LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1359 (15/1185) 29.04.2015 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Astrid Schramm (DIE LINKE.) Barbara Spaniol (DIE LINKE.) betr.: Bewerkstelligung der brandschutzrechtlichen Bestimmungen der Freiwilligen Ganztagsschule an der Grundschule „Altes Rathaus“ in Wallerfangen und Denkmalschutz Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Aus Gründen des Brandschutzes, namentlich wegen des Fehlens eines zweiten Rettungsweges, kann seit mehreren Monaten das 1. Obergeschoss in einem Nebengebäude der unter Denkmalschutz stehenden Grundschule „Altes Rathaus “ in Wallerfangen von der Freiwilligen Ganztagsschule (FGTS) nicht mehr genutzt werden. Dies hat aus Sicht der Eltern zu massiver Platznot bei der – ohne hin in beengten Räumlichkeiten untergebrachten - FGTS geführt. Die Elternsprecher fordern, das 1. Obergeschoss des Nebengebäudes schnellstmöglich wieder nutzbar zu machen, wobei zur Bewerkstelligung des Brandschutzes eine sog. Außenlösung, beispielsweise in Form einer Außentreppe oder einer Verbindungsbrücke zu einem zweiten Nebengebäude, zum Tragen kommen müsse. Jüngeren Medienberichten ist allerdings zu entnehmen, dass der Denkmalpfleger eine solche Außenlösung kategorisch ablehne und stattdessen eine sogenannte Innenlösung in Form einer Innentreppe als einzige Lösung akzeptiere. Eine solche Innenlösung hätte allerdings zur Folge , dass sich die der FGTS zur Verfügung stehende Gesamtfläche erheblich verkleinern würde und zudem ein vormals von der FGTS genutzter „Toberaum“ als solcher nicht mehr zur Verfügung stünde. Ausgegeben: 04.05.2015 (18.12.2014) Drucksache 15/1359 (15/1185) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung Landesregierung: Die Nutzung des in den Vorbemerkungen der Fragestellerinnen angesprochenen Obergeschosses wurde aus baurechtlichen Gründen durch die UBA des Landkreises Saarlouis untersagt bzw. der Nutzungsuntersagung wurde durch Erklärung eines Nutzungsverzichts durch die Gemeinde Wallerfangen zuvorgekommen. Die baurechtliche Genehmigung vom 24.04.2003 sah eine Nutzung des großen Obergeschossraums mit max. 16 Personen vor, für die als zweiter Rettungsweg eine Anleitermöglichkeit geschaffen und bauaufsichtlich akzeptiert worden war. Die in dieser Form nie baurechtlich genehmigte Nutzung als freiwillige Ganztagsschule wurde seitens der Bauaufsicht bei vergleichbaren Nutzerzahlen geduldet, erreicht aber inzwischen teilweise die dreifache Personenzahl. Der Nutzungsuntersagung liegt einerseits die erhebliche ungenehmigte Übernutzung des Baus zugrunde, andererseits das Bekenntnis der örtlichen Feuerwehr, auch bei Nutzerzahlen unter 10 Personen eine Rettung aus dem Obergeschoss nicht mehr gewährleisten zu können. Auch für die Umnutzung des zweiten Gebäudes als freiwillige Ganztagsschule seit 2011 liegt immer noch keine baurechtliche Genehmigung vor. Die baurechtliche Problematik lässt sich nicht auf das Fehlen eines zweiten baulichen Rettungsweg reduzieren. Entscheidend ist, neben der bisherigen ungenehmigten Nutzung gleichermaßen, dass bereits der erste bauliche Rettungsweg (d.h. die bestehende Haupttreppe des Gebäudes) lediglich über eine Breite von ca. 90 cm verfügt und für eine Rettung bzw. Fluchtung großer Personenzahlen nicht geeignet ist. Wie und auf der Grundlage welcher konkreten Kriterien und fachwissenschaftlichen Grundlagen beurteilt die Landesdenkmalbehörde die