LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1744 (15/1625) 17.03.2016 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Jasmin Maurer (PIRATEN) betr.: Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung religiöser Radikalisierung Vorbemerkung der Fragestellerin: „Die schrecklichen Anschläge islamistischer Terroristen in Paris wurden nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden von französischen Staatsbürgern begangen. Die Ereignisse haben gezeigt, wie wichtig die Integration von Migrantinnen und Migranten und ihren Kindern und Enkeln in die Gesellschaft ist. Chancenlosigkeit, fehlende Perspektiven und religiöser Fanatismus waren der Nährboden, auf denen der Terror wachsen konnte.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Aus Sicht der Landesregierung ist eine gelingende Integration der wesentliche Beitrag zur Gewalt- und Fanatismusprävention und damit von grundlegender Bedeutung für eine freiheitlich-demokratische und tolerante Gesellschaft. Gerade die Schulen sehen sich vielfältigen Erwartungshaltungen ausgesetzt. Natürlich muss sich Schule mit ihren Mitteln und Möglichkeiten gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen wie der Integration stellen, sie kann sie jedoch nicht alleine auffangen oder gar bewältigen. Erfolgreiche Integration ist eine langfristige und gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Lebensbereiche umfasst. Dennoch kommt bei der Vorbeugung und Bekämpfung von religiös motiviertem Extremismus bei Kindern und Jugendlichen der Schule und dem schulischen Umfeld als Lern- und Lebensraum eine zentrale Bedeutung zu. Im schulischen Kontext sind Integration, kulturelle Vielfalt und die inhaltliche Auseinandersetzung mit Gewaltbereitschaft und Fanatismus Kernaufgabe. Dies bezieht sich sowohl auf Unterrichtsinhalte wie auch auf die Gestaltung des Lebens in der Schulgemeinschaft . Insofern hat aus Sicht der Landesregierung die schulische Integration der Kinder und Jugendlichen auch mit Blick auf Prävention gegen Gewalt und religiösen Fanatismus Priorität. Darüber hinaus unterstützt die saarländische Landesregierung zahlreiche flankierenden Initiativen und Maßnahmen, die im zweiten Teil der für beide Fragen zusammengefassten Antwort aufgelistet sind. Ausgegeben: 17.03.2016 (04.12.2015) Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Welche Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und religiösen Fanatismus gibt es für Kinder und Jugendliche im Saarland? Inwiefern sind Präventionsmaßnahmen und damit verbundene Themen Inhalt des Unterrichts an allen Schulformen im Saarland? Zu den Fragen 1 und 2: Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und (religiösen) Fanatismus gehören zu den Kernaufgaben schulischer Bildung und Erziehung. Gemäß dem in §1 Absatz 2 formulierten Unterrichts- und Erziehungsauftrag der Schule des saarländischen Schulordnungsgesetztes (SchOG) ist es Aufgabe der Schule, die Schülerinnen und Schüler durch Erziehung und Unterricht unter anderem auch zur Mitwirkung an der Gestaltung der Gesellschaft im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu befähigen und sie zu der verpflichtenden Idee des friedlichen Zusammenlebens der Völker hinzuführen . Entsprechend umfangreich und vielfältig sind daher die darauf abzielenden Maßnahmen in saarländischen Schulen. Hinsichtlich konkreter „Präventionsmaßnahmen und damit verbundener Themen, die Inhalt des Unterrichts an allen Schulformen im Saarland sind“, kann im Sinne der Fragestellung grundsätzlich unterschieden werden zwischen : a) Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und (religiösen) Fanatismus im Rahmen des schulischen Unterrichts allgemein b) Unterrichtsinhalten, die