LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/705 (15/580) 06.12.2013 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Peter (B90/Grüne) betr.: Balkangeschäft des EVS offenlegen Vorbemerkung der Fragestellerin: „Der Entsorgungsverband Saar (EVS) engagiert sich seit dem Jahr 2007 in Kroatien, indem er dort Regierungen und Kommunalkörperschaften beim Aufbau einer geordneten Abwasser- und Abfallinfrastruktur berät. Dieses Engagement kam unter anderem auf Vermittlung der Europaabgeordneten Doris Pack zustande. Der EVS ist auch Mitglied der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer . Diese Initiative ist mit Blick auf die Umsetzung der Europäischen Umweltstandards auch in den Balkanländern grundsätzlich zu begrüßen. Nach wiederholten Aussagen der Geschäftsführer des EVS werden die Aufwendungen für diese Beratung (Personal, Reisen) über Drittmittel finanziert und gehen nicht zu Lasten der saarländischen Gebührenzahlerinnen und –zahler. Die konkreten Einnahmen und Ausgaben für diese Projekte werden weder in den Wirtschaftsplänen des EVS noch bei seinen Töchtern bilanziert. Bei den Kommunen wäre dies ein Verstoß gegen kommunales Haushaltsrecht, da solche Ausgaben in einem Produkthaushalt bilanziert sein müssen.“ Ausgegeben: 06.12.2013 (01.08.2013) Drucksache 15/705 (15/580) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung Landesregierung: Über die von der Fragestellerin angesprochenen Aktivitäten bzw. die bereits seit 2007 bestehenden Kontakte des EVS im Abwasser- und Abfallbereich mit Kroatien hat die Fachebene des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (MfUV) im Jahr 2011 Kenntnis erlangt. Anlässlich eines Jour fixe am 02.08.2011 hat die EVS Geschäftsführung dabei auch über eine von der damaligen Umweltministerin Frau Dr. Peter und dem damaligen Wirtschaftsminister Herr Dr. Hartmann im Jahr 2011 paraphierte Rahmenvereinbarung mit dem EVS und der kroatischen Regierung informiert. Diese beruht nach Auskunft des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr vom 02.09.2013 vor allem auf mündlichen Absprachen zwischen den damaligen Staatssekretären Borger und Hauptmann mit den Geschäftsführern des EVS. Die Fachebene des MfUV war seinerzeit in die Entscheidungsfindung der damaligen MfUV-Hausspitze nicht eingebunden. Ein Vorgang hierzu ist im MfUV nicht vorhanden. Der EVS hat der Rechtsaufsichtsbehörde mit Schreiben vom 15.04.2013 eine Kopie der Rahmenvereinbarung auf Anforderung zur Verfügung gestellt. Ein Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der kroatischen Regierung kam allerdings in der Folge tatsächlich nicht zu Stande. Nach bisherigen Ausführungen der Geschäftsführung des EVS war insbesondere seitens der Rechtsaufsichtsbehörde davon auszugehen, dass der „saarländische Gebührenhaushalt“ durch die Betätigung des EVS in Kroatien nicht belastet wird. Ungeachtet der nunmehr vorliegenden Landtagsanfrage war der EVS bereits aufgefordert , sowohl gegenüber der Rechtsaufsichtsbehörde als auch gegenüber den Verbandsgremien die tatsächliche Sachlage hinsichtlich seiner Betätigung in Kroatien umfassend darzulegen. Die EVS-Geschäftsführung hat dem Aufsichtsrat des EVS in seiner Sitzung am 04.09.2013 und der Verbandsversammlung am 24.09.2013 über seine Aktivitäten in Kroatien berichtet. Zur vorliegenden LT-Anfrage wurde der EVS vom MfUV um Stellungnahme gebeten. Er hat u.a. folgendes ausgeführt: „Vorbemerkung EVS Ausgangspunkt für das Engagement des EVS in Kroatien war der Auftrag der Verbandsgremien aus dem Jahr 2005, zusätzlich zu den gesetzlichen Kernaufgaben des Verbandes weitere Geschäftsfelder zu erschließen, um das im Verband vorhandene technische und administrative Know-How gewinnbringend zu mobilisieren und damit letztlich einen Beitrag zur Gebührendämpfung zu leisten. („Akquisition zusätzlicher Aufgabenfelder außerhalb des derzeitigen Aufgabenspektrums bzw. über die Grenzen des Saarlandes hinaus“). Zur gleichen Zeit (2005 ff) verdichteten sich die Hinweise, dass insbesondere in den neuen EU-Mitglieds- bzw. Anwärterstaaten (Süd-)Osteuropas ein enormer Handlungsbedarf in umweltrelevanten Problemfeldern herrsche