LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/2065 (15/2014) 12.01.2017 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Wildunfälle im Saarland – Häufigkeit, Ursachen, Reduzierung Vorbemerkung des Fragestellers: „Die aktuelle Wildunfallstatistik in Deutschland zeichnet ein besorgniserregendes Bild. Insgesamt meldeten Autofahrer ihrer Kaskoversicherung 263.000 entsprechende Schäden, wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mitteilt. Damit ist die Zahl der Wildunfälle auf einen erneuten Rekordstand gestiegen. Im Vergleich zu 2014 bedeutet das ein Plus von zehn Prozent. Insgesamt mussten die Kaskoversicherungen die Summe von 653 Millionen Euro zur Schadensregulierung aufbringen - 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Bislang lag die Höchstzahl im Jahr 2012, wo 258.000 Wildunfälle zu verzeichnen waren. Als Ursachen der zunehmenden Wildunfälle werden je nach Interessenlage oft divergierende Faktoren genannt. Seitens der Jägerschaft wird oft das Argument von Störungen durch den Mensch im Rahmen seiner Freizeitaktivitäten genannt, einige Wildbiologen verweisen auf einen Zusammenhang zwischen zunehmenden Wildbestandszahlen und zunehmendem Unfallgeschehen, einige Landschaftsökologen nennen als Grund die Veränderung der Habitatqualität in unserer, durch Verkehrswege zerschnittenen, Kulturlandschaft.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Das Saarland unterstützt seit dem Start im Jahr 2008 die nationale Verkehrssicherheits -Kampagne des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) „Runter vom Gas“ mit Schwerpunkt auf den besonders unfallträchtigen Landstraßen. Grund dafür ist das dort besonders hohe Sicherheitsrisiko beispielsweise wegen hoher Geschwindigkeiten sowie insbesondere wegen der vornehmlich dort stattfindenden Wildunfälle. Als Beitrag der Verkehrsunfallkommission Saarland zu dieser Kampagne waren im Jahr 2012 Maßnahmen zur Bekämpfung von Wildunfällen auf Bundes- und Landstraßen Schwerpunktthema . Dazu wurden in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) insgesamt 500 optische sowie 30 akustische Wild-Warner beschafft (Kostenaufwand in Höhe von 5.000,-- Euro). Ausgegeben: 12.01.2017 (17.11.2016) Drucksache 15/2065 (15/2014) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Wie hoch war die Anzahl der Wildunfälle in den Jahren 2015 und 2016 (bis zum Stichtag 31.10.2016)? Zu Frage 1: Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 weist die polizeiliche Verkehrsunfallstatistik auf saarländischen Straßen 3.793 registrierte Wildunfälle aus. Vom 1. Januar bis zum Stichtag 31. Oktober 2016 wurden 3.119 Wildunfälle polizeilich registriert . Im Vorjahr entfielen auf den Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 2015 3.071 Wildunfälle, somit also 48 Unfälle weniger als im Vergleichszeitraum 2016. Welche Tierarten waren mit welcher Zahl in den vorgenannten Zeiträumen betroffen? Zu Frage 2: Im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem, welches u. a. die Grundlage für die polizeiliche Unfallsachbearbeitung und -analyse bildet, ist der Eintrag der bei Unfällen getöteten Tierarten systembedingt nicht vorgesehen. Eine spezifische Schnellabfrage ist daher im Zusammenhang mit Wildunfällen technisch nicht möglich. Um eine valide Aufschlüsselung nach Tierarten sowie nach Häufigkeit deren Beteiligung aus polizeilicher Sicht global festzustellen, wäre eine manuelle Einzeldurchsicht aller unter Frage 1 aufgeführten Wildunfälle erforderlich, was mit Blick auf die polizeiliche Ressourcenbindung nicht leistbar ist. Eine