LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1044 (15/1016) 11.09.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: Rückforderungen von Umsatzsteuer auf Bauleistungen Vorbemerkung des Fragestellers: „Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seinem Urteil vom 22. August 2013 (veröffentlicht am 27. November 2013) entschieden, dass Bauträger keine Bauleistungen erbringen und somit nicht die Umsatzsteuer für die an sie erbrachten Leistungen schulden (Reverse Charge). D.h., die vom Bauträger beauftragten Handwerker müssen wieder Umsatzsteuer in ihren Rechnungen ausweisen. Die Finanzverwaltung hat sich mit ihrem Schreiben vom 5. Februar 2014 (veröffentlicht am 14. Februar 2014) der Entscheidung des BFH angeschlossen . Ein Übergang der Steuerschuldnerschaft ist nur noch dann gegeben, wenn der Leistungsempfänger die an ihn erbrachten Bauleistungen seinerseits zur Erbringung von Bauleistungen verwendet . Bauträger fallen auch nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht mehr unter diese Vorschrift . Ausgegeben: 12.09.2014 (28.07.2014) Drucksache 15/1044 (15/1016) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die neue Sichtweise auch rückwirkend anzuwenden sein, d.h., die Handwerker müssten ihre Rechnungen gegenüber den Bauträgern rückwirkend korrigieren . Dies wird von der Finanzverwaltung für bis zum 14. Februar 2014 erbrachte Leistungen nicht verlangt, wenn die Beteiligten (Handwerker und Bauträger) bis dahin die umgekehrte Steuerschuldnerschaft angewendet haben (d.h., die Rechnungen der Handwerker wiesen bisher keine Umsatzsteuer aus) und sie sich nach dem 14. Februar 2014 einvernehmlich entscheiden, an dieser Abwicklung festhalten zu wollen.‘ Quelle: http://newsletter.umsatz-steuer-beratung.de/ newsletter/14-02-18_ust_bauleistungen.php Die Behandlung der Subunternehmer, die bisher im Vertrauen auf die bisherige Verwaltungsauffassung netto gegenüber den Bauträgern abgerechnet haben, wird noch vom BMF geprüft [Vertrauensschutz ].“ Vorbemerkung der Landesregierung: Der BFH hat mit Urteil vom 22. August 2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128, die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Nr. 4 UStG ausgelegt. Nach seiner Entscheidung sind die Regelungen einschränkend dahingehend auszulegen, dass es für die Entstehung der Steuerschuld darauf ankommt, ob der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auf den Anteil der vom Leistungsempfänger ausgeführten bauwerksbezogenen Werklieferungen oder sonstigen Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG an den insgesamt von ihm erbrachten steuerbaren Umsätzen komme es entgegen Abschnitt 13b.3 Abs. 2 des UmsatzsteuerAnwendungserlasses (UStAE) nicht an. Im Übrigen sei es entgegen der Vereinfachungsregelung in Abschnitt 13b.8 UStAE nicht entscheidungserheblich, ob sich die Beteiligten über die Handhabung der Steuerschuldnerschaft ursprünglich einig waren oder nicht. Die Entscheidung des BFH hat mittelbar auch Auswirkungen auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Reinigung von Gebäuden und Gebäudeteilen (§ 13b Abs. 5 Satz 5 i. V. m. Abs. 2 Nr. 8 UStG). Die Entscheidung des BFH hat insbesondere bei Erbringung von Bauleistungen an sog. Bauträger große Bedeutung. Bauträger, die auf eigenen Grundstücken schlüsselfertige Bauten errichten und diese nach Fertigstellung grunderwerbsteuerpflichtig und umsatzsteuerfrei liefern, erbringen keine Bauleistungen und schulden damit nicht nach § 13b Abs. 5. UStG die auf die bezogenen Bauleistungen entfallende Umsatzsteuer. Da das Urteil des BFH auf alle offenen Fälle anzuwenden ist, ergeben sich bei dem bisherigen Steuerschuldner nach § 13b UStG, dem Bauträger, mangels Vorsteuerabzug Erstattungsansprüche. Drucksache 15/1044 (15/1016) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die leistenden Bauunternehmer sind nun als Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen. Wegen der erheblichen fiskalischen Risiken des BFH-Urteils haben die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zwischenzeitlich mehrere BMF-Schreiben zur Umsetzung der BFH-Rechtsprechung erlassen. Zur Abwicklung der sich dadurch für die Vergangenheit ergebenden steuerlichen Konsequenzen wurde durch Art. 7 Nr. 9 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften § 27 UStG um Absatz 19 (neu) ergänzt. Zudem wurde durch Art. 8 Nr. 2 b) bb) des o.a. Gesetzes die Regelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen in § 13b Abs. 5 S. 2 UStG mit Wirkung ab 01.10.2014 (vgl. Art. 28 Abs. 4 des Gesetzes) neu gefasst. Für den Übergang der Steuerschuldnerschaft kommt es zukünftig u.a. nicht mehr darauf an, dass die bezogene Bauleistung selbst für die Erbringung einer Bauleistung verwendet wird. Wie viele Anträge auf Rückforderung der bisher angemeldeten Umsatzsteuer sind aufgrund des BMF-Schreiben vom 5. Februar 2014 bei den saarländischen Finanzämtern eingegangen? Zu Frage 1: Die saarländischen Finanzämter haben bislang über drei Fälle berichtet. Wie hoch sind die geforderten Rückzahlungen