Gewalt und (religiösen) Fanatismus thematisieren Zu a) Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und (religiösen) Fanatismus im Rahmen des schulischen Unterrichts allgemein Im Mittelpunkt der Präventionsmaßnahmen steht die Stärkung des eigenverantwortlichen Handelns von Schulen, z. B. durch die Schulung von Lehrkräften und durch die Entwicklung eines Schulprogramms. Auf Gesetzesebene wird die Eigenverantwortung von Schulen im Rahmen des Schulmitbestimmungsgesetzes allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft ermöglicht. Im Rahmen der Umsetzung des Schulmitbestimmungsgesetzes haben Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte die Möglichkeit, an allen wesentlichen Entscheidungen die Schule betreffend mitzuwirken, so dass Schule nicht nur ein Ort der Bildung und Erziehung, sondern auch ein Ort der Demokratie ist. Toleranz, Verantwortungsbereitschaft und soziales Engagement müssen dabei ebenso wie kooperatives und selbstorganisiertes Verhalten an oberster Stelle stehen. Diese Werte und Eigenschaften kann man nicht theoretisch lernen, sie werden vor allem im alltäglichen Schulleben praktisch vermittelt und erfahrbar. Mit dem Ziel der Vorbereitung einer Neugestaltung des Gesetzes findet zurzeit ein Prozess statt, bei dem mittels eines partizipativ angelegten Verfahrens alle beteiligten Gruppen von Anfang an in den Überarbeitungsprozess eingebunden werden, um auf diese Weise dem Gedanken einer aktiven Beteiligung von Anfang an Rechnung zu tragen. Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Zur Schulung von Lehrkräften stehen insbesondere die Angebote des Landesinstituts für Pädagogik und Medien (LPM) und die Angebote der Landeszentrale für politische Bildung zur Verfügung. Das LPM bietet Beratung zu Interventions- und Präventionsmaßnahmen , z. B. zu den Themen Mobbing, Klassenklima, Jungenarbeit und Beratung zur Planung und Durchführung Pädagogischer Tage sowie die Vermittlung von Referentinnen und Referenten für Pädagogische Tage. Zudem nimmt sich das LPM auch mit aktuellen Veranstaltungen der Thematik an (z. B. Podiumsdiskussion „Salafismus – eine Herausforderung auch für das Saarland?“ am Montag, 23. November 2015 in Saarbrücken). Die Landeszentrale für politische Bildung nimmt sich der Prävention und Aufklärung bezüglich politisch oder religiös motivierter Extremismen sowie der Stärkung eines toleranzfördernden interkulturellen und interreligiösen Austauschs als Kernaufgabe an. Sowohl im Rahmen kleinerer und größerer Einzelveranstaltungen, zum Beispiel bei Workshops, Vorträgen oder Podiums-/Schülerdiskussionen, als auch im Rahmen einer Aktions-/Veranstaltungswoche oder langfristiger Projekte, zum Beispiel im Rahmen der „Internationalen Woche gegen Rassismus“ oder der „SchulKinoWoche Saarland“, werden diese Themenfelder unter Heranziehung unterschiedlicher Angebotsformate, die alters- und anspruchsgerecht aufbereitet sind, an eine breite Zielgruppe herangetragen . Darüber hinaus führt die Landeszentrale für politische Bildung zusammen mit der Arbeitskammer u. a. ein Projekt gegen Rechtsextremismus im Internet durch. Als ständiges Angebot sind auch die Führungen durch das ehemalige Gestapo-Lager Neue Bremm zu nennen. Auch bei der Zusammenstellung ihres Buchprogramms, das regelmäßig aktualisiert wird und das sich sowohl an interessierte Bürgerinnen und Bürger als auch an Multiplikatoren der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit richtet, berücksichtigt die Landeszentrale die Themen „religiöser Extremismus“ und „interreligiöser Austausch“. Die Landeszentrale für politische Bildung koordiniert zudem die Netzwerkarbeit von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (SOR - SMC). Dies ist ein Projekt von und für Schülerinnen und Schüler, die gegen alle Formen von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, aktiv vorgehen und einen Beitrag zu einer gewaltfreien, demokratischen Gesellschaft leisten wollen. Der Präventionsansatz von SOR - SMC wendet sich gegen alle Ideologien der Ungleichwertigkeit und stärkt Kinder und Jugendliche, sich für eine demokratische Gesellschaft, für Menschenrechte und ein solidarisches Miteinander einzusetzen. Er leistet aktuell einen wichtigen Beitrag, um den Einfluss salafistischer und rechtsextremistischer Gruppen auf Heranwachsende einzugrenzen. Ein weiteres Netzwerk mit friedenspädagogischer Intention ist das Netzwerk der UN- ESCO-Projektschulen. Die „unesco-projekt-schulen“ widmen sich der Aufgabe, die Empfehlung der 18. Generalkonferenz der UNESCO aus dem Jahr 1974 hinsichtlich der Erziehung zu internationaler Verständigung und Zusammenarbeit umzusetzen. In ihren schulischen und außerschulischen Tätigkeiten finden sich die auf den UNESCO- Zielen basierenden Leitlinien zum Aufbau einer Friedenskultur wieder (Menschenrechtsbildung /Demokratieerziehung; Interkulturelles Lernen, Umwelterziehung, Globales Lernen, UNESCO-Welterbeerziehung). Aber auch außerhalb der Netzwerke, die sich in besonderer Weise zu Toleranz und Gewaltfreiheit bekennen, wird in den Schulen an der Erziehung zu einem toleranten und gewaltfreien Umgang gearbeitet. Insbesondere Ganztagsangebote, die in vielen Schulen aller Schulformen verbreitet sind - sei es durch den gebundenen Ganztag oder freiwillige Betreuungsangebote am Nachmittag – sind hervorragend dazu geeignet, die Schülerinnen und Schüler zu einem toleranten und gewaltfreien sozialverträglichen Umgang miteinander und in der Gesellschaft anzuhalten. Auch innerhalb von Klassenleiterstunden oder schulspezifischen Arbeitsgemeinschaften bieten sich konkrete Gelegenheiten, gewaltfreies und tolerantes Handeln strukturiert einzuüben. Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Darüber hinaus wurden im Saarland zahlreiche Projekte und Initiativen gegen Gewalt initiiert und entsprechende Aktivitäten der Schulen werden unterstützt: Maßnahmen zur allgemeinen Prävention durch Stärkung der sogenannten Life Skills zielen auf die Vermittlung von Lebens- und Sozialkompetenzen ab, die als wirkungsvollste Vorbeugung z. B. gegen Jugendkriminalität und Gewaltbereitschaft angesehen werden. Zu diesen Maßnahmen gehören z. B. die Programme „Klasse2000“ oder „Erwachsen werden" (Lions Quest) - Programm zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung “. Aber auch Wandertage oder Lehrfahrten mit Schwerpunkten im Bereich der Erlebnispädagogik, die eine Stärkung von Teamgeist und einem toleranten Umgang miteinander anstreben, sowie Wandertage und Lehrfahrten mit friedenspädagogischer Intention sind bewährte Maßnahmen zur Stärkung von Life skills. Zudem werden in saarländischen Schulen zahlreiche Wettbewerbe durchgeführt, die einerseits von ihrer inhaltlichen Zielsetzung zur Toleranz und damit zum gewaltfreien Umgang beitragen und andererseits auch eine Stärkung der Persönlichkeit bewirken. Zu nennen sind hier z. B.: Toleranzpreis für Schülerinnen und Schüler Trialog der Kulturen (Herbert Quandt-Stiftung) Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten Schülerwettbewerb zur politischen Bildung Wettbewerb Förderprogramm Demokratisch Handeln Jugend debattiert Europäischer Wettbewerb Weiterhin sind Programme, die auf die Förderung der Kompetenz zum gewaltfreien Konfliktmanagement abzielen, als Präventionsmaßnahme anzusehen: Hierzu zählen Programme der Schulmediation, die nicht nur hilft, ganz konkrete und aktuelle Konflikte zu lösen, sondern Kindern und