verschiedenen Möglichkeiten einer Außenlösung zur Bewerkstelligung des Brandschutzes an der FGTS im Hinblick auf den Denkmalschutz und wird diese Ansicht vom übrigen Teil der Landesregierung geteilt (bitte ausführliche Begründung)? Zu Frage 1: Die Landesdenkmalbehörde beurteilt den Sachverhalt im Hinblick auf die spezifischen Eigenschaften und Qualitäten des Baudenkmals auf Grundlage des Saarländischen Denkmalschutzgesetzes, hier besonders § 8 SDschG, der Charta von Venedig, den verschiedenen Arbeitsgrundlagen der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger der Bundesrepublik Deutschland bei der KMK (VdL), zuletzt besonders dargelegt im Arbeitsheft 13 „Brandschutz in der Baudenkmalpflege“ des Arbeitskreises Bautechnik (2014, http://forum.db.rjm.de/data/akt/BrandschutzAG_2014.pdf), der verschiedenen baurechtlichen und baufachlichen Bestimmungen, der für die Nutzung zugrundegelegten Richtlinien, der div. einschlägigen Fachliteratur sowie der fachlichen und rechtlichen Abstimmung mit Sachverständigen und der zuständigen Bauaufsichtsbehörde. Als Baudenkmal ist das ehem. Schulhaus 1 zusammen mit den anderen Gebäuden des Ensembles auf der Wallerfanger Adolphshöhe eines der wertvollsten Zeugnisse der Baukunst im Saarland im 19. Jahrhundert und insbesondere der Geschichte des Schulbaus in der Rheinprovinz. Mit seiner außergewöhnlichen Durchfensterungsquote, die noch heute unerreicht ist, waren diese Bauten in ihrer Vorbildlichkeit bis in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg immer wieder Ziel von Schulbaukommissionen. Drucksache 15/1359 (15/1185) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die gelungene Sanierung und Umnutzung zur Grundschule 2002-2005 ist 2006 mit dem Saarländischen Denkmalpflegepreis ausgezeichnet worden. Wichtiger Bestandteil des Denkmalwerts des Ensembles ist die nahezu unversehrte Erhaltung des ursprünglichen Erscheinungsbildes sowie die einzigartige städtebauliche Disposition. Eine „Außenlösung“ stellt im konkreten Fall eine erhebliche Beeinträchtigung des Baudenkmals dar. Zugleich würde damit das gravierende baurechtliche Problem der nur eingeschränkt tauglichen bestehenden Innentreppe nicht gelöst. Eine sinnvolle Nutzung des Obergeschosses durch die freiwillige Ganztagsschule ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand nur bei Herstellung einer entsprechend dimensionierten Innentreppe als erstem Rettungsweg und Ausweisung der Bestandstreppe als zweitem Rettungsweg baurechtlich möglich. Die Reduktion der Nutzflächen zugunsten notwendiger Erschließungsflächen beträgt bei Realisierung einer Innentreppe ca. 20,8 m 2 je Stockwerk, was einer Minderung der Nutzflächen von geringfügig mehr als 20% entspricht. Der „Toberaum“ verkleinerte sich damit von ca. 97 m 2 auf ca. 77 m 2 . Gemäß Ziffer 3.4 - Räumlichkeiten - des För- derprogramms Freiwillige Ganztagsschulen im Saarland (Förderprogramm FGTS) stehen auch nach dem Einbau einer Innentreppe weiterhin geeignete Räume in ausreichender Größe für Angebote der FGTS zur Verfügung. Grundsätzlich gilt, dass es weder denkmalrechtlich noch baurechtlich einen begründbaren Rechtsanspruch auf eine illegale Übernutzung eines Gebäudes gibt, d.h. dass aus dieser rechtswidrigen Übernutzung also in keinem Fall ein überwiegender öffentlicher oder privater Belang abgeleitet werden kann. Die Lösung der Nutzungsproblematik mittels einer neuen Innentreppe, die zudem mit ca. 35.000 € ermittelter