LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1072 (15/1022) 26.09.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Nutzung „stiller SMS“ durch saarländische Behörden Vorbemerkung des Fragestellers: „Deutsche Sicherheitsbehörden nutzen bei ihrer Arbeit verstärkt digitale Überwachungstechnologie. So steigt bundesweit die Verwendung einer Ortungsmethode mit Hilfe von Mobiltelefonen, die sogenannte ‚stille SMS‘, seit Jahren. Eine ‚stille SMS‘ ist eine besondere Form einer SMS, die nicht auf dem Mobiltelefon angezeigt wird und kein akustisches Signal auslöst. Somit erfährt der Nutzer des Mobiltelefons nichts von diesem Vorgang. Beim Mobilfunkanbieter entstehen dadurch Verbindungsdaten, die eine Ortsbestimmung des Nutzers des Mobiltelefons ermöglichen. Auch im Saarland hat die Nutzung ‚stiller SMS‘ offenbar deutlich zugenommen. Sowohl SR-Online als auch die Saarbrücker Zeitung berichten von einem deutlichen Anstieg der Nutzung solcher Dienste durch saarländische Polizeibehörden .“ Aufgrund welcher Rechtsgrundlagen werden im Saarland „stille SMS“ versendet? Zu Frage 1: Im Bereich des Landespolizeipräsidiums stützt sich der Versand von „stillen SMS“ bei einer strafprozessualen Ausrichtung der Maßnahme auf § 100a i. V. m. §§ 161, 163 der Strafprozessordnung (StPO). Als gefahrenabwehrrechtliche Maßnahme kommt § 28b des Saarländischen Polizeigesetzes (SPolG) zur Anwendung. Das Landesamt für Verfassungsschutz ist gem. § 1 Absatz 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 3ff des Artikel-10-Gesetzes befugt, „stille SMS“ zu versenden. Ausgegeben: 26.09.2014 (12.08.2014) Drucksache 15/1072 (15/1022) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Welche Behörden des Saarlandes nutzen „stille SMS“ zu welchem Zweck? Zu Frage 2 Das Landespolizeipräsidium nutzt „stille SMS“ im Bereich der Gefahrenabwehr zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person und im Bereich strafrechtlicher Ermittlungsverfahren zur Verfolgung von Straftaten der Schwer- und Schwerstkriminalität im Sinne des § 100a Absatz 2 StPO. Das Landesamt für Verfassungsschutz versendet „stille SMS“ ausschließlich im Rahmen laufender G10-Maßnahmen als begleitendes, taktisches Hilfsmittel zur Durchführung von Observationsmaßnahmen. Daneben wird durch das Versenden „stiller SMS“ festgestellt, ob ein bekannter Anschluss überhaupt noch von der Zielperson genutzt wird oder zwischenzeitlich stillgelegt wurde. Wie viele „stille SMS“ werden aufgrund welcher Rechtsgrundlage seit 2009 versendet? Wie viele „stille SMS“ werden aufgrund welcher Straftat oder zur Erfüllung welches besonderen Zwecks (beispielsweise Ortung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person) seit 2009 eingesetzt? Zu den Fragen 3 und 4: Im Bereich des Landespolizeipräsidiums werden keine besonderen Statistiken über die straftatenbezogene Anzahl der innerhalb des Landespolizeipräsidiums versandten „stillen SMS“ geführt. Für die Jahre 2009 bis 2011 waren keine Angaben mehr ermittelbar, da die entsprechenden Belege aus datenschutzrechtlichen Gründen nach zwei Jahren vernichtet werden müssen. Für die Jahre 2012 bis 2014 können lediglich die Gesamtzahlen der jährlich durch das Landespolizeipräsidium versendeten „stillen SMS“ nachvollzogen werden. