LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1571 (15/1365) 05.11.2015 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Ausweisungsverfahren von Natura 2000-Naturschutzgebieten Vorbemerkung des Fragestellers: „Natura 2000-Gebiete sind Bestandteil eines europaweit verpflichtenden Schutzgebietes zum Schutz besonderer Lebensräume und Arten. Die Mitgliedstaaten haben für ihren Anteil an Natura 2000-Gebieten Maßnahmen zu ergreifen, um diese Gebiete als besondere Schutzgebiete endgültig unter Schutz zu stellen. Dafür muss auch das Saarland seinen Beitrag leisten. Greifbare Fortschritte wurden 2011 unter Federführung des Grünen Umweltministeriums mit der Fertigstellung von Musterverordnungen erzielt, die in Zusammenarbeit mit dem Bauernverband und betroffenen Landbesitzern und –nutzern ausgearbeitet wurden. Die SPD-Landtagsfraktion lehnte in der Vergangenheit den Verordnungsweg für die Ausweisung ab. Stattdessen forderte die frühere Umweltministerin Anke Rehlinger den Vertragsnaturschutz, womit die Ausweisung von Natura 2000-Gebieten jedoch in vielen Fällen nicht realisierbar gewesen wäre. Erst auf Druck der EU-Kommission lenkte Frau Rehlinger ein und verfolgte fortan den Verordnungsweg . Die ablehnende Haltung zu Beginn führte jedoch zu einer zeitlichen Verzögerung, aufgrund derer das Saarland möglicherweise hohe Strafzahlungen leisten muss. In der Berichterstattung im Ausschuss für Umwelt - und Verbraucherschutz am 17.04.2015 gab es widersprüchliche Behauptungen, die Zweifel an der Richtigkeit betreffend der Nutzung der Musterverordnungen und der Beteiligung der Eigentümer hinterließen.“ Ausgegeben: 09.11.2015 (05.05.2015) Drucksache 15/1571 (15/1365) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: Die Verpflichtung, Natura 2000-Gebiete unter ausreichenden rechtlichen Schutz zu stellen, besteht nicht erst seit 2011, sondern hätte bereits binnen 6 Jahren nach Anerkennung durch die EU-Kommission (d.i. 12/2004 bzw. 11/2007) erfolgen müssen. Nicht ohne Grund wurden zunächst das Pilotverfahren und aktuell auch das Vertragsverletzungsverfahren 4 Jahre nach Nichterfüllen dieser Verpflichtung für die FFHGebiete seitens der EU eingeleitet. Seit der ersten Anerkennung bis zum Regierungswechsel 2012 wurden lediglich 18 (von 125) Verfahren eingeleitet, von denen nur 1 Verfahren mit einer rechtskräftigen Verordnung abgeschlossen wurde. Die Thematik der nationalstaatlichen Sicherung der Natura 2000 – Gebiete wurde nach dem Regierungswechsel angegangen. Im Rahmen des Pilotverfahrens bzw. des Vertragsverletzungsverfahrens wurde der EU-Kommission ein Zeitplan zur Umsetzung der Anforderungen der FFH-Richtlinie vorgelegt. Seither sind 60 Verfahren zur Ausweisung von Naturschutzgebieten bzw. Landschaftsschutzgebieten eingeleitet worden; hiervon wurden bereits 29 Verfahren durch rechtskräftige Verordnungen abgeschlossen. Wenn nun die Rede davon ist, dass greifbare Fortschritte erst in der Zeit ab 2011 unter der Federführung des von den Grünen geführten Umweltministeriums erzielt worden wären, weil in dieser Zeit ein erster Aufschlag einer Musterverordnung erstellt worden sei, so muss dies dadurch relativiert werden, dass gleich der erste Ausweisungsversuch von 18 Einzelverordnungen auf der Basis dieser Musterverordnung so massive Proteste von Nutzerverbänden und Betroffenen Eigentümern und Nutzern in den Gebieten erzeugt hat, dass sich in 2012 die jetzige Landesregierung gezwungen sah, dieses Verfahren zu beenden, die