dezidierte Aussage ist allerdings für die gesondert ausgewiesenen Wildwarner-Pilotstrecken möglich. Diese wird im Zusammenhang mit Frage 6 getroffen. Auskünfte über die Mortalitätsrate der jeweiligen Tierarten im Zusammenhang mit Wildunfällen gibt überdies das saarländische Totfundkataster. Die beigeschlossenen Basisangaben beziehen sich ausschließlich auf klassifizierte Straßen (Autobahnen, Bundesstraßen und Landesstraßen) im Saarland. Erhoben wurden die Daten von der Streckenkontrolle des Straßenbetriebsdienstes, welche ihr Betreuungsnetz wöchentlich zweimal befahren. Dabei ist nicht auszuschließen, dass Totfunde außerhalb der regulären Arbeitszeiten (beispielsweise am Wochenende) nicht im vorliegenden Kataster erfasst wurden, wenn der Straßenbetriebsdienst nicht informiert wurde. Nachfolgend sind die Daten aus dem Jahr 2015 (Tabelle 1) und 2016 (Tabelle 2) nach den einzelnen aufgefundenen Tierarten im klassifizierten Straßennetz aufgeschlüsselt. Tierart 2015 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 Biber 2 10 1 1 1 2 1 18 Bussard 1 1 2 1 5 Dachs 3 4 10 17 6 8 9 7 2 5 2 2 75 Eichhörnchen 4 1 6 5 5 5 8 5 6 4 2 51 Ente 2 2 4 Eule Fasan 1 2 2 1 1 1 4 1 1 2 3 19 Fuchs 44 16 26 24 12 16 17 14 7 17 32 14 239 Greifvogel 4 2 3 2 2 1 5 19 Hase 1 6 1 5 4 5 1 2 2 8 3 38 Hauskatze 8 3 5 8 3 4 7 9 8 12 4 5 76 Hund 1 1 1 3 Drucksache 15/2065 (15/2014) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Igel 11 10 12 14 12 6 7 72 Iltis 2 1 1 1 2 7 Kaninchen 1 1 1 3 Katze Marder 3 3 10 11 11 11 8 14 8 17 5 7 108 Marderhund 5 5 Ratte 1 1 Reh 11 8 13 29 24 12 11 20 17 14 12 9 180 Vogel 1 1 Waldkauz Waschbär 2 2 Wildkatze 1 1 1 2 1 6 Wildschwein 16 3 2 5 1 6 13 8 6 6 15 6 87 Gesamtergebnis 91 42 92 119 90 88 99 97 65 89 94 53 1019 Tierart 2016 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 Biber 1 2 1 1 2 1 1 9 Bussard 3 1 4 Dachs 4 8 14 13 14 6 7 7 6 5 1 85 Eichhörnchen 1 1 2 1 2 3 9 2 2 23 Ente 1 1 1 3 Eule 1 1 Fasan 2 1 3 Fuchs 15 13 12 14 14 10 20 21 5 11 5 140 Greifvogel 1 1 1 3 Hase 1 1 1 4 1 1 3 1 2 15 Hauskatze 1 2 3 1 2 4 4 3 1 4 2 27 Hund Igel 2 5 4 8 7 7 4 5 42 Iltis 1 1 Katze Kaninchen Marder 2 2 4 8 6 14 6 6 5 6 3 62 Marderhund Ratte Reh 23 8 9 28 33 17 20 13 9 14 5 179 Schleiereule 1 1 Vogel Waldkauz 1 1 Waschbär Wildkatze 1 2 1 4 Wildschwein 5 7 6 4 2 2 5 7 6 7 51 Gesamtergebnis 58 41 57 84 80 65 79 76 34 56 24 0 654 Drucksache 15/2065 (15/2014) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wie hat sich die Jagdstrecke auf vorgenannte Wildarten im entsprechenden Zeitraum entwickelt? Zu Frage 3: An Rehwild wurden im Jagdjahr 2014/2015 11.805 Tiere erlegt. Im Jagdjahr 2015/2016 verringerte sich diese Zahl auf 9.702. Die Schwarzwildstrecke betrug 2014/2015 4.261 und hat sich im Jagdjahr 2015/2016 auf 5.872 erhöht. Wie haben sich die Schäden an land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen im entsprechenden Zeitraum entwickelt? Zu Frage 4: Bezüglich der Wildschäden an landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen keine Daten vor, da in den meisten Fällen der Schadensausgleich zwischen Jagdpächter und Geschädigtem erfolgt. Drucksache 15/2065 (15/2014) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Was die Schäden an forstwirtschaftlich genutzten Flächen betrifft ist anzumerken, dass im Staatswald des Saarlandes seit 2010 26 repräsentative Monitoringflächen unterhalten werden, um Daten über lokale Verbisssituationen und mögliche Veränderungen zu erhalten. Auf fast allen Indikatorflächen liegen die Verbissprozente bei der Baumart Eiche ab