LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/1745 (15/1644) 17.03.2016 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel (DIE LINKE.) Ralf Georgi (DIE LINKE. betr.: Infraschall und Artenschutz im Zusammenhang mit Windkraftanlagen Vorbemerkung der Fragesteller: „Die Problematik von Infraschall und Artenschutz im Zusammenhang mit Windkraftanlagen hat auf Initiative der Fraktion DIE LINKE in der Vergangenheit wiederholt Landtag und Landesregierung beschäftigt. Aktuelle Forschungsarbeiten und - ergebnisse sollten für die Landesregierung Anlass sein, ihre bisherige Haltung in diesen Punkten kritisch zu hinterfragen.“ Welche Kenntnisse hat die Landesregierung von der Diskussion und den Ergebnissen auf dem Deutschen Ärztetag in Frankfurt im Mai 2015 in Bezug auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen durch Windkraftanlagen und Infraschall und wie wird dies von der Landesregierung bewertet? Zu Frage 1: Der Landesregierung liegt der Entschließungsantrag aus dem Beschlussprotokoll des 118. Deutschen Ärztetages in Frankfurt von Dr. Bernd Lücke (Drucksache VI-106) mit dem Titel „Intensivierung der Forschung zu möglichen gesundheitlichen Auswirkungen bei Betrieb und Ausbau von Windenergieanlagen“ zur Überweisung an den Vorstand der Bundesärztekammer vor. Im Entschließungsantrag wird an die Bundesregierung die Forderung gestellt, dass Wissenslücken zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall und tieffrequentem Schall von Windenergieanlagen (WEA) durch wissenschaftliche Forschung zu schließen seien. Nach Ansicht der Landesregierung wird diese Forderung bereits durch die vom Umweltbundesamt (UBA) im Jahr 2015 vergebene Folgestudie zur Machbarkeitsstudie zu den Lärmwirkungen von Infraschall auf den Menschen erfüllt. Ausgegeben: 17.03.2016 (13.01.2016) Drucksache 15/1745 (15/1644) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - In dem drei Jahre andauernden Forschungsvorhaben, welches das Ziel verfolgt, noch weitergehende Grundlagenkenntnisse über die Wirkungen von tieffrequentem und Infraschall auf den Menschen zu erhalten, ist mit ersten Ergebnissen im Jahr 2018 zu rechnen. Zu welchen Ergebnissen kommt die Physikalisch- Technische Bundesanstalt im Jahr 2015 in Bezug auf Windkraftanlagen sowie Infra-/Ultraschall und wie wird dies von der Landesregierung bewertet? Zu Frage 2: Die Landesregierung verfolgt aufmerksam die weiteren Entwicklungen in Forschung und Technik sowie im Gesundheitsschutz, so auch die Veröffentlichungen der Physikalisch -Technischen Bundesanstalt (PTB) zum Projekt des von der Europäischen Union unterstützten "European Metrology Research Programme" (EMRP). In diesem wurde mit Hilfe verschiedener Methoden der Audiologie und der bildgebenden Verfahren der Neurologie objektiv untersucht, wie Infraschall und Ultraschall auf den Menschen wirken. Am 11. August 2015 erfolgte durch die PTB eine Veröffentlichung zur Aussagekraft der Ergebnisse des EARS-Projektes für Windkraftanlagen. Diese weist explizit darauf hin, dass die aus der Studie gewonnenen Ergebnisse in den Experimenten nicht von den tatsächlich messbaren Schallfeldern von Windkraftanlagen abgeleitet wurden, folglich auch nicht auf konkrete Situationen vor Ort übertragen werden können. Die Ergebnisse des EARS-Projektes liefern eine Grundlage für neue und bessere Messmethoden, mit denen zukünftig auch besser begründete Expositionsobergrenzen festgelegt werden können. Bis dahin besteht laut PTB jedoch noch weiterer Forschungsbedarf . Kann nach Auffassung der Landesregierung ohne jeden Zweifel davon ausgegangen werden, dass Infraschall-Emissionen von Windkraftanlagen - auch im Falle eines Abstands von mehr als 500 Metern - gesundheitlich unbedenklich sind (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 3: In den der Landesregierung bekannten wissenschaftlichen Studien konnte bisher kein Nachweis einer negativen gesundheitlichen Auswirkung von Infraschall unterhalb der Wahrnehmungsschwelle erbracht werden. Auch das Umweltbundesamt (UBA) stellte in seiner Machbarkeitsstudie 2014 fest: „Für eine negative Auswirkung von Infraschall unterhalb der Wahrnehmungsschwelle konnten bislang keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse gefunden werden, auch wenn zahlreiche Forschungsbeiträge entsprechende Hypothesen postulieren.