LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/2124 (15/1323) 01.04.2017 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Jasmin Freigang (PIRATEN) betr.: Folgen der Zeitumstellung Vorbemerkung der Fragestellerin: „Die Sommerzeit wurde in der Bundesrepublik letztmalig 1980 eingeführt und ist seitdem in Deutschland gültig. Gründe für die Einführung waren zum einen die Anpassung bei der Zeitumstellung an die westlichen Nachbarländern, zum anderen energiepolitische Gründe als Reaktion auf die Ölkrise von 1973. Man versprach sich von der Zeitumstellung signifikante Energieeinsparungen . Jedes Jahr, insbesondere wenn die Umstellung von der Winter- auf die Sommerzeit erfolgt, fachen erneut die Diskussionen an, man möge die Zeitumstellung doch wieder abschaffen. Zur Begründung werden u.a. diverse Beispiele aufgeführt, weswegen die Zeitumstellung schlecht für uns und unseren Organismus ist. So verschlief beispielsweise der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer im April 2014 eine Telefonkonferenz mit der Bundeskanzlerin, weil er vergessen hatte, seinen Wecker auf Sommerzeit umzustellen. In Freiburg hatten vor einigen Jahren die Geschwindigkeitsmessstationen nicht pünktlich von Sommerzeit auf Normalzeit umgestellt. Dort galt in einigen Straßen von 22 bis 6 Uhr eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h statt der sonst erlaubten 50 km/h. Durch die nicht durchgeführte Zeitumstellung lösten die Messgeräte fälschlicherweise schon ab 21 Uhr bei einer Geschwindigkeit von mehr als 30 km/h aus, so dass Autofahrer reihenweise Opfer des technischen Fehlers wurden. Auch aus Energiesparsicht macht die Zeitumstellung offenbar keinen Sinn, denn signifikante Änderungen im Energieverbrauch habe es nach Kenntnis der Bundesregierung aus der Umstellung nicht ergeben, wie das zuständige Bundesministerium mitteilen ließ.“ Ausgegeben: 01.04.2017 (01.04.2015) Drucksache 15/2124 (15/1323) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung der Landesregierung: Als im Jahre 1978 die Einführung der Sommerzeit beschlossen wurde, was dann im Jahre 1980 umgesetzt wurde, war dies damals keineswegs unumstritten. Der Erwartung von Energieeinsparungen standen von vornherein auch Argumente entgegen, wie sie bis heute vorgebracht werden. Zum einen, so die Kritiker, würden durch verpasste Uhrumstellungen terminliche Turbulenzen entstehen, die die Arbeitsabläufe in Behörden und Betrieben beeinträchtigten. Zum andern wären die Auswirkungen auf den Biorhythmus der Menschen kaum absehbar. Da aber zahlreiche andere europäische Staaten die Sommerzeit damals schon längst eingeführt hatten und andere dies zu tun beabsichtigten, schob der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt die Bedenken mit der Bemerkung beiseite: „Wir brauchen eine europäische Lösung“. Den zahlreichen von Journalisten auf einer Pressekonferenz vorgebrachten Einwänden entgegnete er lapidar: „Wir schaffen das!“ Heute wissen wir zwar, dass sich die hochgesteckten Erwartungen beträchtlicher Energieeinsparungen nicht erfüllt haben. Allerdings sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Beibehaltung der Sommerzeit einen unbestreitbaren Vorteil. Seit jenem April 2014, in dem Ministerpräsident Seehofer aufgrund einer versäumten Uhrumstellung eine Telefonkonferenz mit der Bundeskanzlerin verpasste, vereinbart sie solche Gesprächstermine mit dem bayrischen Regierungschef grundsätzlich auf den ersten Tag nach der Zeitumstellung. Somit verdankt sich die mittlerweile reibungslose Zusammenarbeit der Berliner Koalitionspartner maßgeblich der Zeitumstellung in Frühjahr und Herbst – ein unbestreitbarer Gewinn