LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/974 (15/918) 03.07.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Neyses (PIRATEN) betr.: Linienbusverkehr im Landkreis St. Wendel ohne Subventionen Vorbemerkung des Fragestellers: „Der Linienbusverkehr ist nach § 1, Absatz 2 des Gesetzes über den Öffentlichen Personennahverkehr im Saarland (ÖPNVG) Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV dient gemäß dem ÖPNVG der Daseinsvorsorge (§ 2, Abs. 1). Die Aufgabenträgerschaft des Busverkehrs liegt bei den Landkreisen (§ 5, Abs. 2). Nach § 9 ÖPNVG können Aufgabenträger für ihr Gebiet Nahverkehrspläne erstellen. Im Saarland verfügt jeder Landkreis sowie der Regionalverband über entsprechende Planungen. Im Nahverkehrsplan werden die zukünftigen Weichen von Angebot und Finanzierung des ÖPNV gestellt. Der Nahverkehrsplan des Landkreises St. Wendel stammt aus dem Jahr 2010. Er ist somit ziemlich aktuell. Im Landkreis St. Wendel hat der Busunternehmer Behles zum ersten Mal ein eigenwirtschaftliches Angebot auf das Liniennetz im Landkreis abgegeben, d.h. er will den Linienbusverkehr auf eigenes Geschäftsrisiko betreiben. Der Landkreis würde schätzungsweise dadurch mehr als eine Million Euro jährlich sparen (Angaben aus der SZ v. 29.04.2014). Bei gemeinwirtschaftlichem Verkehr hätte man, nach Angaben der zuständigen Behörde, die Verkehrsleistung europaweit ausschreiben müssen. Bislang stößt dieser Vorschlag des Busunternehmers Behles, das Liniennetz eigenwirtschaftlich zu betreiben, auf heftige Kritik. Sowohl der Tholeyer Gemeinderat als auch der VGS-Geschäftsführer äußerten Ablehnung bzw. große Skepsis. Mitarbeiter des Saar-PfalzBus GmbH fürchten um den Verlust von Arbeitsplätzen .“ Ausgegeben: 03.07.2014 (15.05.2014) Drucksache 15/974 (15/918) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sind für die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr die von den Ländern benannten Behörden (Aufgabenträger ) zuständig. Die Aufgabenträgerschaft im ÖPNV des Saarlandes ist im Gesetz über den Öffentlichen Personennahverkehr im Saarland (ÖPNVG) vom 29. November 1995, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28. Oktober 2008, geregelt. Nach § 5 Abs. 1 ÖPNVG ist das Land Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr im Sinne des § 2 Abs. 5 Allgemeines Eisenbahngesetz. Der übrige Öffentliche Personennahverkehr ist grundsätzlich Aufgabe der Landkreise und des Zweckverbandes öffentlicher Personennahverkehr auf dem Gebiet des Regionalverbandes Saarbrücken; diese sind Aufgabenträger für den ÖPNV auf der Straße und nach der Betriebsordnung für Straßenbahnen. Nach § 5 Abs. 4 ÖPNVG sind die Aufgabenträger auch zuständige Behörde für die Vereinbarung gemeinwirtschaftlicher Leistungen. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 PBefG definiert der Aufgabenträger die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes, dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen in der Regel in einem Nahverkehrsplan. Da sich die Anfrage auf Linienbusverkehrsleistungen im Landkreis St. Wendel bezieht, hat das Land aufgrund des bestehenden rechtlichen Rahmens keine Aufgabenträgerzuständigkeit bei der Erbringung dieser Nahverkehrsleistungen; zuständig ist alleine der Aufgabenträger Landkreis St. Wendel. Unter diesem Gesichtspunkt beantwortet die Landesregierung die Anfrage wie folgt. Welchen Stellenwert nimmt ein im ÖPNVG definierter Nahverkehrsplan in der Gesamtplanung des ÖPNV im Saarland, gemäß § 8 ÖPNVG, ein? Zu Frage 1: Der Stellenwert der Nahverkehrspläne wird im seit 