LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/759 (15/581) 07.02.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Neyses (PIRATEN) betr.: Beschäftigungssituation an den saarländischen Hochschulen Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Problematik von prekären Beschäftigungsverhältnissen besteht aus verschiedenen Gründen in diversen Branchen in unterschiedlichen Ausprägungen . Ein Sektor, der hier besonders betroffen ist, ist die Wissenschaft. Die Anzahl der lediglich befristeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im akademischen Mittelbau ist an den deutschen Hochschulen in den letzten Jahren explodiert. Während 2005 etwa 75 % einen befristeten Arbeitsvertrag hatten, ist die Quote bis heute auf fast 90 % angestiegen. Nur etwa einer von zehn wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann einen unbefristeten, und damit sicheren, Arbeitsplatz vorweisen. Mehr als die Hälfte der befristeten Verträge (etwa 53 %) haben eine Laufzeit von einem Jahr oder weniger, etwa 36 % liegen zwischen ein und zwei Jahren und nur etwa 11 % haben eine Laufzeit von über 2 Jahren. Die überwiegende Mehrheit der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler verfügt über keine gesicherte berufliche Perspektive. Es gab inzwischen verschiedene politische Initiativen , die versuchten, diese Problematik zu entschärfen . Diese Initiativen sind jedoch in den seltensten Fällen über ihren Status als „gute Absicht“ hinausgekommen. Die Situation der Angestellten im Wissenschaftsbereich hat sich bis heute nicht nennenswert verbessert, im Gegenteil, die Situation verschärft sich seit Jahren weiter. Die Einführung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat auch dazu geführt, dass Regelungen zum Schutz von Promotionsstudierenden im saarländischen Universitätsgesetz ausgehebelt wurden (vgl. § 37 III UG). Ausgegeben: 07.02.2014 (05.08.2013) Drucksache 15/759 (15/581) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Durch die schlechte saarländische Haushaltslage sind die saarländischen Hochschulen doppelt betroffen . Erst gab es über mehrere Jahre keine Sicherheit über die Entwicklung der Landesmittel, nun ist bekannt, dass bis 2020 über 100 Millionen Euro eingespart werden müssen. Diese Einsparungen werden überwiegend bei den Personalkosten umgesetzt werden müssen.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die in den Vorbemerkungen des Fragestellers enthaltenen Aussagen werden von der Landesregierung nicht geteilt. Da sie sich in den Fragen wiederholen, wird die Landesregierung im Rahmen der jeweiligen Antworten darauf eingehen. Wie bewertet die Landesregierung den stetigen Anstieg von befristeten Beschäftigungsverhältnissen an den saarländischen Hochschulen, die inzwischen unbefristete Arbeitsverhältnisse als Regel abgelöst haben und den Alltag dominieren? Zu Frage 1: Dem deutschen Wissenschaftssystem liegt, ebenso wie in anderen Ländern, das Prinzip der Befristung von Arbeitsverträgen insbesondere während der wissenschaftlichen Qualifizierungsphase zugrunde. Bereits vor dem Inkrafttreten des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes 2008 haben die §§ 57a bis 57f des Hochschulrahmengesetzes (HRG) als Vorgängerregelung die Befristung von Arbeitsverhältnissen mit wissenschaftlichem Personal an Hochschulen und Forschungseinrichtungen vorgesehen. Von einer „Ablösung unbefristeter Arbeitsverhältnisse als Regel“ kann deshalb nicht gesprochen werden. Mit dem Prinzip der Befristung von Arbeitsverträgen während der wissenschaftlichen Qualifizierungsphase wird die Funktions- und Innovationsfähigkeit der Forschung gewährleistet. Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen in definierten Zeiträumen die wissenschaftlichen Qualifizierungsstufen durchlaufen und die hierfür vorgesehenen Stellen zur kontinuierlichen Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Anschluss erneut zweckentsprechend zur Verfügung stehen. In der Drittmittelforschung, die bei der Finanzierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen seit jeher eine zentrale Rolle einnimmt und die inzwischen auch für die Hochschulen eine wachsende Bedeutung erlangt hat, ist die Kongruenz zwischen der Laufzeit drittmittelfinanzierter Projekte und der Vertragsverhältnisse der für die Abwicklung solcher Projekte eingestellten wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Voraussetzung für die Durchführbarkeit. Viele dieser Projekte insbesondere von industriellen Drittmittelgebern würden nicht beauftragt und entsprechend keine Stellen und keine (zusätzlichen) Qualifizierungsmöglichkeiten an den Forschungseinrichtungen und den Hochschulen geschaffen werden, ohne dass die Kosten solcher Projekte durch auf die Projektdurchführung abgestimmte Arbeitsverträge kalkulierbar und damit finanzierbar sind. Die Landesregierung bewertet deshalb im Rahmen der durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz