LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/656 (15/616) 16.10.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Sexuelle Orientierung in der Jugendhilfe Vorbemerkung des Fragestellers: „Am 13. August 2013 veröffentlichte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Studie zu Diskriminierungen im Bildungsbereich und im Arbeitsleben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es Schulen nicht gelänge, Jugendlichen mit LSBTI 1 -Orientierung vor Diskriminierung zu schützen. Aus diesem Grund sei es wichtig, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendhilfe die sexuelle Orientierung als relevantes Thema ansehen, sich fortbilden und Diskriminierungen aktiv entgegentreten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ) hat bereits 2003 in einem Beschluss darauf aufmerksam gemacht, dass die sexuelle Orientierung ein relevantes Thema in der Jugendhilfe sei. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendhilfe benötigen eine entsprechende Aus- und Fortbildung. Vor diesem Hintergrund seien Projekte zur sexuellen Orientierung anzuregen und zu unterstützen. In einem Rundbrief des Landesjugendamtes bezeichnet Felix Liebelt, Diplom-Psychologe im sexualpädagogischen Team der Beratungsstelle pro familia in Saarbrücken die Resonanz auf Veranstaltungen des Landesjugendamtes als sehr bescheiden. Liebelt kommt zu dem Schluss, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gäbe (Rundbrief des Landesjugendamtes 1/2012, S. 8).“ Ausgegeben: 16.10.2013 (04.09.2013) 1Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Vorbemerkung Landesregierung: Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ) hat mit ihrem Beschluss vom April 2003 die Jugendhilfe aufgefordert, das Thema „Sexuelle Orientierung “ von jungen Menschen und ihren Eltern als einen wichtigen Aspekt in ihren Angeboten und Maßnahmen aufzugreifen. Um junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und einen Beitrag zur Vermeidung bzw. zum Abbau von Benachteiligungen zu leisten, sind alle Arbeitsfelder der Jugendhilfe aufgefordert, hier geeignete Initiativen zu ergreifen. Entsprechend den Vorgaben des § 79 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) - Kinder- und Jugendhilfe obliegt den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung für die Erfüllung aller Aufgaben der Jugendhilfe im jeweiligen Einzugsbereich. Als überörtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat das Landesjugendamt insbesondere die Funktion, die Jugendämter in ihrer Arbeit zu beraten, zu fördern und Anregungen zu geben; die Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Jugendhilfe ist hierbei ein wichtiges Arbeitsfeld in der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers (vgl. § 85 Absatz 2 SGB VIII). Um dieser Aufgabenstellung in angemessenem Umfang gerecht zu werden, basiert das Fortbildungsprogramm des Landesjugendamtes wesentlich auf den Bedarfsmeldungen der Jugendämter. Unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen, „soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können“ (§ 4 Absatz 2 SGB VIII); dies gilt es auch in dem thematischen Zusammenhang der hier aufgeworfenen Fragen zu berücksichtigen. Wie viele Aus- und Fortbildungen mit welcher Besucherzahl wurden seitdem vom Landesjugendamt angeboten und durchgeführt (bitte beides aufschlüsseln)? Welche Fortbildungen sind für das laufende und für das kommende Jahr geplant? Zu Frage 1: Jahr Fortbildungsveranstaltungen Datum Anzahl der Teilnehmerinnen / Teilnehmer 2011 1. Homo, Hetero, Bi oder was? – Der Umgang mit sexueller Vielfalt in der Jugendhilfe. 03.05.2011 7 Anmeldungen, von pro familia durchgeführt 2. Praxis der Jungenarbeit 6 X 2-Tage- Blöcke 05-09 2 Anmeldungen, abgesagt 3. Als Frau mit männlichen Jugendlichen arbeiten 22./23.08.11 16 TN 4. Pubertät und Sexualität: Vielfältige Verlockungen – ein sexualpädagogisches Konzept für 12-16-jährige Mädchen 26.10./ 02.11.11 11 TN Insges. 2011 34 TN Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - 2012 1. Homo, Hetero, Bi oder was? – Der Umgang mit sexueller Vielfalt in der Jugendhilfe 11.06.2012 5 Anmeldungen, abgesagt 2. Mittendrin und voll daneben – Jungensexualität im Gruppenalltag 11.09.2012 16 TN 3. Als Frau mit Jungen und männlichen Jugendlichen arbeiten 20./21.09.12 11 Anmeldungen (Wegen Verhinderung der Referentin verschoben, Ersatztermin kam nicht zustande) Insges. 