LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1075 (15/1020) 06.10.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Hygienische Belastung der Saar Vorbemerkung des Fragestellers: „Derzeit ist die Saar in einem kritischen hygienischen Zustand. So wurden bei Untersuchungen durch das Gesundheitsamt des Regionalverbandes Saarbrücken Coli-Bakterien und Enterokokken nachgewiesen. Dies hat zur Absage von verschiedenen Veranstaltungen beim Saarspektakel in Saarbrücken und zu Durchfallerkrankungen von Triathleten bei einer Veranstaltung in Bous geführt .“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Saar war und ist kein offizielles EU-Badegewässer und wird deshalb auch nicht nach den hygienischen Qualitätskriterien der Saarländischen Badegewässerverordnung vom 06. Dezember 2007 (Amtsblatt S. 2517), die ihrerseits die Europäische Badegewässerrichtlinie 2006/7/EG (Amtsblatt EU 2006 Nr. L 64 S. 37) in Landesrecht umsetzt, untersucht. Die zuständigen saarländischen Gesundheitsämter verweisen bei entsprechenden Anfragen seitens der Veranstalter auf die gesundheitlichen Risiken beim Baden oder Schwimmen und raten vom Baden oder Schwimmen in der Saar ab. Untersuchungen von Saarwasser nach den Kriterien für Badegewässer sind aus infektionspräventiven Gründen weder erforderlich noch dienlich. Nach Auskunft des zuständigen Gesundheitsamtes Saarlouis erfolgte keine Nachfrage hinsichtlich der gesundheitlichen Unbedenklichkeit beim Schwimmen in der Saar im Vorfeld der Triathlon -Veranstaltung in Bous. Laut Mitteilung des zuständigen Gesundheitsamtes des Regionalverbandes Saarbrücken erfolgte die Untersuchung von Saarwasser nicht aufgrund des bevorstehenden Saarspektakels, sondern aufgrund des vorangegangenen Starkregenereignisses. Dies sollte unter Hinzuziehung der Ergebnisse aus einer vorangegangenen Untersuchung bei längerer Trockenheit, den Einfluss von Starkregenereignissen auf den Eintrag fäkaler Keime in die Saar verdeutlichen. Die dann am Tage des Saarspektakels eingetroffenen Untersuchungsergebnisse wurden aufgrund der extrem hohen Belastung an den Veranstalter weitergeleitet. Die Frage zu den Gründen der Absage einzelner Programmpunkte kann nur der Veranstalter beantworten, fußen jedoch sicherlich auf den Ergebnissen dieser Untersuchung. Ausgegeben: 06.10.2014 (07.08.2014) Drucksache 15/1075 (15/1020) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Die Saar dient als natürlicher Vorfluter für das in Kläranlagen gereinigte Abwasser. Die aus ihren Quellflüssen Rote Saar und Weiße Saar entstandene Saar durchfließt auf 121 km Fließstrecke die französischen Regionen Elsass und Lothringen. Zwischen Saargemünd und Saarbrücken-Güdingen bildet der Fluss auf einer rund 11 km langen Strecke einen Teil der deutsch-französischen Grenze und mündet nach 235 km Fließstrecke bei Konz in die Mosel. Das Einzugsgebiet ist 7.431 Quadratkilometer groß. Da für gereinigtes Abwasser zwar Anforderungen hinsichtlich Kohlenstoff-, Stickstoff-, und Phosphorelimination bestehen, nicht jedoch in Bezug auf mikrobiologische Parameter, kommt es durch die Einleitung von Kläranlagenabläufen auch bei trockenen Wetterbedingungen zu einer kontinuierlichen Belastung mit fäkalbürtigen Mikroorganismen und potenziell auch mit Krankheitserregern. Mischwasserentlastungen unbehandelten Abwassers infolge von Starkniederschlägen verursachen darüber hinaus kurzzeitige, aber extrem hohe Belastungen der Fließgewässer mit Mikroorganismen. Ebenso führen niederschlagsbedingte Abschwemmungen aus landwirtschaftlich genutzten Flächen zu einem erhöhten Eintrag an fäkalbürtigen Mikroorganismen und Krankheitserregern. Weiterhin ist auch zu bedenken, dass die Witterungsbedingungen nicht nur lokale Auswirkungen auf die Wasserqualität haben. Durch Regenfälle eingetragene Verunreinigungen können weit in den Unterlauf verfrachtet werden, in Gebiete, in denen möglicherweise gar kein Regenereignis stattgefunden hat. Die stromabwärts der Belastungsquelle lokalisierten Unterlieger verfügen daher auch nicht notwendigerweise über das erforderliche Risikobewusstsein bzw. die Kenntnis der temporär auftretenden erhöhten Verunreinigung des Gewässers