gezogenen Grenzen die Befristung von Arbeitsverhältnissen in der wissenschaftlichen Qualifizierungsphase grundsätzlich positiv. Drucksache 15/759 (15/581) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Liegen der Landesregierung Zahlen vor, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den saarländischen Hochschulen befristet bzw. unbefristet im akademischen Mittelbau und anderen Bereichen beschäftigt sind? Bitte möglichst detailliert aufschlüsseln . Zu Frage 2: a) Universität des Saarlandes Ausweislich des Jahresberichts des Präsidiums 2012 ist der Anteil der Befristungen bei der Beschäftigung des wissenschaftlichen und des nichtwissenschaftlichen Personals im Zeitraum 2002 bis 2012 konstant geblieben. b) Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes  Ein Drittel (33 %) der an der HTW Saar zum Stichtag 1. April 2013 Beschäftigten ist befristet eingestellt (siehe nachstehende Übersicht); dabei handelt es sich überwiegend um wissenschaftliche Mitarbeiter(innen) im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) (15 %) und in der Lehre (Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA), 11 %).  Im Bereich FuE ist die Befristung überwiegend dadurch bedingt, dass diese Beschäftigten im Rahmen von FuE-Projekten eingestellt werden und nach Abschluss der Projekte ihre wissenschaftliche und/oder berufliche Karriere anderweitig fortsetzen .  Bei den Lehrkräften für besondere Aufgaben ist die Befristung auf die befristete Mittelzuführung aus dem Hochschulpakt 2020 und dem Qualitätspakt Lehre zurückzuführen , aus denen viele dieser zusätzlich eingestellten Lehrkräfte finanziert werden. gesamt davon befristet Professor(inn)en 130 0 Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) 68 42 wissenschaftliche Mitarbeiter(innen) 61 60 Labor-/technische Mitarbeiter(innen) 43 7 Verwaltungsmitarbeiter(innen) 88 18 Gesamt 390 127 Drucksache 15/759 (15/581) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - c) Hochschule der Bildenden Künste Saar gesamt davon befristet Professor(inn)en 17 1 Dozenten 1 0 Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) 5 0 wissenschaftliche Mitarbeiter(innen) 10 5 Mitarbeiter(innen) Zentrale Einrichtungen /Hochschularchiv/Öffentlichkeitsarbeit 2 0 Mitarbeiter(innen) Zentrale Einrichtungen /Werkstätten 7 0 Gesamt 42 6 d) Hochschule für Musik Saar Die HfM hat keine Beschäftigten im akademischen Mittelbau. gesamt davon befristet Professor(inn)en 38 0 Lehrbeauftragte 10 (VZÄ) 1 10 Verwaltung 15 0 Technischer Dienst 8 8 Gesamt 71 18 1 Die Gesamtzahl beträgt 96. Unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Vergütung einer entsprechend dauerhaft eingerichteten Stelle (Wertigkeit der Entgeltgruppe E 13 TV-L) ergibt sich die Zahl von 10 Lehrbeauftragten in Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Wie hat das Saarland in der 909. Sitzung des Bundesrates am 03.05.2013 bei dem Antrag Drucksache 267/13 abgestimmt? Bitte das Abstimmungsverhalten begründen. Zu Frage 3: Der Bundesrat hat die Vorlage nach gemeinsamer Beratung mit zwei weiteren Punkten (Entwurf einer Verordnung zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastung am Arbeitsplatz / Entschließungsantrag „Gute Arbeit – Zukunftsfähige und faire Arbeitspolitik gestalten“) ohne Durchführung einer Abstimmung dem Ausschuss für Kulturfragen – federführend – sowie dem Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik – mitberatend – zugewiesen. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um die Situation a) an den saarländischen Hochschulen und b) auf Bundesebene zu verbessern? Drucksache 15/759 (15/581) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Falls die Landesregierung Maßnahmen plant, bis wann rechnet sie mit einem erfolgreichen Abschluss und entsprechenden Auswirkungen ihrer Maßnahmen? Zu Frage 4: Die Landesregierung sieht unter Bezugnahme auf die Antwort zu Frage 1) keinen Handlungsbedarf zu umfassenden Veränderungen. Zu dem Frageteil a) wird weitergehend auf die Antwort zu der gleichgerichteten, konkreter gefassten Frage 5) verwiesen , zu dem Frageteil b) auf die Antwort zu Frage 3). Ergänzend ist darauf hinzuweisen , dass es sich bei dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz um ein Bundesgesetz handelt. Wie in der Antwort zu Frage 3) ausgeführt wird ein Änderungsantrag zu dem Gesetz derzeit in den Gremien des Bundesrates behandelt. Wird die Landesregierung im Rahmen ihrer geplanten Universitätsgesetzreform die durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz in § 37 III UG entstandene Lücke schließen? Welche Überlegungen hat sie hierzu bereits unternommen? Zu Frage 5: Entgegen der Aussage in der Fragestellung ist durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz keine „Lücke“ in § 37 Absatz 3 des Universitätsgesetzes „entstanden“. In Übereinstimmung mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt § 37 Absatz 3 Satz 3, dass „ein befristetes Beschäftigungsverhältnis insbesondere vorzusehen ist, wenn der Aufgabenbereich zugleich die Vorbereitung einer Promotion oder die Erbringung zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen umfasst“. Dieser Regelung liegen die zur Frage 1 dargelegten Prinzipien zugrunde. Allerdings ist die Landesregierung auf der Grundlage neuerer Erhebungen, die eine Zunahme von Zeitverträgen mit Laufzeiten unter einem Jahr ausweisen, der Auffassung, dass dies jedenfalls dann nicht zielführend ist, wenn sich eine solche Befristung nicht aus den Interessen der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begründet, beispielsweise im Hinblick auf die Fertigstellung der Promotion, als Übergang zu einem Berufseinstieg oder anderen in Betracht kommenden Überbrückungsunterstützungen. Aus diesem Grunde soll die geplante Reform des Universitätsgesetzes eine entsprechende Ergänzung vorsehen. Dabei ist aber auch den Interessen von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Rechnung zu tragen, die aus den dargelegten Gründen eine kürzere Befristung benötigen und eine solche dann auch erhalten können sollen, ohne dass das Gesetz diese Möglichkeit ausschließt. Zum anderen hat die Landesregierung bei der Neuregelung das eigenverantwortliche Bewusstsein der Hochschulen als Arbeitgeber einbezogen , die dies in den mit Datum vom 24.04.2012 verabschiedeten „Leitlinien der Hochschulrektorenkonferenz für die Ausgestaltung befristeter Beschäftigungsverhältnisse mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal“ zum Ausdruck gebracht haben. Drucksache 15/759 (15/581) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Welche Auswirkungen werden die Kürzungen im Hochschulbereich auf die Angestellten der saarländischen Hochschulen haben? Welche Maßnahmen wird die Landesregierung unternehmen, um einen sozialverträglichen Stellenabbau zu gewährleisten ? Zu Frage 6: In den mit den Hochschulen im Mai des Jahres 2013 geführten Gesprächen zum Finanzrahmen 2014 bis 2020 wurden der Universität des Saarlandes und der Hochschule für Technik und Wirtschaft trotz der schwierigen Haushaltsrahmenbedingungen des Landes langfristig Planungssicherheit gewährt. Über den Einsatz der von der Landesregierung bereitgestellten Haushaltsmittel entscheiden die Hochschulen im Rahmen der ihnen eingeräumten Hochschulautonomie eigenständig. Die Landesregierung geht bei der gegebenen Finanzlage nicht von einem Stellenabbau aus. Deshalb bedarf es keiner Maßnahmen der Landesregierung, „um einen sozialverträglichen Stellenabbau zu gewährleisten“. Die hervorragende Qualität in Forschung und Lehre wurde in der Vergangenheit auch im grundständigen Bereich durch ein überdurchschnittliches Engagement der Mitarbeiter auch über die Arbeitszeit hinaus sowie durch die teilweise massive Erteilung von Lehraufträgen ermöglicht. Wie beurteilt die die Landesregierung die als Folge der Sparmaßnahmen zu erwartende Schwächung der personellen Strukturen hinsichtlich a) der Qualität, b) die Attraktivität als Studienort und c) dem Umfang der zu erwartenden Drittmittelakquise? Zu Frage 7: Die Landesregierung ist sich der hervorragenden Qualität in Forschung und Lehre an den saarländischen Hochschulen bewusst und anerkennt ausdrücklich das große Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das dieser Qualität zugrunde liegt und diese erst ermöglicht. Die Landesregierung wird deshalb auch in Zukunft trotz der enormen Herausforderungen, die aus der Schuldenbremse erwachsen, das Mögliche tun, um die finanziellen Voraussetzungen zur Sicherung dieses Qualitätsniveaus zu erhalten. Im Kontext der Haushaltsplanung und -konsolidierung hat sich die Landesregierung deshalb politische Schwerpunkte gesetzt, bei denen sie die Verbesserung der Rahmenbedingungen als besonders bedeutsam ansieht. Hierzu gehört insbesondere der Hochschulbereich. Der Haushaltsentwurf 2014 trägt dieser Schwerpunktsetzung Rechnung. Dieser sieht vor, den Hochschulen im Anschluss an die planungsmäßig ausgelaufenen Mittel aus dem Sondervermögen Zukunftsinitiative zusätzlich 6 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus werden die Hochschulen mit einem verlässlichen Finanzrahmen bis 2020 ausgestattet. Diesem Ziel dient auch das von der Landesregierung beim Wissenschaftsrat in Auftrag gegebene Strukturgutachten. Drucksache 15/759 (15/581) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Die Landesregierung geht weder von einer „Schwächung der personellen Strukturen“ noch von Einbußen bei der „Qualität, der Attraktivität als Studienort oder dem Umfang der zu erwartenden Drittmittelakquise“ aus. Sie erwartet vielmehr insbesondere von dem Gutachten des Wissenschaftsrates wichtige und wegweisende Impulse, um die Zukunft der saarländischen Hochschulen trotz Haushaltskonsolidierung im nationalen und internationalen Wettbewerb gleichermaßen zukunftsweisend, konstruktiv und effizient zu gestalten.