LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/680 (15/637) 19.11.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Nachfrage zur Antwort der Landesregierung auf die Anfrage „Berücksichtigung der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes bei der Windenergie“ [Drucksache 15/602 (15/511)] Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Beantwortung meiner Anfrage zur Berücksichtigung der Belange des Natur- und Landschaftsschutzes bei der Windenergie hat weitere klärungsbedürftige Punkte aufgeworfen.“ Warum findet hinsichtlich der im Saarland im Betrieb befindlichen Windkraftanlagen in Bezug auf die Zugriffsverbote des § 44 BNatSchG ein systematisches Monitoring nicht statt (bitte mit ausführlicher Begründung)? Ist im Sinne eines erforderlichen Risikomanagements aus Sicht der Landesregierung , die in Beantwortung meiner Anfrage zu Frage 8 zutreffend auf die dynamische Entwicklung beispielsweise hinsichtlich der Wahl der Bruthabitate verweist, kein Vorher-Nachher- Vergleich geboten (bitte mit ausführlicher Begründung )? Zu Frage 1: Ein systematisches Monitoring an allen im Betrieb befindlichen Anlagen im Bezug auf die Verbote des § 44 BNatSchG ist rechtlich in Zusammenhang mit der Erteilung von Genehmigungen nicht möglich. Ein Monitoring wird bei den Genehmigungen immer dann festgesetzt, wenn Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen oder vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen notwendig sind, um die Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG nicht zu verwirklichen und zwar um die Tragfähigkeit der Prognose und die Wirksamkeit der festgesetzten Maßnahmen zu überprüfen und um ggf. durch weitere Maßnahmen gegensteuern zu können (Risikomanagement), die nachträglich festzusetzen sind (BVerwG Urt. v. 17.1.2007 – 9 A 20.05; BVerwG Urt. v. 14.07.2011 – 9 A 12.10). Möglich sind beispielsweise folgende Überwachungen/Monitoring: Ausgegeben: 20.11.2013 (30.09.2013) Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - • Rotmilan-Monitoring Das Monitoring wird in der Regel für 3 Jahre nach Betrieb der Anlagen festgelegt und beinhaltet die Überprüfung des Raum-Zeit-Nutzungssystems der an den Windpark angrenzenden Rotmilanreviere, der im Windparkgebiet jagenden Rotmilane abhängig von der landwirtschaftlichen Nutzung, die Kontrolle der Horstbereiche, die Darstellung und Bewertung der Jagdräume und die Kontrolle der Ablenkwirkung der Ausgleichsflächen sowie die Flugstraßen, Aufdrehzonen, Balzräume, Bettelflugräume und Flugübungsräume der Jungvögel. • Monitoring – Kranichzug Es wird innerhalb der Hauptzugstrecken des Kranichs übers Saarland üblicherweise in den ersten drei Jahren nach der Inbetriebnahme der Windräder durchgeführt. Der Kranichzug wird vor Ort (an jeweils 5 Tagen mit Kranichzug im Herbst zwischen 15. September und Ende November) durch einen Tierökologen überwacht und dokumentiert , inwieweit durch die Anlagen tatsächlich eine Ablenkwirkung bzw. sonstige Konfliktsituation entsteht. Die Windräder werden an Tagen mit Kranich-Massenzug und gleichzeitig ungünstiger Wetterlage, die niedrige Flughöhen zur Folge haben, abgeschaltet. Die Daten sollen anschließend zur Integration des Standorts in ein – im Aufbau begriffenes – saarlandweites Informationssystem bereitgestellt werden. • Fledermaus - Höhenmonitoring (automatische Erfassung in Gondelhöhe; im Wald teils zusätzlich in Höhe der unteren Rotorspitze) Es wird zwei Jahre nach Betriebsbeginn der Anlagen nach der Methode BRINKMANN et. al 2011 durchgeführt (Umfang siehe Leitfaden zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland, Juni 2013, erstellt durch die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland, das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz und das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz Saarland), mit dem Ziel, die pauschaliert festgelegten Abschaltzeiten standortspezifisch modifizieren zu können oder falls erforderlich Abschaltzeiten neu festlegen zu können (z.B. bei Standorten an denen am Boden eine geringe Aktivität erfasst wurde und die Höhenaktivität über ein Monitoring abzusichern ist – OVG Sachsen-Anhalt vom 