Jugendlichen auch dauerhaft faire Methoden vermittelt , Konflikte wertschätzend zu begegnen und Streit zu lösen. Ähnliche Ziele werden auch durch die Methode des Klassenrates und die Implementierung einer Feedbackkultur erreicht. Perspektivwechsel und Feedbackkultur tragen wesentlich zu einem gewaltfreien und toleranten Umgang miteinander bei. Für konkrete Konfliktfälle liegt den saarländischen Schulen seit 2009 ein Ordner mit Notfallplänen vor, nach denen Lehrerinnen und Lehrer in Extrem-Situationen unmittelbar und sicher handeln können. Eines der Kapitel beschäftigt sich mit der Sofortreaktion auf Extremismus an Schulen. Neben den im Notfall zu ergreifenden Reaktionen sieht der Ordner eine Reihe von nachhaltig wirksamen Maßnahmen und Ansätze der Gewaltprävention vor. Zur Durchführung von Maßnahmen zur Gewaltprävention werden auch Angebote externer Kooperationspartner, wie z. B. Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter, Theaterpädagogen, Sportvereinen oder Organisationen wie z. B. das Adolph Bender Zentrum in den Schulen flächendeckend und bedarfsabhängig von allen Schulformen genutzt. Auf sich ändernde gesellschaftliche Bedingungen und Bedürfnisse wird entsprechend reagiert. So werden im Saarland derzeit rund 190 Lehrkräfte im Kontext der Flüchtlingsthematik zusätzlich eingesetzt. Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Seit Beginn des Schuljahres 2015/16 wurde an zwei Völklinger und zwei Saarbrücker Grundschulen, in denen ein hoher Anteil muslimischer Kinder unterrichtet wird, der Islamische Religionsunterricht als Modellprojekt eingeführt. Durch Islamischen Religionsunterricht erfahren Schülerinnen und Schüler aus muslimischen Elternhäusern religiöse Bildung, die dazu beiträgt, religiöse Identität zu stärken und dadurch einen von Toleranz geprägten Umgang mit Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen zu unterstützen. Damit leistet der Islamische Religionsunterricht einen Beitrag zur Teilhabe muslimischer Schülerinnen und Schüler in Schule und Gesellschaft. Zu b) Unterrichtsinhalte, die Gewalt und (religiösen) Fanatismus thematisieren Die Erreichung des im SchOG genannten Ziels schulischer Bildung und Erziehung ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller Fächer und reicht weit über die rein inhaltliche Behandlung einschlägiger Themen hinaus. Auch ohne direkt sichtbare Bezüge zu Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und (religiösen) Fanatismus werden in allen Fächern immer wieder Anknüpfpunkte genutzt, um dem oben genannten Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht zu werden. So z. B. sind im Fach Deutsch Themen zur Gewaltprävention und zur (u.a. religiösen) Toleranzerziehung immer wieder in Schulbüchern und Schullektüren präsent. Auch im Seminarfach der gymnasialen Oberstufe werden häufig Themen gewählt, die einen Beitrag zur Gewaltprävention leisten. Einen besonderen Beitrag in diesem Zusammenhang leistet auch das Fach Sport. Über den Unterricht im Fach Sport werden Kompetenzen entwickelt, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, ein gewaltfreies Miteinander anzustreben. Im Fach Sport bieten sich vielfältige Anlässe für soziales Lernen. Insbesondere in konkurrenzorientierten Situationen ergeben sich Möglichkeiten, soziales Miteinander zu reflektieren und Probleme zunehmend selbständig, fair und verantwortungsvoll zu regeln. Kooperatives Verhalten wird gerade auch im koedukativen Sportunterricht, etwa bei der Bildung von Gruppen, der Vereinbarung von Regeln und beim Helfen und Sichern, in besonderem Maße gefördert. Auch der Fremdsprachenunterricht trägt dazu bei, tolerantes und damit gewaltarmes Verhalten der Schülerinnen und Schüler zu