und insbesondere abfall- und abwasserwirtschaftliche Kompetenz gefragt sei. In diesem Zusammenhang erhielt der EVS von Seiten „Saarland International“ (also saarländischem Wirtschaftsministerium und ZPT) – wie übrigens noch in jüngster Zeit – die Einladung bzw. Aufforderung, in engem Schulterschluss mit der mittelständischen saarländischen Wirtschaft entsprechende Markterkundungen zu unternehmen, um als „Türöffner“ für die kleinen und mittleren saarländischen Unternehmen zu fungieren und gemeinsam neue Marktpotentiale zu erschließen. Drucksache 15/705 (15/580) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Diese Bemühungen konzentrierten sich schon sehr bald auf die beiden Länder Bulgarien und Kroatien, wo im Jahre 2007 jeweilige regionale Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen werden konnten. Während die Kontakte nach Bulgarien über diese Startphase hinaus aber nie zu weiteren konkreten Ergebnissen geführt haben und deshalb von der EVS-Geschäftsführung schließlich abgebrochen wurden, waren über die Jahre die Kontakte des EVS nach Kroatien, im Besonderen zur Gespanschaft Dubrovnik-Neretva (Dubrovačko-neretvanska Županija) an der südkroatischen Adriaküste und deren Kommunen wesentlich erfolgreicher. Hier wurde der Abschluss des förmlichen Kooperationsvertrags in 2007 tatsächlich zum Start für dauerhafte Kontakte und eine sich zunehmend vertiefende interkommunale Zusammenarbeit. In ersten exemplarischen fachtechnischen Studien und Expertisen ist es dem EVS darüber hinaus gelungen, sich über die kommunale Szene hinaus auf nationaler kroatischer Ebene als ausgewiesener Fachverband zu profilieren, was u.a. in 2011 seinen Ausdruck in dem Wunsch der kroatischen Regierung fand, das Engagement des EVS im Rahmen eines zwischenstaatlichen Kooperationsvertrags zwischen der kroatischen Regierung und der saarländischen Landesregierung zu institutionalisieren. Der entsprechende Vertragsabschluss, der von den beiden involvierten saarländischen Ministern (Dr. Peter, Umwelt und Dr. Hartmann, Wirtschaft) schon paraphiert worden war, kam nur deshalb nicht zustande, da wegen einer Regierungskrise die kroatische Seite nicht mehr handlungsfähig war. Zwischenzeitlich hat sich der EVS darauf konzentriert, in interessierten Kommunen der Gespanschaft Dubrovnik-Neretva erste abwassertechnische Grobkonzepte zu erarbeiten , auf deren Grundlage künftig zusammen mit den saarländischen Unternehmen konkrete Planungen und Projekte entwickelt werden können. Von ‚Balkangeschäften‘ im Sinne eines nur annähernd geregelten Geschäftsbetriebes kann angesichts dieser Sachlage jedoch bisher nicht gesprochen werden, vielmehr finden die Aktivitäten im Rahmen ‚klassischer‘ interkommunaler Kontakte ab.“ Welche haushaltsrechtlichen Regeln gelten für das Balkangeschäft des EVS und wie beurteilt die Kommunalaufsicht die derzeitige Handhabung beim EVS? Zu Frage 1: Gemäß § 13 Abs. 1 EVSG finden auf die Wirtschaftsführung und das Rechnungswesen des EVS die Vorschriften des Teils II der Eigenbetriebsverordnung (EigVO) sinngemäß Anwendung. Hinsichtlich der Buchführung und Kostenrechnung (§ 17 Abs. 2 EigVO) sowie des Jahresabschlusses (§ 19 Abs. 2 EigVO) gelten die Vorschriften des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches (vgl. auch § 40 der Verbandssatzung des Entsorgungsverbandes Saar). Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 EigVO muss der Erfolgsplan entsprechend dem Grundsatz der Vollständigkeit (vgl. auch § 246 HGB) alle voraussehbaren Erträge und Aufwendungen des Wirtschaftsjahres enthalten. Wenn die Aufwendungen für die Beratungstätigkeit , wie in der Anfrage angegeben, durch Drittmittel finanziert werden, müssen sowohl die Aufwendungen als auch die Drittmittel im Wirtschaftsplan und demzufolge auch im Jahresabschluss des Verbandes dokumentiert werden. Der EVS hat auf Nachfrage mitgeteilt, dass er sein Engagement in Kroatien bisher im Rahmen der Wirtschaftspläne des Verbandes, d.h. des EVS selbst, abgewickelt hat. Drucksache 15/705 (15/580) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Gemäß § 12 EVSG obliegt die Rechtsaufsicht über den EVS