Kosten angemessen ist, erfüllt im Gegensatz zu einer Außenlösung in jeder Hinsicht die denkmalfachlichen und baurechtlichen Vorgaben für eine denkmalgerechte und den anderen einschlägigen Richtlinien und Regeln konformen Nutzung des Gebäudes. Sofern nicht unter Ziff. 1 beantwortet: Wie beurteilt die Landesdenkmalbehörde im vorliegenden Fall die öffentlichen Belange bzw. öffentliche Interessen , die Gründe des Denkmalschutzes überwiegen können? Zu Frage 2: Öffentliche Gründe bzw. öffentliche Interessen, die Gründe des Denkmalschutzes überwiegen können, liegen nicht vor und sind bislang von der Gemeinde Wallerfangen auch nicht vorgetragen worden. Ein ideeller oder gar rechtlicher Anspruch auf Fortdauer einer baurechtlich untersagten Übernutzung eines Gebäudes ist auch nach bestätigter Auffassung der UBA in keinem Fall als öffentlicher Belang zu bewerten. Drucksache 15/1359 (15/1185) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Sofern nicht unter Ziff. 1 beantwortet: Trifft es zu, dass in der Vergangenheit seitens der Landesdenkmalbehörde eine Zustimmung zu einer Außenlösung für die Dauer von fünf Jahren in Aussicht gestellt wurde? Zu Frage 3: Eine befristete Genehmigung für eine provisorische Außenlösung ist aus denkmalrechtlicher Sicht im Sinne einer Duldung denkbar, etwa in der Art, wie sie am Dillinger Schloss umgesetzt wurde. Nach gegenwärtiger Kenntnis ist die Erteilung einer baurechtlichen Genehmigung hierfür jedoch sehr fraglich, da sie die Unzulänglichkeiten der bestehenden Innentreppe unberücksichtigt lässt. Zudem dürften die Kosten nach den hierfür vorliegenden Erfahrungswerten jene für die denkmalgerechte, dauerhafte Lösung durch eine Innentreppe bereits nach drei Jahren übertreffen. Wie verhält es sich aus Sicht der Landesdenkmalbehörde sowie des übrigen Teils der Landesregierung mit der Barrierefreiheit und dem Denkmalschutz im Allgemeinen und hinsichtlich der vorliegenden Situation im Besonderen? Zu Frage 4: Die Barrierefreiheit zählt als gewichtiger öffentlicher und privater Belang zu jenen, die regelhaft gem. § 8 Abs. 5 SDschG mit jenen des Denkmalschutzes bei der Entscheidungsfindung abgewogen werden. Vor allem beim Anspruch auf Barrierefreiheit als gewichtigem privatem Belang überwiegen nach gegenwärtigem Stand die Lösungen, bei denen der Barrierefreiheit im Einzelfall vor den Belangen des Denkmalschutzes ein Vorrang eingeräumt wurde. Gemäß der 2008 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretenen UNBehindertenrechtskonvention von 2006 ist ausdrücklich auch der Zugang zu Denkmälern „so weit wie möglich“ sicherzustellen (Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung, Art. 30 c). Bereits bei der Sanierung der Bauten auf der Wallerfanger Adolphshöhe 2002 wurde dieser Belang geprüft und im Hinblick auf das Nutzungsziel als zweizügige Grundschule und die Eigenheiten der Gebäude verneint, da vor allem die vorhandenen Nutzflächen hierfür nicht ausreichten. Nur bei einer einzügigen Umnutzung wäre eine Barrierefreiheit, allerdings mit erheblichem Aufwand, möglich gewesen. Für die Umnutzung des zweiten Schulhauses wurde 2011 eine Zugangsrampe zu Erreichbarkeit des Erdgeschosses realisiert. Eine vergleichbare Erreichbarkeit des Erdgeschosses des Schulhauses 1 war 2002 nicht gefordert worden. Sie ist aus Sicht der Landesdenkmalbehörde problemlos möglich, was allerdings den Abriss eines gemeindeeigenen Garagenkomplexes bedingen würde.