fördern. In den aktuellen Lehrplänen der Fächer Englisch und Französisch wird mit der „Interkulturellen Kompetenz“ dafür ein eigener Kompetenzbereich ausgewiesen. Die Interkulturelle Kompetenz ermöglicht Menschen Einsichten in die kulturellen Besonderheiten und Wertesysteme fremdsprachiger Gesellschaften, so dass sie fremden Kulturen offen und verständnisvoll begegnen, sich aktiv in Kommunikationssituationen einbringen und angemessen reagieren können. Insbesondere die Fächer des gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeldes Erdkunde, Geschichte und Sozialkunde/Politik thematisieren neben den Fächern Religion und Ethik „Gewalt“ und „religiösen Fanatismus“ auch unmittelbar im Unterricht. Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Der Unterricht im Fach Erdkunde Gymnasium sowie der Unterricht der geographischen Anteile des Faches Gesellschaftswissenschaften Gemeinschaftsschule intendieren über die Betrachtung unterschiedlicher Räume, Kulturen, Lebensund Wirtschaftsweisen auch den Erwerb o. g. interkultureller Kompetenz: „Im Zuge einer Stärkung der Beurteilungskompetenz und nach Ausbildung eines subjektiven Wertemaßstabes einer Bewertungskompetenz regt der Erdkunde-unterricht durch Vergleiche zwischen der eigenen Lebenswelt mit anderen Räumen der Erde eine kritische Selbstreflexion bezüglich der eigenen Lebensweise an und ermutigt die Schülerinnen und Schüler durch die verbundenen interkulturellen Lernprozesse zu Weltoffenheit und Toleranz.“ (Vorwort Lehrplan Erdkunde Gymnasium, S. 6). Das Fach Geschichte Gymnasium sowie die historischen Anteile im Fach Gesellschaftswissenschaften Gemeinschaftsschule bieten in allen Klassenstufen Themen, um Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und (religiösen) Fanatismus im Unterricht zu implementieren. Insbesondere die Themen „Renaissance und Humanismus“, „Die Aufklärung“, „Die Französische Revolution“ und „Die nationalsozialistische Diktatur“, die auch im Geschichtsunterricht der gymnasialen Oberstufe vorgesehen sind, bieten sehr konkrete Anlässe zur Erreichung o. g. Ziele. Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und (religiösen) Fanatismus sind ein zentraler Schwerpunkt im Fach Sozialkunde/Politik der Gymnasien. Zudem befasst sich das Fach immer auch mit aktuellen Fragestellungen und Problemen. Daher werden aktuell die Themen Gewalt und religiöse Radikalisierung durch alle Jahrgänge, in denen das Fach unterrichtet wird, behandelt. In den Lehrplänen für Sozialkunde/Politik finden sich in allen Klassenstufen Anknüpfpunkte für diese Themen. Auch das integrierte Fach Gesellschaftswissenschaften in der Gemeinschaftsschule beinhaltet in seinem sozialkundlichen Bereich durchgängig von der Klassenstufe 5 bis 10 Lehrplaninhalte, die sich mit Gewaltprävention, bzw. (religiöser) Radikalisierung auseinandersetzen. In den Lehrplänen für evangelische bzw. katholische Religion der Grundschule wird im Vorwort der Beitrag des entsprechenden Faches zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule dargestellt. Die Kirchen beschreiben in diesem Kapitel die im Religionsunterricht auf der Grundlage der biblischen Überlieferung angestrebte Vermittlung von Werten wie Freiheit, Verantwortung, Gerechtigkeitsempfinden und Toleranz sowie gesellschaftliche und globale Solidarität. Die religiöse Vielfalt in einer globalisierten Welt berücksichtigen beide Kirchen durch einen eigenen Lernbereich zu diesem Thema. Das Kennenlernen anderer Religionen und Konfessionen und die Auseinandersetzung damit sollen die Dialog- und Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern. Der Religionsunterricht erzieht zu Offenheit und Respekt gegenüber anderen Lebensentwürfen und religiösen