LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/516 (15/462) 07.06.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Rolf Linsler (DIE LINKE.) betr.: Einsparungen im Bereich der Justiz Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Koalition von SPD und CDU hat seit ihrem Bestehen mehrfach angekündigt, in den nächsten Jahren rund 2.400 Stellen in der Landesverwaltung zu streichen. Konkrete Aussagen, wo genau und in welchem Ausmaß der Stellenabbau in den einzelnen Bereichen stattfinden soll, blieb die Regierung bisher schuldig.“ Kann die Landesregierung bestätigen, dass geplant ist, in den nächsten Jahren im Saarland rund 200 Richterstellen zu streichen? Zu Frage 1: Nein, es ist nicht geplant, in den nächsten Jahren rund 200 Richterstellen – der aktuell insgesamt 267 Richterstellen – zu streichen. Im Rahmen der Projektstruktur „Zukunftssicheres Saarland 2020“ wird derzeit beraten, ob bzw. in welchem Umfang in welchen Bereichen Personal abgebaut wird. Zu diesem Zweck wurde für den Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften eine Arbeitsgruppe gegründet, der die Behördenleiter – mit Ausnahme der Direktorinnen und Direktoren der Amtsgerichte und der Direktorinnen und des Direktors der Arbeitsgerichte, die durch den Präsidenten des Landgerichts bzw. den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts vertreten werden –, Mitglieder des Hauptpersonalrates, des Hauptrichterrates, des Personalrats der Staatsanwaltschaft und des Personalrats des Ministeriums der Justiz sowie die Hauptschwerbehindertenvertreterin und die Frauenbeauftragte angehören . Unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe werden bis Ende des Jahres 2013 konkrete Personalentwicklungsplanungen mit Einsparvorschlägen vorgelegt. Ausgegeben: 07.06.2013 (06.05.2013) Drucksache 15/515 (15/462) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Wenn ja, Ist dieser Stellenabbau Teil des Abbaus von insgesamt 2.400 Stellen, den die Landesregierung angekündigt hat, und ist darüber hinaus bereits mit den Gewerkschaften gesprochen worden ? Zu Frage 2: Siehe Antwort zu Frage 1. Kann die Landesregierung bestätigen, dass derzeit viele Ordnungswidrigkeiten gar nicht weiter verfolgt werden, weil Personal – vor allem Richter – fehlt und keine ausreichenden Kapazitäten frei sind, bis zur Verjährungsfrist von drei bzw. sechs Monaten zu handeln? Zu Frage 3: Nein, es kann nicht bestätigt werden, dass derzeit viele Ordnungswidrigkeiten aufgrund fehlenden Personals oder mangels ausreichender Kapazitäten verjähren. Zu unterscheiden ist zwischen Erkenntnisverfahren (nach einem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid) und Vollstreckungsverfahren (insbesondere das Erzwingungshaftverfahren ). Da für keines der beiden Verfahren Statistiken über den Grund der Einstellung (wie etwa die Verjährung) geführt werden, kann die Frage nur aus der Praxis beurteilt werden. Zu diesem Zweck wurde das Amtsgericht Saarbrücken – als größtes saarländisches Amtsgericht – um eine Stellungnahme gebeten. Diese hat Folgendes ergeben: 1. Erkenntnisverfahren Im Erkenntnisverfahren nach einem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid sind die Vorschriften über die Verfolgungsverjährung gemäß den §§ 31 bis 33 OWiG maßgeblich. Nach § 31 Abs. 2 OWiG gelten insoweit nach der Höhe des nach der verletzten Norm möglichen Bußgelds gestaffelte relative Verjährungsfristen von sechs Monaten bis zu drei Jahren. Lediglich im Verkehrsrecht gilt gemäß § 26 Abs. 3 StVG eine kurze Frist