LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1500 (15/1418) 14.09.2015 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte ist in den letzten Jahren stark gestiegen. So habe sich die Zahl der Attacken, gezählt wurden Brandund Sprengstoffanschläge auf Gebäude sowie Angriffe auf Bewohner/innen, vom Jahr 2012 auf das Jahr 2014 bundesweit versechsfacht. Insgesamt reichen die verübten Straftaten von Sachbeschädigung über Volksverhetzung, Hausfriedensbruch bis hin zu Bedrohung, gefährlicher Körperverletzung oder gar Mord. Eine gesonderte Statistik über Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, welche in gewissen zeitlichen Abständen seitens der Bundes- oder Landesregierung automatisch veröffentlicht wird, existiert nicht. Darüber hinaus geht aus polizeilichen Statistiken auch nicht hervor, wer im Einzelnen hinter den Anschlägen auf Unterkünfte steckt und auf Grund welcher (vermuteten) Gesinnung der Täter die Anschläge verübt wurden . Auch erfolgt in den Statistiken in der Regel keine genaue Differenzierung nach Tätermotivation (etwa in islam-/muslimfeindliche oder (rechts-) extremistische bzw. (rechts-)terroristische Motivation ).“ Ausgegeben: 15.09.2015 (10.06.2015) Drucksache 15/1500 (15/1418) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: Zur Beantwortung der Fragen wurden Recherchen im Informationssystem der Polizei (INPOL) und in GeopolisK1 durchgeführt sowie Meldedienste und kriminaltaktische Anfragen ausgewertet. Durch die Einführung einer neuen Software (Saarländisches Auswerte-, Vorgangsbearbeitungs- und Informationssystem - SAVIS) im Jahr 2007 ist ein Zugriff auf Daten, die im zuvor genutzten Vorgangsbearbeitungssystem angelegt wurden, nicht mehr möglich. Im Rahmen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden alle in Tateinheit oder natürlicher Handlungseinheit begangenen Taten ausschließlich zahlenmäßig und nur bei dem Straftatbestand gezählt, der die höchste Strafandrohung aufweist. Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im Saarland stellen in der PKS kein eigenständiges Delikt dar; vielmehr werden durch Übergriffe – je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls – unterschiedliche Straftatbestände verwirklicht. Hingegen erfolgt im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) eine darüber hinausgehende Kategorisierung der Taten nach Themenfeldern. Wie viele Anschläge, Sachbeschädigungen oder tätliche Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte oder von Flüchtlingen bewohnte Wohnungen und geplante beziehungsweise im Bau befindliche Flüchtlingsunterkünfte gab es nach Kenntnis der Landesregierung im Zeitraum 2000 bis 2015 im Saarland ? (Bitte nach Datum der Tathandlung und Tatorten einzeln aufschlüsseln.) Welche Straftatbestände wurden im Rahmen dieser Übergriffe jeweils erfüllt? Welche Informationen liegen der Landesregierung zum jeweiligen Tathergang bzw. den Tathandlungen , dem Stand der Ermittlungen, zu den mutmaßlichen Täterinnen und Tätern und zu bereits ergangener Urteile sowie verhängten Strafen in diesem Zusammenhang vor? (Bitte nach Übergriffen , Ermittlungsergebnissen und abgeurteilten Strafen einzeln aufschlüsseln.) Zu den Fragen 1, 2 und 3: Die Fragen werden unter Bezug auf die Vorbemerkung der Landesregierung für den Zeitraum 2007 bis 30.06.2015 gemeinsam beantwortet. In diesem Zeitraum wurden im Saarland sechs Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte polizeilich bekannt, die nachfolgend chronologisch dargestellt und durch justizielle Informationen ergänzt sind: 1 GeopolisK ist ein polizeiliches Auswertesystem, mit dem die saarländische Polizei aktuelle Informationen über die Kriminalitätslage darstellen kann. Die Daten stehen im Gegensatz zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) – einer reinen Ausgangsstatistik – tagesaktuell zur Verfügung . Die Daten der PKS werden hingegen erst bei Abschluss der Ermittlungen gespeichert und aufbereitet. Die Zahlen aus PKS und GeopolisK können daher voneinander abweichen. Drucksache 15/1500 (15/1418) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Fall 1: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) in Tateinheit mit § 86a StGB 2 durch Aufsprühen von Symbolen, darunter auch zwei