LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/708 (15/653) 06.12.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Wirtschaftsspionage im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Bedrohung von Betriebsgeheimnissen und anderen sensiblen Daten durch illegale Ausforschung und Spionage mit technischen und anderen Mitteln ist auch für im Saarland ansässige Unternehmen und Betriebe real. Ausforschung und Spionage finden unter Gebrauch von technischen Mitteln wie etwa Wanzen, Tastatur-Eingabe-Überwachungsgeräten , Bild- und Tonaufzeichnungs- und Übermittlungstechnik, aber auch durch Methoden der Ausnutzung und Abschöpfung des sozialen Umfeldes statt.“ Vorbemerkung Landesregierung: Bei der Wirtschaftsspionage handelt es sich nicht um einen eigenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch, vielmehr stellt die Wirtschaftsspionage einen Phänomenbereich dar. Unter „Wirtschaftsspionage“ subsumiert man die staatlich gelenkte oder gestützte, von fremden Nachrichtendiensten ausgehende Aufklärung von Wirtschaftsunternehmen und -betrieben. Hiervon zu unterscheiden ist die Industriespionage (auch Konkurrenzausspähung genannt), bei welcher es sich um eine Ausforschung von Geschäfts - und Betriebsgeheimnissen handelt, die ein konkurrierendes Unternehmen bzw. eine Einzelperson gegen ein anderes Unternehmen zum Zwecke des Wettbewerbs betreibt. Als einschlägiger Straftatbestand der Wirtschaftsspionage kommt § 99 StGB 1 (Ge- heimdienstliche Agententätigkeit) in Betracht. Die Industriespionage findet ihren Niederschlag vornehmlich in den Vorschriften der §§ 17 Absatz 1, 2, 18, 20 UWG 2 , 94, 99 und 202a StGB, 151 GenG3, 43 BDSG4, 120 BetrVG5, 155 SGB6 IX, 404 AktG7, 85 GmbHG 8 , 138 VAG 9 und 333 HGB. 10 Die von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken gepflegte Verfahrenserfassung bzw. Verfahrensstatistik kennt demnach ein Unterscheidungsmerkmal „Wirtschaftsspionage“ nicht. Ausgegeben: 09.12.2103 (14.10.2013) 1 Strafgesetzbuch 2 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 3 Genossenschaftsgesetz 4 Bundesdatenschutzgesetz 5 Betriebsverfassungsgesetz 6 Sozialgesetzbuch 7 Aktiengesetz 8 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung 9 Versicherungsaufsichtsgesetz 10 Handelsgesetzbuch Drucksache 15/708 (15/653) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Wie viele Fälle von Wirtschaftsspionage sind in den letzten zehn Jahren bekannt geworden, und wie haben sich die Fallzahlen entwickelt? Zu Frage 1: Aufgrund des Sachzusammenhangs wird die Frage gemeinsam mit Frage 3 beantwortet . Welche technischen und andere Mittel wurden in den bekannt gewordenen Fällen zur illegalen Ausforschung von Daten bzw. Geschäftsgeheimnissen von den Tätern jeweils eingesetzt? Zu Frage 2: Der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erfolgte überwiegend mittels Datenträger, beispielsweise USB-Stick, Festplatten oder CD-ROM. Vereinzelt wurde von außen in das Computersystem mit bekanntem Passwort eingedrungen, um sich die betreffenden Daten zu sichern. Wie viele Ermittlungsverfahren sind auf Grund der bekanntgewordenen Vorfälle eingeleitet worden? Zu Frage 3: Für den angefragten Zeitraum sind keine Ermittlungsverfahren anhängig gewesen, die einen Verstoß gegen die Straftatbestände §§ 17 Absatz 2 UWG, 120 BetrVG, 155 SGB IX, 404 AktG, 85 GmbHG, 138 VAG und 333 HGB zum Gegenstand hatten. § 17 UWG In dem Zeitraum zwischen 2007 und 2013 sind bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken 45 Ermittlungsverfahren anhängig gewesen. Bei zwei dieser Verfahren wurde Anklage erhoben. Ein Termin zur Hauptverhandlung ist nicht bestimmt. Drei Ermittlungsverfahren sind noch anhängig. Die weiteren 40 Ermittlungsverfahren sind durch Verweisung auf den Privatklageweg, durch Verfahrensabgaben an andere Staatsanwaltschaften, durch Verfahrenseinstellungen nach Opportunitätsvorschriften oder mangels Nachweises zur Erledigung gekommen. § 18 UWG