einer Wuchshöhe von 40 cm über dem kritischen Grenzwert von 20%. In der kniehohen Verjüngung wird der Grenzwert auf jeder dritten Fläche erreicht bzw. überschritten . Laut Bericht über den Zustand des Staatswaldes im Saarland 2010-2015 wird der Aufwuchs der Eichenverjüngung und Edellaubbaumverjüngung auf vielen Flächen ohne Zäunung einen kritischen Verlauf nehmen. Wildverbiss in der Naturverjüngung liegt nach wie vor auf sehr hohem Niveau und erschwert das Ziel einer baumartreichen Waldverjüngung. Welche Ursachen sieht die Landesregierung für das Wildunfallgeschehen? Zu Frage 5: Wildunfälle sind abhängig von einer Vielzahl von Faktoren, die bei Wirksamkeitsaussagen von initiierten Gegenmaßnahmen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen. So nehmen Wilddichte und Artenspezifik, die jahreszeitlichen Aktivitätsmuster der Wildtierarten , die auf der zu untersuchenden Strecke vorhandene Verkehrsdichte, die Straßenraumgestaltung wie auch die Nutzung des den Straßenbereich umgebenden Geländes wesentlichen Einfluss auf die Gesamtsituation. Von daher sind fast immer umfassende Langzeitbetrachtungen erforderlich, um konkrete Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit von unfallvermindernden Maßnahmen bewerten zu können. Ebenso spielt das Fahrverhalten der die wildunfallträchtigen Strecken nutzenden Verkehrsteilnehmer eine das Unfallgeschehen beeinflussende Rolle. Je geringer die Fahrgeschwindigkeit , desto größer ist die Chance, ein Fahrzeug vor einem auf oder neben der Fahrbahn stehenden Wildtier anhalten zu können oder die durch die Kollision eintretenden Unfallfolgen zu minimieren. Wie haben sich die seit vielen Jahren angebrachten Wildwarnreflektoren im vorgenannten Zeitraum bewährt? Zu Frage 6: Die Entwicklung der polizeilich registrierten Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Wild stellt sich auf den Wildwarner-Pilotstrecken (unter Ausweisung der dezidierten Wildart – s. a. Antwort zu Frage 2 -) wie folgt dar: Drucksache 15/2065 (15/2014) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - L 142, zwischen Saarwellingen und Lebach-Hoxberg 200 optische Wild-Warner 01.01.2014 - 31.12.2014 01.01.2015 - 31.12.2015 01.01.2016 - 21.11.2016 Wildunfälle gesamt 14 x Sachschaden 19 x Sachschaden 14 x Sachschaden davon Rehwild 7 10 7 Wildschwein 5 8 5 Hase Fuchs 1 1 1 Dachs 1 1 o. A. (Wild) B 41, zwischen Nohfelden und Wolfersweiler 20 optische und 8 akustische Wild-Warner 01.01.2014 - 31.12.2014 01.01.2015 - 31.12.2015 01.01.2016 - 21.11.2016 Wildunfälle gesamt 12 x Sachschaden 7 x Sachschaden 7 x Sachschaden davon Rehwild 12 6 5 Wildschwein Hase Fuchs Dachs o. A. (Wild) 1 2 L 157, zwischen Losheim am See, Ortsteil Bachem, und Losheim am See 24 optische und 12 akustische Wild-Warner 01.01.2014 - 31.12.2014 01.01.2015 - 31.12.2015 01.01.2016 - 21.11.2016 Wildunfälle gesamt 6 x Sachschaden 13 x Sachschaden 5 x Sachschaden davon Rehwild 3 11 3 Wildschwein 1 2 Hase 1 Fuchs 1 Dachs 1 o. A. (Wild) 1 Die bislang vorliegenden Erkenntnisse hinsichtlich des Einsatzes optisch-akustischer Wildwarngeräte, seien sie eigen gewonnen oder aus Fremdfeststellungen heraus generiert , machen deutlich, dass monokausale Wirkungen dieser Geräte nicht erwartet werden können. Von daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass kurzfristige Betrachtungen des Verkehrsunfallgeschehens in aufeinander abgestimmten Vergleichszeiträumen zu validen Ergebnissen führen, die klare Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit bzw. Nichtwirksamkeit einzelner Maßnahmenansätze deutlich erkennen