LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/189 (15/100) 19.10.2012 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Heike Kugler (DIE LINKE.) betr.: Stromsperre und Stromkostenanteil Vorbemerkung der Fragestellerin: „In den letzten Monaten gab es Berichte von Familientragödien , die Menschen betreffen, die in Hartz IV leben und nicht mehr wissen, wie sie ihre Wohnungen bezahlen sollen. So angedeutet in Berichten von dem Unglück in Baden Anfang Juli diesen Jahres, bei dem es acht Tote gab. Auf diese Problematik und die damit verbundenen dramatischen Konsequenzen weist das Familiendrama in Burbach , dem eine Stromsperre vorausging - und dies bei einer siebenköpfigen Familie mit einem Säugling - hin. Von besonderem Interesse sind daher die Lebensumstände bei Menschen mit niedrigem Einkommen in unserem Land und die dadurch entstehenden Probleme bei der Bezahlung ihrer Strom- bzw. Gasrechnungen.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Androhung und die Durchführung einer Stromsperre sind in § 19 (Unterbrechung der Versorgung) der Stromgrundversorgungsverordnung – StromGVV geregelt: (1) Der Grundversorger ist berechtigt, die Grundversorgung ohne vorherige Androhung durch den Netzbetreiber unterbrechen zu lassen, wenn der Kunde dieser Verordnung in nicht unerheblichem Maße schuldhaft zuwiderhandelt und die Unterbrechung erforderlich ist, um den Gebrauch von elektrischer Arbeit unter Umgehung, Beeinflussung oder vor Anbringung der Messeinrichtungen zu verhindern. (2) Bei anderen Zuwiderhandlungen, insbesondere bei der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung, ist der Grundversorger berechtigt, die Grundversorgung vier Wochen nach Androhung unterbrechen zu lassen und den zuständigen Netzbetreiber nach § 24 Abs. 3 der Niederspannungsanschlussverordnung mit der Unterbrechung der Grundversorgung zu beauftragen. Ausgegeben: 19.10.2012 (28.08.2012) Drucksache 15/189 (15/100) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Dies gilt nicht, wenn die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen oder der Kunde darlegt, dass hinreichende Aussicht besteht, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt. Der Grundversorger kann mit der Mahnung zugleich die Unterbrechung der Grundversorgung androhen, sofern dies nicht außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung steht. Wegen Zahlungsverzuges darf der Grundversorger eine Unterbrechung unter den in den Sätzen 1 bis 3 genannten Voraussetzungen nur durchführen lassen, wenn der Kunde nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 100 Euro in Verzug ist. (3) Der Beginn der Unterbrechung der Grundversorgung ist dem Kunden drei Werktage im Voraus anzukündigen. (4) Vergleichbare Regeln enthält § 24 der Niederspannungsanschlussverordnung – NAV. Diese kommen zur Anwendung, wenn sich die Stromkunden nicht in einem Grundversorgungsverhältnis befinden. In wenigen Einzelfällen war die Landesregulierungsbehörde mit der Prüfung der einzuhaltenden Fristen befasst. Verstöße der Versorger und der Netzbetreiber wurden dabei nicht festgestellt. Die Beurteilung, ob „die Folgen der Unterbrechung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen“, ist den Gerichten vorbehalten. In Einzelfällen wurde durch Intervention der Regulierungsbehörde gütliches Einvernehmen zwischen Versorger und Kunden erzielt. Wie viele Menschen wurden in den Jahren 2010 und 2011 mit Stromsperren belegt? Zu Frage 1: Gesicherte statistische Angaben über die Zahl erfolgter Stromsperren liegen nicht vor. Presseberichten zufolge sollen bundesweit in 2010 ca. 600.000 Stromsperren vorgenommen worden sein. Die Zahl beruht auf einer regionalen Umfrage der Verbraucherzentrale NRW mit anschließender Hochrechnung. Belastbare Zahlen zur Sperrung der Stromzufuhr sind auf Bundesebene künftig in dem durch die Bundesnetzagentur auf der Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes zu erstellenden jährlichen Monitoring-Berichts über