für die Stabilität des bundesdeutschen Politikbetriebes. Wie möchte die Landesregierung verhindern, dass durch die Zeitumstellung ein Raum-Zeit-Kontinuum entsteht, also sich Raum und Zeit in einer einheitlichen vierdimensionalen Struktur vereinigen ? Zu Frage 1: Die Landesregierung möchte nicht verhindern, dass durch die Zeitumstellung ein Raum-Zeit-Kontinuum entsteht. Sie kann dies nämlich gar nicht verhindern, denn im „Land der kurzen Wege“ ist dieses Raum-Zeit-Kontinuum in einer einheitlichen vierdimensionalen Struktur längst vorhanden. Aus diesem Grund bedurfte es zur Verifizierung der Einstein‘schen Relativitätstheorie eigentlich auch nicht des im vergangenen Jahr erbrachten Nachweises der Existenz von Gravitationswellen. Ein Blick in die administrative Wirklichkeit des Saarlandes hätte genügt, um sicher festzustellen: In den Amtsstuben wird der Raum zur Zeit, und beides beschleunigt sich exponentiell mit Herannahen des Feierabends. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass alle Kirchen im Saarland jeweils rechtzeitig ihre Kirchturmuhren von Sommer- auf Winterzeit und von Winter- auf Sommerzeit umstellen, so dass verhindert werden kann, dass die Bevölkerung durch eine falsche Anzahl von Glockenschlägen verwirrt und deren Biorhythmus gestört wird? Drucksache 15/2124 (15/1323) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Zu Frage 2: Die Landesregierung muss und will dies nicht sicherstellen. Ebenso wie „Einheitlichkeit “ in vielen anderen Lebensbereichen (Kleidung, Lebensstil, sonntäglicher Kirchgang , „Um zwölf wird gess!“, „Geh gefälligst in die Fuhr!“ etc.) heute einer bunten Vielfalt gewichen ist, begrüßt die Landesregierung, dass auch das von den Kirchtürmen vorgehaltene Angebot an Zeitmanagement-Systemen im Sinne des modernen diversity -Konzepts gestaltet ist. Sollten sich bei einzelnen Bürgerinnen und Bürgern innere Abwehraffekte gegen dieses diversity-Konzept in Form von biorhythmischen Turbulenzen bemerkbar machen, so empfiehlt die Landesregierung entsprechende homöopathische Therapiemaßnahmen wie beispielsweise die Einnahme von dreimal täglich fünf Kalium-Phosphoricum-Globuli in der Potenz D12 gegen Müdigkeit, Schwächegefühl, nervösen Magen und Kopfschmerzen. Wie hoch sind die Kosten, die dem Saarland durch die Abstellung saarländischer Beamtinnen und Beamten sowie von Angestellten im Öffentlichen Dienst entstehen, um zweimal jährlich alle Uhren in öffentlichen Gebäuden von Sommer- auf Winterzeit und von Winter- auf Sommerzeit umzustellen ? - Wie viele saarländische Beamtinnen und Beamten sowie Angestellte im Öffentlichen Dienst werden hierfür befristet ein- bzw. eigens für diese Tätigkeit abgestellt und von ihren sonstigen Aufgaben entbunden? Zu Frage 3: Durch das Umstellen der Uhren entstehen keine zusätzliche Kosten, da die Uhren in öffentlichen Gebäuden erstens sowieso immer anders gehen und zweitens nach der europäischen Brandschutzverordnung aus dem Jahre 2010 ohnehin zweimal jährlich auf eventuelle kurzschlussauslösende Wackelkontakte überprüft werden müssen. Bei der dabei vorzunehmenden Unterbrechung des Stromkreislaufs müssen die Uhren auch ohne Sommerzeit-/Winterzeitumstellung neu eingestellt werden. Spiegelstrich: Eigens ab- oder eingestellt werden hierzu keinerlei Beamte, Beamtinnen oder Angestellte , da dieser Aufgabenbereich standardmäßig zum Aufgabenprofil aller Zeit- und Teilzeitbeschäftigten gehört, wie der Name schon sagt. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass die durch die Zeitumstellung fälschlich ausgewiesenen Zeitkonten im polizeilichen Nachtdienst in den Nächten der Zeitumstellung falsche Arbeitsstunden ausweisen? Drucksache 15/2124 (15/1323) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - - Wie wird sichergestellt, dass durch die Zeitumstellung entstandene Über- und Fehlstunden zeitnah wieder ausgeglichen werden, um Überlastungs- bzw. Unterforderungssituationen bei saarländischen Polizistinnen oder Polizisten zu verhindern? Zu Frage 4: Die Landesregierung stellt dies nicht sicher, denn dies geschieht aus der Logik der Sache heraus automatisch. Spiegelstrich: Dies wird dadurch sichergestellt, dass für die Nacht der Zeitumstellung im Oktober dieselben Beamten zum Dienst eingeteilt werden wie für die Nacht der Zeitumstellung im März. Dadurch wird ein natürlicher Ausgleich hergestellt. Dies hat zusätzlich den Vorteil, dass für den letzten Sonntag im Oktober der Dienstplan vom letzten Sonntag im März verwendet werden kann, was über die Jahre zu einer enormen Papiereinsparung führt. Wie beurteilt die Landesregierung den Vorschlag, statt digitaler und Strom verbrauchender Uhren wieder Sand- oder Sonnenuhren einzusetzen, um damit die Energiekosten in öffentlichen Gebäuden erheblich zu senken? Zu Frage 5: Sonnenuhren sind in der Landesverwaltung nicht praktikabel, da konsequenterweise daran dann auch die Zeiterfassung für die Beschäftigten gekoppelt werden müsste. Nach dem altrömischen Grundsatz „horas non numero nisi serenas“ zählen Sonnenuhren allerdings nur die heiteren Stunden. Da diese in der Landesverwaltung bekanntermaßen selten sind, würde die elektronische Dienstzeiterfassung nur einen Bruchteil der realen Arbeitszeit registrieren. Die Folge wären Massenklagen von Seiten der Beschäftigten und Beamten mit horrenden Prozesskosten für die Landesregierung. Gegen den Einsatz von Sanduhren ist hingegen grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings müsste man hierzu den neuen Ausbildungsberuf des „Uhrendrehers“ schaffen, was aber angesichts des im Saarland ohnehin schon stark ausdifferenzierten Dreher- Gewerbes (Schraubendreher, Däumchendreher, Rundendreher, Lockendreher, Knöppdreher) kaum ein Problem darstellen dürfte. Plant die Landesregierung, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass zusätzlich noch eine Frühlings- und Herbstzeit eingeführt wird, um eine Diskriminierung der verbleibenden beiden Jahreszeiten in Zukunft wirksam verhindern zu können? Drucksache 15/2124 (15/1323) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Zu Frage 6: Zur Beseitigung der strukturellen Diskriminierung von Frühling und Herbst angesichts des exkludierenden Winter-Sommerzeit-Dualismus wurde im Frühling 2015 mit Kabinettsbeschluss vom 14.04.2015 die Einsetzung einer ressortübergreifenden Regierungskommission „Saisonale Diskriminierung“ festgelegt, welche dann ab Herbst 2014 tagte. (Ja, Sie lesen richtig: Kabinettsbeschluss 2015, Beginn der Kommission 2014. Verweis auf die Antwort auf Frage 1: In der vierdimensionalen Raumzeit der saarländischen Landesverwaltung ist es durchaus möglich, dass Dinge vollzogen werden, lange bevor sie beschlossen sind. Voraussetzung ist nur, dass die betreffenden Beschäftigten vom Körperumfang her in die oftmals recht schmalen Wurmlöcher passen.) Das Ergebnis der Kommission gipfelt in der Empfehlung, die Sommer-/Winterzeit in ihrer Substanz so zu belassen und auf eine zusätzliche Frühlings- und Herbstzeit zu verzichten . Die Diskriminierung läge nämlich nicht in der Zeitumstellung an sich, sondern vielmehr im für die Befindlichkeit von Frühling und Herbst wenig sensiblen Sprachgebrauch . Aus diesem Grund lautet der Vorschlag der Kommission, eine semantische Novellierung dahingehend vorzunehmen, dass künftig die „Winterzeit“ in „Hinterzeit“ (Zusammenziehung von Herbst und Winter) und die „Sommerzeit“ in „Frommerzeit“ (Zusammenziehung von Frühling und Sommer) umbenannt wird. Die Landesregierung ist geneigt, diesem Vorschlag der Kommission zu folgen. Wie viele Termine wurden im Zeitraum 2009 bis 2014 seitens der Landesregierung in den Folgetagen der Zeitumstellung verpasst, weil sich Beamtinnen und Beamte, Angestellte im Öffentlichen Dienst oder saarländische Ministerinnen und Minister noch nicht an die jeweilige Zeitumstellung gewöhnt oder vergessen haben, ihre Uhren rechtzeitig umzustellen? - Welche Kosten sind den saarländischen Gebietskörperschaften hierdurch insgesamt entstanden ? (Bitte nach Jahr, Kosten und Gebietskörperschaft einzeln aufschlüsseln.) Zu Frage 7: In diesem Zeitraum wurden keine Termine verpasst. Dies war bei der Wiedereinführung der Sommerzeit im Jahre 1980 zwar durchaus der Fall, was aber leider nicht dokumentiert ist. In ihrer allgemeinen Verwirrung haben die Betreffenden nämlich gleichzeitig vergessen, die Versäumnisse schriftlich festzuhalten. Mit der Zeit ist die Zahl der verpassten Termine allerdings zügig zurückgegangen. Aufgrund des unkoordinierten Glockengeläutes in den Stunden unmittelbar nach der Zeitumstellung hat bei den Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes bereits nach wenigen Jahren ein Konditionierungseffekt im Sinne des Pawlow‘schen Reflexes dahingehend eingesetzt, dass die Betroffenen bei Ertönen dieses typischen Glockenklangs immer sofort ihre Uhren umstellten . Diese Tatsache erregte die Aufmerksamkeit der Professoren Doum d’Epp und Claas vant Rottel vom Humangenetischen Institut der Universität Göttingen. Ein eigens dafür eingerichtetes Forschungsprojekt mit saarländischen Beamten als Probanden ergab, dass sich dieser Reflex anhand epigenetischer Modifikationen bereits in die DNA-Sequenz der Beamten einkodiert hatte. Im Klartext heißt das: Das Umstellen der Uhren ist Teil des genetischen Programms geworden, das sich aufgrund eines dominant -rezessiven Erbganges mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf deren leibliche Nachkommen übertragen wird. Dies gilt für Ministerinnen und Minister freilich nur dann, wenn sie einige Jahre zuvor im Öffentlichen Dienst beschäftigt waren. Drucksache 15/2124 (15/1323) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Für den Rest bleibt festzuhalten: Hier ist die Zahl der verpassten oder verspäteten Termine auch ohne Zeitumstellung so hoch, dass die Registrierung der aufgrund der Zeitumstellung verpassten Termine nach der Logik des Turgot’schen Gesetzes vom abnehmenden Grenzertrag und gemäß LHO § 7 Abs. 1 den Aufwand nicht rechtfertigen würde. Spiegelstrich: Entfällt. Wie viele Computer in saarländischen Behörden zeigen systemweit die falsche Uhrzeit an, weil sie nicht regelmäßig gewartet werden bzw. seit Jahren keine neuen Systemupdates mehr installiert wurden? Zu Frage 8: Bei den Computern in saarländischen Behörden sind die Zeitabweichungen in der Tat sehr häufig und zum Teil sogar beträchtlich. Dennoch kann nicht von „falschen Uhrzeiten “ gesprochen werden, zumal im Raum-Zeit-Kontinuum die Zeit mit der Größe des Raums, sprich des Büros, korreliert. Aber auch hier sieht die Landesregierung die bunte Vielfalt im Sinne eines potenzialorientierten Ansatzes als Bereicherung und vor allem als gerechtigkeitsfördernd an. Aufgrund der Raumzeit verläuft die Zeit für Mitarbeiter in engen, muffigen Büros schneller als für diejenigen in großen, geräumigen Büroräumen , sodass erstere als Ausgleich früher nach Hause gehen können. Im Gegenzug gilt: Je großzügiger das Büro, desto länger muss auch gearbeitet werden.