dem Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Eine Zuständigkeit der Kommunalaufsicht besteht nicht. Sind die Balkangeschäfte des EVS durch Einnahmen gedeckt und wie hoch waren Einnahmen und Ausgaben aus den Balkan-Aktivitäten seit 2007? Zu Frage 2: Hierzu hat der EVS folgendes ausgeführt: „Der Aufbau der Aktivitäten des EVS haben Vorlaufkosten von jährlich durchschnittlich rund 30 T€ verursacht. Dem stehen bisher gesicherte Einnahmen von rund 100 T€ gegenüber. Es ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft ein Ausgleich erreicht werden kann. Aus welchen Quellen werden die Balkangeschäfte finanziert? Zu Frage 3: Hierzu hat der EVS folgendes ausgeführt: „Die Vorfinanzierung erfolgt wie in der Geschäftsbesorgung des EVS für die personenund sachmittellose EVS-SAB GmbH (EVS-Gesellschaft für Service im Abwasserbereich ) üblich durch den EVS. Die Leistungsberechnung erfolgt durch den EVS an die EVS-SAB GmbH und wird aus deren privatwirtschaftlichen Erträgen ausgeglichen. Kosten, die durch Einladung zu mehreren Delegationsreisen der ZPT entstanden, wurden von der ZPT getragen." Wie viele Personen des EVS sind in das Balkangeschäft ganz oder anteilig eingebunden? Zu Frage 4: Hierzu hat der EVS folgendes ausgeführt: „Seit Anfang 2012 war ein Mitarbeiter des EVS teilweise mit den Expertisen für Kroatien befasst.“ Wurden vom EVS selbst oder von seinen Tochterunternehmen Planungs- oder Bauaufträge auf dem Balkan vergeben, und wenn ja, wie wurden diese Geschäfte finanziert? Zu Frage 5: Die Frage hat der EVS mit „Nein“ beantwortet. Drucksache 15/705 (15/580) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Welche Besuche und Gegenbesuche von Mitarbeitern des EVS und Partnern der Balkanstaaten gab es seit 2007? Zu Frage 6 Zur Beantwortung dieser Frage hat der EVS folgendes ausgeführt: „Seit 2007 hat es drei Kurzbesuche von kommunalen Amtsträgern aus Kroatien gegeben . Seitens des EVS fanden keinerlei Besuche von Aufsichtsgremien in Kroatien statt. Die Kontakte nach Kroatien laufen seitens des EVS über die Geschäftsführung, die von Fall zu Fall leitende Mitarbeiter hinzugezogen hat. Die im Zusammenhang mit den Expertisen angefallenen Reisekosten und Spesen wurden von der kroatischen Seite übernommen.“ Wer hat von Seiten des EVS und seiner Aufsichtsgremien an solchen Veranstaltungen in Deutschland und auf dem Balkan teilgenommen? Zu Frage 7: Siehe Antwort zu Frage 6. Welche konkreten Ergebnisse hatten bisher die Balkan-Aktivitäten des EVS, waren diese nach Ansicht der Landesregierung erfolgreich und sollten diese Aktivitäten fortgesetzt werden? Zu Frage 8: Vom EVS wird hierzu folgendes ausgeführt: „Mit dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union am 01.07.2013 hat sich die kroatische Republik verpflichtet, bis 2023 alle EU-Umweltstandards umzusetzen. So herrscht dort ein enormer Handlungs- und Umsetzungsbedarf, den das Land aus eigenen Ressourcen nicht wird realisieren können, sondern auf ausländische Expertise angewiesen ist. Andererseits stehen dem Land nunmehr alle relevanten Finanzierungsmöglichkeiten der EU offen, die allerdings nur mit qualifizierten Projekten mobilisiert werden können. Hier hat sich der EVS seit 2007 eine Ausgangsbasis erarbeitet, die nicht nur für den EVS, sondern in seinem Gefolge auch für die saarländische Wirtschaft (KMU) positive Perspektiven eröffnet und die Außenwahrnehmung des Saarlandes verbessert. Nicht zuletzt unter Umweltgesichtspunkten sind die Aktivitäten des EVS – wie die Fragestellerin zu Recht feststellt – begrüßenswert und sollten fortgeführt werden. Es ist lediglich zu diskutieren, in welchem institutionellen Rahmen dies künftig erfolgen soll.“ Die bisherigen, der Landesregierung bekannten Aktivitäten lassen noch keine abschließende fachliche Bewertung zu. Aktivitäten zur Verbesserung der Umweltstandards in Kroatien werden aus umweltfachlichen Erwägungen grundsätzlich begrüßt. Die Landesregierung prüft derzeit zusammen mit der mittelständischen saarländischen Wirtschaft, wie die vom EVS begonnenen Aktivitäten in Kroatien fortgeführt und im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung unterstützt werden können.