mit möglichen Krankheitserregern. Gerade umweltresistentere Krankheitserreger wie Dauerstadien können über weite Strecken transportiert werden und auch nach Tagen oder Wochen an ganz anderer Stelle als der Einleitstelle noch pathogene Wirkung entfalten. Neben den mikrobiologischhygienischen Risiken durch Quellen, die aus der anthropogenen Nutzung der Gewässer selbst oder des Einzugsgebiets resultieren, sind auch Belastungen durch Wildtiere zu berücksichtigen. Beispielsweise kann es durch hohe Bestände an Wasservögeln zu einer erhöhten Belastung mit dem Durchfallerreger Campylobacter kommen. Die Abwasserbehandlung ist grundsätzlich nicht auf eine Keimreduktion ausgelegt. Allerdings wird die Keimzahl in Kläranlagen als Nebeneffekt um ein bis zwei Zehnerpotenzen reduziert. Daher bestehen für die Einleitung von Abwässern aus Kläranlagen und Niederschlagsentlastungen in Oberflächengewässer in Deutschland hinsichtlich der bakteriellen Belastung keine wasserrechtlichen Auflagen. Wie hat sich der hygienische Zustand seit dem Bau der großen Kläranlagen im Saarland ab 1990 geändert? a) Wo lagen die Belastungsschwerpunkte in der Vergangenheit? b) Wo liegen die Belastungsschwerpunkte heute ? Zu Frage 1: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor: Drucksache 15/1075 (15/1020) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Wie bereits in der Vorbemerkung der Landesregierung erwähnt, war und ist die Saar kein offizielles EU-Badegewässer und wird deshalb auch nicht nach den hygienischen Qualitätskriterien der Saarländischen Badegewässerverordnung vom 06. Dezember 2007 (Amtsblatt S. 2517), die ihrerseits die Europäische Badegewässerrichtlinie 2006/7/EG (Amtsblatt EU 2006 Nr. L 64 S. 37) in Landesrecht umsetzt, untersucht. Welche Untersuchungen und Auswertungen zur Entwicklung des hygienischen Zustandes der Saar gibt es und zu welchen Erkenntnissen haben diese Untersuchungen geführt? Zu Frage 2: siehe Antwort 1. In der Nied gibt es Hinweise darauf, dass der Eintrag von Fäkalien über Regenüberläufe die Hauptursache für die hygienische Belastung des Flusses ist. Dies wurde in der Vergangenheit über Gutachten mehrfach nachgewiesen. Gibt es solche Hinweise auch für die Saar? Zu Frage 3: Fließgewässer weisen keine konstante hygienische Wasserqualität im Sinne der saarländischen Badegewässerverordnung auf und können bei vorhandenen Abwassereinleitungen sowie Belastungen durch Siedlungstätigkeit oder Landwirtschaft die hygienischen Vorgaben als Badegewässer grundsätzlich nicht erfüllen. An der Nied waren bis 2009 drei Badestellen (Wackenmühle, Campingplatz Siersdorf, Niedmühle / Eimersdorf ) nach der EG-Richtlinie über die Qualität der Badegewässer (76/160/EWG) gemeldet . Seit 2010 ist es nur noch eine Badestelle (Campingplatz Siersdorf). Bereits seit 2003 besteht ein Badeverbot für die Nied. Der Grund liegt in der Siedlungsentwässerung (Mischsystem) des gesamten Einzugsgebietes. Zu Zeiten geringerer Wasserführung (ohne Regen) erfüllt die Niedbadestelle die Qualitätsanforderungen der Badegewässer -Richtlinie. Somit können die Trockenwetterabläufe aus Kläranlagen nicht alleine ursächlich für die Grenzwertüberschreitungen an der Badestelle in der Nied sein. Der Verdacht liegt nahe, dass Oberflächenabflüsse aus Niederschlägen die Überschreitungen verursachen (Überläufe aus Mischwasserkanalisationen / Abfluss aus landwirtschaftlich genutzten Flächen). Da die Saar kein Badegewässer ist, hat die Landesregierung keine vergleichbaren Erkenntnisse zur Hauptursache der hygienischen Belastung der Saar. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Siedlungsentwässerung der dominierende Faktor ist. Drucksache 15/1075 (15/1020) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wie viele Regenentlastungsbauwerke gibt es im Einzugsgebiet der Saar (innerhalb und außerhalb des Saarlandes)? a) Sind die saarländischen Anlagen zur Re- genwasserbehandlung ausreichend und entsprechen diese Anlagen alle dem aktuellen Stand der Technik? b) Welche hygienische Belastung wird aus den saarländischen Anlagen in die Saar eingetragen ? Zu Frage 4: Zu Regenentlastungsbauwerken außerhalb des Saarlandes: Nach Mitteilung der Agence de l’Eau gibt es im französischen Einzugsgebiet der Saar 111 Regenentlastungsbauwerke von mehr als 2000 Einwohnerwerten. Im direkten Einzugsgebiet der Saar innerhalb des Saarlandes liegen etwa 80 Regenentlastungsbauwerke , im gesamten Einzugsgebiet der Saar im Saarland einschließlich der im Saarland in die Saar mündenden Nebengewässer liegen etwa 2050 Regenentlastungsbauwerke (Entsorgungsverband Saar, EVS + Kommunen). Zu a) Derzeit sind rund 87,5 % des erforderlichen Rückhaltevolumens gebaut. Da es sich hierbei um verhältnismäßig neue Bauwerke handelt, entsprechen diese auch dem Stand der Technik. 