LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/2088 (15/2060) 14.02.2017 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Birgit Huonker (DIE LINKE.) betr.: geplante verstärkte Videoüberwachung im Saarland Vorbemerkung der Fragestellerin: „Das Saarland strebt Medienberichten zufolge zum Schutz vor Terroranschlägen und anderen Gewalttaten u.a. eine verstärkte Videoüberwachung an. Die Landesregierung spricht von 105 möglichen Brennpunkten.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Recht- und Zweckmäßigkeit der Videoüberwachung durch die Vollzugspolizei orientiert sich ausschließlich an den Voraussetzungen des § 27 des Saarländischen Polizeigesetzes . Die grundsätzlichen Zielrichtungen dieser Vorschrift sind die Bekämpfung von Allgemeinkriminalität (§ 27 Absatz 2 Nummer 1) an sog. gefährlichen Orten und die Abwehr insbesondere terroristischer Gefahren für sog. gefährdete Orte (§ 27 Absatz 2 Nummer 2). Die in Rede stehende Videoüberwachung von Kriminalitätsbrennpunkten stützt sich auf § 27 Absatz 2 Nummer 1 dieses Gesetzes; eine Vorschrift mithin, welche die Videoüberwachung nicht nur aus Gründen der Abwehr einer konkreten Gefahr zulässt, sondern auch zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, um so die Verfolgung zu erleichtern. Zwar bestimmt das Thema des Terrors die öffentliche Diskussion um die polizeiliche Videoüberwachung, die Auswahl der im Saarland konkret geprüften Örtlichkeiten erfolgte jedoch nach Kriterien, welche eine Einordnung als Kriminalitätsbrennpunkt bedingten, siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 1 und 2. Daraus folgt nicht, dass die dort gewonnenen Erkenntnisse nicht auch zur Abwehr terroristischer Gefahren genutzt werden können: Die Videoüberwachung gibt der Vollzugspolizei ein Instrument in die Hand, mithilfe dessen sie zumindest theoretisch hinsichtlich des zu überwachenden Ortes in die Lage versetzt wird, mögliche Anschläge im Vorfeld zu erkennen und den Schadenseintritt zu verhindern; während eines Anschlags erlaubt sie einen sofortigen ungefilterten Informationsgewinn und in der Folge erleichtert sie die Identifizierung und Ermittlung der Täter. Gleiches gilt natürlich in gleichem Maße für den ursprünglichen Überwachungszweck , der Gefahrenabwehr und der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten an Kriminalitätsbrennpunkten. Ausgegeben: 15.02.2017 (11.01.2017) Drucksache 15/2088 (15/2060) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Wenngleich ein 100%iger Schutz nicht erreicht werden kann, so wirkt die Videoüberwachung durch ihre Eignung zur Strafverfolgung präventiv durch Abschreckung. Die Landesregierung ist sich angesichts dessen durchaus bewusst, dass die Verstärkung der Videoüberwachung nur ein Baustein der Sicherheitsarchitektur ist, jedoch einer, auf den nicht verzichtet werden kann. Dies vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die Anfrage wie folgt: An welchen möglichen 105 Standorten sind Installationen von Überwachungskameras vorgesehen? Bitte auflisten. Durch wen und nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl dieser 105 möglichen Standorte? Zu den Fragen 1 und 2: Die Antworten zu den Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammengefasst: Im März 2016 wurden die 20 Polizeiinspektionen um Vorschläge zu Örtlichkeiten im jeweiligen Zuständigkeitsbereich gebeten, die sich aus einer polizeipraktischen Ersteinschätzung heraus zur Überwachung durch Videotechnik eignen. Zielrichtung war dabei insbesondere, polizeiliches Handeln so zu verbessern und zielgerichtet zu lenken , dass die vorhandenen Kräfte zum Schutz der Bevölkerung effizienter und effektiver eingesetzt werden können. Fachlich ist unumstritten, dass Videoüberwachung die polizeiliche Präsenz nicht ersetzen, aber – an geeigneten Stellen – optimieren und unterstützen kann. Insgesamt wurden 105 Örtlichkeiten mit Indizcharakter gemeldet und priorisiert. Von diesen Orten, die neben lokalen Kriminalitätsbrennpunkten insbesondere auch stark frequentierte Verkehrswege oder Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs, öffentliche Wege und Plätze oder Veranstaltungsörtlichkeiten sowie besonders schutzwürdige Objekte umfassen, wurden 36 durch die Polizeiinspektionen als besonders prioritär bewertet. Diese Örtlichkeiten werden sukzessive und im konkreten Einzelfall in einem dreistufigen Verfahren bewertet: Die Einschätzung der Gefährlichkeit eines Ortes und somit dessen Eignung als Standort einer Videoüberwachung fußt zu großen Teilen auf den Wahrnehmungen und Bewertungen der örtlich zuständigen Polizeiinspektionen. Diese orientieren sich an Kriminalitäts- und Einsatzbelastungszahlen, alltäglichen und herausragenden polizeilichen Einsätzen sowie an Veranstaltungs- und Versammlungslagen. Ortsbezogene Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ermöglichen dabei nur rudimentäre und eher retrograde, für die aktuelle Gefahrenprognose nur bedingt geeignete, Aussagen über die Kriminalitätsbelastung und die Einordnung als „Kriminalitätsbrennpunkt“. Danach erfolgt die Einordnung der Örtlichkeit in den Kontext der aktuellen Bedrohungslage des politisch motivierten Terrorismus. Dabei spielen Symbolkraft und Prestigecharakter der Örtlichkeit genauso eine Rolle wie Bezüge zu Einzelhandel, Gastronomie, Wirtschaft und kulturellem Leben, die örtliche Verkehrslage und - anbindung, das Verkehrsaufkommen, überregionale Bedeutung