Musterverordnung in einigen Passagen noch einmal erneut mit den Nutzerverbänden zu diskutieren, diese auch mit den Naturschutzverbänden abzustimmen, um dann im Sommer 2013 in die weiteren Ausweisungsverfahren mit einer klaren und mit Zeitplan versehenen Ausweisungsstrategie zu starten. Wann genau fanden bis und nach 2012 Bürgerversammlungen statt? Zu Frage 1: Es haben vor 2012 Bürgerversammlungen / Bürgergespräche zu den Gebieten - „Renglischberg“ im Mai 2011 und im Februar 2012 - „Muschelkalkhänge bei Bebelsheim und Wittersheim“ im Mai 2011 und im August 2011 - Wiesenlandschaft bei Wahlschied im Juni 2009 stattgefunden. Infoveranstaltungen für Bürger fanden nach 2012 statt, wenn diese von Gemeinden, denen diese angeboten waren, auch angefragt wurden: - „Saaraue bei Schwemlingen“ im Mai 2013, - „Kalkbergwerk Mondorf“ im Mai 2013, - „Muschelkalkhänge bei Bebelsheim und Wittersheim“ im September 2013 und im November 2014, - „Zwischen Bliesdalheim und Herbitzheim“ im Mai 2013. Drucksache 15/1571 (15/1365) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Welche Gebiete wurden seit 2012 unter dem Vertragsnaturschutz ausgewiesen? Wurden bei dem Verfahren Eigentümer ermittelt? Zu Frage 2: Es wurden keine flächenhaften Gebiete nur mit Vertragsnaturschutz rechtlich gesichert , weil dieses aufgrund der Hinweise der EU-Kommission nicht als ausreichend rechtssicher gewertet werden musste. Vertragsnaturschutzmaßnahmen im Bereich des Dauergrünlandes wurden und werden jedoch als freiwillige und ergänzende Maßnahmen auch in den Schutzgebieten angeboten . Für zusätzliche Leistungen im Naturschutz wurden auch in der letzten Förderperiode des ELER von 2007-2014 im Rahmen der AUM auch in den gemeldeten Schutzgebieten auf einem Teil der Flächen freiwillige Bewirtschaftungsverträge abgeschlossen und für erbrachte Naturschutzleistungen eine entsprechende Förderung gewährt. Es ist in der neuen Förderperiode beabsichtigt, diese Bewirtschaftungsverträge an die neuen Förderrichtlinien nach dem aktuell genehmigten SEPL anzupassen und neue Verträge abzuschließen. Erstmals in dieser Förderperiode können hierfür auch Ausgleichszahlungen für die durch Rechtsverordnung eingeschränkte Bewirtschaftung gezahlt werden. Sofern Eigentümer nicht selbst Bewirtschafter sind, wurden und werden diese nicht ermittelt. Diese Maßnahmen können jedoch die Rechtsverordnung in Hinblick auf die Sicherungsverpflichtung nicht ersetzen. Seit 2012 wurden ferner insgesamt 7 Fledermausquartiere. durch Vertragsnaturschutz gesichert. Im Einzelnen sind dies DE6607302 Hoxberg I und II DE6610305 Eichelscheid DE6708304 Scheidterberg DE6709305 Hollerlöcher DE6709307 Löffelsberg DE6709308 Krötenbruch DE6507304 Fledermausquartier Schmelz Die Eigentümer der einzelnen Quartiere waren der Naturschutzbehörde bekannt. Wurden bei der Erstellung der Management-Pläne seit 2012 die Eigentümer beteiligt? Zu Frage 3: Eine Beteiligung von Eigentümern bei der Besprechung der Managementpläne erfolgt nur dann, wenn die Eigentümer gleichzeitig auch die Bewirtschafter der betroffenen Flächen sind. Drucksache 15/1571 (15/1365) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Im September 2011 wurden vom saarländischen Umweltministerium die beiden Bliesgaugemeinden Gersheim und Mandelbachtal angeschrieben. Was passierte mit den rückläufigen Antworten? Zu Frage 4: Die 2011 begonnenen förmlichen Verfahren zur Ausweisung von Schutzgebieten in Mandelbachtal („Muschelkalkhänge bei Bebelsheim und Wittersheim“) und Gersheim („Zwischen Bliesdalheim und Herbitzheim“) wurden nicht weitergeführt. Hierüber waren beide Gemeinden informiert worden. Eine Beantwortung der Schreiben der einzelnen Einwender erfolgte nicht. 