2012 16 TN 2013 1. Homo, Hetero, Bi oder was? – Der Umgang mit sexueller Vielfalt in der Jugendhilfe 07.06.2013 5 Anmeldungen, abgesagt 2. All about…?! - ein sexualpädagogisches Konzept für 12- 16-jährige Mädchen 12./13.11.13 Insges. 2013 50 TN 2014 1. Als Frau mit Jungen und männlichen Jugendlichen arbeiten 15./16.05.14 2. „Was ist eigentlich biosexuell?“ – Sexualerziehung für 6- bis 12-Jährige 30.09.2014 3. Mittendrin und voll daneben – Jungensexualität im Gruppenalltag 10.10.2014 4 Homo, Hetero, Bi oder was? – Der Umgang mit sexueller Vielfalt in der Jugendhilfe 07.11.2014 Wie wird im Rahmen der Aus- und Fortbildung und der Konzeptentwicklung in der Sexual- und Sozialerziehung die Lebenssituation von Kindern homosexueller Eltern und die Vielfalt von Lebensweisen berücksichtigt? Zu Frage 2: Aus Antwort zu Frage 1 ergeben sich die Themen, die im Rahmen des Fortbildungsangebotes des Landesjugendamtes zu sexualpädagogischen Fragestellungen gemeinsam mit qualifizierten Referentinnen und Referenten erörtert werden. Mithilfe eines standardisierten Fragebogens werden die Veranstaltungen evaluiert und diese Ergebnisse für eine Weiterqualifizierung des Angebotes genutzt. In den Konzepten der Erziehungshilfeeinrichtungen gibt es mehr oder weniger ausführliche Beschreibungen zur Sexualerziehung. Spezielle sozialpädagogische Konzepte sind jedoch noch nicht die Regel. Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung hat das Landesjugendamt mit dem in der Anfrage angesprochenen Fachbeitrag im Rundbrief 1/2012 die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Thematik für die Jugendhilfe lenken und eine intensivere Auseinandersetzung der Kinder- und Jugendhilfe mit den damit zusammenhängenden Fragen anregen wollen. Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Insbesondere die öffentlich und in Fachkreisen geführten Diskussionen um sexuellen Missbrauch, das Bundeskinderschutzgesetz, den Schutzauftrag nach §8a SGB VIII sowie die Beteiligung vieler Einrichtungen am Bundesmodellprojekt „Bundesweite Fortbildungsoffensive zur Stärkung der Handlungsfähigkeit (Prävention und Intervention) von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe zur Verhinderung sexualisierter Gewalt“ haben in Einrichtungen und bei den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit sexualpädagogischen Themen geführt und die Notwendigkeit eigener Konzepte zur Qualifizierung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verdeutlicht. Welche Projekte zum Thema sexuelle Orientierung hat das Landesjugendamt seit dem Beschluss aus dem Jahr 2003 angeregt und/oder unterstützt ? Zu Frage 3: Bereits vor dem Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter 2003 (s. Vorbemerkung zur parlamentarischen Anfrage) wurden insbesondere auf Initiative des Paritätischen Bildungswerkes Rheinland-Pfalz/Saarland mit dem länderund trägerübergreifenden Modellprojekt „Jungenarbeit Rheinland-Pfalz/Saarland“ bisherige Angebote im Bereich der „Mädchenarbeit“ ergänzt und u.a. die Thematik „sexuelle Orientierung“ vertieft behandelt. Das Projekt war zunächst auf 3 Jahre angelegt und wurde finanziell von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Köln), dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit Rheinland-Pfalz und dem damaligen saarländischen Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales unterstützt. In dem breit gefächerten Angebot waren u.a. die Entwicklung eines curricularen Konzeptes zur Fort- und Weiterbildung für hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendhilfe, die berufsbegleitende Fortbildung für männliche Fachkräfte in der Jugendhilfe oder die Durchführung thematischer Fortbildungs- und Beratungsangebote für interessierte Institutionen zentrale „Bausteine“ des Modellprojektes, die sich in der Praxis bewährt haben und nachhaltig zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe beitragen konnten. Die aus diesem Erprobungszeitraum hervorgegangene Fachstelle „Jungenarbeit“ wurde (zu gleichen Anteilen wie Rheinland-Pfalz) zunächst mit einem jährlichen Zuschuss in Höhe von 30.000,- DM bzw. rd. 15.340.- € aus Haushaltsmitteln (Titel 0708 / 684 01) des Saarlandes gefördert. Aktuell wird die Arbeit der Fachstelle „Jungenarbeit“ mit einem Jahreszuschuss i.H.v. 20.694,11 € aus Landesmitteln unterstützt. In Ergänzung zur Antwort auf Frage 1 wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Thematik Sexualerziehung, sexuelle Entwicklung, geschlechtsspezifische Erziehung, Prävention vor sexuellem Missbrauch regelmäßiger Bestandteil des Fortbildungsangebotes des Landesjugendamtes ist und damit dem ermittelten bzw. reklamierten Bedarf aus dem Kreis der Jugendämter, aus der fachlichen Sicht der Sachgebiete im Landesjugendamt sowie der freien Träger mit einer jeweils präzisierten Themenstellung entsprochen wird. Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Wie fördert das Landesjugendamt zielgruppenspezifische Angebote im Hinblick auf den Aspekt der sexuellen Orientierung im ländlichen Raum, insbesondere im nördlichen Saarland? Zu Frage 4: In der Förderung zielgruppenspezifischer Angebote wird zunächst seitens des Landesjugendamtes keine regionale Unterscheidung getroffen; vielmehr sind in dem flächenmäßig kleinen Bundesland alle Fortbildungsbildungsmaßnahmen bzw. Fachtagungen als zentrale Veranstaltung angelegt. Bei Bedarf und in Abstimmung mit dem betreffenden örtlichen Jugendamt können darüber hinaus grundsätzlich zielgruppenspezifische, regional-spezifische Angebote organisiert werden. Wie in Antwort zu Frage 3 dargelegt, ist die Fachstelle „Jungenarbeit“ so angelegt, um auch spezifischen Bedarfen entsprechen zu können. Darüber hinaus werden Jugendämter und freie Träger im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein bedarfsgerechtes Angebot in eigener Zuständigkeit organisieren bzw. vorhalten. Zudem kann auf überregionale Fort- und Weiterbildungsangebote verwiesen werden. Wie qualifiziert das Landesjugendamt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegekinderwesens und der Adoptionsvermittlung über Familiensituationen von Lesben und Schwulen im Kontext gesellschaftlicher Pluralisierung? Zu Frage 5: Im Landesarbeitskreis Adoptions- und Pflegekinderwesen wird die Vermittlung von Kindern an homosexuelle Paare im Bereich der Pflege und Adoption unter den verschiedenen Fragestellungen grundsätzlich thematisiert und (nicht zuletzt unter Berücksichtigung des Wahlrechts der Herkunftsfamilie) inhaltlich-fachlich diskutiert. Über die kollegiale Beratung in Grundsatzfragen in o.g. Fachkreis hinaus hält das Landesjugendamt kein gesondertes Qualifizierungsangebot mit zuvor genannter spezifischer Themenstellung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegekinderwesens und der Adoptionsvermittlung vor; ein entsprechender Bedarf wurde bisher auch nicht an das Landesjugendamt herangetragen. Grundsätzlich ist hier anzumerken, dass in beiden hier genannten Arbeitsbereichen der Jugendhilfe und bei allen Entscheidungen dem Kindeswohl absoluter Vorrang einzuräumen ist d.h. für Kinder werden geeignete Eltern gesucht und dabei im konkreten Einzelfall die vielschichtigen Lebensumstände bzw. Rahmenbedingungen berücksichtigt und geprüft. Im Sinne dieser allgemeinen Aufgabenstellung plant das Landesjugendamt derzeit ein Qualifizierungsangebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegekinderwesens, in dessen Rahmen auch die hier spezifizierte Fragestellung aufgegriffen werden kann. Die Thematik der „sexuellen Orientierung“ ist in den Fachkreisen der Pflege- und Adoptiveltern präsent; sie werden im Einzelfall von dem örtlich zuständigen Jugendamt beraten. Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Wie bewertet die Regierung den Umgang mit der Thematik Homosexualität im pädagogischen Alltag in den Maßnahmen ambulanter und stationärer erzieherischer Hilfen? Zu Frage 6: Wie in den Ausführungen zu den Fragen 2 und 3 beschrieben, erkennt die Landesregierung die Bemühungen der Einrichtungen an, sich grundsätzlich mit den für die Förderung , die Entwicklung und den Schutz der von ihnen betreuten jungen Menschen wichtigen Themenbereichen auseinanderzusetzen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend zu qualifizieren. Da die Thematik „sexuelle Orientierung der jungen Menschen und/oder ihrer Eltern“ in den Arbeitsfeldern der ambulanten und stationären erzieherischen Hilfen eher selten öffentlich diskutiert wird, entsteht ggf. der Eindruck, dass dieser Aspekt noch nicht allgemein und nicht ausreichend aufgegriffen wird. Die Landesregierung trägt inhaltlich die Beschlusslage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter von 2003 mit und wird die