LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1556 (15/1489) 13.10.2015 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Einsatz von Glyphosat Vorbemerkung des Fragestellers: „Das weltweit am meisten eingesetzte Pflanzenschutzmittel Glyphosat wurde in Folge jüngster Untersuchungen der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), einer Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation, im März 2015 als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ eingestuft. Neben der Landwirtschaft wird das Mittel auch in der Forstwirtschaft oder in Kleingärten eingesetzt. Der Wirkstoff befindet sich derzeit noch im Neubewertungsverfahren auf EU-Ebene. Dass die Warnungen eine Neuzulassung von Glyphosat ab 2016 verhindern werden, scheint derzeit unwahrscheinlich . Frankreich hat unabhängig von diesem Verfahren bereits auf die Warnungen reagiert und den Verkauf von Glyphosat in Gartenzentren und Baumärkten verboten. Das deutsche Bundeslandwirtschaftsministerium äußerte, für ein Verbot fehle noch die Rechtsgrundlage , da die Ergebnisse des noch laufenden EU-Bewertungsverfahrens abgewartet werden müssten. Gemäß Mitteilung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wird bis dahin der Bericht Deutschlands zu Glyphosat als Grundlage für die Bewertung möglicher Risiken für die Bundesrepublik genutzt. Der Bericht stellt fest, dass derzeit keine belastbaren quantitativen Bewertungsmethoden verfügbar seien . Rheinland-Pfalz hat mit Verweis auf die Warnungen im Juni 2015 dennoch entschieden, seinen rechtlichen Freiraum zu nutzen und den Einsatz von Glyphosat auf öffentlichen Flächen zu verbieten .“ Ausgegeben: 16.10.2015 (28.07.2015) Drucksache 15/1556 (15/1489) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: Die internationale Krebsforschungsagentur International Agency for Research on Cancer (IARC), als Teil der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Glyphosat auf Basis der ihnen zur Verfügung stehenden Studien als Kanzerogen Gruppe 2A, also als wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen eingestuft. Frankreichs Landwirtschaftsministerin Ségolène Royal hat, daraufhin im Juni 2015 die Gartenzentren des Landes aufgefordert, glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel aus dem Sortiment zu nehmen. Das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) – ein weiterer Teil der WHO - das gemeinsam mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) betrieben wird, ist zuständig für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen auf internationaler Ebene. Das JMPR legt unter anderem auch die Rückstandshöchstgehalte für z. B. Pflanzenschutzmittel auf internationaler Ebene fest. Das JMPR beurteilt Glyphosat bislang als „nicht krebserregend für den Menschen“. Um diesen Widerspruch zu klären, hat die WHO ein „Divergenzverfahren“ eingeleitet mit dem Ziel, zu einer tragfähigen Position zu gelangen. Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt in der EU auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Danach werden Wirkstoffe durch die Europäische Kommission zugelassen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist für die fachliche Bewertung von Pflanzenschutzwirkstoffen zuständig. Die Behörden der Mitgliedstaaten wirken an diesem Verfahren durch eigene Bewertungen mit. In Deutschland sind diesbezüglich das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das Julius Kühn Institut (JKI) sowie das Umweltbundesamt (UBA) involviert . Pflanzenschutzmittel, so wie sie auf den Markt gebracht werden, bedürfen einer nationalen Zulassung. Zulassungsstelle in Deutschland ist das BVL. Gemäß den EU-weit gültigen Rechtsvorschriften müssen die Antragsteller die für eine Wirkstoffgenehmigung oder Pflanzenschutzmittelzulassung in der EU notwendigen Studien in staatlich überwachten GLP-Labors (Gute Laborpraxis als Qualitätssicherungssystem ) durchführen lassen. Diese müssen sich an die Anforderungskataloge der EU halten, die im Detail Art und Anzahl der Versuche sowie für jeden Versuchstyp Methodik und Berichterstattung vorschreiben. Damit wird sichergestellt, dass die Versuche vertrauenswürdig sind und Daten liefern, die für eine Risikoabschätzung nach EU-Vorschriften verwertbar sind. Daneben ziehen die Behörden bei der Prüfung auch Studien und Erkenntnisse aus der veröffentlichten Literatur und sonstigen Quellen heran. Diese werden bei der Bewertung berücksichtigt, soweit die Ergebnisse valide sind und sich für die Risikoabschätzung eignen. Die in umfangreichen Literaturrecherchen identifizierten Publikationen werden ausgewertet und relevante Beiträge im Bewertungsbericht aufgeführt und dokumentiert. Im Rahmen der EU-Wirkstoffprüfung, zur Neubewertung der gesundheitlichen Risiken von Glyphosat wurden mehr als 1000 neue Studien geprüft und ausgewertet. Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat bei den Versuchstieren ergaben sich nicht. Drucksache 15/1556 (15/1489) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Bei einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages, äußerte sich Frau Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes, dahingehend, dass Glyphosat das Mittel sei, das am umfänglichsten eingesetzt werde, doch ein Verbot des Wirkstoffes befürwortete sie nicht, denn „im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Mitteln ist es akzeptabel“. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält die Einstufung von Glyphosat als Kanzerogen Gruppe 2A durch das IARC auf Basis der vorliegenden Informationen für wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar und offenbar nur mit wenigen Studien belegt. Dass verschiedene Gremien aufgrund unterschiedlicher Informationen und Einschätzungen von experimentellen Daten Sachverhalte unterschiedlich bewerten, gehört laut BfR zum Alltag in der Risikobewertung. Nach Vorliegen der finalen IARC-Monografie wird das BfR daher die von der IARC vorgenommene Einstufung gründlich prüfen. Die Landesregierung verfolgt das Szenario mit hoher Aufmerksamkeit und nimmt Hinweise im Zusammenhang mit der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln immer sehr ernst. Bevor die Bewertung im vorherig beschriebenen laufenden Verfahren nicht abgeschlossen ist, bleibt sie in ihrer Bewertung offen und hält am bestehenden Recht fest. Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, um die Risiken von Glyphosat im Saarland zu minimieren ? Zu Frage 1: Generell kommen als langfristig wirksame und vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung des Einsatzes von Totalherbiziden die bewährten mechanischen Verfahren in Betracht. Die aktuelle Rechtslage bietet zusammen mit der Indikationszulassung und der Sachkundepflichten für die Anwender die Grundlage für einen verantwortungsvollen Umgang mit glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln. Die wichtigste Maßnahme ist nach wie vor der sorgsame Umgang nach der Prämisse „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, welche durch permanente Bildung, Information und Beratung auf allen Ebenen unterstützt wird. Wann sollen von der für den 2. Bewirtschaftungsplan der WRRL (RL 2000/60/EG) gegründeten AG zur Bewertung von Glyphosat Ergebnisse vorliegen ? Zu Frage 2: Die Internationale Kommission zum Schutz von Mosel und Saar (IKSMS) hat die Einrichtung einer interdisziplinären Expertengruppe (Gewässerschutz, Landwirtschaft, Trinkwasser/Gesundheit) beschlossen, die sich mit dem Thema Pestizidbelastung der Gewässer (Oberflächengewässer und Grundwasser) vertieft befassen soll. Der Wirkstoff Glyphosat ist in Bezug auf Fragen des Vollzuges der WRRL nicht von prioritärer Bedeutung. Daher wurde vom Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz auch keine Arbeitsgruppe speziell zur Bewertung von Glyphosat für den zweiten Bewirtschaftungsplan der WRRL gegründet. Drucksache 15/1556 (15/1489) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Die Expertengruppe soll sich u.a. mit den im Einzugsgebiet relevanten Pestiziden Isoproturon und Metazachlor beschäftigen, Ausbringungsregeln vergleichen und Möglichkeiten der Eintragsverringerung diskutieren. Erste Ergebnisse hierzu werden Ende des Jahres erwartet. Erwägt die Landesregierung ein Verbot von Glyphosat auf öffentlichen Flächen (insbesondere auf Verkehrswegen oder auf Industrie- und Gewerbeflächen )? Zu Frage 3: Derzeit besteht in dieser Frage kein Handlungsbedarf. Grundsätzlich ist der Einsatz von Glyphosat auf Nicht-Kulturland verboten. Dies gilt insbesondere auf versiegelten Flächen. Ausnahmen sind nach Einzelfallprüfung zwar möglich, dabei werden aber Notwendigkeit und Gefahren immer gegeneinander