LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1034 (15/943) 11.09.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Inanspruchnahme von Drogentherapie sowie schulischer und beruflicher Ausbildung während des Strafvollzuges in saarländischen Justizvollzugsanstalten Vorbemerkung des Fragestellers: „Laut Statistischem Bundesamt gab es Ende 2013 in Deutschland 62.632 Strafgefangene. Die meisten der Gefangenen sind männlich (59.086) und zwischen 30 und 50 Jahre alt. Zum Stichtag 30.11.2013 befanden sich im Saarland 783 Personen in Haft. Die Drogenabhängigkeit ist in Justizvollzugsanstalten ein verbreitetes Phänomen, wobei es zum genauen Anteil der drogenabhängigen Gefangenen im deutschen Justizvollzug keine gesicherten Daten gibt. Fachleute gehen davon aus, dass etwa ein Drittel aller Inhaftierten zu dieser Gruppe gehört. Gestützt wird diese Annahme durch die 2008 vom Wissenschaftlichen Institut der Ärzte Deutschlands (WIAD) und dem Robert KochInstitut (RKI) veröffentlichte Studie „Infektionskrankheiten unter Gefangenen in Deutschland: Kenntnisse, Einstellungen und Risikoverhalten“: Rund ein Drittel der 1.582 Befragten war wegen eines Drogendelikts inhaftiert, bei den Frauen waren es sogar knapp die Hälfte der Befragten. Der erfolgreiche Abschluss einer Drogentherapie im Strafvollzug stellt deshalb für Gefangene einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Resozialisierung dar. Ausgegeben: 15.09.2014 (16.06.2014) Drucksache 15/1034 (15/943) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Eine andere wichtige Maßnahme zur Begünstigung eines straffreien Lebens nach dem Gefängnisaufenthalt ist die Möglichkeit der schulischen und beruflichen Ausbildung in Justizvollzugsanstalten . Laut Strafvollzugsgesetz dienen Ausbildung und Weiterbildung von Gefangenen insbesondere dem Ziel, ‚Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.‘ “ Wie viele Gefangene haben seit 2010 im saarländischen Strafvollzug eine Drogentherapie begonnen und wie viele haben diese erfolgreich beendet ? (Bitte Zahlen getrennt auflisten für einzelne Justizvollzugsanstalten) Zu Frage 1: Hier muss vorausgeschickt werden, dass in der Haft selbst keine Drogentherapie stattfinden kann. Dies liegt darin begründet, dass der Justizvollzug für eine Drogentherapie im suchtmedizinisch-klinischen Sinne nicht bestimmt und geeignet ist. Seit den 1980er Jahren gibt es daher neben dem Weg der Strafaussetzung zur Bewährung mit Therapieauflage die Möglichkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder der Zurückstellung der Strafvollstreckung (§ 35 BtMG). • Unterbringungsweg: Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB soll das Gericht bei Tätern, die eine rechtswidrige Tat im Rausch begangen haben oder bei denen die Tat auf einen Hang zum übermäßigen Konsum von Alkohol oder anderer berauschender Mittel zurückgeht, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen. • Zurückstellung der Strafvollstreckung (§ 35 BtMG): Das Rechtsinstitut der Zu- rückstellung der Strafvollstreckung tritt ergänzend hinzu: Wenn die Strafaussetzung zur Bewährung versagt wird, soll es § 35 BtMG ermöglichen, dass auch bei schlechter Prognose oder hohen Strafen eine Behandlung außerhalb des Strafvollzuges möglich ist. Unter den näheren Voraussetzungen der Norm kann die Vollstreckung der Strafe oder des Strafrestes von nicht mehr als zwei Jahren zugunsten einer Drogentherapie zurückgestellt werden, wenn der Verurteilte zusagt, sich einer Therapie in einer bereits feststehenden Einrichtung zu unterziehen. Aus dem Prinzip „Therapie statt Strafe“ folgt auch der Ansatz, durch eine externe Drogenberatung , also einer Beratung durch Mitarbeiter freier Träger, die der Schweigepflicht unterliegen und ein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen, drogenabhängige Menschen im Justizvollzug zu erreichen und zu motivieren, die Angebote der Suchtkrankenhilfe außerhalb der Gefängnisse zu nutzen. In der JVA Saarbrücken wurden seit dem Jahr 2010 etwa 300 Strafgefangene längerfristig durch die externe Drogenberatung betreut. Davon sind 58 Strafgefangene nach § 35 BtmG entlassen worden. Aus der JVA Ottweiler nahmen seit dem Jahr 2010 insgesamt 46 Gefangene die Möglichkeit des § 35 BtmG in Anspruch. Drucksache 15/1034 (15/943) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Entlassungsjahr JVA Saarbrücken JVA Ottweiler 2010 8 14 2011 13 8 2012 23 6 2013 10 11 2014 4 7 Gesamt 58 46 Insgesamt 104 Daneben wurden insgesamt 135 Gefangene nach § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Davon stammen 8 Gefangene aus der JVA Ottweiler und 127 Gefangene aus der JVA Saarbrücken. 2010 2011 2012 2013 2014 Ges. SB 23 30 37 25 12 127 OTW 2 2 4 0 0 8 Die Frage nach der Zahl an erfolgreichen Abschlüssen einer Drogentherapie kann nicht vollständig beantwortet werden. Auch die externen Drogenberatungen führen insoweit keine Statistik über die Zahl der Therapieabbrüche, die aus datenschutzrechtlichen Gründen auch von der Einwilligung der Betroffenen abhängig und naturgemäß dadurch nicht vollständig wäre. Nach Einschätzung des für den Jugendstrafvollzug zuständigen Vollstreckungsleiters und der für den Erwachsenenstrafvollzug zuständigen Staatsanwaltschaft Saarbrücken brechen etwa 50 % der Gefangenen die erste Therapie ab. Dies ist jedoch auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Abbrüche und Scheitern immanentes Merkmal einer Suchterkrankung sind. Spätere Therapieversuche sind in der Regel erfolgreicher. Wie viele Gefangene haben dabei den § 35 BtmG „Zurückstellung der Strafvollstreckung“ in Anspruch genommen? Zu Frage 2: Siehe bereits Antwort zu Frage 1. Welche Kosten entstehen für: a) einen Therapieplatz, wenn die Therapie er- folgreich beendet wird? b) einen Therapieplatz bei abgebrochener The- rapie? (Bitte jeweils monatliche Kosten angeben). Zu Frage 3: Die Kosten sind abhängig von der Therapiedauer und dem Pflegesatz der jeweiligen Einrichtung. Bei den von der Deutschen Rentenversicherung Saarland regelmäßig belegten Einrichtungen ergibt sich im Durchschnitt ein täglicher pauschaler Pflegesatz in Höhe von 110 €, also monatlich bis zu 3.300 €. Drucksache 15/1034 (15/943) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Die Regeltherapiedauer für Entwöhnungsmaßnahmen beläuft sich auf 20 bis 24 Wochen für die stationäre Maßnahme. Falls es für eine erfolgreiche Rehabilitation erforderlich ist, kann sich noch eine stationäre Adaptionsmaßnahme über 3 Monate und eine ambulante Nachsorge im Umfang von 20 Therapieeinheiten anschließen. Der Pflegesatz für eine ambulante Therapieeinheit in der Nachsorge (90 Minuten) beträgt aktuell 45 €. Falls eine Therapie abgebrochen wird, werden die Kosten bis zum Abbruch bezahlt. Erfahrungsgemäß finden die meisten Abbrüche innerhalb der ersten sechs Wochen der Therapie statt. a) Wie viele Gefangene haben seit dem Jahr 2010 eine schulische oder berufliche Ausbildung im Strafvollzug begonnen? b) Wie viele Gefangene haben diese Ausbildung seitdem erfolgreich beendet? c) Wie viele Gefangene wurden seitdem in Aus- bildung weiter vermittelt? Zu Frage 4: Zu a) In der JVA Saarbrücken haben seit 2010 insgesamt 173 Gefangene eine Ausbildung begonnen. In der JVA Ottweiler war dies bei 48 Gefangenen der Fall. Die Zahlen umfassen allerdings nur die reine berufliche Ausbildung. Der Abschluss einer kompletten Ausbildung ist aber aufgrund kürzerer Verweildauern in Haft häufig nicht möglich. Daher werden hier sog. Qualifizierungsbausteine angeboten, welche auf eine spätere Ausbildung angerechnet werden können. So haben beispielsweise in der JVA Ottweiler im fraglichen Zeitraum insgesamt 128 Gefangene eine solche berufliche Teilqualifikation erworben. Zu den schulischen Bildungsmaßnahmen wird auf die Antwort zu Frage 7b verwiesen. Zu b) In der JVA Saarbrücken haben seitdem 133 Strafgefangene die Ausbildung erfolgreich beendet. 