01.01.2013 geltenden neuen Personenbeförderungsgesetz definiert. Danach bestimmt § 8 Abs. 3 Satz 2 PBefG, dass der Aufgabenträger die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes , dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen in der Regel in einem Nahverkehrsplan definiert. Nach § 8 Abs. 3 Sätze 8 und 9 PBefG bildet der Nahverkehrsplan den Rahmen für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Länder können weitere Einzelheiten über die Aufstellung und den Inhalt der Nahverkehrspläne regeln. In der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 3 PBefG wird ausgeführt, dass die Neuregelung deutlicher als bisher die Aufgaben der in den Ländern zuständigen Aufgabenträger und Genehmigungsbehörden sowie den Mindestinhalt der Nahverkehrspläne beschreibt . Wie bisher soll es aber dabei bleiben, dass die Aufgabenträger bundesrechtlich nicht verpflichtet sind, einen Nahverkehrsplan aufzustellen. Diese Freiwilligkeit ist auch im saarländischen ÖPNVG hinterlegt, da nach § 9 Abs. 1 ÖPNVG die Aufgabenträger für den straßengebundenen ÖPNV Nahverkehrspläne für ihr Gebiet aufstellen können, die u. a. insbesondere die Vorgaben aus dem Verkehrsentwicklungsplan (VEP) des Landes beachten sollen. Neben dieser übergeordneten Funktion des VEP des Landes sind weitere Vorgaben zu beachten, in die sich die Nahverkehrsplanung einzuordnen hat (§ 9 Absätze 2 bis 4 ÖPNVG). Drucksache 15/974 (15/918) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die Bindung der Genehmigungsbehörde (im Saarland die VerkehrsmanagementGesellschaft Saar mbH VGS) an einen Nahverkehrsplan wird in § 8 Absatz 3a PBefG normiert. Die Genehmigungsbehörden erfüllen bei der Umsetzung der Nahverkehrsplanung auch im neuen Personenbeförderungsgesetz eine wichtige Funktion. So entscheiden sie z. B. über die Genehmigung von Anträgen auch dann, wenn sie auf der Grundlage eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages beruhen oder wenn konkurrierende eigenwirtschaftliche Anträge gestellt werden. Nach bisherigem Recht war ein Nahverkehrsplan von der Genehmigungsbehörde zu berücksichtigen, wenn er unter Mitwirkung der vorhandenen Unternehmer zustande gekommen ist. Diese Regelung wird dahingehend präzisiert, dass sie den Aufgabenträger verpflichtet, die vorhandenen Unternehmer frühzeitig zu beteiligen. Ferner wird die Anhörung der Verbände der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Fahrgäste und der Fahrgastverbände verbindlich vorgeschrieben. Wie weit stellt die Daseinsvorsorge (§ 2 Abs. 1) ein maßgebliches Kriterium bei der Angebotsentwicklung des ÖPNV dar? Zu Frage 2: Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) haben die Aufgabenträger für die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr zu sorgen. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 PBefG definiert der Aufgabenträger die Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes, dessen Umweltqualität sowie die Vorgaben für die verkehrsmittelübergreifende Integration der Verkehrsleistungen. Dabei führen die Aufgabenträger ihre Aufgaben nach § 5 Abs. 3 ÖPNVG im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe durch. Auch § 2 Abs. 4 ÖPNVG bestimmt, dass die Bedienung der Bevölkerung mit öffentlichen Verkehrsmitteln so erfolgen soll, dass die wirtschaftlich günstigsten Lösungen gewählt werden. Umfang und Qualität der Bedienung sollen unter Abwägung mit gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt werden. Insofern haben die Aufgabenträger im Rahmen der Daseinsvorsorge ein bedarfsgerechtes Nahverkehrsangebot zu