Energiesperren zu erwarten. Der Monitoringbericht 2012 wird voraussichtlich noch im Oktober dieses Jahres veröffentlicht. Wie viele Menschen waren davon bedroht? Zu Frage 2: Die Zahl von Stromsperren bedrohter Menschen ist nicht bekannt. Wie viele Menschen sind im Saarland schätzungsweise von Energiearmut betroffen? Zu Frage 3: Eine verbindliche Definition des Begriffs der Energiearmut existiert nicht. Bei Menschen , die mehr als zehn Prozent ihres Einkommens zur Deckung ihrer Energiekosten aufbringen müssen, wird vielfach von Energiearmut gesprochen. Die Zahl der davon Betroffenen nimmt zu. Drucksache 15/189 (15/100) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Aus wissenschaftlicher Sicht besteht weitgehendes Einvernehmen darüber, dass Energiearmut durch eine Wechselwirkung einer Vielzahl von Faktoren bestimmt wird. Als die drei wichtigsten sind geringes Einkommen, hohe Energiepreise und niedrige Energieeffizienz zu nennen. Verlässliche Zahlen, inwieweit in Deutschland Energiearmut verbreitet ist, sind bisher statistisch nicht erfasst worden. Auf Grund steigender Energiepreise bei gleichzeitiger Zunahme der Anzahl einkommensschwacher Haushalte gewinnt das Thema jedoch immer mehr an Bedeutung. Das soziale Ausmaß zeigt sich insbesondere für die Betroffenen von Energiesperren. Belastbare Daten zum Ausmaß der Energiearmut gibt es weder für Deutschland noch für das Saarland. Welchen Anteil an den Lebenshaltungskosten haben die Energiekosten im Saarland inzwischen erreicht , anteilig berechnet an dem durchschnittlichen Einkommen eines Beschäftigten im Bereich des Niedriglohnbereichs? Zu Frage 4: Strom und Gas gelten bei uns als unverzichtbare Elemente der Energieversorgung, ohne die eine menschenwürdige Existenz nicht garantiert werden kann. Nach Angaben des Statistischen Amtes hat sich im Saarland bezogen auf den Monat August 2012 Haushaltsenergie gegenüber dem Vorjahresmonat August 2011 um durchschnittlich 6,5 Prozent verteuert. Dabei stiegen die Preise für Elektrizität um 1,3 Prozent. Wird auf weitere Angaben des Statistischen Amtes zurückgegriffen, ergibt sich Folgendes : Nach den Ergebnissen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 lagen die durchschnittlichen Nettoeinkommen der privaten Haushalte im Saarland bei monatlich 2.875 Euro. Die Ausgaben im Bereich Haushaltsenergie (alle Energieformen) betrugen im Schnitt 174 Euro je Haushalt, das entspricht 6,05 Prozent der durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen. Es handelt sich jeweils um Durchschnittswerte aller saarländischen Haushalte. Statistische Auswertungen der Energiekosten bezogen auf unterschiedliche Haushaltstypen sowie des Kostenanteils der Energie am Einkommen im Niedriglohnsektor sind nicht vorhanden. Zieht man behelfsweise die Berechnung der SGB II-Bedarfssätze heran, so enthält der Regelsatz von 359 Euro (Aktualisierung 2012 noch nicht berücksichtigt) einen Anteil von 30,24 Euro für Strom und Wohnungsinstandhaltung; das entspricht 8,4 Prozent. Wie steht die Landesregierung zu der Forderung nach einem Schutz dieser Grundbedürfnisse der Menschen in Zeiten schwieriger Lage? Zu Frage 5: Die Landesregierung setzt sich für eine Vermeidung von bzw. für einen möglichst sozialverträglichen Umgang mit Energiearmut und Energiesperren ein. Dabei gilt es, darauf hinzuwirken, dass für besonders schutzwürdige Gruppen eine ausreichende Energieversorgung gewährleistet wird. Drucksache 15/189 (15/100) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Vor diesem Hintergrund wurde bereits in der ersten Jahreshälfte damit begonnen, mit den handelnden Akteuren (insbesondere Energieversorgern und Sozialbehörden) Gespräche zu führen und alle in Betracht kommenden Möglichkeiten auszuloten. Thematisiert werden dabei Instrumente, die helfen können, Stromsperren vorzubeugen, wie Energiesparberatungen, technische Maßnahmen wie Prepaid-Zähler sowie freiwillige Abtretungserklärungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II.