LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/877 (15/815) 10.04.2014 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel (DIE LINKE.) betr.: Ästhetische Zerstörung der Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“ durch Windkraftplanungen Vorbemerkung der Fragestellerin: Die Landesregierung schweigt sich zu den kulturellen Aspekten, die hinsichtlich der Windkraftplanungen im Umfeld der Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“ zu berücksichtigen sind, bislang beharrlich aus. Vorbemerkung der Landesregierung: Die Antwort bezieht sich auf die gesetzlichen Grundlagen und deren rechtliche Beurteilung . Wie ist bei der Planung und Errichtung von Windkraftanlagen die Beeinträchtigung/Zerstörung von Kunstwerken im Allgemeinen sowie im Fall der geplanten Windkraftanlagen/Ermittlung von Potentialflächen in Sichtweite der Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“ im Besonderen zu beurteilen ? Zu Frage 1: Der Katalog der bei der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belange des § 1 Absatz 6 BauGB macht deutlich, dass die Gemeinde bei der Bauleitplanung weitgehende planerische Gestaltungsfreiheit genießt (BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 – 4 NW 20/91). Zum Wesen des Abwägungsvorgangs nach § 1 Absatz 7 BauGB gehört es, dass keiner der zahlreichen in Absatz 6 beispielhaft aufgezählten Belange absoluten Vorrang genießt, der ihn gegen eine Abwägung mit konkurrierenden oder zuwiderlaufenden Belangen schützt. Gesetzlich vorprogrammiert ist weder, welche der aufgeführten oder sonstigen Belange bei der Planung zu berücksichtigen sind, noch mit welchem Gewicht sie bei der Abwägung zu Buche schlagen. Es ist Sache der Gemeinde, die durch die konkrete Planung positiv oder negativ betroffenen Belange zu ermitteln und im Verhältnis zueinander zu bewerten und zu gewichten. Nach § 1 Absatz 7 BauGB erschöpft sich die rechtliche Verpflichtung der Gemeinde darin, die einschlägigen möglicherweise gegenläufigen Belange in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Ausgegeben: 10.04.2014 (13.03.2014) Drucksache 15/877 (15/815) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Dies bedingt zwangsläufig, dass die Gemeinde sich in Konfliktfällen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen Belangs entscheiden darf. Das Abwägungsgebot ist erst dann verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den durch die Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens bleibt es der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde überlassen, nach Maßgabe der von ihr konkret verfolgen Planungsziele zwischen den einzelnen Belangen ein Rangverhältnis zu schaffen. Dies gilt sowohl im Allgemeinen als auch im Fall der Windkraftnutzung in der Nähe der Straße der Skulpturen. Die Errichtung von Windkraftanlagen ist nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftig. Die Erteilung der Genehmigung setzt nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 BImSchG voraus, dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlagen nicht entgegenstehen. Windkraftanlagen werden in der Regel ohne vorherige Aufstellung eines Bebauungsplans errichtet. Großwindkraftanlagen sind auf Grund der von ihnen verursachten Lärmimmissionen auf Standorte im Außenbereich angewiesen. Ihre planungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich nach § 35 BauGB. Als im Außenbereich nach § 35 Absatz 1 Nummer 5 privilegierte Anlagen sind sie nur unzulässig, wenn ihnen ein öffentlicher Belang nach § 35 Absatz 3 BauGB entgegensteht. Die Beeinträchtigung von Kunstwerken ist als öffentlicher Belang in § 35 Absatz 3 BauGB nicht aufgeführt. Die Aufzählung ist allerdings nicht abschließend. Bei der Frage, ob einem privilegierten Vorhaben ein öffentlicher Belang entgegensteht, ist eine Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange vorzunehmen . Dabei ist zu beachten, dass Kunstwerke selbst nicht unter einen der Privilegierungstatbestände des § 35 Absatz 1 BauGB fallen. Sie sind anders als privilegierte Anlagen im Außenbereich nicht erst dann unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange entgegenstehen, sondern schon dann, wenn sie öffentliche Belange nur beeinträchtigen . Die Kunstfreiheit (Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 GG) schließt es nicht prinzipiell aus, aus § 35 Absatz 2 und 3 Schranken für die Zulässigkeit der Errichtung von Kunstwerken im Außenbereich herzuleiten. Denn die Grundrechtsgewährleistung des Artikels 5 Absatz 3 Satz 1 GG ist durch das Staatsziel des Artikels 20a GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) eingeschränkt (BVerwG, Beschluss vom 13.04.1995 – 4 B 70/95). Inwieweit findet hinsichtlich der städtebaulichen Vorstellungen der Gemeinde