berücksichtigen. Das Erfordernis wird dabei begrenzt durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Gibt die Landesregierung einer „eigenwirtschaftlich “ erbrachten Verkehrsleistung im ÖPNV Vorrang vor „gemeinwirtschaftlichen Verkehren“? Zu Frage 3: Eine öffentliche Ausschreibung ist nach Maßgabe des allgemeinen Vergaberechts nur zulässig, soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht durch eigenwirtschaftliche Verkehre möglich ist. Sowohl das Personenbeförderungsgesetz alte Fassung (PBefG a. F.) als auch das seit 01.01.2013 geltende neue PBefG unterstreichen den Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit und legen dazu in § 8 Abs. 4 PBefG fest, dass Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen sind. Zur Sicherung dieses Vorrangs für den eigenwirtschaftlichen Verkehr statuieren §§ 8a Abs. 2 und 12 Abs. 6 PBefG entsprechende Fristenregelungen. Drucksache 15/974 (15/918) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Das neue PBefG betont, dass dem Aufgabenträger die Entscheidung, ob er eine Gesamtleistung bestellen will oder aber sich mit eigenwirtschaftlichen Teilleistungen (gegebenenfalls unter Zubestellung der „fehlenden“ Leistungen) zufrieden gibt, anheimgestellt ist. Nach § 8a PBefG „Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“ greift die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 nur, „soweit“ eine ausreichende Verkehrsbedienung für eine Gesamtleistung oder für eine Teilleistung nicht eigenwirtschaftlich möglich ist. In der Gesetzesbegründung zu § 8a PBefG „Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge “ wird dabei zum Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit ausgeführt: „Mit dem den Satz 1 einleitenden Wort „Soweit“ wird daran festgehalten, dass eine eigenwirtschaftliche Erbringung auch für Teile eines von der zuständigen Behörde geplanten Verkehrsangebotes möglich ist, wenn dies nicht in der Vorabbekanntmachung ausgeschlossen wird.“ (BT-Drs. 17/10857 S. 20). Insoweit stellt es das neue Personenbeförderungsgesetz den Verkehrsunternehmen frei, ihre Initiative auf (selbständige) Teile eines Verkehrs (z. B. eines von mehreren Linienbündeln) zu beschränken. Eigenwirtschaftliche Anträge sind auch dann möglich, wenn die zuständige Behörde den betreffenden Verkehr auf gemeinwirtschaftlicher Basis sicherstellen will. Das neue PBefG führt für diesen Fall gesetzliche Regelungen ein, die das von der Rechtsprechung entwickelte „gestufte“ Verhältnis von Eigen- und Gemeinwirtschaftlichkeit ausgestalten und dem eigentlichen Bestellverfahren einen eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb vorschalten. An diese bundesgesetzlichen Vorgaben sind alle Aufgabenträger im ÖPNV gebunden. Welche Auswirkungen sieht die Landesregierung hinsichtlich einer eigenwirtschaftlich erbrachten ÖPNV-Verkehrsleistung auf den Verkehrsentwicklungsplans Saarland (s. § 8 ÖPNVG)? Zu Frage 4: Der Verkehrsentwicklungsplan für den ÖPNV umfasst die Planungen für den Schienenpersonennahverkehr und andere bedeutsame Maßnahmen des ÖPNV, insbesondere im Busverkehr (Regionalbuslinien). SPNV-Leistungen werden durch das Land nach der VO (EG) 1370/2007 vergeben. Auswirkungen auf den VEP aufgrund eigenwirtschaftlicher Anträge könnten sich somit nur ergeben, soweit Regionalbuslinien eigenwirtschaftlich beantragt werden. Mögliche Abweichungen in der Bedienungsqualität und dem Linienverlauf bei eigenwirtschaftlichen Anträgen sind in diesem Fall durch den Zweckverband Personennahverkehr Saarland, auf den die Aufgabenträgerschaft für die Regionalbus-Linien