LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/856 (15/791) 04.04.2014 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Astrid Schramm (DIE LINKE.) betr.: Nachkriegspolitiker in der Publikation Echolot, Band 12 Vorbemerkung der Fragestellerin: „Fast 70 Jahre nach dem Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland hat das Landesarchiv Saarbrücken in der Publikation „Echolot, Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken, Band 12, Last aus tausend Jahren“ verschiedene Saarländerinnen und Saarländer, darunter Juristen, Ärzte und Sportler und deren Verstrickungen mit der NS-Diktatur dargestellt. Nicht enthalten ist allerdings ein Abschnitt über belastete saarländische Nachkriegspolitiker. Heute ist bekannt, dass mindestens 23,2 % (und damit prozentual gesehen mehr als doppelt so viele wie in der allgemeinen Bevölkerung) der vom Alter her in Frage kommenden Mandatsträger im Saarländischen Landtag vor 1945 der NSDAP angehörten . Allein die CDU-Fraktion der Wahlperiode 1956-1961 bestand zu mehr als 50 % aus ExNSDAP -Mitgliedern. Auch bei SPD und DPS, als Vorgängerpartei der FDP, lag der Anteil belasteter Personen bei über 40 %. Ein Teil dieser Abgeordneten war durch ihre Vergangenheit schwer belastet. Beispielsweise wurde der zeitweilige CDU-Fraktionsvorsitzende Erwin Albrecht in der Tschechoslowakei als Kriegsverbrecher gesucht, da er dort während des Krieges als Richter zahlreiche Todesurteile verhängte. Unter anderem wurde auf sein Urteil hin die Operettensängerin Marianne Golz-Goldlust enthauptet, weil sie Juden bei der Flucht vor der Deportation geholfen hatte. Ausgegeben: 04.04.2014 (17.02.2014) Drucksache 15/856 (15/791) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Diese Politiker finden sich in der Publikation allenfalls als Einzelpersonen aus der saarländischen Politik, wobei allerdings erstens eine intensive Auseinandersetzung mit deren Taten im Naziregime unterbleibt und zweitens der Zusammenhang zu ihrer Tätigkeit als Nachkriegspolitiker nicht hergestellt wird.“ Vorbemerkung Landesregierung: Bei dem im Jahr 2013 in der Reihe „Echolot. Historische Beiträge des Landesarchivs Saarbrücken “ erschienenen Band 12 mit dem Titel „Last aus tausend Jahren. NS-Vergangenheit und demokratischer Aufbruch im Saarstaat“ handelt es sich um eine Veröffentlichung zur saarländischen Regionalgeschichte, welche die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Rahmen des demokratischen Neubeginns an der Saar in der Zeit von 1945 bis 1955 zum Thema hat. Es wird daraufhin gewiesen, dass die Anfrage, wie aus der Vorbemerkung zu entnehmen, jedoch auf die Zeit nach 1955 rekurriert. Hält die saarländische Landesregierung das Ausklammern saarländischer Politiker aus der Betrachtung der NS-Vergangenheit des Saar-Staates für angemessen? Wie begründet sie ihre Auffassung ? Zu Frage 1: Mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Rahmen des demokratischen Neubeginns in der Zeit von 1945 bis 1955 betritt die Veröffentlichung historiografisches Neuland und füllt eine bisherige „Leerstelle“ innerhalb der saarländischen Geschichtsschreibung . Unter der Überschrift „Kontinuität oder Neubeginn?“ widmet sich die Publikation den Bereichen „Anwaltschaft“, „Gesundheitswesen“ und „Sport“. Diese Bereiche waren zum Zeitpunkt der Konzeptualisierung des Bandes erstmalig wissenschaftlich aufgearbeitet und konnten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus gehende Themenstellungen wie etwa die Verstrickung saarländischer Nachkriegspolitiker mit dem Nationalsozialismus , aber auch die der Kirchenvertreter, der Gewerkschafter, der Journalisten, der Kulturschaffenden etc. werden nicht behandelt, da zum damaligen Zeitpunkt keine neueren Forschungsergebnisse vorlagen bzw. bekannt waren, der bestehende und öffentlich zugängliche Forschungsstand hierzu also keine neuen Erkenntnisse bereithielt. Die saarländische Landesregierung hält das Ausklammern saarländischer Politiker dann nicht für angemessen, wenn eine Veröffentlichung den Anspruch erhebt, umfassend und abschließend zu sein. Dies ist jedoch bei der zur Diskussion stehenden Publikation nicht der Fall. Sie beschränkt sich aus wissenschaftlichen Gründen auf Teilaspekte und formuliert Thesen, die „eher als Anregung für weitere Forschungen denn als erschöpfende Antworten zu verstehen“ (S. 377) sind. Vor diesem Hintergrund hält die saarländische Landesregierung die Themensetzung der Veröffentlichung für angemessen. Drucksache 15/856 (15/791) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Welche Gründe gab es, die Vergangenheit der saarländischen Parteien und Politiker bis zum heutigen Tage nicht aufzuarbeiten? Zu Frage 2: Die Aufarbeitung von Geschichte findet an vielen verschiedenen Stellen statt – von der Universität über die Geschichts- und Heimatvereine bis hin zum privaten Engagement. In den letzten Jahren ist dabei eine beachtliche Anzahl an Publikationen auch über die Zeit des Nationalsozialismus im Raum des heutigen Saarlandes entstanden. Verwiesen sei etwa auf Autoren wie Klaus-Michael Mallmann, Gerhard Paul, Rainer Möhler, Elisabeth Thalhofer, Fabian Lemmes, Christoph Brass, Klaus Brill, Bernhard W. Planz, Hans-Peter Klausch oder auch an die Dauerausstellung „Zehn statt tausend Jahre“ des Regionalgeschichtlichen Museums in Saarbrücken. Bei der Aufarbeitung der Vergangenheit sieht es die Landesregierung nicht als ihre Aufgabe an, den hierzu berufenen Akteuren der Zivilgesellschaft inhaltliche oder thematische Vorgaben zu machen. Welchen Einfluss hat die Landesregierung auf die Themensetzung und die Erstellung der EcholotBände im Allgemeinen? Zu Frage 3: Die Echolot-Reihe ist aus eigener Initiative des Landesarchivs im Jahre 2005 entstanden. Damit wird das Landesarchiv seinem Auftrag gerecht, „an der Auswertung der von ihm aufbewahrten Quellen sowie an der Erforschung und öffentlichen Vermittlung der Geschichte des Saarlandes und der Nachbarregionen“ (SArchG § 7, Abs. 5) mitzuwirken. Die in der Reihe erschienenen Bände entsprechen strengen wissenschaftlichen Maßstäben und zeichnen sich durch eine hohe publizistische Qualität aus. Daher sah die Landesregierung bisher keinen Grund, auf die Themensetzung und die Erstellung der Echolot-Bände Einfluss auszuüben . Sie wird dies auch in Zukunft nicht tun, es sei denn, etwaige verfassungsfeindliche Tendenzen seien zu befürchten. Hätte die Landesregierung aus ihrer Sicht diesen Einfluss nutzen sollen, um die Rolle von saarländischen Nachkriegspolitikern in der NS-Zeit in dieser Publikation näher zu beleuchten? Zu Frage 4: Da die Landesregierung keinen Einfluss ausübte, fehlt die Grundlage einer Beantwortung.