LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1583 (15/1490)-NEU 18.11.2015 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Klaus Kessler (B90/Grüne) betr.: Zustand des Kanalwesens im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: „Seit langem ist bekannt, dass im saarländischen Abwasserbereich ein erheblicher Sanierungsbedarf besteht. Nach Recherchen des Saarländischen Rundfunks vom März 2015 ist ein Siebtel der 7000 Kilometer der kommunalen Kanäle im Saarland marode. Die Gemeinden müssten innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Milliarde Euro in die Instandsetzung investieren. Der Sanierungsstau liegt im Saarland damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Nach Auskunft der kommunalen Vertreter im Umweltausschuss ist eine strategische Sanierungsplanung angesichts der Finanzlage jedoch nicht möglich. Da für die Prüfung und Sanierung der Abwasserkanäle die Kommunen verantwortlich sind, muss in gemeinschaftlicher Aufgabe eine Lösung gefunden werden. Entgegen der Dringlichkeit dieser Aufgabe sind jedoch bisher keine Vorschläge von Seiten der Landesregierung bekannt geworden. Obwohl seit einer Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes von 2009 (§§ 60 und 61) eine Selbstüberwachung für alle Abwasseranlagen bundesrechtlich vorgeschrieben ist, wurde noch keine Eigenkontrollverordnung durch das Land eingeführt. In anderen Bundesländern ist dies jedoch bereits geschehen. Mit einer solchen Verordnung muss der Sanierungsbedarf regelmäßig ermittelt, die Prioritäten der Sanierungen festgelegt , und Fortschritte dokumentiert werden. Ein weiteres Ausbleiben einer entsprechenden Verordnung kann zur Gefährdung der Umwelt und zur höheren Belastung des Trinkwassers führen. Ausgegeben: 19.11.2015 (28.07.2015) Drucksache 15/1583 (15/1490) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: Die Angaben zum Sanierungsbedarf bei den ca. 7000 km kommunalen Kanälen im Saarland sind zutreffend und wurden in den letzten Jahren bereits mehrfach dem Umweltausschuss berichtet (2003, 2006, 2015). Allerdings ist die Aufgabe, den Sanierungsbedarf der Kanalisation regelmäßig zu ermitteln , die Prioritäten der Sanierungen festzulegen und Fortschritte zu dokumentieren, im Saarland bereits als Aufgabe des Abwasserkatasters festgeschrieben. Gemäß § 50a Abs.2 Nr. 3 SWG führen die saarländischen Kommunen seit 1992 ein Abwasserkataster , das u.a. über den bautechnischen Zustand ihrer Kanalisationen und den daraus resultierenden Sanierungsbedarf Aufschluss gibt. Deshalb war bereits in 2002 (Abfrage des MUV) bei den Gemeinden im Bereich der Ortskanalisation ein hoher Inspektions - und Schadensklassifizierungsgrad von ca. 78% vorhanden. Die Mindestinhalte eines Kanalkatasters gemäß § 50a Abs. 2 Nr. 3 SWG wurden allen Kommunen mitgeteilt und sind in Anlage 1 beigefügt. Insoweit kann von Landesseite nicht nachvollzogen werden, dass die noch fehlende Eigenkontrollverordnung (EKVO) zur Gefährdung der Umwelt und zur höheren Belastung des Trinkwassers führen könnte. Es gibt in diesem Bereich von Landesseite keine Versäumnisse. Die Aufgabe der in Vorbereitung stehenden Eigenkontrollverordnung (mit der Erweiterung auf Kanalisationen) zielt bzgl. der Kanalisation vor allem auf eine regelmäßige Kontrolle und einen Nachweis der Funktionsfähigkeit der Mischwasserentlastungen ab. Sie dient damit vordringlich dem Schutz der Gewässer, da über das Abwasserkataster die Daten über den bautechnischen Zustand der Kanalisationen und dem daraus resultierenden Sanierungsbedarf bereits gefordert sind und vorliegen. Man könnte selbstverständlich in eine EKVO noch konkrete Termine zur Aktualisierung der Zustandserfassung vorgeben, was aber noch keinesfalls das Problem des Sanierungsstaus löst, sondern es nur noch genauer darstellt. Das beschriebene Problem kann nicht durch eine Verordnung, sondern nur durch konsequentes Handeln der Verantwortlichen gelöst werden, wodurch auch unter Umständen höhere Abwassergebühren akzeptiert werden müssten. Wie hoch ist der aktuelle Sanierungsbedarf in Bezug auf alle kommunalen Abwasserkanäle im Saarland nach Kenntnisstand der Landesregierung ? Zu Frage 1: Der Finanzbedarf bei EVS, Gemeinden und Abwasserzweckverbänden für die Kanalsanierung beträgt gemäß Ergebnis der o.g. Umfrage ca. 75 Mio. € pro Jahr. Der Investitions- und Sanierungsbedarf unterliegt der Preissteigerung. Legt man den Baupreisindex für Ortskanäle der letzten 20 Jahre auch für die kommenden 20 Jahre zu Grunde, so würde sich der jährliche Finanzbedarf von etwa 75 Mio. € im Jahr 2012 auf über 90 Mio. € im Jahr 2030 erhöhen. Drucksache 15/1583 (15/1490) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Welches Ergebnis hat die von Ende März 2015 begonnene Umfrage des saarländischen Städteund Gemeindetages zum Sanierungsstau der Kanäle ergeben? Wie viele Kommunen haben sich bis zum Zeitpunkt der Antwort dieser Anfrage zu der Umfrage geäußert? zu Frage 2: Die Umfrage wurde nicht weiter verfolgt, da die Fragestellungen nicht eindeutig waren und deshalb keine vergleichbaren Ergebnisse zu Stande kamen. Zudem wurden nicht alle Fragen beantwortet und eine Beteiligung von 23 Kommunen spiegelt nicht das Bild aller saarländischen Kommunen. Gab es bereits Zwischenfälle aufgrund maroder Kanalsysteme? Wie hoch schätzt die Landesregierung die finanzielle Mehrbelastung für die Kommunen bis zum Jahr 2020 aufgrund von Zwischenfällen durch marode Abwasserkanäle (z.B. von Verstopfungen, Überschwemmungen oder der Infiltration von Fremdwasser)? zu Frage 3: Es wurden immer wieder Zwischenfälle, mehr oder weniger zufällig, bekannt. Allerdings gibt es darüber keine landesweiten Erhebungen. Insoweit kann auch nicht beurteilt werden, ob es mittelfristig zu finanziellen Mehrbelastungen kommt. Tatsache ist, dass in der Vergangenheit erforderliche Investitionen unterblieben - man also „gespart hat“ - zu Lasten der Zukunft. Im Übrigen treffen Mehr- oder Minderbelastungen die Kommunen nur indirekt, da alle Belastungen aus dem Kanalsystem nach dem Kostendeckungsprinzip über Gebühren durch den „Abwasserbürger“ geschultert werden. Nur insoweit die Kommunen für kommunale Anlagen das Kanalsystem mitnutzen, treffen eventuelle Mehrkosten auch sie. Bis wann sollen die Arbeiten des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) an einem Entwurf zur Eigenkontrollverordnung beendet sein? Zu Frage 4: Die vorbereitenden fachlichen Arbeiten am Entwurf der Eigenkontrollverordnung sollen bis zum 15. Dezember 2015 vom Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz abgeschlossen sein. Plant die Landesregierung neben dem Abwasserkataster ein weiteres Reglement zur Eigenkontrolle der Kanäle einzuführen, falls sie mittlerweile von der Einführung einer Eigenkontrollverordnung absieht? zu Frage 5: Die Landesregierung sieht nicht von der Einführung der Eigenkontrollverordnung ab. Drucksache 15/1583 (15/1490) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Inwieweit hat die Landesregierung ein finanzielles Konzept zur Kostendeckung der Sanierungen entwickelt? Welche Bundesmittel stehen für die geplanten Investitionen zur Verfügung? Zu Frage 6: Ein finanzielles Konzept zur Kostendeckung der Sanierungen im kommunalen Abwasserbereich ist nicht notwendig, da die Sanierungen bereits nach den rechtlichen Vorgaben über Gebühren kostendeckend konzeptioniert sind. Der Bereich unterliegt allerdings der kommunalen Selbstverwaltung, sodass die Gebührenverantwortung alleine bei den Kommunen liegt. Die erforderlichen Kosten im Bereich der Abwasserbeseitigung sind direkt auf die Gebührenzahler umzulegen und belasten also insoweit nicht die Kassen der Kommunen (sofern diese nicht selbst mit eigenen Einrichtungen gebührenpflichtig sind). Aus Bundesmitteln wäre eine Förderung über GAK Mittel (Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“) denkbar. Da die Bundesmittel aber in ihrer Höhe nach oben begrenzt sind, müsste dies an anderer Stelle eingespart werden. Dies ist derzeit nicht vorgesehen. Darüber hinaus ist anzumerken, dass das MUV bereits wichtige Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in der Abwasserbeseitigung fördert, die ansonsten gänzlich unterblieben (über Aktion-WasserZeichen – „klares Wasser“ heraus aus dem Kanal) – wobei hier aber auch in vielen Fällen entsprechende Sanierungen automatisch miterledigt werden können – ein klassische win-win-Situation, wenn z.B. Fremdwasser in marode Kanäle eindringt und diese mit Förderung saniert werden. Nach § 6 Abs. 2 Kommunalabgabegesetz sind Abschreibungen nur auf der Basis von Anschaffungs- und Herstellungskosten und Zinsen nur auf das Fremdkapital als Kosten ansatzfähig. Diese Kalkulationsgrundlage lässt die Erwirtschaftung von Eigenkapital nicht mehr zu und Investitionen sind nur noch über Fremdkapital zu finanzieren. Gibt es Bestrebungen seitens der Landesregierung, diese rechtliche Grundlage zu verändern? Zu Frage 7: Weitere Bestrebungen der Landesregierung diese rechtliche Grundlage zu verändern gibt es nicht; sie sind auch nicht notwendig. Mit der Änderung des Gesetzes über den Entsorgungsverband Saar im Jahre 2014, das maßgebend für die Kalkulationsgrundlage ist (§ 14 Abs. 2 des Gesetzes über den Entsorgungsverband Saar in Verbindung mit § 50a Abs. 5 des saarländischen Wassergesetzes ), wurde bereits Vorsorge getroffen, dass die Kommunen ihre Aufgaben im Abwasserbereich wieder selbstbestimmt und nachhaltig im Sinne der Substanzerhaltung regeln können. Dabei ist klar, und insoweit muss es im Interesse der Sache hingenommen werden, dass dadurch auch die Gebühren steigen können. Drucksache 15/1583 (15/1490) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Hintergrund: Mit Inkrafttreten des EVSG im Jahre 1998 wurden auch die Kalkulationsgrundlagen des EVS neu geregelt. Diese Kalkulationsgrundlagen wurden über § 50a Abs. 5 SWG ab dem Jahre 2000 auch für die Kommunen verbindlich. Es wurde hier u.a. geregelt, dass als Abschreibungsbasis nur noch der Anschaffungswert zulässig war. Damit war die Abschreibung auf der Basis der sogenannten „Wiederbeschaffungszeitwerte “, wie sie seinerzeit von der überwiegenden Anzahl der Gemeinden im Abwasserbereich (fachlich zutreffend) angewendet wurde, nicht mehr zugelassen. Diese damalige Festlegung der Abschreibungsbasis auf den Anschaffungswert führt automatisch zu Mindererlösen bei der Aufwandsposition „Abschreibung“ mit der Folge, dass weniger Einnahmen (und damit Mittel zur Schuldentilgung) zur Verfügung stehen. Dies ist mit Artikel 2 des Gesetzes Nr. 1833 zur Änderung abfallrechtlicher Vorschriften , vom 16. Juli 2014, geändert worden. Jetzt heißt es in § 14 (2) vorletzter und letzter Satz und damit in der aktuellen Fassung: „Die Bemessungsgrundlage der Abschreibungen darf bis zur Höhe des Wiederbeschaffungszeitwertes erhöht werden. Jahresüberschüsse sind vordringlich zur Schuldentilgung einzusetzen.“