LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/2122 (15/2101) 20.03.2017 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dagmar Ensch-Engel (DIE LINKE.) betr.: Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Tierwelt Vorbemerkung der Fragestellerin: „Windkraftanlagen haben bekanntlich erhebliche Auswirkungen auf die Tierwelt. Nicht nur vom Aussterben gefährdete Vogel- und Fledermausarten sind gefährdet, in die Rotoren zu geraten, sondern auch Arten die heute noch als ungefährdet eingestuft sind und für deren guten Bestandsperspektive wir in Deutschland Verantwortung übernommen haben. So haben neueste Studien ergeben, dass Kleinvögel auf ihren Herbst- und Frühjahrszügen betroffen und ihre Bestände bereits stark rückläufig sind. So sind auch aufgrund der Vielzahl an Windkraftanlagen in Schleswig- Holstein sogar bereits Mäusebussarde im Bestand gefährdet. Daher sind angepasste Abschaltzeiten und Intervalle der Windkraftanlagen besonders wichtig. Im Herbst 2016 haben viele Saarländerinnen und Saarländer allerdings feststellen müssen, dass Windkraftanlagen trotz Kranich-Massenzug bei extrem schlechten Wetterbedingungen in der Dämmerungsphase nicht abgeschaltet waren.“ Ausgegeben: 20.03.2017 (16.02.2017) Drucksache 15/2122 (15/2101) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Auf welcher gesetzlichen Grundlage und basierend auf welchen ökologischen Leitfäden werden den Betreiberfirmen Abschaltzeiten auferlegt? Zu Frage 1: Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) enthält gesetzliche Regelungen zum Umgang mit Arten. In Verbindung mit Abschaltzeiten von Windenergieanlagen sind insbesondere die Vorschriften im Kapitel 5, Abschnitt 3 Besonderer Artenschutz, hier insbesondere der § 44 BNatSchG, die Vorschriften im Kapitel 4, Abschnitt 2 Netz „Natura 2000“, hier insbesondere der § 34 BNatSchG und die Vorschriften im Kapitel 3 Allgemeiner Schutz von Natur und Landschaft (§§ 13-19 BNatSchG) zu nennen. Konkretisierende Hinweise liefert u. a. der Leitfaden zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland aus dem Juni 2013. Darüber hinaus sind der zum jeweiligen Zeitpunkt vorhandene Kenntnisstand, der Stand der Technik und einschlägige Gerichtsurteile zu berücksichtigen. Liegt für jede errichtete und genehmigte Windkraftanlage im Saarland ein aktuelles ökologisches Gutachten vor, das die erforderlichen Abschaltzeiten vorgibt und regelt? Zu Frage 2: Ökologische Gutachten zu Vögeln bzw. Fledermäusen werden seitens der Naturschutzbehörden im Zuge ihrer Beteiligung bei der Genehmigung von Windenergieanlagen erst eingefordert, seit die Schlagopferproblematik für diese Artengruppen bekannt ist und die gesetzliche Grundlage die Einforderung entsprechender Untersuchungen und Gutachten ermöglicht. Entsprechende Gutachten werden vorlaufend im Zuge des Genehmigungsverfahrens erstellt und durch die Naturschutzbehörde geprüft. Ob diese Gutachten die erforderlichen Abschaltzeiten vorgeben und regeln, hängt vom jeweiligen Gutachten und dem zu beurteilenden Sachverhalt ab. Die endgültige Festlegung der erforderlichen Abschaltzeiten erfolgt im Genehmigungsbescheid nach Prüfung der eingereichten Unterlagen und des darüber hinaus vorhandenen Kenntnisstandes durch die Naturschutzbehörde. Ökologische Gutachten werden somit vor Erteilung einer Genehmigung erstellt. In begründeten Fällen kann die Festsetzung eines Monitorings im Genehmigungsbescheid erforderlich werden. Beispielhaft sei hier ein Fledermaus-Monitoring auf Gondelhöhe zur Konkretisierung erforderlicher Abschaltalgorithmen genannt. Ein solches Monitoring erfolgt je nach Fragestellung überwiegend nach Errichtung der Windenergieanlagen. In der Mehrzahl der Fälle erstreckt sich ein Monitoring, das die Untersuchung von Fledermäusen oder Vögeln zum Inhalt hat, über einen Zeitraum von 2 bis max. 5 Jahren. In welchen Intervallen werden die ökologischen Gutachten den aktuellen Begebenheiten und dem aktuellen ökologischen Wissensstand angepasst? Zu Frage 3: Eine turnusmäßige Anpassung von ökologischen Gutachten wurde durch den Gesetzgeber nicht vorgesehen. Drucksache 15/2122 (15/2101) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Unabhängig davon werden bei Änderungsanträgen bestehender Anlagen oder bei Neuanträgen im Falle von Repowering aktuelle ökologische Gutachten eingefordert. Ebenso wird die Erstellung von ökologischen Gutachten eingefordert, wenn eine behördenseitige Anordnung aufgrund jüngerer Erkenntnisse, die eine entsprechende Anordnung erforderlich machen, erfolgt. Werden für die Auflagen zu Abschaltzeiten die Entwicklungen im Bestand bedrohter und derzeit noch nicht bedrohter Tierarten berücksichtigt? Wenn ja: Werden die Abschaltzeiten dann zeitnah angepasst? Zu