LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/422 (15/227) 15.04.2013 A N T W O R T zu der Anfrage der Abgeordneten Dr. Simone Peter (B90/Grüne) betr.: den Zustand der Abwasserkanäle im Saarland Vorbemerkung der Fragestellerin: „Der Zusammenbruch eines Abwasserkanals in der Saarlouiser Altstadt hat die Diskussion um den Zustand der Abwasserkanäle im Saarland in den Blickpunkt gerückt. Nach Aussagen des Geschäftsführers des EVS, Karl-Heinz Ecker, und des Präsidenten des Städte- und Gemeindetages gibt es einen erheblichen Sanierungsbedarf bei den Kanälen des EVS und der Gemeinden.“ Welche Länge hat das aktuelle Kanalnetz im Saarland bei Kommunen und EVS und welchen Wert haben diese Netze? Wie hoch ist der Anteil dringend sanierungsbedürftiger Kanäle? Auf welcher Basis beruhen die Schätzungen des Sanierungsbedarfs ? Zu Frage 1: Die Länge der öffentlichen Abwasserkanäle im Saarland beträgt aktuell rd. 8.020 Kilometer . Hierin enthalten sind auch die Hauptsammler des EVS mit einer Länge von insgesamt rd. 1.059 Kilometer. Nicht enthalten sind die Grundstücksanschlusskanäle sowie die dort zugeordneten Grundleitungen. Die historischen Anschaffungs-/Herstellungskosten der Kanalnetze der Kommunen und des EVS belaufen sich auf rd. 3,1 Mrd. Euro. Die zum 31.12.2012 fortgeschriebenen Buchwerte betragen rd. 2,1 Mrd. Euro. Dringend sanierungsbedürftig sind Kanäle, die einen Buchwert im Umfang von 380 Mio. Euro ausweisen (rd. 18,1% des Gesamtbuchwertes ). Ausgegeben: 15.04.2013 (20.11.2012) Drucksache 15/422 (15/227) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Die Angaben basieren auf einer Umfrage des Landesverwaltungsamtes als Kommunalaufsichtsbehörde bei 52 Gemeinden und Abwasserzweckverbänden im Zeitraum Januar und Februar 2013 und auf Daten des EVS. Auf die Umfrage geantwortet haben insgesamt 43 Gemeinden und Verbände. Die Repräsentanz der Umfrage umfasst etwa 70% der Kanalbenutzer, ca. 67% der Abwassermenge und ca. 73% der Länge der Ortskanalisationen (ohne EVS). Die Daten der Gemeinden und Zweckverbände, die keine Angaben gemacht haben wurden hochgerechnet und im Rahmen der Gesamtbetrachtung entsprechend berücksichtigt. Die Schätzungen des Sanierungsbedarfes beim EVS basieren auf einer dort vorhandenen Sanierungsstrategie. Auf dieser Basis ergeben sich aktuell ca. 100 Kilometer Hauptsammler, die in den nächsten 10 Jahren vorrangig zu sanieren sind. Der Finanzbedarf hierzu liegt bei ca. 150 Mio. € bzw. bei durchschnittlich ca. 15 Mio. € pro Jahr. Sind die derzeitigen Anstrengungen von EVS und Kommunen ausreichend, um das Kanalsystem funktionsfähig zu halten? Zu Frage 2: Die saarländischen Kanalsysteme sind insgesamt gesehen offenkundig funktionsfähig. Systemische Störungen, die etwa auf flächenhafte marode Kanalsysteme hindeuten würden, sind der Landesregierung nicht bekannt. Zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit sind insofern die Anstrengungen von EVS und Gemeinden ausreichend. In einigen anderen Bundesländern gibt es eine „Eigenkontrollverordnung Kanal“, nach der regelmäßig der Sanierungsbedarf zu ermitteln, die Prioritäten der Sanierungen festzulegen und die Sanierungsfortschritte zu dokumentieren sind. Gibt es eine solche Vorschrift im Saarland? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 3: Im Saarland gibt es eine „Eigenkontrollverordnung Kanal“ derzeit nicht. Im Saarland wurde im Jahre 1994 die Eigenkontrollverordnung für die Abwasserbehandlungsanlagen (sog. besonders bedeutsame Abwasseranlagen) ein-geführt. Davor wurde im Jahre 1989 die Erstellung und Fortführung eines Abwasserkatasters wassergesetzlich vorgeschrieben. Darin enthalten sind auch ein Kanalkataster, ein sog. Indirekteinleiterkataster sowie die Zustandserfassung der Kanäle. Ein zusätzliches Reglement zur Eigenkontrolle der Kanäle wurde seinerzeit nicht für erforderlich gehalten. Veranlasst durch die Neufassung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) (§§ 60,61 u. 23) ist nunmehr auch eine Selbstüberwachung für alle Abwasseranlagen bundesrechtlich vorgeschrieben und somit auch für öffentliche Kanäle und Leitungen. Soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Verordnungsermächtigung in § 61 Abs. 3 WHG keinen Gebrauch macht, gelten die Länderverordnungen – soweit vorhanden - weiter. Drucksache 15/422 (15/227) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die Einführung einer solchen Eigenkontrollverordnung (EKVO) für öffentliche Kanäle und Leitungen ist im Saarland vorgesehen; sie befindet sich derzeit in der fachlichen Vorbereitung. Mit