und die Verfügbarkeit weicher Ziele. Drucksache 15/2088 (15/2060) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Wenn diese tatbestandlichen Feststellungen getroffen sind, erfolgt die Prüfung, ob die Maßnahme rechtlich zulässig ist. Die rechtliche Prüfung orientiert sich an geltendem Recht und an der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Videoüberwachung. Im Rahmen der Gesamtbewertung wird daraufhin eine Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit der Maßnahme getroffen. Bei dem beschriebenen Verfahren handelt es sich um einen laufenden Prüfungs- und Entscheidungsprozess im Rahmen des rein exekutiven Handelns, der aktuell noch keine verlässlichen Angaben darüber zulässt, wann mit dessen Abschluss zu rechnen ist, zumal die mit der Gesamtmaßnahme bezweckte Erhöhung der öffentlichen Sicherheit keine statische Größe darstellt, sondern vielmehr erkenntnisbasiert ständig zu aktualisierender Gefahrenprognosen bedarf. Vor diesem Hintergrund bittet die Landesregierung um Verständnis dafür, dass dem Auskunftsbegehren hinsichtlich der auszuwählenden Orte und Örtlichkeiten allein schon wegen des noch schwebenden Verfahrens zum Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses nicht entsprochen werden kann. Wie hoch sind die Kosten für die Anschaffung neuer Überwachungskameras und die dafür notwendige Infrastruktur sowie die Betriebskosten für die bereits geplanten Installationen im Bereich Hauptbahnhof und Johanneskirche der Landeshauptstadt Saarbrücken? Zu Frage 3: Die abschließenden Kosten für Anschaffung und Installation der Technik, der Bereitstellung der Infrastruktur sowie laufende Betriebskosten lassen sich gegenwärtig noch nicht beziffern. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass die noch in Abstimmung befindliche Auswahl der Kamerastandorte und der jeweils zu verwendende Kameratyp erhebliche Auswirkungen auf das Gesamtkostenvolumen haben werden. Die Landesregierung geht unabhängig davon von Kosten bis zu einer Höhe von 610.000,-- € brutto aus. Diese Kalkulation umfasst zum Beispiel die Planungskosten, die Kosten der Ausschreibung, Kameras und Monitore. Diese Kostenschätzung ergeht vorbehaltlich der Ergebnisse der Ausschreibung. Durch wen oder durch welche Organisationseinheit und mit welcher Technik soll die Auswertung des Videomaterials erfolgen? Zu Frage 4: Die Auswertung erfolgt retrograd zunächst in der geplanten Videobeobachtungszentrale beim Landespolizeipräsidium und in einem weiteren Schritt bei der für die Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung zuständige Dienststelle des LPP. Dies werden in aller Regel das LPP 2, der Kriminaldauerdienst oder die Kriminaldienste der Polizeiinspektionen sein. Detailliertere ablauforganisatorische Prozesse, zu denen auch die Modalitäten der Auswertung des Videomaterials gehören, werden derzeit ergebnisoffen in der Projektgruppe erörtert. Die einzusetzende Technik wird im Groben aus den Bausteinen Kameras vor Ort, anzumietenden Datentransportmedien, Speichermedien und Monitoren bestehen. Drucksache 15/2088 (15/2060) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wird die geplante Videoüberwachungstechnik in der Lage sein, selbständig Personen und bestimmtes Verhalten zu erkennen, was technisch durchaus möglich wäre? Zu Frage 5: Nein, nach dem aktuellen Planungsstand nicht. Erfahrungen aus derzeit anlaufenden Pilotprojekten bleiben abzuwarten. Wie viele und welche Straftaten wurden bisher mithilfe von installierten Videokameras in den Jahren 2012-2016 a) aufgeklärt oder b) führten zu einer Verurteilung oder c) wurden durch Früherkennung erkannt und verhindert? (Bitte aufschlüsseln nach Art der Straftat und zuständiger Organisationseinheit). Zu Frage 6: Eine Statistik hinsichtlich der Aufklärungsergebnisse durch installierte Videokameras, damit einhergehende Verurteilungen und dadurch verhinderter Straftaten oder Gefahrenlagen wird im Landespolizeipräsidium nicht geführt. Die polizeilichen Informationssysteme sehen eine derartige Funktionalität nicht vor, da keine Verpflichtung zur Erstellung einer entsprechenden Statistik existiert. Auf welchen wissenschaftlich-fundierten Gründen basiert die Annahme der Landesregierung, durch die Installation von Videoüberwachung an den geplanten 105 Standorten sei ein Schutz vor Terroranschlägen oder anderen Gewalttaten gegeben? Zu Frage 7: Es ist evident, dass zu den in die Betrachtung gezogenen 105 Standorten noch keine Erkenntnisse vorliegen, die eine belastbare Beurteilung im Sinne der Fragestellung zuließe. Erst bei Vorliegen von Erfahrungswerten über einen längeren Zeitraum und durch Vergleich mit anderen Örtlichkeiten kann eine seriöse Aussage über die Wirksamkeit von Videoüberwachungsanlagen getroffen werden; daher existiert eine wissenschaftlich fundierte Studie für die Eignung der Videoüberwachungsmaßnahmen an den 105 Örtlichkeiten zum Schutz vor Terroranschlägen oder anderen Gewalttaten nicht. Insoweit darf die Landesregierung zur Beantwortung der Frage 7 auch auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Kerstin Kassner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Bundestags-Drucksache 18/10587 – verweisen. Die Landesregierung teilt die Überzeugung der Bundesregierung, wonach der Ausbau von Videotechnik dazu beitragen kann, Straftaten aufzuklären, potentielle Straftäter abzuschrecken und die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen.