LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1116 (15/1002) 06.11.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Neyses (PIRATEN) betr.: Länderöffnungsklausel bezüglich der Aufstellung von Windkraftanlagen an Land Vorbemerkung des Fragestellers: Dem Ausbau von Windkraftanlagen im On-ShoreBereich drohen weitere Einschränkungen durch die sogenannte Länderöffnungsklausel. Diese Klausel wurde auf Betreiben des Bundeslandes Bayern in das noch zu verabschiedende EEG eingefügt („Lex Seehofer“). Mit Verabschiedung dieses Gesetzes dürfte Bayern die dort bereits beschlossene „10-H-Regelung“ anwenden. Die Länderöffnungsklausel erlaubt zukünftig jedem Bundesland , eigene Regelungen z.B. in Bezug auf Abstandsregelungen von Windkraftanlagen zu Wohngebieten festzulegen. Mit der „10-H-Regelung“ würden sich die Vorrangund Vorbehaltsgebiete, auf denen bisher qua Bundesgesetz einheitliche Abstandsregelungen von Windkraftanlagen galten, auf nur noch 0,05 Prozent reduzieren (Quelle: Bund Naturschutz Bayern). Ungleiche Regelungen in einzelnen Bundesländern würden somit auch zu einem ungleichen Wettbewerb zwischen den Bundesländern führen. Es würde schwer nachvollziehbar sein, so die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände , warum manche Länder zulasten anderer ihr Gebiet von Windkraftanlagen freihalten dürfen . Sieht das Saarland eine Notwendigkeit zur Anwendung der Länderöffnungsklausel in Bezug auf die 10-H-Regelung für Windkraftanlagen? Zu Frage 1: Nein. Ausgegeben: 07.11.2014 (15.07.2014) Drucksache 15/1116 (15/1002) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Um wieviel Prozent verringern sich die Vorrangund Vorbehaltsgebiete für Windkraftanlagen im Saarland bei der Anwendung der 10-H-Regelung? Zu Frage 2: Die Landesregierung geht davon aus, dass mit der Frage gemeint ist, wie sich durch die 10-H-Regelung die Flächenkulisse für den Bau von Windenergieanlagen im Saarland verändert würde. Diese Frage lässt sich nur abschätzungsweise beantworten, da die Mehrzahl, aber nicht alle Kommunen im Saarland den weiteren Ausbau der Windkraft über Flächennutzungspläne (Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergie ) steuern. Bei der Aufstellung dieser Pläne wird eine ganze Reihe von sogenannten harten und weichen Kriterien zugrunde gelegt. Geht man von der Annahme aus, dass moderne Windenergieanlagen eine Gesamthöhe von bis zu 200 Metern haben , wäre bei Anwendung der 10-H-Regelung ein Siedlungsabstand von 2000 Metern einzuhalten. Verschneidungen derartiger Ortslagen-Puffer mit den aktuell vorliegenden Konzentrationszonen für Windenergie der saarländischen Kommunen zeigen, dass sich das verfügbare Flächenpotenzial der Konzentrationszonen um über 95 Prozent reduzieren würde. Im Verhältnis zu den Potenzialflächen aus der Windpotenzialanalyse von 2011 würde sogar weniger als 1 Prozent der Fläche übrig bleiben. Es stünden also praktisch fast keine Flächen mehr für die weitere Entwicklung der Windenergie im Saarland zur Verfügung und das Ausbauziel der Erneuerbaren Energien (20 Prozent Anteil bis 2020) würde definitiv nicht erreicht. Welcher finanzielle Schaden (bezogen auf Steuereinnahmen ) entstünde dem Saarland, wenn die 10-H-Regelung zum Einsatz kommt? Zu Frage 3: Aus der Errichtung von Windenergieanlagen resultieren vor allem Steuereinnahmen für die jeweilige Standortgemeinde (insbesondere Gewerbesteuer) wie auch für den Fiskus insgesamt (insbesondere Mehrwertsteuer). Für