abgewogen. Anwendungsbestimmungen und Auflagen schränken den Einsatz ausreichend ein. Plant die Landesregierung Maßnahmen, um die Öffentlichkeit auf die Risiken von Glyphosat zu sensibilisieren und ihr ökologische Alternativen zur Unkrautbekämpfung näher zu vermitteln? Zu Frage 4: Dies geschieht bereits. Durch Veröffentlichungen des Pflanzenschutzdienstes wird bereits seit Jahren auf die Thematik hingewiesen. Ebenso ist Glyphosat Thema auf Veranstaltungen der landwirtschaftlichen Verbände und Vereine. Im Weiteren ist der Umgang mit Glyphosat Bestandteil der aktuellen Schulungen für den Sachkundenachweis , mit denen das breite Spektrum aller professionellen Anwender von Pflanzenschutzmitteln erreicht wird. Auch Privatpersonen erhalten in Bezug auf Glyphosat wie auch zu anderen Fragen rund um das Thema Pflanzenschutz kompetente Auskunft und Beratung durch den Pflanzenschutzdienst. Durch telefonische Beratung sowie Vortragsveranstaltungen des Pflanzenschutzdienstes werden Haus- und Kleingartenbesitzer über den richtigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln informiert, vor allem werden thermische und mechanische Alternativen aufgezeigt. Die Anwendung von Glyphosat auf Nichtkulturlandflächen (kommunale Wege und Plätze, Friedhöfe) ist genehmigungspflichtig nach §12 Absatz 2 PflschG. Genehmigende Behörde ist der Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer für das Saarland. Bevor eine solche Ausnahmegenehmigung erteilt wird, findet eine Vor-Ort-Begehung der betroffenen Flächen statt. Dabei werden die Anwender über mechanische und thermische Maßnahmen sowie deren Kombination mit chemischen Methoden beraten. Drucksache 15/1556 (15/1489) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Wie beurteilt die Landesregierung den Einsatz des Mittels in Haus- und Kleingärten sowie beim Einsatz in der Landwirtschaft insbesondere kurz vor der Ernte? Zu Frage 5: Der jährliche Glyphosat-Verbrauch lag nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im vergangenen Jahr in Deutschland bei 40t für den Haus- und Kleingartenbereich und 5.900t in der Landwirtschaft. Der Mittelaufwand im Haus- und Kleingartenbereich ist demnach vergleichsweise gering. Das BVL wird die Anwendung auf versiegelten Flächen im Zulassungsverfahren für entsprechende Mittel nicht mehr genehmigen und bestehende Genehmigungen auslaufen lassen. Der Einsatz in der Landwirtschaft vor der Ernte ist im Saarland von untergeordneter Bedeutung. Sikkation (das vorzeitige Abtöten der Pflanzen zur Ernteerleichterung) ist nicht genehmigungspflichtig. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln muss jedoch dokumentiert werden. Mit glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln dürfen innerhalb eines Kalenderjahres auf der derselben Fläche maximal 2 Behandlungen im Abstand von mindestens 90 Tagen durchgeführt werden; dabei dürfen insgesamt nicht mehr als 3,6 kg Wirkstoff pro Hektar und Jahr ausgebracht werden. Ist der Landesregierung bekannt, ob und welche Baumärkte im Saarland freiwillig auf den Verkauf von Produkten mit dem Wirkstoff Glyphosat verzichten ? Zu Frage 6: Der Landesregierung ist bekannt, dass die Marktführer der Baumärkte vereinbart haben , Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat aus dem Regal zu nehmen. In der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz am 5. Juli 2013 wurde berichtet , dass sich Glyphosat hinsichtlich des Grundwassers bislang als unproblematisch erwiesen habe . Gelange das Mittel in die Pflanze, werde es schnell abgebaut. Hat die Landesregierung neue Erkenntnisse, die diese Einschätzung revidieren? Zu Frage 7: Hierzu gibt es keine neuen Erkenntnisse. Drucksache 15/1556 (15/1489) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Ferner wurde im besagten Ausschuss berichtet, dass nach Aussagen der Landwirtschaftskammer nicht erfasst werde, wo und wie oft das Produkt im Saarland eingesetzt wird. Zwar seien die Landwirte verpflichtet, elektronische und schriftliche Aufzeichnungen über den Einsatz zu führen, doch würden die Daten nicht zentral gesammelt. Hat die Landesregierung in der Zwischenzeit eine zentrale Einrichtung der Daten geschaffen? Zu Frage 8: Eine zentrale Erfassung des zulässigen Einsatzes von glyphosathaltigen Herbiziden erfolgt nicht, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt.