LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1663 (15/1553) 18.01.2016 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Birgit Huonker (DIE LINKE.) betr.: Richterliche Anordnungen von Wohnungsdurchsuchungen Vorbemerkung der Fragestellerin: „Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 16. Juni 2015 (2 BvR 2718/10, 2 BvR 2808/11, 2 BvR 1849/11) klargestellt, dass bei der strafprozessual begründeten Durchsuchung einer Wohnung zwischen der Anordnung der Durchsuchung durch den Richter einerseits und durch Beamte oder Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft andererseits ein Regel-Ausnahme- Verhältnis besteht und die Anordnung einer Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft bzw. durch die Polizei regelmäßig dann unzulässig ist, wenn zuvor ein Richter angegangen wurde, dieser aber nicht in einer der Polizei oder Staatsanwaltschaft angemessen erscheinenden Zeit entschieden hat. Das Bundesverfassungsgericht hat zugleich betont , dass die Landesjustizverwaltungen durch gerichtsorganisatorische Maßnahmen sicherzustellen haben, dass für die Anordnung einer Durchsuchung stets ein Richter erreichbar ist und dieser über diese Anordnungen vorrangig, das heißt erforderlichenfalls unter Hintanstellung anderer richterlicher Dienstgeschäfte, entscheiden kann.“ Ausgegeben: 18.01.2016 (12.10.2015) Drucksache 15/1663 (15/1553) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - In wie vielen Fällen sind in den Jahren 2013 und 2014 im Saarland Durchsuchungen von Wohnungen – getrennt nach den Fallgruppen der §§ 102, 103 Abs. 1 Satz 1 und 103 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung - angeordnet worden? In wie vielen Fällen ist eine Durchsuchung zur Nachtzeit (§ 104 StPO) durchgeführt worden? In wie vielen Fällen ist die Durchsuchung a) durch einen Richter, b) durch einen Beamten der Staatsanwaltschaft, c) durch eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) angeordnet worden? Zu den Fragen 1 bis 3: Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken erfasst die Zahl der polizeilich, staatsanwaltschaftlich oder richterlich angeordneten und durchgeführten Durchsuchungen von Wohnungen nicht. Die Fragen können daher mit einem vertretbaren Aufwand nicht beantwortet werden, da Abertausende von Ermittlungsakten händisch ausgewertet werden müssten. Die Polizei führt gleichfalls keine Verzeichnisse, in denen Anzahl, Anlass, Anordnungsstelle und Tageszeit, vermerkt würden. Lediglich mittelbar können - allerdings nur vage und in besonderem Maße fehleranfällige - Daten aus dem polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem POLADIS entnommen werden. Dort wird vorgangsbezogen ein „Durchsuchungsprotokoll“ als Vorlage angelegt, das, kommt es zu einer Durchsuchung , ausgefüllt, ausgedruckt und dem Betroffenen ausgehändigt wird. Die Fehleranfälligkeit beruht darauf, dass es sich um die vorsorgliche Anlage einer Vorlage handelt. Ob die Durchsuchung später durchgeführt wurde oder sich als entbehrlich erwiesen hat oder sich der Wohnsitz der betroffenen Person verändert hat, oder ob ohne eine solche Vorlage aus konkretem Anlass eine Durchsuchung angeordnet wurde, lässt sich dem System nicht entnehmen, sondern würde gleichfalls eine händische Durchsicht von Abertausenden von Vorgängen und zusätzlich einen Abgleich mit den staatsanwaltschaftlichen Akten erforderlich machen. Zudem wird auch in dem Vorgangsbearbeitungssystem POLADIS ein Durchsuchungsgrund und eine Durchsuchungszeit nicht registriert. Vor diesem Hintergrund verzeichnet POLADIS für das Jahr 2013 586 und für das Jahr 2014 891 „angelegte“ Durchsuchungsprotokolle. Ob diesen Zahlen die Zahl der durchgeführten Durchsuchungen entspricht kann ebenso wenig festgestellt werden wie