In den Jahren 2009 und 2013 ist jeweils ein Ermittlungsverfahren anhängig gewesen. Davon wurde ein Verfahren auf den Privatklageweg verwiesen, das andere Verfahren wurde nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt. § 20 UWG In dem angefragten Zeitraum war ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen § 20 UWG anhängig gewesen, welches wegen Geringfügigkeiten gegen Erfüllung von Auflagen nach § 153a StPO eingestellt wurde. Drucksache 15/708 (15/653) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - § 99 StGB Wegen Verstoßes gegen § 99 StGB sind bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken in den Jahren 2006 und 2011 acht Ermittlungsverfahren anhängig gewesen, von welchen ein Verfahren aus dem Jahr 2006 und ein Verfahren aus dem Jahr 2011 mit rechtskräftigen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen, ausgesetzt zur Bewährung, ihren Abschluss fanden. Ein Ermittlungsverfahren wurde an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben. Im Übrigen sind die Verfahren nach Opportunitätsvorschriften bzw. mangels Nachweises eingestellt worden. § 151 GenG Für den angefragten Zeitraum war nur ein Verfahren aus dem Jahr 2013 anhängig, welches mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt wurde. § 43 BDSG Zu dieser Strafvorschrift sind fünf Verfahren aus den Jahren 2007 bis 2012 gelistet. In einem dieser Verfahren aus dem Jahr 2012 ist ein Strafbefehlsantrag gestellt worden. Bei den weiteren vier Verfahren handelt es sich um sogenannte „UJsVerfahren “, sprich Ermittlungsverfahren, in welchen kein Beschuldigter ermittelt werden konnte. § 202a StGB Im angefragten Zeitraum sind 1670 Ermittlungsverfahren anhängig gewesen, die einen Verstoß gegen § 202a StGB zum Gegenstand hatten. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass allein aufgrund dieser vorstehenden Auflistung noch nicht geschlossen werden kann, dass diese Verfahren dem Phänomenbereich der Wirtschaftsspionage zuzuordnen sind. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Verfahrensstatistik ein entsprechendes Unterscheidungsmerkmal, welches ein Delikt als „Wirtschaftsspionage“ kennzeichnet, nicht enthält. In wie vielen Verfahren konnten die Täter der illegalen Ausforschung ermittelt werden, und in wie vielen Verfahren kam es zu einer Verurteilung der Täter? Zu Frage 4: Auf die Beantwortung zu Frage 3 wird verwiesen. Liegen Erkenntnisse über die Dunkelziffer von Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftsspionage vor? Zu Frage 5: Der Landesregierung liegen keine detaillierten Angaben im Sinne der Fragestellung vor. Allgemein kann jedoch festgestellt werden, dass die Hell- und Dunkelfeldproblematik das Kernproblem der Beobachtung und Bekämpfung von Wirtschaftsspionage darstellt. Drucksache 15/708 (15/653) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Je professioneller und konspirativer Wirtschaftsspionage betrieben wird, desto geringer sind das Entdeckungsrisiko und das Erkennen von tatsächlichen Anhaltspunkten. Die Sicherheitsbehörden sind daher auf Informationen aus der Wirtschaft über Auffälligkeiten, Angriffsziele, methodisches Vorgehen und genutzte Kommunikationswege angewiesen. Da jedoch professionelle Wirtschaftsspionage einerseits häufig durch die Unternehmen nicht erkannt wird und andererseits erkannte Spionagetätigkeiten aus Angst vor Imageschaden und Reputationsverlust meist nicht mitgeteilt werden, besteht diesbezüglich ein „doppeltes Dunkelfeld“. Oft weist der erste Anschein einer Schadenssituation vordergründig auf andere Straftaten, wie beispielsweise Konkurrenzausspähung oder Diebstahl, hin. Liegen Erkenntnisse über die durch Wirtschaftsspionage verursachten Schäden vor? Zu Frage 6: Schäden, die durch Wirtschaftsspionage entstehen, lassen sich kaum quantifizieren. Unabhängig davon wird eine Statistik über die Höhe der entstandenen Schäden bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken nicht geführt.