übertragen wurde, zu prüfen und zu votieren. Drucksache 15/974 (15/918) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Welche Strategie will die Landesregierung fahren, damit eine „Rosinenpickerei“ ausgeschlossen ist und das Gebot der Daseinsvorsorge - insbesondere im ländlichen Bereich - erfüllt wird? Zu Frage 5: Zur Vermeidung von „Rosinenpickerei“ ist in § 13 Abs. 2 Nr. 3 d PBefG festgelegt, dass eine Liniengenehmigung zu versagen ist, wenn der beantragte Verkehr einzelne ertragreiche Linien oder ein Teilnetz aus einem vorhandenen Verkehrsnetz oder aus einem im Nahverkehrsplan festgelegten Linienbündel herauslösen würde. Mit diesem neu eingefügten Versagungsgrund für die Erteilung einer Liniengenehmigung soll vermieden werden, dass Unternehmer sich ertragreiche Verkehre aus einem vorhandenen Netz oder Linienbündel heraussuchen können, während die übrigen Verkehre von der öffentlichen Hand finanziert werden müssen. Sieht die Landesregierung Unterschiede zwischen einem ÖPNV-Grundangebot, was der Busunternehmer Behles aufrechterhalten will, und der im ÖPNVG verankerten Daseinsvorsorge? Zu Frage 6: Die Beurteilung, ob das Angebot der Firma Behles eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sicherstellt, obliegt dem Aufgabenträger Landkreis St. Wendel. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Widerspricht es nicht einem Verkehrsentwicklungsplan Saarland, wenn ein Busunternehmer den Linienverkehr auf die Funktion eines Schulund Kindergartenverkehrs reduziert? Zu Frage 7: Das saarländische ÖPNVG verpflichtet in § 8 das für den öffentlichen Personennahverkehr zuständige Ministerium nach Anhörung der Landtages und der übrigen Aufgabenträger im Saarland einen Verkehrsentwicklungsplan (VEP) für den ÖPNV aufzustellen , der die Planungen für den Schienenpersonennahverkehr und andere bedeutsame Maßnahmen des ÖPNV, insbesondere im Busverkehr (Regionalbuslinien), umfasst . Der VEP gibt somit nur den übergeordneten Rahmen für die Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs, insbesondere den SPNV und den Regionalbusverkehr . Die Ausgestaltung des straßengebundenen ÖPNV in einem Landkreis ist im Nahverkehrsplan des jeweiligen Aufgabenträgers festzulegen. Die Entscheidung über eine mögliche Reduzierung des Verkehrsangebotes obliegt dem Kreis als zuständigem Aufgabenträger. Drucksache 15/974 (15/918) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Da ein eigenwirtschaftlicher ÖPNV-Betrieb neue Maßstäbe setzen könnte (SZ: „Das gab's noch nie im Saarland“), sind diesbezügliche Gespräche mit Aufgabenträgern (§ 5, Abs. 2 ÖPNVG) bzw. mit der VGS geführt worden? Zu Frage 8: Ja. Mit den Beteiligten sind zahlreiche Gespräche geführt worden. Dabei wurde die Thematik eingehend erörtert. Wie begegnet die Landesregierung Befürchtungen der Mitarbeiter von Saar-Pfalz-Bus vor Jobverlust? Zu Frage 9: Der europarechtliche Rahmen der VO (EG) 1370/2007 sowie die nationale Umsetzung im Personenbeförderungsgesetz setzen den wettbewerblichen Rahmen durch gemeinsame Vorgaben im Beihilfe- und Vergaberecht. Durch den kodifizierten Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre, die Regelungen zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und des wettbewerblichen Vergabeverfahrens im PBefG hat der Wettbewerb im ÖPNV bundesweit erheblich zugenommen. In einem bundesweiten Wettbewerbsmarkt ist es eine unternehmerische Aufgabe des Verkehrsunternehmens Saar-Pfalz-Bus als Teil von DB Regio Südwest, die Personaleinsatzplanung bei sich ändernder Fahrleistungserbringung betriebsintern zu organisieren.