LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1501 (15/1419) 14.09.2015 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Michael Hilberer (PIRATEN) betr.: Übergriffe auf Moscheen und sonstige islamische Einrichtungen im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: „In den vergangenen Jahren wurden Moscheen in Deutschland immer häufiger Ziel von Angriffen. So berichtet die ‚Neue Osnabrücker Zeitung‘ unter Berufung auf Statistiken der Bundesregierung, dass zwischen 2001 und 2011 bundesweit durchschnittlich 22 Übergriffe pro Jahr gezählt wurden. Von Anfang 2012 bis März 2014 wurden 78 Übergriffe registriert. Nicht zuletzt aus diesem Grund fordert der Zentralrat der Muslime auch die Einführung eines neuen Erfassungssystems für islamfeindliche Übergriffe. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, müssten antimuslimische rassistische Tatbestände gesondert statistisch erfasst werden, um Entwicklungen in diesem Bereich beobachten , analysieren und anschließend gezielt entgegensteuern zu können.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Zur Beantwortung der Fragen wurden Recherchen im Informationssystem der Polizei (INPOL) und in GeopolisK 1 durchgeführt sowie Meldedienste und kriminaltaktische Anfragen ausgewertet. Durch die Einführung einer neuen Software (Saarländisches Auswerte-, Vorgangsbearbeitungs- und Informationssystem - SAVIS) im Jahr 2007 ist ein Zugriff auf Daten, die im zuvor genutzten Vorgangsbearbeitungssystem angelegt wurden, nicht mehr möglich. Ausgegeben: 15.09.2015 (10.06.2015) 1 GeopolisK ist ein polizeiliches Auswertesystem, mit dem die saarländische Polizei aktuelle Informationen über die Kriminalitätslage darstellen kann. Die Daten stehen im Gegensatz zur Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) – einer reinen Ausgangsstatistik – tagesaktuell zur Verfügung . Die Daten der PKS werden hingegen erst bei Abschluss der Ermittlungen gespeichert und aufbereitet. Die Zahlen aus PKS und GeopolisK können daher voneinander abweichen. Drucksache 15/1501 (15/1419) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Im Rahmen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden alle in Tateinheit oder natürlicher Handlungseinheit begangenen Taten ausschließlich zahlenmäßig und nur bei dem Straftatbestand gezählt, der die höchste Strafandrohung aufweist. Übergriffe auf Moscheen und sonstige islamische Einrichtungen im Saarland stellen in der PKS kein eigenständiges Delikt dar; vielmehr werden durch Übergriffe – je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls – unterschiedliche Straftatbestände verwirklicht. Hingegen erfolgt im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) eine darüber hinausgehende Kategorisierung der Taten nach Themenfeldern. Wie viele Anschläge, Sachbeschädigungen oder tätliche Angriffe auf Moscheen, Moscheevereine oder sonstige islamische Einrichtungen gab es nach Kenntnis der Landesregierung im Zeitraum 2000 bis 2015 im Saarland? (Bitte nach Datum der Tathandlung und Tatorten einzeln aufschlüsseln.) Welche Straftatbestände wurden im Rahmen dieser Übergriffe jeweils erfüllt? Welche Informationen liegen der Landesregierung zum jeweiligen Tathergang bzw. den Tathandlungen , dem Stand der Ermittlungen, zu den mutmaßlichen Täterinnen und Tätern und zu bereits ergangener Urteile sowie verhängten Strafen in diesem Zusammenhang vor? (Bitte nach Übergriffen , Ermittlungsergebnissen und abgeurteilten Strafen einzeln aufschlüsseln.) Zu den Fragen 1, 2 und 3: Die Fragen werden unter Bezug auf die Vorbemerkung der Landesregierung für den Zeitraum 2007 bis 30.06.2015 beantwortet. In diesem Zeitraum wurden im Saarland neun Straftaten gegen Moscheen polizeilich bekannt, die nachfolgend chronologisch aufgelistet und durch justizielle Informationen ergänzt sind: Fall 1: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Aufsprühen der Worte „Islamisten sind Terroristen“ auf die Fassade einer Moschee am 07.10.2007 in St. Ingbert. Die Akten dieses Verfahrens sind bereits ausgesondert, sodass keine justiziellen Informationen zum Verfahren vorliegen. Fall 2: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Verunreinigungen mit schwarzer Farbe an der Außenwand, einem Rollladen und einem Fenster einer Moschee am 09.10.2007 in St. Ingbert. Die Akten dieses Verfahrens sind bereits ausgesondert, sodass keine justiziellen Informationen zum Verfahren vorliegen. Drucksache 15/1501 (15/1419) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Fall 3: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) durch Aufmalen eines Schriftzugs mit herabwürdigendem und bedrohendem Inhalt auf einem Fenster einer Moschee am 02.11.2007 in St. Ingbert. Auf die Sachbeschädigung am gleichen Tatobjekt vom 07.10.2007 wurde täterseitig Bezug genommen. Die Akten dieses Verfahrens sind bereits ausgesondert, sodass keine justiziellen Informationen zum Verfahren vorliegen. Fall 4: Gegenstand des Verfahrens war eine Störung des öffentlichen Friedens durch Androhen von Straftaten (§ 126 StGB), durch Auffinden eines anonymen Drohschreibens mit herabwürdigendem Inhalt im Briefkasten einer Türkisch-Islamischen Gemeinde in Neunkirchen am 08.02.2008. Die unbekannten Täter drohten an, einen Gebetsraum in die Luft zu sprengen. Das Verfahren wurde mangels Täterermittlung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 2 eingestellt. Fall 5: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) in Tateinheit mit § 86a StGB 3 durch Aufmalen von Hakenkreuzdarstellungen und ausländerfeindlichen Parolen an verschiedenen Gebäuden, darunter der türkischen Moschee in Dillingen in der Zeit vom 18.02.2011 bis zum 19.02.2011, durch einen 1986 geborenen Deutschen. Der Beschuldigte wurde in einem verbundenen Verfahren rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten mit Bewährung verurteilt. Fall 6: Gegenstand des Verfahrens war u. a. eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) zum Nachteil des Türkisch-Islamischen Kulturvereins in Dillingen, indem am 08.04.2011 an dem dortigen Moscheegebäude vier Fensterscheiben eingeschlagen und durch die Täter dabei „Scheiß Ausländer!