die Tages- oder Nachtzeit der Durchsuchung oder die Betroffenheit als Beschuldigter oder Zeuge. In wie vielen Fällen ist die Durchsuchung durch einen Beamten oder eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft angeordnet worden, obwohl zuvor eine richterliche Anordnung beantragt wurde , diese aber nicht ergangen ist? Drucksache 15/1663 (15/1553) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Zu Frage 4: Ob Durchsuchungen durch Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei angeordnet wurden, obwohl zuvor eine richterliche Entscheidung beantragt wurde aber nicht ergangen ist, kann aus den gleichen Gründen nicht festgestellt werden. Der Staatsanwaltschaft Saarbrücken und der Polizeiabteilung des Ministeriums des Innern ist kein einziger derartiger Fall in Erinnerung. Wann und in welcher Weise hat das Ministerium der Justiz die nachgeordneten Beamten und Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft auf die eingangs erwähnte neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen und deren strikte Beachtung angeordnet? Zu Frage 5: Der Leitende Oberstaatsanwalt hat mitgeteilt, dass er die Dezernentinnen und Dezernenten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.06.2015 nach ihrer Veröffentlichung hingewiesen hat. Er habe keinen Grund zu der Annahme, dass sie nicht beachtet würde. In welcher Weise ist im Saarland sichergestellt, dass stets, d. h. auch zur Nachtzeit und am Wochenende , ein Richter verfügbar ist, um über Anträge auf Anordnung einer Durchsuchung von Wohnungen zu entscheiden? Zu Frage 6: Im Saarland besteht ein Zentrales Bereitschaftsgericht, das außerhalb der regulären Dienstzeiten (auch) über etwaige Anträge auf Wohnungsdurchsuchungen zu entscheiden hat. Innerhalb der regulären Dienstzeiten sind durchweg mehrere Ermittlungsrichter erreichbar. Die Dienstzeiten des Zentralen Bereitschaftsgerichts sind: Montag bis Donnerstag: von 06:00 Uhr bis 07:30 Uhr als Rufbereitschaft von 15.30 Uhr bis 21:00 Uhr als Anwesenheitsbereitschaft Freitag: von 06:00 Uhr bis 7:30 Uhr als Rufbereitschaft von 15:00 Uhr bis 21:00 Uhr als Anwesenheitsbereitschaft An Samstagen, Sonntagen und Feiertagen: von 06:00 Uhr bis 10:00 Uhr als Rufbereitschaft von 12:00 Uhr bis 21:00 Uhr als Rufbereitschaft von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr als Anwesenheitsbereitschaft Dieser zeitliche Rahmen entspricht nach Auffassung der Gerichtspräsidien den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Drucksache 15/1663 (15/1553) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Welche gerichtsorganisatorischen Maßnahmen sind im Saarland getroffen worden, damit Richter, die wegen der Anordnung einer Durchsuchung angegangen werden, stets in der Lage sind, der Befassung damit Vorrang vor anderen Dienstgeschäften einzuräumen? Zu Frage 7: Die Einrichtung und Personalisierung des Zentralen Bereitschaftsgerichts stellt nach den bisherigen Erfahrungen sicher, dass eine richterliche Entscheidung vor einer Wohnungsdurchsuchung erfolgt. Allerdings gibt es keinen absoluten Vorrang der Bearbeitung eines Antrags auf eine Wohnungsdurchsuchung vor anderen ermittlungsrichterlichen oder bereitschaftsgerichtlichen Entscheidungen, zu denen – beispielsweise – auch die Entscheidung über Freiheitsentziehungen oder bestimmte ärztliche Behandlungen betreuungsbedürftiger Personen gehören. Bislang ist kein einziger Fall bekannt geworden, in dem es zu Bearbeitungskonflikten gekommen wäre. Soweit in der Vergangenheit besondere polizeiliche Lagen im Einzelfall eine verstärkte Inanspruchnahme des Zentralen Bereitschaftsgerichts erwarten ließen, haben die Gerichtspräsidien für eine rechtzeitige personelle Verstärkung gesorgt oder Hintergrundbereitschaftsdienste angeordnet