LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/668 (15/644) 12.11.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Piercingstudios im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: Nach neusten Studien sind in der Altersklasse der 14- bis 30-Jährigen, bezieht man Ohrlöcher mit ein, ca. 70 % aller Einwohner der Bundesrepublik teils mehrfach gepierct. Alleine von Jahr 2003 bis zum Jahr 2009 stieg die Zahl der tätowierten Frauen bis 34 Jahre von 14 auf 25 Prozent. Heute sind ca. 12 Millionen Bundesbürger gepierct und/oder tätowiert. Zwei Millionen Tätowierungen und ca. 8 Millionen Piercings kommen jährlich dazu . Das sind knapp 22.000 Piercings am Tag. In Deutschland werden pro Jahr in ca. 7.000 Tattoo und Piercingstudios ca. 200 Millionen Euro Umsatz gemacht. 20.000 Menschen sind auf diesem Gebiet tätig. Im Saarland gibt es seit über 20 Jahren Piercingsstudios, die sich auf den Ein-satz von Schmuck spezialisiert haben. Zurzeit gibt es ca. 50 bis 70 offizielle Studios sowie Ärzte und zahlreiche private Anbieter, die Piercings zum Teil im Hinterzimmer anfertigen. Mittlerweile werden in fast allen Studios neben den üblichen Piercings Implantate in teils komplizierten chirurgischen Eingriffen bei örtlicher Betäubung unter die Haut verpflanzt . Piercer ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Es gibt keinerlei Ausbildung. Keine Dachorganisation oder Selbstverwaltung, die die ca. 7.000 Tätowier - und Piercingstudios in Deutschland betreut oder Leitlinien verfasst. Bei den zum Teil chirurgischen Operationen gleich kommenden Eingriffen können Krankheiten wie Hepatitis, HIV und andere übertragen und massenhaft verbreitet werden. Ausgegeben: 13.11.2013 (07.10.2013) Drucksache 15/668 (15/644) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Bei unsachgemäßer Ausführung können Entzündungen oder andere schwerwiegende Komplikationen entstehen. Es gab bundesweit bereits mehrere Todesfälle in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Piercen. U.a. in Hessen im Jahr 2008 durch das unsachgemäße Anwenden von Betäubungsmitteln . Wer darf im Saarland neben Ärzten gewerbsmäßig Operationen wie das Einsetzen von Implantaten ausüben? Zu Frage 1: Eine Operation (OP) ist ein instrumenteller Eingriff am oder im Körper eines Patienten zum Zwecke der Therapie, seltener auch der Diagnostik, welche von einem Arzt durchgeführt wird. Der Piercing-Vorgang (einschließlich des Einsetzens von Implantaten ) ist nach aktueller Gesetzeslage eine strafbare Körperverletzung. Deshalb muss der Klient üblicherweise vor dem Piercing eine schriftliche Einverständniserklärung abgeben, die den Piercer vor rechtlichen Folgen diesbezüglich befreit. Diese Erklärung ist jedoch unwirksam, sofern vor dem Eingriff nicht ausführlich über die Risiken des Piercings aufgeklärt wurde. Wer darf ein Piercingstudio betreiben? Zu Frage 2: Es gibt kein Genehmigungsverfahren und keine Zulassungsstelle, welche die Eignung oder die medizinischen Kenntnisse der Piercing-Anbieter prüft. Es besteht auch keine Erlaubnispflicht. Die Anzeige beim örtlich zuständigen Gewerbeamt vor Aufnahme der Tätigkeit genügt (Gewerbeanmeldung). Wie viele Piercingstudios werden im Saarland/ speziell in Saarbrücken von den zuständigen Gesundheitsämtern überwacht? Zu Frage 3: Den Gesundheitsämtern der saarländischen Landkreise und des Regionalverbandes Saarbrücken sind nach dem Ergebnis einer aktuell durchgeführten Abfrage 47 Piercingstudios bzw. Tattoo/Piercingstudios bekannt, davon 5 im Stadtgebiet von Saarbrücken . Eine infektionshygienische Überwachung erfolgt auf der Grundlage der Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten (Hygiene-Verordnung) vom 12. Januar 1988, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 24. Februar 1994 (Amtsblatt S. 607) i. V. m. der Anlage zum Gesetz vom 26. Januar 1994 (Amtsblatt S. 509) und dem § 36 Absatz 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das durch Artikel 4 Absatz 21 