LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/29 (15/5) 29.05.2012 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Peter (B90/Grüne) betr.: Grundsteuerbemessung und Gemeindefinanzen Vorbemerkung der Fragestellerin: „Die aktuelle Erhebung der Grundsteuer ist verfassungsrechtlich umstritten. Es bestehen Zweifel, ob die Bemessung der Grundsteuer auf der Grundlage von Einheitswerten, die im Jahr 1935 (Ost) bzw. 1964 (West) festgelegt wurden, dem Grundsatz der Gleichheit entspricht. Die Art der Festsetzung führt dazu, dass große Abweichungen von den realen Werten der Grundstücke vorliegen. Auch der Bundesfinanzhof hat im Jahr 2010 Zweifel am jetzigen System für begründet erachtet. Ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht zur Grundsteuerbemessung ist anhängig. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken wurden mediale Aufrufe gestartet, bei den Finanzämtern Anträge auf Aufhebung des Einheitswerts zu stellen, um im Fall eines negativen Urteils des Bundesverfassungsgerichts die gezahlte, nicht verfassungsgemäße Grundsteuer zurückzuerhalten . Eine Reform der Grundsteuerbemessung, die die vorliegenden Wertabweichungen mindert, würde nicht nur einen möglicherweise verfassungswidrigen Zustand beseitigen, sondern würde unter Umständen Mehreinnahmen für die Kommunen mit sich bringen und damit einen Beitrag zur Konsolidierung der Gemeindefinanzen leisten können.“ Ausgegeben: 29.05.2012 (09.05.2012) Drucksache 15/29 (15/5) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Wie beurteilt die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Ausgestaltung der Grundlage zur Bemessung der Grundsteuer? Zu Frage 1: Der Bundesfinanzhof hat in seinen Urteilen vom 30.06.2010 (Az. II R 60/08 und II R 12/09) entschieden, dass die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundvermögens jedenfalls für Stichtage bis zum 01.01.2007 noch verfassungsgemäß sind. Für Stichtage nach dem 01.01.2007 äußert er Zweifel hinsichtlich der Beachtung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 GG. Diese Urteile haben indes keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen, da nur das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen feststellen kann. Einheitswertfeststellungen sind daher auch weiterhin unverändert auf alle Stichtage durchzuführen. Die Landesregierung sieht sich außerstande , eine Einschätzung hinsichtlich des Zeitpunktes und des Ausgangs des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht abzugeben. Welche Initiativen unternimmt die Landesregierung , um eine Reform der Grundsteuerbemessung herbeizuführen? Zu Frage 2: Das für die Grundsteuer zuständige Fachreferat des Ministeriums für Finanzen und Europa ist Mitglied in einer von der Finanzministerkonferenz am 28.01.2010 eingesetzten länderoffenen Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesministeriums der Finanzen. Diese Arbeitsgruppe hat den Auftrag, die Ansätze zur Reform der Grundsteuer zu bewerten; die Finanzminister behalten sich eine abschließende Festlegung vor. Derzeit werden die drei in der Diskussion befindlichen Reformmodelle bundesweit vom Statistischen Bundesamt hinsichtlich ihrer Aufkommenswirkung verprobt. Welche Ausgestaltung der Grundsteuerbemessung hält die Landesregierung für angemessen, wenn sie hierbei die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Erbschaftsteuer aus dem Jahr 2006 gestellten Anforderungen berücksichtigt , insbesondere, dass die Grundstücksbewertung so gestaltet werden soll, dass sie die Werte der Grundstücke „in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet“ ? Zu Frage 3: Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung mit Blick auf die unterschiedlichen Wertansätze bei der Bewertung von Kapitalvermögen einerseits und Immobilienvermögen andererseits und die daraus resultierenden stark abweichenden Belastungen mit Erbschaftsteuer gefordert, dass die künftigen Grundstückswerte realitätsgerecht abzubilden sind. Auf die Grundsteuer ist diese Entscheidung nicht unmittelbar zu übertragen, da eine realitätsgerechte Abbildung der Grundstückswerte für Zwecke der Grundsteuer nicht zwingend geboten ist. Drucksache 15/29 (15/5) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Wie beurteilt die Landesregierung die Machbarkeit einer am Verkehrswert orientierten Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, wenn sie hierbei die heute vorhandenen technischen Möglichkeiten einer automatisierten Bewertung sowie die infolge der Novellierung des Baugesetzbuches durch das Erbschaftsteuerreformgesetz eintretende flächendeckend ausreichende Datenmenge berücksichtigt ? Zu Frage 4: Aus Sicht der Landesregierung ist eine am Verkehrswert orientierte Bemessungsgrundlage für Zwecke der Grundsteuer machbar. Allein auf Grund der derzeit vorhandenen technischen Möglichkeiten ist eine automatisierte Bewertung jedoch nicht durchführbar . Das dieser Fragestellung zu Grunde liegende sogenannte Verkehrswertmodell ist im Übrigen auch Gegenstand der Beratungen und Bewertungen der in der Antwort zu Frage 2 angesprochenen Arbeitsgruppe. Wie hoch schätzt die Landesregierung die Einnahmewirkungen für die Kommunen, die sich infolge der Beseitigung der bestehenden Wertabweichungen ergeben würden? Zu Frage 5: Der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ist noch völlig offen. Außerdem ist die Entscheidung, welches Reformmodell künftig angewendet werden soll, noch nicht getroffen; die Verprobungen laufen noch. Insoweit ist eine Aussage zu Einnahmewirkungen für die Kommunen nicht möglich. Wie viele Anträge auf Aufhebung des Einheitswerts wurden im Saarland gestellt und wie wurde auf diese reagiert? Zu Frage 6: Die Berichterstattung in den Medien hat dazu geführt, dass bei den für die Grundstücksbewertung zuständigen saarländischen Finanzämtern rd. 3200 (Stand Januar 2012) Einsprüche bzw. Anträge auf Aufhebung/Änderung der Einheitswerte eingegangen sind. Die Landesregierung hat sich dafür eingesetzt, dass bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein vollumfänglicher Vorläufigkeitsvermerk in künftige Einheitswert- und Grundsteuermessbescheide aufgenommen wird. Welche Summe an geleisteter Grundsteuer müsste bei einem negativen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückerstattet werden und wer würde dies tun? Drucksache 15/29 (15/5) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Zu Frage 7: Die Summe geleisteter Zahlungen, die im Falle einer negativen Entscheidung zu erstatten wäre, kann ohne zeit- und personalintensive Recherchen der Landesfinanzverwaltung und der Kommunen nicht beziffert werden. Für die Erstattung der Grundsteuer wären die hebeberechtigten Gemeinden zuständig. Es ist im Übrigen kaum anzunehmen , dass das Bundesverfassungsgericht im Falle einer die Steuergläubiger belastenden Entscheidung angesichts der haushaltsmäßigen Tragweite einerseits und der erkennbaren Bemühungen der Finanzministerkonferenz um eine Reform der Grundsteuer andererseits keine Übergangsfrist gewähren würde. betr.: Grundsteuerbemessung und Gemeindefinanzen