das saarländische Ausbauziel der Erneuerbaren Energien (20 Prozent Anteil bis 2020) werden mindestens 600 MW Windenergieanlagen gebraucht. Ende 2013 waren 150 MW installiert. Die erforderliche Investition für einen weiteren Zubau von 450 MW kann mit mindestens 600 Millionen Euro beziffert werden. Dies ergäbe beispielsweise ein Mehrwertsteueraufkommen von knapp 120 Millionen Euro. Davon stünden dem Landeshaushalt knapp die Hälfte, den kommunalen Haushalten 2,2 Prozent zu. Dazu kämen jährliche Aufwendungen für Betrieb und Wartung der Anlagen in Höhe von etwa 2 Prozent der Investitionskosten, also rund 12 Millionen Euro, die ebenfalls mit einer regionalen Wertschöpfung und Steuereinnahmen verbunden sind. Geht man davon aus, dass eine Anwendung der 10-H-Regelung im Saarland den weiteren Ausbau der Windkraft weitgehend zum Erliegen brächte (siehe Antwort auf Frage 2), würden die genannten Steuereinnahmen näherungsweise den damit verbundenen möglichen finanziellen Schaden beschreiben. Der tatsächliche Schaden stünde natürlich in Abhängigkeit von der Zahl der Anlagen, die auf Basis des neuen EEG und unter Berücksichtigung sämtlicher gesetzlicher Auflagen tatsächlich geplant und aufgrund einer pauschalen Abstandsregelung nicht gebaut würden. Drucksache 15/1116 (15/1002) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Über den direkten finanziellen Verlust des Landes hinaus wären mit einem Ende des Windkraftausbaus im Saarland immer auch Arbeitsplatzverluste in den betroffenen Branchen verbunden. Weiter würden dem SaarForst Landesbetrieb Ergebnisbeiträge aus potentiellen Pachteinnahmen wegfallen. Welche Einschätzung hat die Landesregierung hinsichtlich eines ungleichen Wettbewerbs zwischen den Bundesländern nach Einführung der Länderöffnungsklausel hinsichtlich der Vorrangund Vorbehaltsgebiete für Windkraftanlagen? Zu Frage 4: Die Landesregierung teilt die Auffassung nicht, dass die Länderöffnungsklausel zu einem ungleichen Wettbewerb führt. Jedes Land entscheidet selbst, ob ein pauschaler Mindestabstand eingeführt wird. Jedes Bundesland hat damit auch in Zukunft die Möglichkeit , die Verfügbarkeit und Menge von möglichen Windenergiestandorten selbst zu steuern. Bundesländer, die mit einem pauschalen Mindestabstand sehr restriktiv in den Ausbau der Windkraft eingreifen, verzichten allerdings auf regionale Wertschöpfung aus der EEG-Förderung. Hier kann es deshalb zu einer Umverteilungswirkung kommen . Gefährdet die Länderöffnungsklausel die Investitionssicherheit der Windanlagenindustrie und die diesbezüglichen Arbeitsplätze? Zu Frage 5: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014 sieht für den Ausbau der Windkraft einen jährlichen Zielkorridor für das gesamte Bundesgebiet von 2400 bis 2600 MW vor, den sogenannten atmenden Deckel. Nach den der Landesregierung bekannten Studien und Zahlen sind bezogen auf Deutschland insgesamt genügend genehmigungsfähige Standorte verfügbar, um diesen Ausbau zu erreichen, selbst wenn die Standortverfügbarkeit in einzelnen Bundesländern durch Umsetzung der Länderöffnungsklausel reduziert werden würde. Würden allerdings alle Bundesländer mit einem pauschalen Mindestabstand restriktiv in den Ausbau der Windkraft eingreifen, wären die Ausbauziele kaum erreichbar und negative Auswirkungen auf die Windanlagenindustrie unabweisbar . Es bleibt allerdings abzuwarten, welche Bundesländer von der Länderöffnungsklausel tatsächlich Gebrauch machen werden.