2013 wurden nach Überarbeitung der Rechtsverordnungsentwürfe für beide Natura 2000-Gebiete neue förmliche Verfahren zur Unterschutzstellung eröffnet. Den Gemeinden Gersheim und Mandelbachtal wurde mit Schreiben vom 05.01.2015 das Ergebnis der naturschutzrechtlichen Abwägung zu deren Einwendungen mitgeteilt, bevor die Verordnungen am 16.01.2015 in Kraft traten. Alle Einwender, die sich im Zuge der Offenlegung in den Gemeinden geäußert hatten, haben Antwortschreiben mit den Abwägungen und Entscheidungen zu ihren Einwendungen erhalten, bevor die Verordnungen am 16.01.2015 in Kraft traten. Welche konkreten Änderungen der im Mai 2011 ausformulierten Musterverordnungen wurden nach diesem Zeitpunkt vorgenommen (bitte mit Angabe des Datums und Änderungsformulierungen nach dem Stand der Musterverordnungen vom 20.05.2011)? Zu Frage 5: Zur internen Verwendung wurde eine Musterverordnung erarbeitet, die ständig angepasst wird. Sie erleichtert die Erstellung der einzelnen Verordnungsentwürfe. Wesentliche inhaltliche Änderungen gegenüber der Musterverordnung von Mai 2011, die Einwendungen der Träger öffentlicher Belange und Landnutzern Rechnung trägt und nach Abwägung aller Belange die Ergebnisse zahlreicher Gespräche mit Verbänden , Organisationen sowie Eigentümern und Nutzern hat einfließen lassen, sind wie folgt zusammenzufassen: - In einer Präambel erfolgen nunmehr grundsätzliche Erläuterungen zum Schutzgebietsnetz Natura 2000 und hieraus resultierenden Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten sowie die Eigentümer und Nutzer betroffener Flächen. Zudem wird darin verdeutlicht, dass die Wahrung des günstigen Erhaltungszustands vorrangig durch Regelungen zur Bewirtschaftung in Verordnungen gesichert wird, während die weiteren Erhaltungsziele – Wiederherstellung und Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustands – in erster Linie durch einen mit den Bewirtschaftern abgestimmten Managementplan erreicht werden sollen. - Die (Erst-)Anpflanzung von Obstbäumen wird erlaubt, nicht jedoch auf Flächen mit den Lebensraumtypen 6210 Naturnahe Kalk-Trockenrasen, 6510 Magere Flachland -Mähwiesen (Erhaltungszustand A), 6230 Artenreiche montane Borstgrasrasen und 6410 Pfeifengraswiesen. Drucksache 15/1571 (15/1365) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - - Die Jagd in ausschließlichen Vogelschutzgebieten ist grundsätzlich zulässig, wird aber durch ein Verbot von Maßnahmen mit dem Ziel, jagdbare Tiere anzulocken bzw. innerhalb des Schutzgebiets zu binden (z. B. Kirrungen oder Ablenkungsfütterungen ), eingeschränkt; zulässig ist die Errichtung von an die Landschaft angepassten Hochsitzen in einfacher Holzbauweise. - Für die Jagd in FFH-Gebieten, die gleichzeitig Vogelschutzgebiet sind, gilt auf Flächen mit Lebensraumtypen das Verbot von Maßnahmen mit dem Ziel, jagdbare Wildtiere anzulocken bzw. innerhalb des Schutzgebietes zu binden, wie zum Beispiel Kirrungen oder Ablenkungsfütterungen sowie das Verbot, Jagdschneisen und Wildäcker anzulegen oder zu unterhalten; zulässig ist die Errichtung von an die Landschaft angepassten Hochsitzen in einfacher Holzbauweise. - Handelt es sich um ein Vogelschutzgebiet mit besonderen Wasservogelvorkommen , wird im Einzelfall über ein Verbot