12,5 % der Anlagen zur Regenwasserbehandlung müssen in den nächsten Jahren noch gebaut werden. Zu b) In den Kläranlagen erfolgt als Nebeneffekt eine Reduzierung der Keimbelastung um ein bis zwei Zehnerpotenzen. Bei den Entlastungsanlagen der Mischwassersysteme wird die Keimbelastung nur unwesentlich reduziert. Zur Belastung aus den saarländischen Anlagen liegen keine Messungen vor. Drucksache 15/1075 (15/1020) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Wie viel m³ Rückhaltevolumen für Regenwasser sind im Saarland gebaut und wie viel m³ müssen noch gebaut werden (Kommunen, EVS), um das Kanalnetz an den Stand der Technik anzupassen? Zu Frage 5: Die Aufgabe der Regenwasserbehandlung wird im Wesentlichen durch den EVS wahrgenommen. In seinem Zuständigkeitsbereich sind etwa 285.000 m³ gebaut. Im Zuständigkeitsbereich der Kommunen befinden sich rd. 20.000 m³. Etwa 40.000 m³ müssen noch neu gebaut werden (Quelle: aktuelle Anfrage beim EVS vom August 2014). Gibt es gezielte Maßnahmen auf Kläranlagen und zur Behandlung von Regenwasser, um die Keimbelastung der Gewässer zu reduzieren? Wenn ja: wo und mit welchem Erfolg? Zu Frage 6: Im Wesentlichen können zur Desinfektion von Abwasser folgende Methoden angewendet werden: • Membranverfahren, • UV-Bestrahlung, • Ozonierung. Die DWA hat hierzu auch ein Merkblatt veröffentlicht (DWA-M 205). Im Saarland gibt es in der kommunalen Abwasserbehandlung keine Projekte zur gezielten Reduzierung der Keimbelastung. Die Reduzierung der Keimbelastung kann jedoch bei verschiedenen Behandlungsverfahren, beispielhaft dem Membranverfahren, das zur weitergehenden Abwasserreinigung bereits eingesetzt wird, quasi als Nebeneffekt festgestellt werden. Gerade zum Membranverfahren wurden im Saarland bereits einige Forschungs- und Entwicklungsprojekte bezuschusst, wobei auch die weitergehende Keimreduktion untersucht wurde. Als größtes Projekt ist hier das Membranverfahren auf der Kläranlage Ihn zu nennen. Des Öfteren wurde das Membranverfahren auch in sensiblen Gebieten bei Kleinkläranlagen eingesetzt. Dieses Verfahren ist im Bereich der Kleinkläranlagen auch wirtschaftlich interessant. Aber auch in Bodenfilteranlagen werden Keime deutlich reduziert, auch wenn eine hygienische Unbedenklichkeit in der Regel nicht erreicht werden kann. Allgemein ist festzustellen, dass die Aufwendungen für eine gezielte Entfernung von Keimen durch Abwasserdesinfektion erheblich sind und in Deutschland nur in besonderen Fällen (Schutz von Badestellen oder der Trinkwasserversorgung) Anwendung finden. Die effektivste Maßnahme besteht immer noch darin, das Abwasser aus den sensiblen Gebieten herauszuleiten. Drucksache 15/1075 (15/1020) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Welche zusätzlichen Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen, um die Gewässerhygiene im Saarland zu verbessern? Zu Frage 7: Gezielte Maßnahmen – zur Reduzierung der Keimbelastung auf die Erfordernisse eines Badegewässers - für Kläranlagen und Regenwasserbehandlungsanlagen sind nicht vorgesehen und würden die Gebührenzahler übermäßig belasten. Aus infektionspräventiver Sicht kann hier nur eine Information der saarländischen Bevölkerung über mögliche Gesundheitsrisiken an bekanntermaßen zu Freizeitzwecken (Baden, Schwimmveranstaltungen etc.) genutzten Gewässern zielführend sein: eine allgemeine Information über potentielle Gesundheitsrisiken und eine Warnung vor akuten Gefahren (Schifffahrtsstraße, Strömung, Infektionsgefahren etc.), verbunden mit dem Appell zu eigenverantwortlichem Handeln.