“ gerufen wurden. Diese Tat stand in situativem Zusammenhang zu weiteren Sachbeschädigungen und Vandalismusakten in der gleichen Nacht in Dillingen, welche keine islamisch oder ausländisch geprägten Ziele zum Gegenstand hatten. Das Verfahren richtete sich gegen eine vierköpfige Personengruppe deutscher Erwachsener (zwei 1964 und 1986 geborene Männer sowie zwei 1975 und 1991 geborene Frauen), welche damals der rechtsextremistischen Vereinigung „Sturmdivision Saar“ zuzuordnen waren. Gegen die beiden weiblichen Beschuldigten wurde das Verfahren mangels Tatnachweises gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, gegen den 1986 geborenen männlichen Beschuldigten gemäß § 154 StPO 4 . Der 1964 geborene männliche Beschuldigte wurde –auch wegen weiterer Taten- rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung verurteilt, nachdem er sich in dem Verfahren zeitweise in Untersuchungshaft befunden hatte. 2 Entscheidung über eine Anklageerhebung 3 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 4 Teileinstellung bei mehreren Taten Drucksache 15/1501 (15/1419) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Fall 7: Gegenstand des Verfahrens waren tateinheitliche Vergehen der versuchten gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224, 22, 23 StGB), der Beleidigung (§ 185 StGB) und der Volksverhetzung (§ 130 StGB) zum Nachteil eines deutschen Staatsangehörigen marokkanischer Herkunft am 05.08.2011 in Saarbrücken. Der Geschädigte wurde von einem, möglicherweise auch von mehreren Tätern, durch Flaschenwürfe angegriffen, beleidigt und in volksverhetzender Weise angepöbelt. Das Verfahren richtete sich gegen einen 1968 geborenen deutschen Staatsangehörigen als Beschuldigten und wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem der Beschuldigte nicht hinreichend sicher als Täter identifiziert werden konnte. Ein Bezug zu einer Moschee bestand in diesem Verfahren lediglich insoweit, als der Geschädigte vor der Tat eine Moschee besucht hatte. Fall 8: Gegenstand des Verfahrens waren Vergehen gemäß §§ 123 5 und 86a StGB zum Nachteil der Türkisch-Islamischen Gemeinde Ludweiler in Völklingen zwischen dem 04.04.2013 und dem 05.04.2013, indem ein Täter sich unbefugt auf die Hoffläche der Moschee begab und dort mit Streusalz ein Hakenkreutz auslegte. Das Verfahren wurde mangels Täterermittlung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Fall 9: Gegenstand des Verfahrens war eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) in Tateinheit mit § 86a StGB durch Aufmalen jeweils eines Hakenkreuzes an einer Wand der Moschee des Türkisch-Islamischen Kulturvereins in Völklingen sowie der Hauseingangstür der separaten Wohnung des Imam in der Zeit zwischen dem 20.04.2013 und dem 21.04.2013. Das Verfahren wurde mangels Täterermittlung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Welchen Themen- bzw. Schwerpunktbereichen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) unterfallen die unter 2.) genannten Straftatbestände bzw. unter welche sonstigen Themenbereiche außerhalb der PKS lassen sich die Taten subsumieren (etwa politisch motivierte, rechtsmotivierte, islam- bzw. muslimfeindliche, (rechts-)extremistische oder (rechts-)terroristische Straftaten)? In wie vielen dieser Fälle erfolgte eine Weiterleitung und Erfassung der Informationen und Ermittlungsergebnisse zur Speicherung in bundesweiten Registern (z.B. an den kriminalpolizeilichen Meldedienst politisch motivierte Kriminalität (KPDM PMK)) bzw. eine Überweisung im Rahmen anderweitiger Zuständigkeit? (Bitte nach Tathandlung, Register sowie internationale, Bundes- oder Landesbehörde , an die verwiesen bzw. die informiert wurde, einzeln aufschlüsseln.) 5 Hausfriedensbruch Drucksache 15/1501 (15/1419) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Zu den Fragen 4 und 5: Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Im Rahmen des KPMD-PMK erfolgte bei den vorstehend dargestellten Fällen folgende Kategorisierung, Weiterleitung und Erfassung: Fall Nr.: Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK): Themenfelder gemäß Definitionssystem der PMK: Weiterleitung / Erfassung 1 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 2 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 3 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 4 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 5 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 6 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 7 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 8 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA 9 PMK-rechts- Hasskriminalität, fremdenfeindlich Meldung im Rahmen des KPMD-PMK an das BKA Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Landesregierung hingewiesen.