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 5205, im Jahr 2013 13.758 und im ersten Halbjahr 2014 bisher 21.145 „stille SMS“ versandt. Zur Erläuterung der gestiegenen Gesamtzahlen weist die Landesregierung auf Folgendes hin: Stille SMS werden stets im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation (TKÜ) durchgeführt. Hierbei ist festzustellen, dass die Anzahl an stillen SMS nicht der Gesamtanzahl an Überwachungsmaßnahmen entspricht. In der Regel wird gemäß den rechtlichen Vorgaben der §§ 100a, b StPO eine Überwachungsmaßnahme geschaltet und für mehrere Tage oder Wochen ausgewertet. Sobald aus ermittlungstaktischen Gründen Informationen etwa über Reisewege oder Aufenthaltsorte notwendig sind, wird für einen definierten Zeitraum der Versand von stillen SMS (unter Umständen im Minutentakt) veranlasst. Dies wird innerhalb der Laufzeit einer Überwachungsmaßnahme, die wiederum im Durchschnitt 5 Monate beträgt , teilweise mehrfach notwendig. Drucksache 15/1072 (15/1022) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die signifikante Steigerung der Gesamtzahlen steht im Wesentlichen in Zusammenhang mit der Einrichtung zahlreicher Ermittlungsgruppen und Mordkommissionen in den Jahren 2013 und 2014 und der Tätigkeit der Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift Polizei/Zoll. So wurde durch die am 21. Januar 2013 eingerichtete Ermittlungsgruppe Wohnungseinbruch (EG WE) zur Bekämpfung der saarlandweit durch organisierte, osteuropäische Tätergruppen begangenen Einbruchsserien und aufgrund des professionellen Vorgehens der Täter vermehrt verdeckte Maßnahmen erforderlich, die auch das ermittlungsunterstützende Element der „stillen SMS“ mit umfassten. Verdeutlicht wird dies anhand von zwei Überwachungsmaßnahmen im Bereich des Rauschgifthandels und der Bekämpfung von organisierten Einbrecherbanden: Beispielfall: Rauschgifthandel In einem TKÜ-Verfahren der gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift Polizei / Zoll wurden in einer TKÜ-Maßnahme von Ende Januar 2014 bis Mitte April 2014 im Stunden -Takt stille SMS versandt, was zu einer Anzahl von über 2000 stillen SMS führt. Damit hat diese eine Maßnahme einen Anteil von ca. 10 % aller bisherigen stillen SMS im Jahr 2014. Beispielfall: Bekämpfung von organisierten Einbrecherbanden Hier wurden bei insgesamt über 40 TKÜ-Maßnahmen über den gesamten Beschlusszeitraum hinweg stille SMS versendet, um die Täterstrukturen und Täterbewegungen erkennen zu können. Die Tabelle zeigt die Relation von geschalteten TKÜ-Maßnahmen zu der Gesamtzahl versendeter stiller SMS in den Jahren 2012 bis 2014 Berichtsjahr TKÜ-Maßnahmen Anzahl stiller SMS 2012 718 5.205 2013 1088 13.758 2014, 1. Halbjahr 627 21.145 Gefahrenabwehr auf Grundlage des § 28b SPolG: In zwei Fällen der Gefahrenabwehr (Bedrohung eines Vergewaltigungsopfers im Jahr 2012, Verhinderung eines angekündigten Suizids im Jahr 2013) wurden „stille SMS“ zur Ermittlung des Aufenthaltsortes der Betroffenen eingesetzt. Landesamt für Verfassungsschutz: Im Zuständigkeitsbereich des Landesamtes für Verfassungsschutz wurde das Einsatzmittel „stille SMS“ in den Jahren 2009 bis 2011 im Rahmen von G10-Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beobachtung des islamistischen Terrorismus eingesetzt. Eine statistische Erfassung fand nicht statt; konkrete Zahlenangaben sind daher nicht möglich. In den Jahren 2012 bis 2014 wurde das Einsatzmittel nicht eingesetzt. Drucksache 15/1072 (15/1022) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Welche datenschutzrechtlichen Probleme stellen sich nach Ansicht der Landesregierung beim Versand „stiller SMS“? Zu Frage 5: Die Landesregierung sieht derzeit keine datenschutzrechtlichen Probleme im Bezug auf die bisherige Verfahrensweise. Gleichwohl wurde dem Unabhängigen Datenschutzzentrum Saarland angeboten, sich vor Ort über die technischen und organisatorischen Abläufe beim Landespolizeipräsidium zu informieren.