von drei Monaten, bevor ein Bußgeldbescheid erlassen oder öffentliche Klage erhoben wurde; danach beträgt auch diese Frist sechs Monate. Zu beachten ist allerdings, dass die relativen Fristen der Verfolgungsverjährung gemäß § 33 OWiG durch eine Vielzahl von Handlungen der Ausgangsbehörde (z.B. Anhörung), der Staatsanwaltschaft (z. B. Abgabe an die Verwaltungsbehörde , Vorlage bei Gericht) und des Gerichts (z. B. Bestimmung eines Termins) unterbrochen werden können. Die Fristen beginnen nach jeder Unterbrechung jeweils von neuem zu laufen (§ 33 Abs. 3 S. 1 OWiG). Für die Praxis spielt daher die sog. absolute Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 3 S. 2 OWiG die größere Rolle : Ihre Frist beträgt das Doppelte der jeweiligen relativen Frist, also bis zu sechs Jahre, mindestens jedoch zwei Jahre. Nach § 32 Abs. 2 OWiG ruht die Verjährung, wenn ein Urteil der ersten Instanz vorliegt. Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren können folglich keine Verjährung mehr begründen. Drucksache 15/515 (15/462) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Wegen diesen als angemessen zu bezeichnenden Fristen kommt es in der gerichtlichen Praxis höchst selten zum Eintritt der Verjährung. Nach Einschätzung der Präsidentin des Amtsgerichts Saarbrücken dürften sich solche Fälle im Promillebereich bewegen. 2. Vollstreckungsverfahren Im Vollstreckungsverfahren ist die Vollstreckungsverjährung nach § 34 OWiG relevant : Für verhängte Geldbußen bis 1000 € beträgt die Frist drei Jahre, für Geldbußen von mehr als 1000 € fünf Jahre – jeweils beginnend ab Rechtskraft. Richterinnen und Richter sind hier im Erzwingungshaftverfahren gemäß den §§ 96 ff. OWiG eingebunden. Auf Antrag der Behörde entscheiden sie über die Festsetzung von Haft zur Erzwingung von Zahlungen. Es handelt sich um ein Masseverfahren; allein durch das Amtsgericht Saarbrücken wird monatlich eine dreistellige Zahl an Anträgen beschieden. Im Vollstreckungsverfahren kommt es zwar häufiger als im Erkenntnisverfahren zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung, doch dürften nach Einschätzung der Präsidentin des Amtsgerichts Saarbrücken auch hier allenfalls 5 bis 10% aller Fälle betroffen sein. Auch im Vollstreckungsverfahren tritt die Verjährung vornehmlich aus Sachgründen ein, nicht aufgrund fehlenden Personals: Voraussetzung der Haft ist ein gescheiterter Vollstreckungsversuch. Das Gericht versucht also Schuldner, bei denen der Gerichtsvollzieher nichts pfänden konnte, zur Zahlung von Geldbeträgen zu bewegen. Verzögerungen treten dabei vor allem durch Umstände auf, die ganz grundsätzlich das Inkasso erschweren, d. h. durch angekündigte, aufgenommene und wieder abgebrochene Zahlungserleichterungen, durch Wohnungswechsel, durch schlechte Erreichbarkeiten für Zustellungen und durch schwer zu prüfende sachliche Einlassungen. Wird ein Antrag – wie oft – erst zwei Jahre nach Rechtskraft des Bußgeldbescheids gestellt, kann es aufgrund der genannten Fristen schnell zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung kommen. Wenn ja: Kann die Landesregierung die Summe von Strafzahlungen für Ordnungswidrigkeiten beziffern , die dem Land in den vergangenen Jahren dadurch verloren gegangen sind? Zu Frage 4: Mangels statistischer Daten ist eine solche Bezifferung nicht möglich. Da Verjährungen – wie zu Frage 3 dargestellt – typischerweise in Fällen zu verzeichnen sind, in denen vorherige Vollstreckungsversuche erfolglos waren, dürfte die Summe aber allenfalls marginal sein.