integrationskurse erfolgt durch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannte Integrationskursträger . Die Landesregierung wird weiterhin in enger Zusammenarbeit mit den Regionalkoordinatoren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und den weiteren – nach der Integrationskursverordnung zuständigen öffentlichen und nichtöffentlichen – Organisationen und Institutionen (Integrationskursträgern, den Ausländerbehörden, SGB-IIBehörden , den Fachdiensten für Integration) dazu beitragen, dass Neuzuwanderer möglichst zeitnah den Zugang zu den Integrationskursen finden. 4. Angebote allgemein bildender Schulen Nach § 1 (1) des Schulpflichtgesetzes sind Kinder und Jugendliche, die im Saarland ihren Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt haben, schulpflichtig. Schulpflicht besteht sogar für ausreisepflichtige ausländische Kinder, Jugendliche und Heranwachsende bis zur Erfüllung ihrer Ausreisepflicht. Alle Schülerinnen und Schüler sollen entsprechend ihren besonderen Begabungen und ihren individuellen Lernvoraussetzungen sowie ihren besonderen Förderbedürfnissen gefördert und gefordert werden. Kinder und Jugendliche mit einem Sprachförderbedarf im Bereich Deutsch als Zweitsprache erhalten unabhängig von ihrer Nationalität zusätzliche Sprachförderung. Dies geschieht beispielsweise im Rahmen des landesweiten Sprachförderprogramms „Früh Deutsch lernen“ (im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule) sowie im landesweiten Sprachförderunterricht DaZ in der Sekundarstufe I (an Gemeinschaftsschulen). Für diese Aufgabe werden 105 Sprachförderlehrkräfte eingesetzt. Sie erteilen pro Woche rund 1.350 Unterrichtsstunden im Programm „Früh Deutsch lernen“ sowie rund 800 Unterrichtsstunden in der Sekundarstufe I. Insgesamt können rund 2.700 Kinder und Jugendliche davon profitieren.