lassen. Technische Sicherungsmittel müssen immer in einer Verflechtung mit anderen Maßnahmen und unter Berücksichtigung eines die Wirksamkeit bedingenden Netzwerks von äußeren Einflussfaktoren betrachtet werden. Deren Korrelationen zueinander, die Veränderung einzelner Komponenten und die darauf fußenden Veränderungen der jeweiligen Umfeldbedingungen lassen es eher nicht zu, klare Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit einzelner Maßnahmen treffen zu können. Drucksache 15/2065 (15/2014) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Nach dem bisherigen Erkenntnisstand ist davon auszugehen, dass Wild-Warner für sich genommen das Problem der Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Wild nicht werden lösen können. Vielmehr ergänzen sie die vorhandene Beschilderung (hier beispielsweise Zeichen 142 der StVO - „Wildwechsel“) und die dazu entsprechend angeordneten Geschwindigkeitsbeschränkungen. Auch Maßnahmen der Straßenraumgestaltung (z.B. Schaffung weiter Straßenräume ohne Deckung und damit Verbesserung der Sichtverhältnisse) können unfallminimierend wirken. Neben den Straßenverkehrs- bzw. Straßenbaubehörden und der Polizei können aber auch andere Stellen einen entsprechenden Beitrag zur Senkung der Anzahl von Wildunfällen leisten. So beispielsweise Landwirte, mit dem Ziel, „wild-attraktive“ Produkte nicht unmittelbar bis in den Bereich des Fahrbahnrandes anzupflanzen. Daneben ist auch die Jägerschaft aufgerufen, den Bestand an Wild im Blick zu behalten, damit die Population und die dem Wild zur Verfügung stehenden Rückzugsflächen in einem ausgewogenen Verhältnis bleiben. Auch gilt es, den Umstand zu berücksichtigen, dass Wildtiere sich nicht über einen längeren Zeitraum an einer Stelle konzentrieren, sondern öfters das „Revier“ wechseln. Die Wahrscheinlichkeit, zu valideren Aussagen zu kommen, dürfte mit fortlaufender Beobachtung der Wildwarner-Pilotstrecken in einem gewissen Maße steigen, da mit einer Erweiterung des Zeitrahmens auch davon ausgegangen werden kann, dass sich die einzelnen Einflussfaktoren in ihren gegenseitigen Beeinflussungen mehr oder minder nivellieren. Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung , um die Zahl der Wildunfälle im Saarland zu reduzieren? Zu Frage 7: Zum Schutz von Wildtieren, aber auch zum Schutz von motorisierten Verkehrsteilnehmern , wurden entlang klassifizierter Straßen in besonders gefährdeten Bereichen bislang ca. 270 km Wildschutzzäune aufgestellt, welche von der Straßenbauverwaltung kontrolliert und unterhalten werden. Nach Prüfung im Einzelfall werden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, auch weiterhin Wildschutzzäune entlang von Straßen in der Baulast des Bundes bzw. Landes errichtet. Darüber hinaus unterstützt die Straßenbauverwaltung, entsprechend einer rechtsverbindlichen Rahmenvereinbarung, die Jäger des Landes bei der Ausstattung von Leitpfosten mit sogenannten Wildwarnreflektoren entlang klassifizierter Straßen im Saarland . Daneben beabsichtigt die Landesregierung, neben der Beibehaltung der straßenbaulichen Maßnahmen zum Schutze der Wildtiere, den Fokus auch wieder verstärkt auf das „Handlungsfeld Mensch“ zu legen, um das Verkehrsverhalten der Fahrzeug Fahrenden zielgerichtet zu sensibilisieren. So soll neben der Prüfung des Einsatzes spezieller Verkehrszeichen auch über eine öffentlichkeitswirksame Verkehrspräventionsarbeit die Verkehrsbedeutung des Zeichens 142 („Wildwechsel“) und die damit verbundenen Verpflichtungen für Fahrzeug Fahrende verstärkt in das Bewusstsein gerückt werden.