Einstellungen. Auch in den Lehrplänen für evangelische bzw. katholische Religion in der Gemeinschaftsschule hat die Erziehung zu Toleranz und gegenseitigem Respekt einen großen Stellenwert. So sind z. B. als übergreifende Kompetenzerwartungen formuliert, dass die Schülerinnen und Schüler sich mit anderen weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen begründet auseinandersetzen und mit anderen Konfessionen und Religionen respektvoll umgehen sowie Zweifel und Kritik artikulieren sollen (RE), oder dass die Schülerinnen und Schüler Empathie und Konfliktfähigkeit entwickeln, Beziehungen eingehen, miteinander kooperieren und Verantwortung für sich und andere übernehmen sollen (RK). Zudem sind in den Lehrplänen für evangelische und katholische Religion der Gemeinschaftsschule Kompetenzerwartungen vorgegeben, die eine Auseinandersetzung mit religiösem Fanatismus ganz konkret nahelegen: Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Die Schülerinnen und Schüler sollen • lebensfeindliche (z. B. Fundamentalismus, Fanatismus, Intoleranz) und lebensförderliche Formen von Religion (z. B. Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung, Ehrfurcht vor dem Leben) unterscheiden (Lehrplan katholische Religion Klassenstufe 9/10) • Weltanschauungen, Fundamentalismus und pseudoreligiöse Angebote benennen und kritisch beurteilen (Lehrplan evangelische Religion Klassenstufe 7 bis 10) Der Lehrplan für das Fach Ethik formuliert in seinem Vorwort als Leitvorstellung des Ethikunterrichts den selbstbestimmten, mündigen Mensch, der im Hinblick auf seine Mitmenschen durch seine Bereitschaft zu Solidarität, Respekt und Toleranz gekennzeichnet ist. Da der Ethikunterricht mit seinen angestrebten Kompetenzen sogar unabhängig von konkreten Inhalten durch sämtliche Schuljahre hindurch die Haltung der Perspektivübernahme, des gewaltfreien, argumentgestützten Diskurses beständig trainiert und dies immer an auch tagesaktuellen Beispielen aus der Alltagswelt der Schülerinnen und Schüler konkretisiert, ist er im besonderen Maße geeignet gegen Gewaltbereitschaft und religiösen Fanatismus wirksam zu sein. Auf das zugrunde liegende Menschenbild mit den Aspekten Vernunft, Freiheit und Verantwortlichkeit wird dabei immer wieder zurückgegriffen. Über den schulischen Bereich hinaus gibt es im Saarland zahlreiche Initiativen und Präventionsmaßnahmen gegen Gewalt und religiösen Fanatismus für Kinder und Jugendliche. 1. Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ Dieses Projekt startete zum 01. Januar 2015. Neben den bisherigen Themenfeldern, wie z. B. Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sollen sich die Akteure des Bundesprogramms "Demokratie leben!" auch mit der Thematik dschihadistischer Strömungen im Islam auseinandersetzen. Im Rahmen dieses Programmes stellen die Bundesländer sicher, dass die landesweiten Beratungsnetzwerke weitergeführt werden und je nach Situation die erforderliche mobile Fachberatung, Opfer- und Ausstiegsberatung über den gesamten Förderzeitraum des Bundesprogramms (2015 bis 2019) gewährleistet wird. Außerdem werden im Rahmen des Bundesprogrammes Partnerschaften für Demokratie, Modellprojekte sowie bundesweite Träger gefördert. 1.1 Netzwerk gegen Rechtsextremismus – für Demokratie – Saarland Bereits mit dem Bundesprogramm "kompetent für Demokratie" 2007 wurde im Saarland der Aufbau eines landesweiten Beratungsnetzwerks zur fachkompetenten Beratung bei rechtsextrem motivierten Vorfällen umgesetzt. Das bisherige Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Kooperationen werden weiterhin gefördert. Zusätzlich beteiligte sich das Land als Kofinanzierer der Bundesprogramme „TOLERANZ FÖRDERN - KOMPETENZ STÄRKEN“ (2011 – 2014) und seit dem 01. Januar 2015 am Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. Weiterhin wird das Modellprojekt „OFFENsive“ im Themenfeld „Demokratieförderung im ländlichen Raum“ des Verbands saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e. V. im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ kofinanziert. Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 8 - 1.2 Partnerschaften für Demokratie Durch das Bundesprogramm werden deutschlandweit kommunale Gebietskörperschaften unterstützt, „Partnerschaften für Demokratie“ als strukturell angelegte lokale bzw. regionale Bündnisse aufzubauen. In diesen „Partnerschaften für Demokratie“ entwickeln Verantwortliche aus der kommunalen Politik und Verwaltung sowie Aktive aus der Zivilgesellschaft anhand der lokalen Gegebenheiten und Problemlagen eine auf die konkrete Situation vor Ort abgestimmte Strategie. Für die geförderten Kommunen stellt das Bundesministerium Mittel für einen Aktions- und Initiativfonds zur Verfügung, aus dem konkrete Einzelmaßnahmen finanziert werden können. Im Saarland nehmen der Landkreis Neunkirchen, die Stadt Homburg, die Stadt Saarbrücken und der Regionalverband Saarbrücken am Bundesprogramm teil. Drei der vier Partnerschaften für Demokratie hatten 2015 die zusätzlichen Mittel des Bundes beantragt, um Präventionsmaßnahmen zur Salafismus-/Islamismusbekämpfung durchzuführen. 1.3 Modellprojekte Modellprojekte werden zu ausgewählten Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit , zur Demokratiestärkung im ländlichen Raum und Modellprojekte zur Radikalisierungsprävention im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert. Drei von vier Trägern wurden im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" ausgewählt, ein Modellprojekt im Saarland durchzuführen. Die Laufzeit der Modellprojekte ist auf höchstens fünf Jahre befristet. Modellprojekte im Saarland: • Islam im Saarland - saarländischer Islam? - FITT - Institut für Technologie-transfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes gGmbH • ZusammenWachsen: Vernetzung, Kooperation und Jugendbildung im Themenfeld Antiziganismus - Netzwerk für Demokratie und Courage Saar e. V. • OFFENsive! - Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e. V. Um Radikalisierungstendenzen im Kontext des Islam vorbeugen zu können, ist es erforderlich die komplexen Hintergründe zu verstehen. Als erste Hinweise der bisherigen Arbeit im Rahmen des Projekts „Salafismus im Saarland“ aber auch des Modellprojekts „Islam im Saarland – saarländischer Islam“ und den Kenntnissen und Berichten der Landesregierung besteht Handlungsbedarf zur Entwicklung einer gemeinsamen Präventions- und Deradikalisierungsstrategie. Als erster Schritt ist zum 01.01.2016 durch die Landesregierung im Rahmen des Bundesprogramms eine „Fach- und Vernetzungsstelle – Salafismus im Saarland“ eingerichtet worden. Die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe befindet sich in der Vorbereitung. 2. Maßnahmen gegen gewaltbereiten Islamismus 2015 Innerhalb des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sind zwei präventive Projekte folgender Träger im Themenfeld des gewaltbereiten Islamismus gefördert worden: • Projekt: FARBE TUT GUT – Contra (Rechts)Extremismus – pro Demokratie Ergänzungsmodul Islamismus im schulischen Bereich des Trägers Junge Journalisten Saar e.V., • Projekt: Salafismus im Saarland – Situation, Hintergründe, Handlungsstrategien des Instituts für Technologietransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes gGmbH (FITT) Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 9 - 3. Zusätzliche Mittel gegen Rechtsextremismus Im Zusammenhang mit den Mordtaten