LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/532 (15/475) 17.06.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Andreas Augustin (PIRATEN) betr.: Anonymisiertes Bewerbungsverfahren Vorbemerkung des Fragestellers: „Nach wie vor haben bestimmte Bewerbergruppen auf dem Arbeitsmarkt nur eingeschränkte Chancen , da sie – teils unbewusst – wegen ihres Alters, Geschlechts, ihrer Herkunft oder einer Behinderung bei Personalverantwortlichen auf Vorbehalte stoßen. Mit anonymisierten Bewerbungsverfahren sollen solche vorschnellen Rückschlüsse aufgrund bestimmter persönlicher Merkmale der Bewerbenden vermieden werden. Durch die Anonymisierung wird die Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern in den Mittelpunkt gestellt und eine objektive Auswahl gesichert. Da den Personalverantwortlichen im schriftlichen Bewerbungsverfahren keine Informationen über persönliche Merkmale, wie etwa Name der sich bewerbenden Person, Adresse, Geburtsdatum, deren Alter, Herkunft oder Familienstand und auch kein Foto zur Verfügung stehen, durch welches man ebenfalls Rückschlüsse auf sich bewerbende Personen ziehen kann, können sie sich bei der Auswahl der Stellenbewerber-/innen auf deren Qualifikation und Fähigkeiten konzentrieren. Eine Einladung zu einem Vorstellungs-gespräch kann dann vorrangig aufgrund der vorhandenen Qualifikation erfolgen. Auch internationale Studien und Praxiserfahrungen etwa in Frankreich, der Schweiz, Schweden und Belgien verweisen auf diesen positiven Effekt. Des Weiteren sind anonymisierte Bewerbungsverfahren ein praktikables und zielführendes Mittel, um das Allgemeine Geleichbehandlungsgesetz (AGG) durch konkrete Verfahrensregeln zu unterlegen und Verstöße gegen die Vorschriften dieses Gesetzes zu verhindern .“ Ausgegeben: 18.06.2013 (08.05.2013) Drucksache 15/532 (15/475) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung Landesregierung: Der vom Fragesteller dargelegte Hintergrund basiert auf der Unterstellung, dass bestimmte Bewerbergruppen bei Personalverantwortlichen wegen ihres Alters, Geschlechts , ihrer Herkunft oder einer Behinderung, wenn auch teils unbewusst, auf Vorbehalte stoßen und somit ihre tatsächliche Qualifikation eine untergeordnete Rolle in Bewerbungsverfahren spielt. Diese Unterstellung wird von der Landesregierung für ihren Zuständigkeitsbereich im Bereich des öffentlichen Dienstes zurückgewiesen, da durch das Allgemeine Gleichbehandlungs-gesetz (AGG) gerade diese Unterscheidungsmerkmale rechtlich verboten sind. In Bezug auf die Personalverantwortlichen im öffentlichen Dienst bedeutet diese Unterstellung, dass man ihnen, wenn auch nur unbewusst , Rechtsbruch unter-stellt. Auswahlentscheidungen werden im öffentlichen Dienst jedoch nach den vorher in den Stellenausschreibungen festgelegten Anforderungsprofilen gemäß Artikel 33 des Grundgesetzes nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung getroffen. Vertritt die Landesregierung ebenfalls die Auffassung , dass durch anonymisierte Bewerbungsverfahren eine Diskriminierung bei der Auswahl von Bewerbern vermieden werden kann? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 1: Es gibt derzeit keinerlei Hinweise, dass die Durchführung anonymisierter Bewerbungsverfahren im Saarland zu einer Verbesserung der Chancengleichheit in Bewerbungsverfahren führen könnte. a) Inwiefern können Kommunen als Arbeitgeber im Bereich des öffentlichen Dienstes bei der Ausgestaltung, Umsetzung und Durchführung des anonymisierten Bewerbungsverfahrens eingebunden werden. Zu Frage 1a: Die Gestaltung von Bewerbungsverfahren im kommunalen Bereich unterfällt als Teil der Personalhoheit der kommunalen Selbst-verwaltung, die verfassungsrechtlich in Artikel 28 Absatz 2 GG und Artikel 117 und 118 SVerf gewährleistet ist. In Selbstverwaltungsangelegenheiten sind die Gemeinden nach § 5 Absatz 4 Kommunalselbstverwaltungsgesetz nur an die Gesetze gebunden. Selbstverwaltung bedeutet in Bezug auf eine Einzelaufgabe, dass diese Angelegenheit „in eigener Verantwortung“ geregelt werden kann. Eigenverantwortlichkeit ist dabei gekennzeichnet durch die Freiheit der Gestaltung und die Freiheit von Weisungen bei der Wahrnehmung der Selbstverwaltungsangelegenheit . Das Wie der Aufgabenerfüllung ist – im Rahmen der Gesetze – Angelegenheit der Gemeinden. Vor diesem Hintergrund ist es den Kommunen unbenommen, in ihrem Bereich aufgrund eigenverantwortlicher Entscheidung anonymisierte Bewerbungsverfahren zu praktizieren. Für eine gesetzliche Verpflichtung, anonymisierte Bewerbungsverfahren durchzuführen , dürfte schon deshalb keine Notwendigkeit bestehen, weil Diskriminierungen bei der Bewerberauswahl im kommunalen Bereich bislang nicht bekannt geworden sind. Demgegenüber wird das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als ausreichend angesehen , Benachteiligungen bei der Bewerberauswahl zu verhindern. Drucksache 15/532 (15/475) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Plant die Landesregierung im Saarland ein eigenes Pilotprojekt zur Durchführung anonymisierter Bewerbungs-verfahren im öffentlichen Dienst? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 2: Nein. In den Verwaltungen verschiedener Bundesländer befinden sich derzeit Pilotprojekte zu der Thematik „anonymisierte Bewerbungsverfahren“ in Planung, Vorbereitung oder Durchführung. Belastbare Ergebnisse, die einen Kausalzusammenhang zwischen dem Instrument der anonymisierten Bewerbung und höheren Einstellungszahlen potentiell benachteiligter Gruppen, beispielsweise Migranten, nachweisen, konnten bislang nicht gewonnen werden. Insofern hält es die Landesregierung für sinnvoll, die Ergebnisse dieser laufenden Projekte und die Entwicklung in den Ländern, insbesondere auch mit Blick auf die zusätzlichen Kosten, abzuwarten. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse des Pilotprojektes „Anonymisierte Bewerbungsverfahren “ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ? a) Inwiefern können die dort festgestellten positiven Ergebnisse auf das Saarland übertragen werden? b) Welche Erkenntnisse kann die Landesregierung aus den Ergebnissen dieses Pilotprojektes hinsichtlich der Verhinderung von Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen/- teile bei der Arbeitssuche im Saarland ziehen? Zu Frage 3: Die Landesregierung bewertet die Durchführung des Pilotprojektes im Sinne einer Erstinitiative für den Bereich Deutschlands durchaus positiv. In Anbetracht des Erhebungszeitraums von nur 12 Monaten und des untersuchten Organisationsbereichs , der neben vier global tätig Großkonzernen und einem mittelständischen Unternehmen lediglich drei Dienststellen innerhalb der öffentlichen Verwaltung umfasste, können die Ergebnisse allerdings für den Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht als repräsentativ betrachtet werden. Durch welche Instrumente unabhängig von der Durchführung anonymisierter Bewerbungsverfahren sichert die Landesregierung bislang schon das Erreichen des Ziels von mehr Chancengleichheit? Drucksache 15/532 (15/475) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Wie stellt die Landesregierung also sicher, dass überwiegend eine gleiche Einladungswahrscheinlichkeit für potenziell von Diskriminierung betroffene Personengruppen im Vergleich mit nicht von Diskriminierung betroffenen Gruppen herrscht und eine Vielfalt von unterschiedlichen Bewerberinnen und Bewerbern bei den Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst gewährleistet werden kann? Zu Frage 4: Im Bereich der saarländischen Landesverwaltung werden im Rahmen von Auswahlverfahren die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingehalten . Dies wird durch entsprechende Schulung (auch unter Nutzung des E-Learning) und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie durch Belehrungen sichergestellt. Die Personalverantwortlichen legen u.a. Wert auf eine transparente Ausgestaltung von Auswahlverfahren, insbesondere die Formulierung klar bestimmter Anforderungsprofile . Um eine Benachteiligung im Rahmen der Erstauswahl auszuschließen, werden keine diskriminierungsrelevanten Unterlagen, wie beispielsweise Lichtbilder, angefordert. Gemäß § 13 AGG hat die Landesregierung ferner in allen Ressorts sogenannte Beschwerdestellen eingerichtet, an die sich auch Bewerberinnen und Bewerber wenden können, sofern sie sich im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens wegen ihrer Herkunft , ihres Geschlechts oder anderer Merkmale benachteiligt fühlen. Die Beschwerdestellen haben neben der Beratungsfunktion auch die Aufgabe, entsprechende Beschwerden aufzugreifen, Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und ggf. den betroffenen Dienststellen entsprechende Maßnahmen zu empfehlen. Schließlich verbleibt „benachteiligten Bewerberinnen/ Bewerbern“ die gerichtliche Nachprüfung einer Benachteiligung vor dem Arbeits- bzw. Verwaltungsgericht. Im Übrigen signalisiert die Landesregierung bereits durch gezielte Ansprache einzelner Gruppen (z.B. von Migranten, Schwerbehinderten, Frauen) nach außen hin deutlich, dass Vielfalt und Diversität innerhalb der öffentlichen Verwaltung zu den ausdrücklichen Zielen gehören und entsprechend gefördert werden. Beispielhaft kann dabei auf die Förderung der Bewerbung und Einstellung von Personen mit Migrationshintergrund im Rahmen der saarländischen Vollzugspolizei hingewiesen werden.