der Jagd auf Wasservögel entschieden. - Die Regelungen zur Mahd auf Flächen mit (Grünland-)Lebensraumtypen orientieren sich nunmehr an Abblühdaten bestimmter Pflanzenarten, um so topographisch bedingten Unterschieden in den einzelnen Landesteilen gerecht zu werden. Für Landnutzer, die Probleme haben, die in der Verordnung genannten lebensraumtypischen Pflanzenarten zu erkennen, werden ersatzweise für die Mahd weiterhin bestimmte Termine vorgegeben. - Walzen oder Eggen bleibt auf Mageren Flachland-Mähwiesen weiterhin nur bis 1. März zulässig, wird jedoch um die Regelung ergänzt, dass es bis 1. April zulässig ist, sofern nicht mehr als 50 % der Fläche des Lebensraumtyps behandelt werden. - Die unzulässigen Handlungen wurden um das Verbot erweitert, Hängegleiter, Gleitdrachen, Modellflugzeuge und Multikopter zu starten, zu landen und den Flugbetrieb mit ihnen auszuüben. - Das Verbot, bauliche Anlagen zu errichten, wurde analog der Landesbauordnung um sonstige Anlagen erweitert. Wurden im Rahmen der Ausweisungsverfahren, die ab 2012 begannen, Eigentümer ermittelt? Zu Frage 6: Nein, die Ermittlung von Eigentümern erfolgte nicht. Im Rahmen der förmlichen Verfahren zur Ausweisung von Schutzgebieten, die vergleichbar den Verfahren für Bebauungspläne sind, ist die Ermittlung der Eigentümer rechtlich nicht vorgesehen. Die Eigentümer und Landnutzer haben im Rahmen der öffentlichen Auslegung der Verordnungsentwürfe bei der jeweiligen Kommune während eines Monats Gelegenheit, sich zu äußern. Der Termin der öffentlichen Auslegung wird eine Woche vorher ortsüblich bekannt gemacht. Drucksache 15/1571 (15/1365) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Für welche Natura 2000-Gebiete sind seit 2012 Verordnungen in Kraft getreten? Zu Frage 7: Seit 2012 sind 29 Rechtsverordnungen zur Ausweisung von Naturschutz- und Landschaftsschutzgebieten (Natura 2000-Gebiete) in Kraft getreten: L 6606-304 Rodener Saarwiesen L 6505-307 Saaraue bei Schwemlingen L 6508-303 Grießbach westlich Oberlinxweiler L 6606-305 Südlich Flugplatz Düren L 6406-304 Wachtelkopf bei Rappweiler L 6505-305 Kalkbergwerk Mondorf L 6407-304 Wiesenlandschaft bei Buweiler N 6809-305 Baumbusch bei Medelsheim N 6808-303 Muschelkalkhänge bei Bebelsheim und Wittersheim N 6809-307 Himsklamm L 6406-303 Holzbachtal N 6407-301 Noswendeler Bruch L 6606-309 Altarme der Saar L 6609-308 Beeder Bruch L 6610-303 Binnendüne nordöstlich Homburg N 6809-304 Zwischen Bliesdalheim und Herbitzheim N 6409-304 Hofberg bei Reitscheid N 6409-309 Weisselberg. L 6606-306 Wiesenlandschaft zwischen Hülzweiler und Schwalbach L 6505-304 Kewelsberg zwischen Tünsdorf und Wehingen L 6409-304 Wiesen bei Reitscheid N 6706-304 Breitborner Floß N 6609-304 Kühnbruch L 6406-305 Hölzbach zwischen Rappweiler und Niederlosheim L 6409-301 Östlich Nohfelden L 6408-303 Südlich Braunshausen L 6409-302 Flachshübel bei Wolfersweiler L 6408-307 Südwestlich Selbach L 6307-302 Westlich Otzenhausen Weitere 31 Naturschutz- bzw. Landschaftsschutzgebiete befinden sich derzeit im förmlichen Ausweisungsverfahren. In welchem Zeitrahmen wird mit einem Abschluss der Ausweisungsverfahren für die restlichen Natura 2000-Gebiete gerechnet? Zu Frage 8: Die Einleitung der Verfahren zur Ausweisung der Gebiete wird bis Ende 2016 abgeschlossen sein. Der Abschluss der Ausweisungsverfahren kann derzeit auf Grund der Unvorhersehbarkeit der Anzahl und Art der Einwendungen im jeweiligen Verfahren nicht sicher abgeschätzt werden.