Frage 4: Abschaltzeiten an Windenergieanlagen können für Vögel und Fledermäuse relevant sein. Die in Frage 1 bereits erwähnten einschlägigen gesetzlichen Regelungen gelten für wildlebende Tiere der besonders geschützten Arten sowie der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten. Diese umfassen alle im Saarland relevanten Fledermausarten , die europäischen Vogelarten und die im Saarland relevanten Zugvogelarten zunächst unabhängig davon, ob es sich um in ihrem Bestand bedrohte oder derzeit noch nicht bedrohte Tierarten handelt. Entscheidend für die Festsetzung von Abschaltzeiten ist die Windkraftrelevanz einzelner Arten der beiden Artengruppen. Als Maß für im konkreten Einzelfall erforderliche Abschaltzeiten wurde durch die Rechtsprechung das signifikant erhöhte Tötungsrisiko eingeführt . Bei der Berechnung fledermausfreundlicher Betriebsalgorithmen für Fledermäuse ist es erforderlich, als relevanten Parameter zu definieren, wann von einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko ausgegangen werden muss. Hierzu gibt es bisher keine bundes- oder europaweit einheitliche Festlegung. Vorsorglich wurde hierbei im Saarland in Anlage 7 des o.g. Leitfadens (zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland) für seltenere Arten mit zusätzlich bekanntem höherem Schlagrisiko ein strengerer Wert vorgegeben als für Fledermausarten, die häufig sind bzw. bei denen – soweit bekannt – das durchschnittliche Schlagrisiko geringer ist. Wird die Einhaltung der vorgegebenen Abschaltzeiten gemäß Genehmigungsbescheid durch die Landesregierung sichergestellt und kontrolliert? Wenn ja: In welchen Zeitabständen und werden die Kontrollen protokolliert? Zu Frage 5: Ja, die Einhaltung der vorgegebenen Abschaltzeiten wird kontrolliert. Kontrollen erfolgen im konkreten Einzelfall sowohl anlassbezogen als auch turnusmäßig. Drucksache 15/2122 (15/2101) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - In der Mehrzahl der Fälle werden Abschaltzeiten durch das Eintreten bestimmter Parameter (z.B. Hauptzugtage von Kranichen bei ungünstigen Witterungsbedingungen; Temperaturen während der Nachtstunden im Mai über 10 °C bei gleichzeitigen Windgeschwindigkeiten unter 6 m/s - gemessen auf Gondelhöhe -; Abschaltung einer Anlage bei Beginn einer Bodenbearbeitung unter einer Windenergieanlage und zwei Tage danach bei entsprechender Rotmilan-Relevanz) erforderlich. In der Anlagensteuerung der Windenergieanlagen werden entsprechende programmierbare Parameter eingerichtet. Die Einrichtung ist der Naturschutzbehörde nachzuweisen. Da eine Nicht-Einhaltung der meisten Parameter nur bei sehr offensichtlichen Verstößen vom Boden aus zu erkennen ist, erfolgt die Kontrolle überwiegend über die Vorlage der Betriebsprotokolle einer Windenergieanlage durch den Betreiber. Diese erfolgt teilweise pro Quartal, teilweise jährlich bzw. bei einer spontanen Kontrolle anlassbezogen. Um eine zügige Abschaltung an Hauptzugtagen von Kranichen zu gewährleisten, wurde beispielsweise durch den ornithologischen Beobachterring Saar das Kranich- Informationssystem für das Saarland (KISS) eigens entwickelt. Für Teilnehmer an diesem Angebot erfolgt eine automatisierte Abschaltinformation unmittelbar an die Steuerungszentrale der jeweiligen Anlagen, sobald Hauptzugtage anhand fester, vordefinierter Parameter identifiziert werden. Sowohl hier als auch bei weiteren Abschaltereignissen wurde in den Genehmigungsbescheiden festgelegt, dass eine entsprechende Dokumentation der Naturschutzbehörde vorzulegen ist bzw. eine rechtzeitige Meldung an die Naturschutzbehörde zu erfolgen hat. Werden zur Kontrolle der Abschaltzeiten durch die Landesregierung auch ministeriumsfremde Mitarbeiter oder Subunternehmen beauftragt, die für ihren Untersuchungsaufwand von den Betreiberfirmen direkt vergütet werden? Zu Frage 6: Je nach relevanter Fragestellung können in bestimmten Fällen ministeriumsfremde Mitarbeiter oder Subunternehmen beauftragt werden, so beispielweise im Rahmen der behördlich angeordneten ökologischen Baubegleitung, deren Aufgabe es ist, für einen bestimmten Zeitraum die Umsetzung von Schutz-, Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen zu überwachen. Durch den Genehmigungsinhaber sind in der Regel folgende Punkte zu beauftragen bzw. sicherzustellen: - Tätigkeiten mit Aufgaben im Bereich eines festgesetzten Monitorings - Dokumentation der Landnutzung/Fruchtfolge unter und im Umfeld von Windenergieanlagen . - Kontrolle der Einhaltung der Informationspflichten von Dritten an den Betreiber - Weiterleitung der Berichte und Daten an die Naturschutzbehörde Die vorgelegten Berichte, Daten und Informationen werden von den Naturschutzbehörden geprüft und bei Verstößen geahndet.