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) geändert worden ist. Einrichtungen und Gewerbe, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden , können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden. Drucksache 15/668 (15/644) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - In welchem Turnus finden diese Überprüfungen statt? Zu Frage 4: Die Überprüfungen erfolgen anlassbezogen bei Beschwerden und bei konkreten Anfragen seitens der Betriebe zwecks fachlicher Beratung bei Detailfragen. Besteht im Saarland die Pflicht, Sterilisationsgeräte zu betreiben? Zu Frage 5: § 2 der Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten (Hygiene-Verordnung) vom 12. Januar 1988, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 24. Februar 1994 (Amtsblatt S. 607) i. V. m. der Anlage zum Gesetz vom 26. Januar 1994 (Amtsblatt S. 509) enthält die Verpflichtung zur Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Hygiene. Eingriffe, die eine Verletzung der Haut vorsehen, sind mit sterilen (keimfreien ) Geräten vorzunehmen: Mehrfach zu verwendende Geräte sind nach jedem Gebrauch einer Desinfektion, Reinigung und anschließend einer Sterilisation zu unterziehen und bis zur nächsten Anwendung in sterilen Behältern aufzubewahren. Viele Betriebe verwenden bereits sterile Einmalartikel. In welchem Turnus wird dessen Funktionalität überprüft? Zu Frage 6: Für die Sterilisation darf nur ein geprüftes, wirksames und validiertes Verfahren angewendet werden. Die vorhandenen einschlägigen Normen befassen sich mit der Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge (DIN EN ISO 17665-1), auch in den DIN EN-Normen (EN 13060) wird Bezug genommen auf die Sterilisation für medizinische Zwecke. Da es jedoch keine Normen für andere Bereiche zur Sterilisation gibt, sind diese - sofern im Weiteren zutreffend -auch für die Sterilisation von Produkten, die beim Piercing verwendet werden, anwendbar. Eine ordnungsgemäße Aufbereitung von Materialien bzw. Instrumenten, welche bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommen, wird vermutet, wenn die Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten gemäß der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingehalten werden. Um ein einheitliches Verwaltungshandeln zu gewährleisten, wurden zusätzlich die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen in einer „Empfehlung für die Überwachung der Aufbereitung von Medizinprodukten“ erarbeitet und von der Arbeitsgruppe Medizinprodukte (AGMP) beschlossen. Im Kapitel 2.5 dieser Empfehlung sind „Wesentliche Anforderungen an den Betrieb von Dampf-Sterilisatoren“ beschreiben. Daraus resultierend erfolgt u.a. eine Prüfung vor Inbetriebnahme, in halbjährlichen Intervallen bzw. nach je 400 Chargen. Drucksache 15/668 (15/644) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - In einigen Bundesländern besteht die Pflicht für Piercingstudios, einen sogenannten Hygieneplan zu erstellen und diesen umzusetzen. Wie viele Studios im Saarland haben einen solchen Hygieneplan erstellt? Zu Frage 7: Das Infektionsschutzgesetz fordert von den Einrichtungen, welche im § 36 Absatz 1 IfSG aufgeführt sind, dass in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festgelegt werden müssen. Einrichtungen und Gewerbe, bei denen die Möglichkeit besteht, dass durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden, sind dort jedoch nicht explizit aufgeführt. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung eines Hygieneplanes besteht im Saarland nicht. Die Verpflichtung zur Einhaltung der allgemein anerkennten Regeln der Hygiene (§ 2 Hygiene- Verordnung) begründet i.d.R. auch die Etablierung eines Hygieneplanes, welcher die individuellen Belange im Piercingstudio zu berücksichtigen hat. Den überwachten Piercingstudios im Saarland wurde ein Muster-Hygieneplan (Rahmenhygieneplan für Piercing - und Tätowierstudios des Länder-Arbeitskreises zur Erstellung von Hygieneplänen nach § 36 IfSG) ausgehändigt und die innerbetriebliche Umsetzung kontrolliert.