bisherigen Aktivitäten fortsetzen, das Thema „sexuelle Orientierung“ weiterhin im Fortbildungs- und Beratungsangebot angemessen berücksichtigen und weiter qualifizieren. Wie wird in der Kindertagesbetreuung die Lebenssituation von Kindern homosexueller Eltern und die Vielfalt von Lebensweisen in der Sexual- und Sozialerziehung berücksichtigt? Gibt es eine entsprechende Ausbildung, Fortbildung und Konzeptentwicklung ? Zu Frage 7: Kindertageseinrichtungen haben den gesetzlichen Auftrag, die Entwicklung junger Menschen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten durch geeignete Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsangebote zu fördern; sie sollen u.a. die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen (vgl. § 22 SGB VIII). Diese Grundsätze der Förderung gelten für alle Formen der Tagesbetreuung und werden ergänzt durch das Inklusionsgebot, das allen Kindern (unabhängig von Geschlecht, ethnischer und kultureller Herkunft, Sprache, Behinderung, sozioökonomischem Hintergrund, Religion usw.) das Recht auf eine uneingeschränkte Teilhabe am sozialen Leben und die Chance auf Entwicklung/Entfaltung der Persönlichkeit zusichert. Ein derartiger Ansatz zielt nicht auf Separierung und Sonderförderung; er muss in den pädagogischen Alltag von Kindertageseinrichtungen einfließen und dort umgesetzt werden. Nicht zuletzt aufgrund der Pluralität von Einrichtungsträgern werden hier unterschiedliche Wege in den Einrichtungen gegangen oder eigene Ansätze von Trägern entwickelt, um die zuvor beschriebenen sozialpolitischen bzw. sozial-pädagogischen Ziele zu erreichen. Auf diese komplexe Aufgabenstellung werden Erzieher/innen durch eine qualifizierte Ausbildung in Deutschland vorbereitet und durch entsprechende Fachdienste im beruflichen Alltag begleitet. Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Das Landesjugendamt bietet (neben Trägern von Kindertageseinrichtungen und überregional tätigen Fortbildungsträgern) zu den sich hier ergebenden Fragestellungen alljährlich eine Vielzahl von Fortbildungsmaßnahmen an, schreibt dieses Angebot im Rahmen seiner personellen/finanziellen Ressourcen bedarfsorientiert fort und will auch zukünftig die Qualität dieser Maßnahmen weiterentwickeln. Wie berücksichtigt die Regierung bei der offenen Jugendarbeit und der außerschulischen Kinderund Jugendbildung die Thematik der gleichgeschlechtlichen Lebensweisen? Zu Frage 8: Ihrem Selbstverständnis folgend, sollen Angebote der Jugendarbeit „an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen (§ 11 SGB VIII). Mit dem 2. Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (2. AGKJHG) hat der Gesetzgeber im Saarland von dem Landesrechtsvorbehalt des § 15 SGB VIII Gebrauch gemacht und Inhalt, Umfang sowie weitere Voraussetzungen der Förderung der Jugendarbeit näher präzisiert. Demnach sind bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben die geschlechtsspezifischen Lebenslagen zu berücksichtigen, Benachteiligungen von Mädchen und jungen Frauen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern (vgl. § 1 Absatz 2 2. AGKJHG). So haben freie Träger der Jugendarbeit unter diesen Maßgaben u.a. einen Rechtsanspruch auf Förderung von Bildungsmaßnahmen, die auch die Thematik der gleichgeschlechtlichen Lebensweisen für die jeweilige Zielgruppe in geeigneter Weise, entsprechend inhaltlich und methodisch vorbereitet, aufgreifen können. Wie sensibilisiert und qualifiziert die Regierung im Rahmen der Fortbildung die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes sowie die Jugendbildungsreferentinnen und Jugendbildungsreferenten der Verbände zu dieser Problematik? Zu Frage 9: Die Qualifizierung von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendarbeit ist vorrangig eine Aufgabe der freien Träger, die sie dem Subsidiaritätsprinzip folgend im Rahmen ihrer Eigenverantwortung wahrnehmen. Gemäß den Richtlinien zur Förderung der Kinder- und Jugendarbeit sind insbesondere Fortbildungsmaßnahmen für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit durch das Land zu bezuschussen, die sich mit Kinder- und Jugendpsychologie, Pädagogik, geschlechtsspezifischer Sozialisation oder Fragen des Kinder- und Jugendschutzes auseinandersetzen. Nach § 5 Absatz 1 2. AGKJHG vom 01.07.1994 erhalten die Träger der Kinder- und Jugendarbeit nach Maßgabe des Landeshaushaltsplanes und im Rahmen einer Anteilfinanzierung (80%) Zuwendungen zu den Personalkosten für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit (Jugendbildungsreferentinnen und Jugendbildungsreferenten) sowie Zuwendungen zu den im Zusammenhang mit deren Anstellung stehenden Sachkosten. Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 8 - Das Saarland fördert derzeit insgesamt 7 Jugendbildungsreferentinnen-/Jugendbildungsreferenten -Stellen. Die Tätigkeit der Jugendbildungsreferentinnen und Jugendbildungsreferenten umfasst in erster Linie die Unterstützung der in der Bildungsarbeit der Kinder- und Jugendverbände tätigen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es bleibt auch hier im Ermessen, in der Gestaltungsfreiheit und Eigenverantwortung der freien Träger, die hier angesprochene Thematik in geeigneter Weise aufzugreifen und entsprechend qualifizierte, ausreichende Angebote zu organisieren. Welche niedrigschwelligen Beratungsmöglichkeiten (z.B. Telefonberatung, Internetseite) zu den Themen Coming-out, Probleme mit der eigenen Homo-, Bi- oder Transsexualität, Safer Sex, Konfliktsituationen und Partnerschaftsproblemen bietet die Regierung an? Gibt es Möglichkeiten einer anonymen Beratung? Zu Frage 10: Zum Schuljahresbeginn 2013/2014 sind die neuen Richtlinien zum Sexualkundeunterricht an saarländischen Schulen in Kraft getreten. Diese Richtlinien wurden durch eine Arbeitsgruppe erstellt, in der neben dem Ministerium für Bildung und Kultur und dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie auch Vertreterinnen und Vertreter von saarländischen Einrichtungen, deren Aufgabenschwerpunkte Sexualpädagogik und Sexualaufklärung sind, mitgewirkt haben. Die Richtlinien tragen sowohl der Weiterentwicklung der pädagogischen Praxis wie auch den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung: u.a. Veränderung des Rollenverständnisses von Frauen und Männern, ein zeitgemäßes Verständnis von Partnerschaft und Familie. Gleichzeitig heben diese Richtlinien die verschiedenen Ausdrucksformen menschlichen Empfindens und der sexuellen Identität hervor. Niederschwellige Beratungsangebote werden auf Landesebene von verschiedenen Einrichtungen und Trägern vorgehalten: So können sich Ratsuchende u.a. an die Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatungsstellen sowie an die vom Land geförderte Beratungsstelle für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung von Pro Familia wenden. Für die Bereitstellung eines entsprechenden Angebotes wird der Lesben- und Schwulenverband LSVD – Saar mit einer jährlichen Landesförderung zur Finanzierung der anerkannten Sachkosten für die Unterhaltung eines Büros unterstützt; dort wurde mit dem „Checkpoint“ ein Treffpunkt für Vereine, Gruppierungen und Verbände eingerichtet, der sich zu einem Informations-, Kommunikations- und Beratungszentrum für Schwule, Lesben, Bisexuelle und deren Freunde entwickelt hat und u.a. auch professionelle, individuelle Beratung zu allen damit zusammenhängenden Fragestellungen anbietet. Drucksache 15/656 (15/616) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 9 - Folgende Gruppen nutzen den Checkpoint und bieten Treffen und Beratung an: Initiative Lesbisch-Schwule Eltern, Schwule Väter Saar, Jugendgruppe „Familie Megalon“, „Lady’s Night“ – und Frauenstammtisch „Primadonna“, Migrationsgruppe, Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V., „Queerhaus“ – eine schwul-lesbische Gruppe, Sportverein „Courage SaarLorLux“, Transgender Gruppe Mit seinem Peer-Projekt will der LSVD-Saar lesbische und schwule Jugendliche schulen, um sie in die Lage zu versetzen, mit gleichaltrigen Jugendlichen die sensible, komplexe Thematik zu behandeln; für Jugendliche wird auf diesem Weg ein niedrigschwelliges Angebot bezüglich ihres Coming-out vorgehalten. Die Internetseite des LSVD Saar (www.saar.lsvd.de) enthält einen guten Überblick über bestehende Beratungsmöglichkeiten. Zudem bietet der Bundesverband der Pro Familia im Rahmen der beiden Projekte „Sextra“ und „Sexundso“ eine Onlineberatung an. Seitens der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wird unter www.loveline.de eine Jugendhomepage zu Liebe, Partnerschaft, Sexualität und Verhütung vorgehalten. Mit Chats, Lexikon, Wissensspielen, FAQ’s, Umfragen, News und monatlichen Schwerpunktthemen können Jugendliche aktuell interaktiv ihr Wissen erweitern.