“ Die bisherigen Daten weisen darauf hin, dass gesundheitliche Auswirkungen von Infraschall erst im hörbaren Bereich auftreten. In Studien, in denen ausschließlich Infraschall unterhalb der Hörschwelle vorlag, konnten keine Wirkungen auf den Menschen beobachtet werden. Ab der Hörschwelle kann Infraschall auch zu Symptomen wie „Störung“ oder „Belästigung“ führen, jedoch gibt es hier neben den Schallereignissen aus dem Infraschallbereich auch Einträge aus dem Hörschallbereich. Somit sind die Effekte nicht eindeutig dem Infraschall zuzuordnen. Drucksache 15/1745 (15/1644) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Windenergieanlagen erzeugen wie viele andere technische Anlagen Geräusche in einem weiten Frequenzspektrum. Die Ergebnisse umfangreicher Lärmmessungen bei Windenergieanlagen haben ergeben, dass die emittierten Infraschallpegel weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liegen. Das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat nochmals im August 2015 zur Frage der gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall durch Windenergieanlagen beim Umweltbundesamt (UBA) eine Anfrage gestellt. In der Antwort vom Oktober 2015 erklärt das UBA, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine wissenschaftlich belastbaren Erkenntnisse vorliegen, welche anhaltenden gesundheitsschädigenden Auswirkungen von Infraschall sich unterhalb der Wahrnehmungsgrenze zeigen. Dieser Auffassung des UBA schließt sich auch die Länderarbeitsgruppe Umweltbezogener Gesundheitsschutz (LAUG) mit ihrem Beschluss in der Sitzung vom 22. und 23. September 2015 an. Besteht aus Sicht der Landesregierung Anlass, die hierzulande aktuell geltenden Schutzbestimmungen / Grenzwerte in Bezug auf Schall-Emissionen von Windkraftanlagen zu hinterfragen (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 4: Schutzbestimmungen/Grenzwerte in Bezug auf Schall-Emissionen von Windkraftanlagen liegen dem Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) als zuständige Genehmigungsbehörde nicht vor. Bei der Genehmigung von Windkraftanlagen sind insbesondere die Vorgaben der Technischen Anleitung (TA) Lärm (Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) einzuhalten. Das LUA prüft und berücksichtigt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) die unterschiedlichsten Belange in einem sehr aufwändigen und sorgfältigen Verfahren. Hierbei werden selbstverständlich auch die möglichen Beeinträchtigungen der Lebens- und Wohnqualität , etwa durch Schallemissionen, mit einbezogen. Damit wird dem berechtigten Anspruch auf Schutz des Menschen vor Beeinträchtigung durch Lärm umfassend Rechnung getragen. An die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen werden hohe Anforderungen zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Geräusche gestellt. Diese sind in der TA Lärm geregelt, die auch tieffrequente Geräusche und Infraschall mit umfasst. Nach dem heutigen Kenntnisstand der Wissenschaft gibt es keinen Grund, von dieser Bewertung abzuweichen und Planungen zu Windenergieanlagen unter Vorbehalt durchzuführen. Neue Erkenntnisse werden von der Landesregierung laufend berücksichtigt. So belegt die am 26. Februar 2016 von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) veröffentlichte Studie über „Tieffrequente Geräusche inklusive Infraschall von Windkraftanlagen (WKA) und anderen Quellen“, dass Infraschall ein fester Bestandteil unserer Umwelt ist und der Ausbau der Windkraft darauf keinen relevanten Einfluss hat. Die LUBW überprüfte im Zeitraum 2013 bis 2015 tieffrequente Geräusche inklusive Infraschall im Umfeld moderner Windkraftanlagen . Drucksache 15/1745 (15/1644) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Die Messungen ergaben, dass der Infraschallpegel in der Umgebung von WKA bereits im Nahbereich zwischen 150 und 300 Metern deutlich unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle liegt. Es gibt keine wissenschaftlich abgesicherten Belege für nachteilige Wirkungen in diesem Pegelbereich (s. auch Antwort zu Frage 3). Bei Messungen in einem ländlichen Umfeld ohne Windkraftanlagen wurden zudem vergleichbare Infraschallpegel vorgefunden wie in der Umgebung von Windkraftanlagen. Im Übrigen zeigten die präzisen Messungen, dass viele alltägliche technische Quellen weit mehr tieffrequente Geräusche und Infraschall hervorrufen als Windkraftanlagen. Zu welchen Ergebnissen kommt die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebene PROGRESS-Studie in Bezug auf die Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windkraftanlagen - insbesondere den Bestand von Rotmilan und Mäusebussard in Deutschland betreffend - und welche Konsequenzen sind aus Sicht der Landesregierung hieraus zu ziehen? Zu Frage 5: Das in Frage 5 angesprochene, vom Zuwendungsgeber Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Forschungsvorhaben PROGRESS zur Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif-) Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen liegen den Fachabteilungen der Landesregierung mit heutigem Stand nicht vor. Der abschließende Bericht zur Veröffentlichung liegt nach Auskunft des BMWi voraussichtlich im zweiten Quartal des Jahres 2016 vor.