des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) sind alle Fraktionen des Landtages im Saarland übereingekommen, ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Die geförderten Projekte weisen eine Vielfalt von unterschiedlichen Ideen, Strategien, Konzepten und Initiativen auf, um Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus entgegenzuwirken. Folgende Träger werden gefördert: • Adolf-Bender-Zentrum e. V. • Aktion 3. Welt Saar e. V. • Frischluft Saar e. V. • Junge Journalisten Saar e. V. • Netzwerk für Demokratie und Courage e. V. 4. Weitere Maßnahmen, Aktivitäten und Projekte freier Träger Viele freie Träger in der Kinder- und Jugendarbeit werden durch das Land unterstützt. Es handelt sich hierbei um Projekte mit verschiedensten Ansätzen. 4.1 Adolf-Bender-Zentrum Das Adolf-Bender-Zentrum (ABZ) beschäftigt sich seit seiner Gründung 1985 mit der Thematik der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und Antisemitismus. Das ABZ ist ein saarlandweit anerkannter Träger der Jugendhilfe mit einem umfassenden Bildungsprogramm. Hierzu zählen Maßnahmen zur demokratischen Bildung gegen Rassismus und Rechtsextremismus, Zeitzeugenveranstaltungen, Ausstellungen sowie Projekte zur Spurensuche in der NS-Zeit. 4.2 Ramesch Integration und interkulturelle Arbeit gegen Ausländerfeindlichkeit Das Projekt für Kinder und Jugendliche dient der Integration und interkulturellen Arbeit und richtet sich gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. 4.3 Baris - Verein zur Förderung des Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund 4.3.1 Außerschulische Jugend- und Elternarbeit Das Projekt „Außerschulische Jugend- und Elternarbeit zur Integration ausländischer Familien“ in Völklingen hat die Zielsetzung, ausländische Kinder und Jugendliche möglichst frühzeitig unter Berücksichtigung der soziokulturellen Unterschiede und besonderer persönlicher, sozialer und familiärer Problemlagen in das Gemeinwesen und die neuen kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einzubinden und zur Verbesserung des Zusammenlebens zwischen Familien deutscher und ausländischer Herkunft und deren Integration beizutragen. Drucksache 15/1744 (15/1625) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 10 - 4.3..2 Sozialpädagogische und berufsorientierte Förderung von Mädchen ausländischer Herkunft Das Projekt „Sozialpädagogische und berufsorientierte Förderung von Mädchen ausländischer Herkunft“ richtet sich in erster Linie an die Mädchen ausländischer (v. a. türkischer) Herkunft aus Völklingen-Wehrden und dem Stadtbereich Völklingen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren mit ihrer spezifischen und vielschichtigen Problemlage. Aber auch deutsche Mädchen können die Projektangebote nutzen. Projektansatz ist die Verknüpfung von sozialpädagogischen Angeboten mit einer berufsorientierten Förderung, um den Mädchen Hilfestellung bei ihren jeweiligen besonderen Problemen sowie bei der Lebensplanung zu geben und ein größeres Berufsspektrum zu eröffnen. 4.4 Junge Journalisten Saar e. V. Schreibwerkstatt für Jugendliche mit Migrationshintergrund in Zusammenarbeit mit weiterführenden Schulen. 4.5 SOS Jugenddienst Eine zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in schwierigen Lebenssituationen. Sie verfolgt die Zielsetzung, gefährdete Kinder und Jugendliche möglichst frühzeitig zu erreichen, Verwahrlosung zu vermeiden und gemäß der jeweiligen Problemlage entsprechende bedarfsgerechte Formen der Hilfe anzubieten und an der Schnittstelle von offener und ambulanter Jugendhilfe einzuleiten bzw. neu zu entwickeln und mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen längerfristige Perspektiven der Lebensgestaltung zu entwickeln.