LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/947 (15/852) 18.06.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Neue Leitlinien der EU über die Zulässigkeit von Beihilfen für Flughäfen und Airlines Vorbemerkung des Fragestellers: Am 20. Februar 2014 hat die EU neue Leitlinien über die Zulässigkeit von Beihilfen für Flughäfen und Airlines verabschiedet. Die neuen Richtlinien sind bisher noch nicht im Amtsblatt veröffentlich. Sie können jedoch in englischer Sprache unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/modernisation/aviation_guidelines_en.p df abgerufen werden. Laut der neuen Richtlinien können Betriebsbeihilfen für Flughäfen mit Passagierzahlen unter 3 Millionen für eine Übergangsperiode von 10 Jahren zulässig sein. Hierzu müssen die folgenden kumulativen Voraussetzungen erfüllt ein: 1 1. Die Beihilfe muss einen Beitrag zur Verwirklichung eines Ziels von gemeinsamem Interesse leisten. 2. Der Markt darf in Bezug auf dieses Ziel kein zufriedenstellendes Ergebnis bringen, so dass ein staatliches Einschreiten notwendig ist. 3. Die Beihilfe muss als politisches Instrument geeignet sein. 4. Es muss ein Anreizeffekt vorliegen, d.h. es muss nachgewiesen sein, dass das Angebot signifikant reduziert würde, wenn es keine Betriebsbeihilfe gäbe . 5. Die Beihilfe muss sich auf das erforderliche Minimum beschränken. Hierzu muss anhand eines Business-Plans nachgewiesen werden, dass die Betriebskosten nach der zehnjährigen Übergangszeit komplett gedeckt werden können und sich die jährliche Beihilfe auf 50% des Ausgangsdefizits beschränkt . Für Flughäfen mit Passagierzahlen unter 700.000 gilt dies nicht. Hier wird die Kommission die Situation, die Aussichten auf komplette Deckung der Betriebskosten und die Notwendigkeit anderer Regelungen nach vier Jahren erneut prüfen. Außerdem darf die maximal gewährte Beihilfe für diese Flughäfen in den ersten fünf Jahren 80% des Ausgangsdefizits betragen . 6. Die negativen Effekte auf den Wettbewerb dürfen die positiven Effekte der Beihilfe nicht überschreiten. In den Erläuterungen dieser Voraussetzungen lässt die Kommission erhebliche Zweifel gegenüber der Fähigkeit von Flughäfen erkennen, die sich im Einzugsgebiet anderer Flughäfen befinden. Ausgegeben: 18.06.2014 (02.04.2014) 1 Vgl. European Commission (2014), Guidelines on State aid to airports and airlines, Brussels, p. 30-34 (abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/state_aid/modernisation/aviation_guidelines_en.pdf). Drucksache 15/947 (15/852) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - So stellt sie mit Blick auf die erste Voraussetzung – die Verwirklichung eines Ziels von gemeinsamem Interesse – klar, dass der Betrieb mehrerer unrentabler Flughäfen im selben Einzugsgebiet nicht zur Verwirklichung eines Ziels von gemeinsamem Interesse beiträgt: “[…] the duplication of unprofitable airports does not contribute to an objective of common interest. Where an airport is located in the same catchment area of another airport with spare capacity, the business plan, based on sound passenger and freight traffic forecasts, must identify the likely effect on the traffic of the other airports located in that catchment area. Accordingly, the Commission will have doubts as to the prospects for an unprofitable airport to achieve full operating cost coverage at the end of the transitional period, if another airport is located in the same catchment area.” 2 Auch bezüglich der Erfüllung der sechsten Voraussetzung drückt die EUKommission ihre Probleme gegenüber einer Situation, in der sich mehrere Flughäfen im gleichen Einzugsgebiet befinden, aus: „When assessing the compatibility of operating aid the Commission will take account of the distortions of competition and the effects on trade. Where an airport is located in the same catchment area of another airport with spare capacity, the business plan, based on sound passenger and freight traffic forecasts, must identify the likely effect on the traffic of the other airports located in that catchment area. Operating aid for an airport located in the same catchment area will be considered compatible with the internal market only when the Member State demonstrates that all airports in the same catchment area will be able to achieve full operating cost coverage at the end of the transitional period.” 3 Im Falle von Flughäfen, die sich im Einzugsgebiet eines anderen Flughafens befinden , verlangt die Kommission daher eine Einzelnotifizierung der Beihilfe. Das Einzugsgebiet ist definiert als eine Entfernung von 100 km oder 60 Minuten Fahrzeit von einem anderen Flughafen. 4 “Due to a high risk of distortion of competition, the following aid measures should always be notified individually: […] (2) operating aid to an airport, if other airports are located within 100 kilometres or 60 minutes travelling time by car, bus, train or high-speed train from an existing airport.” 5 Die neuen Regelungen gelten ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Richtlinien im Amtsblatt der EU. 6 Die Mitgliedstaaten sollen ihre bestehenden beihilfe- rechtlichen Regelungen innerhalb von 12 Monaten nach Veröffentlichung in Einklang mit den neuen Leitlinien gebracht haben. 7 2 Ebd., S. 31. 3 Ebd., S. 33-34. 4 Vgl. ebd., S. 10. 5 Ebd., S. 34. 6 Vgl. ebd. S. 39. 7 Vgl. ebd. S. 39. Drucksache 15/947 (15/852) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Vorbemerkung der Landesregierung: Die neuen Leitlinien für staatliche Beihilfe für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften (2014/C 99/03) sind am 4. April 2014 in Kraft getreten. Nach ständiger Rechtsprechung schafft die Kommission mit Erlass der Leitlinien einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand und bindet sich selbst bei der Ausübung ihres Ermessens an diese, soweit die Leitlinien nicht vom Primär- und Sekundärrecht abweichen. Aufgrund der anhängigen Beihilfeverfahren u. a. gegen die Flughäfen Saarbrücken und Zweibrücken besteht derzeit eine Sondersituation. Da die EU-Kommission einen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Flughäfen sieht und eine Konkurrenzsituation vermutet , hat sie die Länder aufgefordert, eine tragfähige Lösung für die Zukunft der beiden Standorte noch vor Abschluss der Beihilfeverfahren zu erarbeiten. Zu diesem tragfähigen Zukunftskonzept gehört unter anderem auch eine gemeinsame Geschäftsplanung , aus der ersichtlich wird, dass der Betrieb der Flughäfen entsprechend den neuen Beihilfeleitlinien erfolgen wird. Aufgrund dessen wurden die Gespräche über eine Kooperation der beiden Flughäfen zwischen den beiden Ländern/Flughäfen auch vor dem aktuellen beihilferechtlichen Hintergrund in den letzten Wochen intensiviert. Hierzu gehörten auch Gespräche mit Vertretern der EUKommission und dem Bundesverkehrsministerium. Ein erster Schritt in eine gemeinsame Zukunft ist dabei der Mitte April 2014 unterzeichnete Kooperationsvertrag zwischen den beiden Flughafengeschäftsführungen. Die Länder haben gemeinsam mit dem Bund ihr gemeinsames Modell für die Zukunft am 15. Mai 2014 der EU-Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, vorgestellt. Die EUKommission wird dieses Modell und den gemeinsam entwickelten Geschäftsplan prüfen und bewerten. Aufgrund der bisher mit der EU-Kommission geführten Gespräche geht die Landesregierung von einer positiven Rückmeldung der EU-Kommission aus. Parallel zu diesem Prozess befindet sich auf Bundesebene das Bundesverkehrsministerium im Dialog mit der Generaldirektion Wettbewerb, um Möglichkeiten einer nationalen Beihilferegelung zu eruieren. Müssen die gewährten Betriebsbeihilfen für den Flughafen Saarbrücken-Ensheim aufgrund der speziellen Anforderungen für Flughäfen, die sich im Einzugsgebiet anderer Flughäfen befinden, bei der EU-Kommission einzeln angemeldet werden? Zu Frage 1: Bereits gewährte Betriebsbeihilfen müssen nicht mehr angemeldet werden. Diese werden in dem noch anhängigen Beihilfeverfahren geprüft und bewertet. Eine Entscheidung hierüber steht noch aus. Ob zukünftige Betriebsbeihilfen für den Flughafen Saarbrücken einzeln notifiziert werden müssen, ist aufgrund der Ausführungen in der Vorbemerkung der Landesregierung zu verneinen . Zudem enthalten die neuen Leitlinien hierzu keine eindeutige Regelung. Drucksache 15/947 (15/852) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Die EU-Kommission macht deutlich, dass die Mitgliedstaaten möglichst nationale Regelungen treffen sollen, damit der Verwaltungsaufwand für die EU-Kommission nicht zu groß wird. Eine nationale Regelung über die Zulässigkeit von Beihilfen für Flughäfen und Fluggesellschaften existiert in der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht. Allerdings prüft das hierfür zuständige Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur derzeit eine solche Lösung und wird die Länder in diesen Prozess einbinden. Im Zusammenhang mit der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition vereinbarten Erstellung eines Luftverkehrskonzepts für die Bundesrepublik Deutschland existiert auch bereits die Forderung, dem Thema „überschneidender Einzugsgebiete“ (catchment area) hierbei Rechnung zu tragen. Den Begriff „catchment area of an airport“ hat die EU-Kommission in den Leitlinien selbst definiert (Rz. 25, Nr. 12). Danach fallen hierunter nicht automatisch Flughäfen, die sich in einem Umkreis von 100 km bzw. 60 Minuten Fahrzeit von einem anderen Flughafen befinden , sondern die EU-Kommission stellt auch hier auf die Besonderheiten im Einzelfall ab. Danach kann die Gestalt des Einzugsgebiets von Flughafen zu Flughafen unterschiedlich sein, denn die Besonderheiten jedes Flughafens sind zu berücksichtigen. Darüber hinaus variieren Größe und Gestalt des Einzugsgebiets und hängen dabei von verschiedenen Merkmalen eines Flughafens, inklusive seines Geschäftsmodells, des Standorts und der bedienten Zielflughäfen ab. Daher kommt die Landesregierung derzeit zu dem Schluss, dass der Flughafen Saarbrücken sich nach der o. g. Definition nicht in der gleichen „catchment area“ eines anderen Flughafen befindet, so dass eine Einzelnotifizierung auch unter diesem Gesichtspunkt derzeit nicht geboten ist. Wenn ja, ab welchem Zeitpunkt? Ab dem Datum der Veröffentlichung der Leitlinien oder ab dem Datum der Veröffentlichung der Leitlinien plus 12 Monate? Zu Frage 2: Die Leitlinien sind ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union anzuwenden. Die in der Vorbemerkung genannte Frist von 12 Monaten, nach denen die Mitgliedstaaten ihre bestehenden beihilferechtlichen Regelungen mit den neuen Leitlinien in Einklang gebracht haben sollen, bezieht sich nur auf bestehende nationale Regelungen in den Mitgliedstaaten . In der Bundesrepublik Deutschland gibt es allerdings – wie bereits erwähnt – keine entsprechende nationale Beihilferegelung, die innerhalb von 12 Monaten anzupassen wäre. Trifft es also zu, dass die Landesregierung noch nicht sicher sein kann, ob Betriebsbeihilfen für den Flughafen Saarbrücken-Ensheim überhaupt zulässig sein werden, auch nicht für einen Übergangszeitraum ? Zu Frage 3: Siehe hierzu Vorbemerkung der Landesregierung. Drucksache 15/947 (15/852) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Wenn ja, ist die Landesregierung der Auffassung, dass die EU-Kommission einen Antrag auf Betriebsbeihilfen für den Flughafen SaarbrückenEnsheim für einen Übergangszeitraum genehmigen wird? Zu Frage 4: Siehe hierzu Vorbemerkung der Landesregierung. Wenn 3. bejaht wird: Wie sieht die Landesregierung diese Auffassung mit den grundsätzlichen Zweifeln der EU-Kommission gegenüber Betriebsbeihilfen von mehreren Flughäfen im gleichen Einzugsgebiet vereinbar (siehe oben)? Zu Frage 5: Siehe hierzu Vorbemerkung der Landesregierung und Antwort zur Frage 1. Welche Konsequenzen hätte es für den Flughafen Saarbrücken-Ensheim und das Land, wenn die EU-Kommission den Antrag auf Genehmigung zur Beihilfe für einen Übergangszeitraum ablehnen wird? Zu Frage 6: Siehe hierzu Vorbemerkung der Landesregierung. Welchen Plan hat die Landesregierung für den Fall, dass die EU-Kommission den Antrag auf Genehmigung zur Beihilfe für einen Übergangszeitraum ablehnen wird? Zu Frage 7: Die Landesregierung strebt den beihilfekonformen Weiterbetrieb des Flughafens Saarbrücken an und zwar auch mit dem Blick darauf, nach einer Übergangszeit von zehn Jahren, keine Betriebsbeihilfen mehr zu gewähren. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung verwiesen.