bei der Ermittlung von Potentialflächen/Konzentrationszonen eine Überprüfung seitens der Landesregierung in Bezug auf kulturelle Aspekte ganz allgemein statt? Wie verhält es sich vorliegend im Fall der Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“? Zu Frage 2 Flächennutzungspläne der Gemeinden bedürfen nach § 6 Absatz 1 der Genehmigung des Ministeriums für Inneres und Sport. Vor Erteilung der Genehmigung werden das ordnungsgemäße Zustandekommen nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs und die Übereinstimmung des Plans mit den sonstigen Rechtsvorschriften an Hand der mit dem Antrag eingereichten Verfahrensunterlagen überprüft. Ein Flächennutzungsplan mit der Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung in der Umgebung der „Steine an der Grenze“ ist bisher nicht zur Genehmigung vorgelegt worden . Drucksache 15/877 (15/815) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Inwieweit unterfällt nach Ansicht der Landesregierung die Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“ im Zusammenhang mit den gegenständlichen Planungen zwecks Ausweisung von Flächen für die Nutzung von Windenergie dem Denkmalschutz als einem Belang nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB? Würde bzw. wird hier nach Auffassung der Landesregierung in diesem Punkt durch die bislang bekannten Planungen gegen das BauGB verstoßen mit der Folge, dass seitens des Ministeriums für Inneres und Sport eine Genehmigung der gegenständlichen Flächennutzungspläne saarländischer Kommunen zu versagen wäre (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 3: Nach § 2 Absatz 1 Satz 1 des Saarländischen Denkmalschutzgesetzes sind Kulturdenkmäler von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus zurückliegenden und abgeschlossenen Epochen, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Entscheidend ist ihr exemplarischer Zeugniswert für die Lebensweisen der Vergangenheit . In diesem Sinne handelt es sich bei der Skulpturenstraße nicht um ein Denkmal . Inwieweit unterfällt nach Ansicht der Landesregierung die Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“ im Zusammenhang mit den gegenständlichen Planungen zwecks Ausweisung von Flächen für die Nutzung von Windenergie der Landschaftspflege und der Verunstaltung des Landschaftsbildes als einem Belang nach § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB? Würde bzw. wird hier nach Auffassung der Landesregierung in diesem Punkt durch die bislang bekannten Planungen gegen das BauGB verstoßen mit der Folge, dass seitens des Ministeriums für Inneres und Sport eine Genehmigung der gegenständlichen Flächennutzungspläne saarländischer Kommunen zu versagen wäre (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 4: § 35 BauGB ist keine Vorschrift, die sich an die Träger der Bauleitplanung wendet, sondern eine Zulässigkeitsvorschrift, die im Genehmigungsverfahren für das konkrete Bauvorhaben von den zuständigen Genehmigungsbehörden zu beachten ist. Gegenstand der Prüfung, ob einer nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Windkraftanlage der Belang des Landschaftsbilds im Sinne des § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 BauGB entgegensteht, sind die Auswirkungen des Vorhabens auf die unbelebten (z. B. Felsen, Topographie) und die belebten (Tiere und Pflanzen) Landschaftselemente in dem betroffenen Landschaftsraum. Bei den Skulpturen, die im Rahmen des Projekts „Steine an der Grenze“ in der freien Landschaft aufgestellt wurden, handelt es sich nicht um Landschaftselemente im vorbeschriebenen Sinne, sondern um bauliche Anlagen gemäß § 2 Absatz 1 der Landesbauordnung. Drucksache 15/877 (15/815) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wie sind die gegenständlichen Planungen zwecks Ausweisung von Flächen für die Nutzung von Windenergie im Umfeld die Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“ nach Maßgabe des Bundesnaturschutzgesetzes sowie des Saarländischen Naturschutzgesetzes im Hinblick auf die Erhaltung des Landschaftsbildes juristisch zu beurteilen ? Zu Frage 5: Nach § 1 Abs. 4 Nr.1 des Bundesnaturschutzgesetzes sind Naturlandschaften und historisch gewachsene Kulturlandschaften, auch mit ihren Kultur-, Bau- und Bodendenkmälern , vor Verunstaltung und sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren. Dass die Skulpturenstraße kein Element der Naturlandschaft ist und auch kein Kultur-, Bauoder Bodendenkmal, ergibt sich aus den Antworten zu den Fragen 3 und 4. Sie ist aber auch kein Element der historisch gewachsenen Kulturlandschaft. Unter historischen Kulturlandschaftselementen sind Elemente zu verstehen, die von früheren Gesellschaften aufgrund damals geltender Verhältnisse geschaffen wurden und Zeugnis für ihr Wirtschaften ablegen.