25 Maßnahmen sind noch nicht beendet, so dass auch hier der erfolgreiche Abschluss möglich ist. In der JVA Ottweiler haben insgesamt 24 Gefangene die Gesellenprüfung erfolgreich abgelegt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass einige Gefangene durch die Vermittlung der Nachsorgeeinrichtung ihre Ausbildung nach der Haftentlassung in einem externen Ausbildungsbetrieb beendet haben. Insgesamt ist der Erfolg einer Bildungsmaßnahme aber nicht nur über den formal erworbenen Abschluss zu messen. Hinsichtlich der vollzuglichen Resozialisierungsbemühungen dient der Erwerb vielfältiger Kompetenzen auch der Stabilisierung und Weiterentwicklung der gesamten Persönlichkeit. Hier muss insbesondere die zu Beginn der Haft meist unzureichende Motivation und das Vorliegen erheblicher Defizite im Bereich der schulischen Grundausbildung gesehen werden. Zu c) Aus der JVA Saarbrücken wurden 10 Strafgefangene in Ausbildung vermittelt. Die JVA Ottweiler hat 26 Gefangene in eine Berufsausbildung bzw. Anschlusslehre direkt nach Entlassung vermittelt. Drucksache 15/1034 (15/943) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Welche Kosten entstehen für einen Ausbildungsplatz während des Strafvollzugs und wie hoch ist der zur Verfügung stehende Gesamtbetrag für alle Ausbildungsbetriebe? Zu Frage 5: Die Gesamtkosten für einen Ausbildungsplatz können nicht konkret beziffert werden, da sie dem Verwendungszweck der Mittel entsprechend über mehrere Haushaltstitel verteilt aufgeführt sind. So sind beispielsweise Honorare für externe Lehrkräfte, Mittel für Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, Mittel für Ausbildungsmaterial und Probewerkstücke, Lehr- und Lernmittel und Geräte der Ausbildungswerkstätten und Unterrichtskurse, Verbrauchsmittel der staatlichen Berufsschule Ottweiler und weitere Haushaltsmittel an verschiedenen Buchungsstellen aufgeführt. Darüber hinaus entstehen Kosten für den Betrieb und Unterhalt von Maschinen und Fahrzeugen, die nicht nur zu Ausbildungszwecken genutzt und daher nicht auf einzelne Ausbildungsplätze umgelegt werden können. Welche Kosten entstehen für einen abgebrochenen Ausbildungsplatz? (Bitte Kosten pro Monat angeben). Zu Frage 6: Auch die Kosten für einen abgebrochenen Ausbildungsplatz können aus oben genannten Gründen nicht konkret beziffert werden. Es wird bis zum Abbruch Ausbildungsbeihilfe gezahlt. Durch Abbrecher frei gewordene Ausbildungsplätze werden nach Möglichkeit zeitnah nachbesetzt. a) Wie bewertet die Landesregierung den § 37 („Schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung , Arbeit“) im Saarländischen Jugendstrafvollzugsgesetz ? b) Wird dieser Paragraph in ausreichendem Ma- ße erfüllt oder wäre es möglich, noch mehr Gefangenen das Recht auf Bildung und Ausbildung zu gewähren? Bei negativer Einschätzung der Ausweitung des Angebots der schulischen und beruflichen Aus- und Weiterbildung bitte Gründe angeben. Zu Frage 7: Zu a) Die Chance einer erfolgreichen Resozialisierung wird durch die schulische und berufliche Ausbildung gerade bei jugendlichen Straftätern, die häufiger als im Erwachsenenvollzug über keine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung verfügen, erheblich verbessert. Die Landesregierung erachtet die Regelung als überaus sinnvoll. Drucksache 15/1034 (15/943) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Zu b) Der Resozialisierungsaufgabe im Bereich der Schul- oder Berufsausbildung im saarländischen Jugendstrafvollzug wird eine hohe Priorität beigemessen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass unsere Evaluationsergebnisse eine Relation zwischen Schulbzw . Berufsausbildung und einem geringeren Rückfallrisiko aufweisen. Voraussetzung für die Zuteilung eines Ausbildungsplatzes an jugendliche Gefangene ist jedoch vor allem deren Ausbildungsreife. Da diese in vielen Fällen zunächst nicht vorhanden ist, hält der saarländische Jugendstrafvollzug ein Angebot an Grundbildungskursen sowie schulischen Maßnahmen, die zu einem Hauptschulabschluss führen , vor. Im fraglichen Zeitraum haben in der JVA Ottweiler 117 Gefangene ein berufsvorbereitendes Jahr (BVJ) und 60 Gefangene einen Basiskurs zum Spracherwerb bzw. einen Grundbildungskurs begonnen. Weitere 99 Gefangene haben ein berufsvorbereitendes Jahr als Produktionsschule begonnen. Hier besteht die Möglichkeit zum Erwerb des Hauptschulabschlusses. Im fraglichen Zeitraum haben 51 Gefangene den Hauptschulabschluss erworben. Bis zum Ende des laufenden Schuljahres werden voraussichtlich 14 weitere Gefangene den Hauptschulabschluss erwerben.