zunehmender Gewässerentwicklung und zunehmender Verbesserung der Gewässergüte ergeben sich auch steigende Anforderungen an den Betrieb von Abwasseranlagen, die in einer solchen Eigenkontrollverordnung – weitgehend vereinheitlicht- berücksichtigt werden können. Wie hoch ist der jährliche Finanzbedarf bei EVS und Kommunen für die Kanalsanierung und wie wird sich dieser Finanzbedarf bis 2030 vermutlich entwickeln? Welchen Einfluss hat dies vor dem Hintergrund des demografischen Wandels auf die zu erwartenden Abwassergebühren? Zu Frage 4: Der Finanzbedarf bei EVS, Gemeinden und Abwasserzweckverbänden für die Kanalsanierung beträgt gemäß Ergebnis der o.g. Umfrage im Jahr 2012 ca. 75 Mio. € oder rd. 9.300 € je Kilometer Kanallänge im Landesdurchschnitt. Der Investitions- und Sanierungsbedarf unterliegt der Preissteigerung. Legt man den Baupreisindex für Ortskanäle der letzten 20 Jahre auch für die kommenden 20 Jahre zu Grunde, so würde der spezifische Investitionsbedarf von derzeit ca. 9.300 € pro km und Jahr auf künftig rd. 11.600 € pro km und Jahr anwachsen. Der jährliche Finanzbedarf würde sich demnach von etwa 75 Mio. € im Jahr 2012 auf etwa 94 Mio. € im Jahr 2030 erhöhen. Bei Betrachtung der demographischen Entwicklung und der daraus resultierenden Wirkungen auf die Abwassergebühren ist zu erwarten, dass praktisch die gleichen Kosten der Abwasserbeseitigung von einer dann geringeren Bevölkerung getragen werden müssen; die durchschnittliche Pro-Kopf-Belastung pro Jahr steigt in dem Maße wie die Bevölkerungszahl abnimmt. Wie hoch sind die Abwassergebühren bei EVS und Kommunen derzeit und wie haben sich diese im Zeitraum 2005 – 2012 unter Berücksichtigung der gesplitteten Gebühr entwickelt? Welche Einnahmen haben sich daraus für EVS und Kommunen ergeben und waren diese nach KAG auskömmlich , um auch den Investitions- und Sanierungsbedarf im Kanalbereich zu decken? Wenn nein, beim EVS und bei welchen Kommunen? Zu Frage 5: Höhe der Gebühren/ Beiträge und Einnahmen Beitrag/ Gebühren 2005 2012 EVS-Beitrag 2,245 €/m3 3,054 €/m3 Einnahmen aus EVS-Beitrag 112 Mio. € 139 Mio. € (Gesamt-) Abwassergebühr 3,290 €/ m3 4,450 €/m3 Einnahmen aus (Gesamt-) Abwassergebühren 163 Mio. € 206Mio. € Frischwasserbezugsmenge in Mio. m3 / Jahr 49,806 45,545 Drucksache 15/422 (15/227) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Hinweis: Bei der vorstehenden (Gesamt-) Abwassergebühr handelt es sich um eine landesdurchschnittliche gewichtete Abwassergebühr, in der Schmutzwassergebühren, Niederschlagswassergebühren, Grundgebühren sowie der einheitliche EVS-Beitrag eingerechnet sind. Einnahmen im o.g. Sinne sind das Gebührenvolumen der Gemeinden und Abwasserzweckverbände bzw. das Beitragsvolumen beim EVS. Die gesetzlichen Grundlagen zur Berechnung der Beiträge und Gebühren des EVS, der Gemeinden und der Abwasserzweckverbände bilden § 6 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG) sowie die Spezialvorschriften des § 50 a Abs. 5 Saarländisches Wassergesetz (SWG) und der §§ 14 und 15 des Gesetzes über den Entsorgungsverband Saar (EVSG). Die letztgenannten Bestimmungen, die mit Übergangsregelungen für den EVS seit 1998 und für die Gemeinden und Abwasserzweckverbände seit dem Jahr 2000 gelten, modifizieren die Kalkulationsgrundsätze des § 6 Abs. 2 KAG für die Abwasserentsorgung dahingehend, dass Abschreibungen nur auf der Basis von Anschaffungs - und Herstellungskosten und Zinsen nur auf das Fremdkapital als Kosten ansatzfähig sind. Dass diese Kalkulationsgrundlagen die Erwirtschaftung von Eigenkapital nicht mehr zulassen und somit Investitionen nur noch über Fremdkapital (Kreditaufnahmen ) zu finanzieren sind, ist Folge der seinerzeitigen Novellierung der für die Abwasserentsorgung maßgebenden gesetzlichen Grundlagen. Angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben erachten nach eigener Einschätzung die folgenden 23 Städte, Gemeinden und Abwasserzweckverbände die erzielten Einnahmen nicht mehr für ausreichend, um den anstehenden Investitions- und Sanierungsbedarf zu finanzieren: Bexbach, Blieskastel, Bous, Dillingen, Ensdorf, Gersheim, Großrosseln , Homburg, Abwasserzweckverband Illtal, Marpingen, Neunkirchen, Nohfelden, Oberthal, Perl, Schwalbach, Spiesen-Elversberg, Sulzbach, St. Ingbert, Abwasserzweckverband Überherrn, Tholey, Wadern, Wadgassen, Wallerfangen. Unter anderem wird auch darauf verwiesen, dass zunehmend der Einsatz von Fremdkapital zur Finanzierung erforderlich ist. 20 Gemeinden und Abwasserzweckverbände halten die erzielten Einnahmen für auskömmlich.