Hakenkreuzdarstellungen , an den Außenwänden von Gebäuden der Landes-aufnahmestelle in Lebach in der Zeit vom 09.11.2011 bis zum 10.11.2011. Das Verfahren wurde mangels Täterermittlung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 3 eingestellt. Fall 2: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) in Tateinheit mit § 86a StGB durch Aufmalen eines Hakenkreuzes auf eine Innenwand eines Gebäudes der Landesaufnahmestelle in Lebach am 21.12.2011. Das Verfahren wurde mangels Täterermittlung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Fall 3: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Einschlagen einer Fensterscheibe an einem Gebäude der Landesaufnahmestelle in Lebach am 09.10.2013. Tatwerkzeug war vermutlich ein faustgroßer Stein. Das Verfahren wurde mangels Täterermittlung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche Straftat lagen nicht vor. Fall 4: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) in Tateinheit mit § 86a StGB durch Aufmalen eines Hakenkreuzes auf eine Innentür eines Gebäudes der Landesaufnahmestelle in Lebach am 04.11.2013. Das Verfahren wurde mangels Täterermittlung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Fall 5: Gegenstand des Verfahrens war eine Volksverhetzung (§ 130 StGB) durch volksverhetzende Äußerungen einer 1983 geborenen Deutschen. Die Beschuldigte befand sich am 20.07.2014 in erheblich alkoholisiertem Zustand in einem Gebäude der Landesaufnahmestelle in Lebach und beschimpfte dort Bewohner in volksverhetzender Weise (u. a. als „Scheiß Türken“). Die Beschuldigte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Lebach vom 09.01.2015 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten zur Bewährung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Fall 6: Gegenstand des Verfahrens ist ein Übergriff mehrerer Personen auf Flüchtlinge am 24.04.2015 in einer als Flüchtlingsunterkunft genutzten Jugendherberge in Weiskirchen . Das Verfahren richtet sich gegen sieben zur Tatzeit 17 bis 25 jährige Deutsche. Die Ermittlungen, auch im Hinblick auf die Tatbeteiligungen (§§ 1854, 130, 303 und 2235 StGB), sind noch nicht abgeschlossen. 2 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 3 Entscheidung über eine Anklageerhebung 4 Beleidigung 5 Körperverletzung Drucksache 15/1500 (15/1418) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Welchen Themen- bzw. Schwerpunktbereichen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) unterfallen die unter 2.) genannten Straftatbestände bzw. unter welche sonstigen Themenbereiche außerhalb der PKS lassen sich die Taten subsumieren (etwa politisch motivierte, rechtsmotivierte, islam- bzw. muslimfeindliche, (rechts) extremistische oder (rechts-) terroristische Straftaten)? In wie vielen dieser Fälle erfolgte eine Weiterleitung und Erfassung der Informationen und Ermittlungsergebnisse zur Speicherung in bundesweiten Registern (z.B. an den kriminalpolizeilichen Meldedienst politisch motivierte Kriminalität (KPDM PMK)) bzw. eine Überweisung im Rahmen anderweitiger Zuständigkeit? (Bitte nach Tathandlung, Register sowie internationale, Bundes- oder Landesbehörde , an die verwiesen bzw. die informiert wurde, einzeln aufschlüsseln.) Zu den Fragen 4 und 5: Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Im Rahmen des KPMD-PMK erfolgte bei den vorstehend (Fragen 1 bis 3) dargestellten Fällen folgende Kategorisierung, Weiterleitung und Erfassung: Fall Nr.: Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK): Themenfelder gemäß Definitionssystem der PMK: Weiterleitung / Erfassung 1 PMK-rechts- Nationalsozialismus/ Sozialdarwinismus, Verherrlichung /Propaganda Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 2 PMK-rechts- Nationalsozialismus/ Sozialdarwinismus, Verherrlichung /Propaganda Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 3 Entfällt, keine politische Motivation erkennbar entfällt keine 4 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 5 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 6 PMK-rechts- Ausländer-/Asylthematik Erstmeldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA (Verfahren ist noch Gegenstand laufender Ermittlungen) Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung hingewiesen.