insgesamt? Zu Frage 2 Die Rückforderungen belaufen sich auf derzeit rund 700.000,-- €. Welche Verwaltungsvorschrift wird von Seiten der saarländischen Finanz-verwaltung bzgl. der in Frage 1 genannten Rückforderungen angelegt? zu Frage 3: Die Finanzämter haben die Regelungen im Umsatzsteueranwendungserlass, die zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder abgestimmten BMFSchreiben , sowie landesinterne Weisungen zu beachten: BMF-Schreiben vom 04.02.2014, BStBl I S.233 Mit diesem Schreiben wurden die vom BFH als rechtwidrig erkannten bisherigen Vereinfachungsregelungen aufgehoben. Soweit jedoch Leistungsempfänger und Leistender an der bisherigen Handhabung einvernehmlich festhalten, wird dies nicht beanstandet . Zudem werden weitere Verwaltungsanweisungen angekündigt. BMF-Schreiben vom 08.05.2014, BStBl I S. 823 Bekanntgabe eines bundeseinheitlichen Anschreibens an Bauträger zur Überprüfung etwaiger Erstattungsansprüche. Drucksache 15/1044 (15/1016) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - BMF-Schreiben vom 31.07.2014, BStBl I S.xxx Hier werden die gesetzlichen Neuregelungen in § 27 Abs. 19 UStG zur Bearbeitung geltend gemachter Erstattungsguthaben aus „Altfällen“ erläutert:  Der leistende Unternehmer ist Steuerschuldner und ist in Anspruch zu nehmen.  Es besteht kein Vertrauensschutz nach § 176 AO.  Es besteht die Möglichkeit der Abtretung des gegenüber dem Leistungsempfänger bestehenden Nachforderungsanspruchs an den Fiskus.  Der Antrag des Leistungsempfängers ist ein rückwirkendes Ereignis, so dass die Nachforderungen gegenüber dem Bauleistenden regelmäßig nicht mit Zinsen nach § 233a AO belastet sind. Mit Erlass vom 30.04.2014 wurden die Finanzämter angewiesen, betreffende Einzelfälle unter Mitteilung der geltend gemachten Rückforderungsansprüche dem Fachreferat des Ministeriums für Finanzen und Europa zu melden. Für die Bearbeitung der Erstattungsanträge steht den Finanzämtern seit dem 29.07.2014 eine in NordrheinWestfalen entwickelte Arbeitshilfe zur Verfügung. Wird Anträgen auf Rückzahlungen von Seiten der Finanzverwaltung entsprochen (vgl. Stellungnahme der OFD NRW)? Zu Frage 4: Es ist unstreitig, dass in den betreffenden Fällen der Leistungsempfänger zu Unrecht als Steuerschuldner in Anspruch genommen wurde. Demgegenüber hat der Leistende gegenüber dem Leistungsempfänger zusätzliche Preisansprüche. Nach Prüfung der geltend gemachten Ansprüche ist daher den Anträgen zu entsprechen . Wann werden diese Rückforderungen ausgezahlt (vgl. Stellungnahme der OFD NRW)? Zu Frage 5: Nach abschließender Prüfung der Ansprüche erfolgt deren Auszahlung. Dies bedeutet:  In den hier bekannten Fällen kann noch keine Auszahlung der geltend gemachten Erstattungsguthaben erfolgen, da der Leistungsempfänger zunächst detailliert darzulegen hat, mit dem Bezug welcher konkreten Eingangsleistungen er seine Erstattungsansprüche begründet.  Zudem wird der Leistungsempfänger für zurückliegende Zeiträume auf die Möglichkeit hingewiesen, an der bisherigen Besteuerungspraxis einvernehmlich mit dem Leistenden festzuhalten. Drucksache 15/1044 (15/1016) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 -  Besteht der Leistungsempfänger auf seinem Erstattungsanspruch, hat er Angaben über den Leistenden zu machen, der Schuldner der Steuer ist (in der Regel durch Vorlage der Eingangsrechnung). Hierzu ist er nach allgemeinen abgaberechtlichen Vorschriften verpflichtet, da die Besteuerungsverfahren korrespondieren. Entsprechend der gesetzlichen Neuregelung in § 27 Abs. 19 UStG soll beim Leistenden vor Auszahlung der Ansprüche zunächst eine Abtretung etwaiger zusätzlicher Preisansprüche erreicht werden.  Nur insoweit dann eine Aufrechnung nicht möglich sein sollte, erfolgt eine Auszahlung . Welche Konsequenzen würden auf die saarländische Finanzverwaltung und auf die betroffenen Bau- und Subunternehmer zukommen, wenn ein Vertrauensschutz nicht gewährt wird? Zu Frage 6: Nach Änderung des UStG ist der Vertrauensschutz durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG gesetzlich ausgeschlossen. Für die betreffenden Bauunternehmer, die Leistungen an Bauträger erbracht haben, bedeutet dies, dass sie für zurückliegende Zeiträume als Steuerschuldner im Rahmen der Festsetzungsverjährungsfrist in Anspruch zu nehmen sind, soweit sich Leistungsempfänger auf die Anwendung der BFH-Rechtsprechung berufen. Soweit sie jedoch die Steuerforderungen als Preisbestandteil beim Leistungsempfänger nachfordern können, werden sie nicht wirtschaftlich belastet. Ist die Forderung jedoch nicht zu realisieren (z.B. Insolvenz, ggf. Verjährung), tritt durch die nach zu erhebende Umsatzsteuer eine Belastung ein. Für die Finanzverwaltung vermindert sich durch den fehlenden Vertrauensschutz das sich aus der BFH-Rechtsprechung ergebende fiskalische Risiko, da die Steuerrückforderungen des Leistungsempfängers in der Regel durch Steuernachzahlungen des Leistenden kompensiert werden. Ausfälle sind nur zu erwarten, soweit eine Inanspruchnahme des Leistenden (z. B. wegen Insolvenz) ausscheidet.