LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/778 (15/715) 11.02.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Mitarbeitermotivation und regelmäßige Mehrarbeit im Justizvollzugsdienst Vorbemerkung des Fragestellers: „Pro Jahr werden durch die Beamten im Justizvollzugsdienst im Schnitt zwischen 40.000 bis 50.000 Arbeitsstunden über die Regelarbeitszeit hinaus geleistet, entweder als erhöhte wöchentliche Arbeitszeit oder als angewiesene Mehrarbeit zu ihren Pflichtstunden.“ Vorbemerkung Landesregierung: Das Thema Mehrarbeit im Justizvollzug war in dieser Legislaturperiode bereits Gegenstand mehrerer Anfragen des Abgeordneten Ulrich (Landtagsdrucksachen 15/136, 15/256, 15/401 und 15/659). Zu einem Teil der neuen Fragen kann daher auf frühere Antworten der Landesregierung Bezug genommen werden (Landtagsdrucksachen 15/184, 15/320, 15/465 und 15/719). Sind diese Mehrarbeitsstunden von vorneherein eingeplant? Gibt es eine Personalunterdeckung in diesem Bereich ? Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um die Anzahl der regelmäßig zu erbringenden Mehrarbeitsstunden kurz-, mittel- und langfristig zu senken ? Zu den Fragen 1 bis 3: Mehrarbeitsstunden in diesem Umfang sind nicht eingeplant. Hauptursächlich für den Anstieg der Überstunden ist in erster Linie ein signifikant erhöhter Krankenstand im allgemeinen Vollzugsdienst, der deutlich über dem langfristigen Durchschnitt liegt. Ausgegeben: 11.02.2014 (20.12.2013) Drucksache 15/778 (15/715) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Eine Personalunterdeckung besteht nicht. Nach der vertiefenden Benchmarkanalyse eines externen Gutachters von Januar 2013 ist der Justizvollzug im Saarland nicht unterpersonalisiert. Die Landesregierung bildet weiterhin Anwärterinnen und Anwärtern für den allgemeinen Vollzugsdienst aus. Ende April 2014 werden 13 Anwärterinnen und Anwärter des allgemeinen Vollzugsdienstes ihre Ausbildung abschließen, und für Oktober dieses Jahres ist geplant, wieder entsprechende Laufbahnbewerber/innen einzustellen. Hierdurch wird kontinuierlich für Personalnachwuchs gesorgt, so dass es nicht zu einer Personalunterdeckung kommen kann. Die Landesregierung beabsichtigt, eine wissenschaftliche Studie über die Arbeitsbedingungen , die Arbeitsmotivation und die Gesundheit im saarländischen Justizvollzugsdienst in Auftrag zu geben. Ende der Angebotsabgabefrist war der 17. Januar 2014. Die Untersuchung wird im intensiven Dialog mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des saarländischen Justizvollzugsdienstes erfolgen. Ihr Ziel ist eine Analyse der komplexen Wirkungszusammenhänge und daraus abzuleitende Handlungsempfehlungen zur Arbeitsplatzgestaltung, zur Reduzierung der Fehlzeiten und mithin der Überstunden. Wie gedenkt die Landesregierung mit den bisher angefallenen Mehrarbeitsstunden umzugehen? Zu Frage 4: Wie bereits früher (zu Frage 2 in der Antwort durch die LT-Drs. 15/184, zu den Fragen 2a bis d) in der Antwort der LT-Drs. 15/320, zu Frage 1 in der Antwort durch LT-Drs. 15/465 und zu Frage 9 in der Antwort durch die LT-Drs. 15/719) ausgeführt, werden keine Überstunden verfallen, sondern entsprechend dem Umfang der gestellten Anträge entweder durch Gewährung von Freizeit oder Vergütung in Geld ausgeglichen. Ist der Personalbestand ausreichend, um die Anforderungen des Vollzugs an Sicherheit und Resozialisierung zu erfüllen? Ist der Vollzugsgrundsatz der Angleichung gewahrt , d.h. gelingt es den Beamten trotz der offensichtlichen enormen Mehrbelastung im Vollzugsdienst die Verhältnisse innerhalb der JVA soweit es geht den Verhältnissen der Außenwelt anzugleichen – vor allem durch Arbeit, Freizeit und Ausbildung der Inhaftierten – oder besteht die Gefahr , dass der Tätigkeitsbereich auf reines „Wegschließen “ reduziert wird? Zu den Fragen 5 und 6: Der Personalbestand ist ausreichend, um sowohl den Resozialisierungserfordernissen als auch den Sicherheitsanforderungen zu entsprechen. Der Vollzugsgrundsatz der Angleichung wird gewahrt. Ein reines Wegschließen der Gefangenen findet in keiner saarländischen Justizvollzugsanstalt statt. Vielmehr werden dort sehr großzügig bemessene Aufschlusszeiten praktiziert, in denen Gefangene unter professioneller Betreuung in einer sozialen Gruppe angemessenes soziales Verhalten üben können. Beispielhaft seien hier die Aufschlusszeiten im Wohngruppenvollzug der JVA Saarbrücken genannt, der insgesamt 126 Haftplätze vorhält. Drucksache 15/778 (15/715) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Dieser findet dort in insgesamt fünf Wohngruppen statt. Diese sind während des Tages geöffnet von - montags bis freitags: 6:00 bis 21:00 Uhr - samstags und sonntags: 8:00 bis 16:00 Uhr. Die Wohngruppen sind damit insgesamt 91Stunden in der Woche geöffnet und bieten den Gefangenen umfassend die Möglichkeit, sozialverträgliches Verhalten, Toleranz und die Übernahme von Verantwortung für sich und andere einzuüben. Darüber hinaus wird auf die besonders ausführliche Antwort der Landesregierung von Oktober 2012 (LT-Drs. 15/184) zu den Fragen 4 und 5 verwiesen, in der zur Arbeitstherapie Stellung genommen und die für die Gefangenen bestehenden umfangreichen Freizeit- und Sportangebote dargestellt wurden. Die Ausbildungs- und Beschäftigungsquote im Jugendbereich ist sehr hoch. Die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken versucht intensiv, die Beschäftigungsquote der Gefangenen durch Anwerbung weiterer Unternehmen, die Produktionsstätten in der Anstalt einrichten, zu erhöhen. Eine ausreichend große Produktionsfläche in der neu errichteten Werkhalle steht ebenso wie qualifiziertes Personal des Werkdienstes zur Verfügung. Wie hoch ist der Krankenstand im Vollzugsdienst? Zu Frage 7: Der Krankenstand im allgemeinen Vollzugs- und Werkdienst betrug im Jahresdurchschnitt 2013 in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler 13,6 % und in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken 14,8 %. Gibt es aus Sicht der Landesregierung einen Zusammenhang zwischen der Arbeitsbelastung – ausgedrückt in der Anzahl der Mehrarbeitsstunden und der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage? Zu Frage 8: Aus Sicht der Landesregierung gibt es keine monokausalen Wirkungszusammenhänge . Sie erwartet aus der in Antwort zu Frage 3 dargestellten in Auftrag zu gebenden wissenschaftlichen Studie genaue Erkenntnisse über die Zusammenhänge. Was sind die Hauptgründe für längere Arbeitsunfähigkeiten ? Zu Frage 9: Die Anstaltsleitungen haben zur vorliegenden Fragestellung mitgeteilt, dass die Bandbreite der ihnen bekannten Gründe für längere Zeiträume als drei Monate bestehende Dienstunfähigkeiten sowohl organische als auch orthopädische und psychische Erkrankungen umfasse. Drucksache 15/778 (15/715) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Zur Einordnung von Dienstunfähigkeitszeiten im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen sei im Übrigen auf Daten aus epidemiologischen Studien verwiesen. So gibt beispielsweise der Bundesgesundheitssurvey auf dem Hintergrund einer repräsentativen bundesdeutschen Stichprobe die 12-Monatsprävalenz für das Auftreten einer psychischen Störung mit 31 % an. Die Häufigkeit der Dienstunfähigkeit von Vollzugsbediensteten wegen einer psychischen Erkrankung bildet sich demgemäß nicht überdurchschnittlich ab, selbst wenn in Rechnung gestellt werden muss, dass nicht jedes Auftreten einer psychischen Störung zwangsläufig zu einer Dienstunfähigkeit führt. Wie beurteilt die Landesregierung die Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage im Vergleich zu anderen Bereichen des saarländischen öffentlichen Dienstes? Zu Frage 10: Die Landesregierung sieht aufgrund der erhöhten krankheitsbedingten Fehltage Handlungsbedarf , weshalb sie die oben zu Frage 3 bereits erwähnte Mitarbeiterbefragung in Auftrag geben und auf dieser Erkenntnisgrundlage handeln wird. Gibt es hierbei eine signifikante Differenzierung nach Besoldungsgruppen? Zu Frage 11: Während die Justizvollzugsanstalt Saarbrücken mitgeteilt hat, dass bei der Anzahl der Fehltage ihrer Bediensteten keine signifikante Differenzierung ersichtlich sei, waren für die Justizvollzugsanstalt Ottweiler gewisse Schwerpunkte erkennbar. Dort fällt der höchste Anteil der Krankheitstage auf die Altersklasse 3 (41-50 Jahre) und der zweithöchste auf die Altersklasse 4 (51-60 Jahre). In beiden Gruppen zusammen sind aufgrund des hohen Durchschnittsalters im mittleren allgemeinen Vollzugsdienst (48 Jahre ) mehr als 50 Bedienstete in der Besoldungsgruppe A 8. Wie hoch ist der relative Krankenstand pro Beamten im mittleren, gehobenen und höheren Dienst? Zu Frage 12 Ergänzend zu den für den mittleren allgemeinen Vollzugsdienst und Werkdienst oben zu Frage 7 bereits dargestellten Zahlen wurden von den Anstalten für das Jahr 2013 folgende Werte mitgeteilt: a) JVA Saarbrücken: - mittlerer Verwaltungsdienst: 6,08 % - gehobener Dienst 10,62 % - höherer Dienst 0,90% b) JVA Ottweiler - mittlerer Dienst: 12,86 % - gehobener Dienst 3,35 % - höherer Dienst 0,00 % Drucksache 15/778 (15/715) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Wie hoch ist der relative Krankenstand pro Beschäftigten im mittleren, gehobenen und höheren Dienst? Zu Frage 13: Für die Beschäftigten wurden folgende Zahlen für 2013 mitgeteilt: a) JVA Saarbrücken: - entsprechend mittlerem Dienst: 13,96 % - entsprechend gehobenem Dienst 10,38 % - entsprechend höherem Dienst 6,96 % b) JVA Ottweiler - entsprechend mittlerem Dienst: 7,80 % - entsprechend gehobenem Dienst: - Prozentzahl kann aus datenschutzrechtlichen Grün- den nicht mitgeteilt werden, da Rückschlüsse auf einzelne Beschäftigte möglich wären. - entsprechend höherem Dienst 6,02 % Gibt es Pläne im Bereich Justiz den Vollzugsdienstbeamten bei Krankheit von mehr als 3 – 6 Monaten Zulagen zu streichen? Falls zutreffend, mit welcher Begründung streicht die Landesregierung die Zulagen der Vollzugsbeamten , und auf welche Rechtsgrundlage beruft sie sich hierbei? Zu Fragen 14 und 16: Bei Zulagen muss unterschieden werden, ob sie mit dem Amt verknüpft sind oder ob es sich um eine rein funktionsbezogene Stellenzulage handelt. Letztere werden gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 BBesG nur für die Dauer der Wahrnehmung der Funktion gewährt. Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass letztere zwar im Fall einer normalen Unterbrechung durch Urlaub oder Krankheit, nicht aber während eines im Rahmen des Beamtenverhältnisses stattfindenden Studiums an der Fachhochschule zu zahlen sind. Die Zulage wäre auch dann nicht weiterzugewähren, wenn der Beamte von der Erfüllung der mit dem Dienstposten verbundenen Aufgaben befreit wäre (BVerwG – 2 C 7.93 – Urteil vom 12. September 1994). Das OVG NRW hat entschieden , dass eine die zulageberechtigende Tätigkeit unterbrechende Erkrankung dann vorliegt, wenn hierdurch eine längere Fehlzeit eintritt, deren Dauer ungewiss ist (OVG NRW – 6 A 3512/95 – Urteil vom 30. August 1996). Die sog. Gitterzulage ist eine solche Zulage. Sie entfällt während der „nicht hinter Gittern “ stattfindenden Ausbildung an der Justizvollzugsschule. In Fällen längerer Erkrankung wird sie, im Einvernehmen auch mit den Personalvertretungen, nach drei Monaten , im Fall dienstunfallbedingter Erkrankung nach sechs Monaten, nicht mehr gewährt werden. Dafür sollen die Leistungen für diejenigen Bediensteten erhöht werden, die den Vertretungsdienst übernehmen müssen. Drucksache 15/778 (15/715) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Falls zutreffend, wie beurteilt die Landesregierung diese Pläne vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes und der Fürsorgepflicht? Zu Frage 17: Die vorgesehene Praxis, wonach die Zahlung der Gitterzulage bei längerfristigen Erkrankungen eingestellt werden soll, entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ist sowohl mit dem Gleichheitsgrundsatz als auch mit dem Fürsorgeprinzip vereinbar . Eine entsprechende Verfahrensweise wird bereits seit einigen Jahren in den Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen praktiziert. Welche Regelungen sehen das saarländische Besoldungsrecht und das Bundesbesoldungsrecht für diesen Fall bereits heute vor? Zu Frage 18: § 1 Abs. 2 des Saarländischen Besoldungsgesetzes bestimmt, dass die am 31. August 2006 geltenden besoldungsrechtlichen Vorschriften des Bundes als Landesrecht fortgelten , soweit sich auf dem Saarländischen Besoldungsgesetz oder aufgrund sonstiger landesrechtlicher Vorschriften nichts anderes ergibt. Die Rechtsgrundlage in diesen Fällen bilden daher § 42 und die Vorbemerkung Nr. 12 zu den Besoldungsordnungen A und B des in Landesrecht übergeleiteten Bundesbesoldungsgesetzes. Gibt es über den Vollzugsdienst hinaus für andere Bereiche Pläne, den Beamten bei Krankheit von mehr als 3 – 6 Monaten Zulagen zu streichen? Wird das Bundesbesoldungsrecht in Fällen, in denen das saarländische Landesrecht keine Regelungen vorsieht, im Saarland immer angewandt? Zu Fragen 15 und 19: Soweit die „Polizeizulage“ im Saarland allen Angehörigen des Polizeidienstes ohne Rücksicht auf ihre aktuelle Verwendung (Polizeischule, Innendienst, Abordnungen) oder auch bei längeren Erkrankungen gezahlt wird, beruht dies nach Auffassung der Landesregierung auf einem anderen rechtlichen Charakter dieser Zulage, die eng mit dem Amt verknüpft ist, während es sich bei der „Gitterzulage“ um eine rein funktionsbezogene Stellenzulage handelt.