21.3.13). Ein Vorher-Nachher-Vergleich findet im Zuge des genannten Monitorings statt. Die betroffenen windkraftrelevanten Greifvogel- und Eulenarten sind standorttreu, so dass sich die genannte „dynamische Entwicklung“ in engen Grenzen hält, ausgenommen natürlich Neuansiedlungen, und diese im Zuge des Monitorings belegt werden. Durch den in geringem Umfang festgestellten Wechsel der Horstbäume bei den Rotmilanen ergab sich bisher keine Änderung der artenschutzrechtlichen Bewertung. Bei Fledermäusen ist der Vorher-Nachher-Vergleich problematisch, da die Untersuchung vor Errichtung der Windenergieanlagen i. d. R. als Untersuchung vom Boden aus vorliegt, während nach Errichtung der Anlagen das für das tatsächliche Tötungsrisiko im Rotorbereich aussagekräftigere Höhenmonitoring auf Gondelhöhe durchgeführt wird. Ein exakter Vorher-Nachher-Vergleich auf Gondelhöhe (bzw. auf Höhe der Rotorspitze) ist aufgrund der Höhe moderner Windenergieanlagen methodisch im Regelfall nicht möglich (Ausnahme vorlaufende Untersuchung an einem Windmessmast, der Rotorhöhe erreicht). Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Ist die Landesregierung der Auffassung, dass einem Leitfaden der EU-Kommission, der eine Überwachung der Zahl der durch Windenergieanlagen getöteten Fledermäuse vorsieht, im Saarland hinreichend Rechnung getragen wird (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 2: Es ist richtig, dass im Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse auf Seite 20 Punkt (52) dargelegt ist, dass neben der Überwachung des Erhaltungszustands gemäß Artikel 12 Absatz 4 ausdrücklich die Verpflichtung besteht, ein System zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens der in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tiere einzuführen. Ein gezieltes System zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens wurde für das Saarland bisher nicht entwickelt oder etabliert. Die Monitoring-Aufträge des ZfB sehen keine Überprüfung zur Überwachung des unbeabsichtigten Fangs oder Tötens von Tierarten vor. Da die bisherigen Untersuchungen nur in FFH-Gebieten durchgeführt wurden, mussten auch keine Windkraftanlagen berücksichtigt werden. Ein Monitoring zur Schlagopfer-Suche bei Fledermäusen ist auch durch die anspruchsvolle Durchführung (hohe Fehleranfälligkeit) und der damit verbundenen Kosten nicht zu leisten. Wie viele Totfunde besonders und/oder streng geschützter Arten im Umfeld von Windkraftanlagen im Saarland sind der Landesregierung bekannt (Auflistung bitte nach Art und Anzahl)? Wie hoch schätzt die Landesregierung die Dunkelziffer ? Zu Frage 3: Im Saarland gab es bisher zwei Zufallsfunde und zwar ein Rotmilan-Totfund während des Zuges im Oktober und ein Schwarzmilan-Totfund im Mai, beide Male auf frisch umgepflügten Äckern, die kurzfristig besonders attraktive Nahrungshabitate bieten. Im Zuge des in zwei Bescheiden festgesetzten Schlagopfer-Monitorings für Fledermäuse gab es unter einer Anlage keine Schlagopfer in der Untersuchungszeit von Mai bis August 2010 und unter dem Windpark aus drei Windkraftanlagen ein Fledermaus- Schlagopfer am 1.10.2010. Es handelte sich um eine männliche Zwergfledermaus mit vermutetem Barotrauma. Eine weitere zweijährige Untersuchung mit Schlagopferkontrolle an einer Altanlage im Zuge des Repowerings in den Jahren 2007 und 2008 erbrachte keine Totfunde an Fledermäusen. Es wird insbesondere bei den Fledermäusen von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen , was auch im Gutachten von Brinkmann et al. (2011) belegt wird, der unter anderen auch Windparks im Bereich des Naturraums „Nohfelden-Hirsteiner-Bergland“ untersucht hat. Bei der Berechnung des fledermausfreundlichen Betriebsalgorithmus geht die – auf der Grundlage der im Rahmen des deutschlandweiten Gutachtens ermittelten Daten – hochgerechnete Dunkelziffer in die Formel mit ein. Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Zur Schätzung der Dunkelziffer von Kollisionsopfern besonders u./o. streng geschützter Arten sei für Vögel auf die aktuelle Studie von BELLEBAUM et al. (2012) verwiesen , die z.B. für Brandenburg jährlich mindestens 304 Rotmilan-Schlagopfer kalkulieren und die durch Kollision bedingte zusätzliche Mortalität mit einem Anteil von mindestens 3,1 % des nachbrutzeitlichen landesweiten Bestands der Art schätzen. Wie MAMMEN u. MAMMEN (2013) ausführen, können die entsprechenden Berechnungen vollumfänglich auf andere Bundesländer übertragen werden, zumal für die Berechnung ein konservativer Ansatz gewählt wurde, d.h. die Dunkelziffern liegen möglicherweise noch deutlich höher (vgl. DÜRR 2009, der von einer zusätzlichen Mortalität von 5 % ausgeht). Im Saarland liegen keine Daten aus systematischen Totfund-Suchen von Vögeln und Fledermäusen vor. Für letztere Gruppe ist selbst eine annähernde Schätzung einer Dunkelziffer sehr schwierig, da Fledermäuse auf Grund ihrer geringen Körpergröße leicht verdriftet werden, in Waldgebieten bei Schlagereignissen möglicherweise gar nicht zu Boden fallen und im Übrigen generell sehr schnell von Prädatoren erfasst werden dürften. Wie bewertet die Landesregierung die Auffassung , dass im Falle fehlender Vorbehalte o.Ä. in einem Genehmigungsbescheid lediglich die Möglichkeit einer Verhandlung mit dem Betreiber einer Windkraftanlage bestehe, sofern sich bei bestandskräftig genehmigten Windkraftanlagen wegen nachträglich eingetretener oder erkannter Risiken eine mögliche Betroffenheit windkraftempfindlicher besonders und / oder streng geschützter Arten im Sinne der §§ 44 f BNatSchG herausstellt ? Ist die Landesregierung der Auffassung, dass eine Genehmigung statisch und unveränderbar fortwirkt und der Betreiber einer Windkraftanlage trotz der Dynamik im Immissionsschutz- und Umweltrecht nicht mit der Einschränkung und Anpassung seiner Genehmigung rechnen muss (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 4: In der Rechtsprechung ist noch nicht abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen bei bestandskräftig genehmigten Windkraftanlagen wegen nachträglich eingetretener oder erkannter Risiken besonders bzw. streng geschützter Arten nachträgliche (Betriebs-) Einschränkungen möglich sind. Grundsätzlich hat der Inhaber einer bestandskräftigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einen erhöhten Vertrauensschutz in den zugelassenen Betrieb seiner Anlage. Gleichwohl gilt die Genehmigung nicht statisch und quasi unveränderbar fort, sondern der Betreiber hat wegen der Dynamik im Immissionsschutz- und übrigen Umweltrecht stets mit der Einschränkung und Anpassung seiner Genehmigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu rechnen. Insbesondere dann, wenn gegenüber der Genehmigungslage nachträgliche Umstände eintreten, die die Genehmigungsvoraussetzungen, zu denen auch die naturschutzrechtlichen Artenschutzbestimmungen zählen, in Frage stellen. Hier kann der Genehmigungsinhaber nur verlangen, dass die Behörde die Legalisierungswirkung der Genehmigung beachtet und seine Belange sorgfältig unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls mit Art und Gewicht der nachträglich eingetretenen Gründe abwägt, die einer uneingeschränkten (Neu-) Genehmigung entgegenstehen könnten. Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Noch nicht abschließend geklärt ist, ob dies auf die Grundlage der naturschutzrechtlichen Befugnisnorm des § 3 Abs. 2 BNatSchG gestützt werden kann oder ob dies als teilweiser Widerruf der Genehmigung im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gewertet werden muss. Wie und auf welcher konkreten gesetzlichen Grundlage beurteilt die Landesregierung etwaige Entschädigungsansprüche von Betreibern infolge nachträglicher behördlicher Beschränkungen? Wie war bislang die entsprechende Praxis im Saarland ? Zu Frage 5: In der bisherigen Praxis sind im Saarland keine Entschädigungsfälle aufgetreten. Nachträgliche Festsetzungen ergaben sich in Folge des im Genehmigungsbescheid festgesetzten Monitorings. (Siehe Antwort zu Frage 6) Inwieweit haben sich in der Vergangenheit im Laufe des Betriebs einer Windkraftanlage im Saarland Anhaltspunkte für die mögliche Betroffenheit windkraft-empfindlicher besonders und/oder streng geschützter Arten im Sinne der §§ 44 f BNatSchG ergeben und inwieweit wurden daraufhin Auflagen o.Ä. festgesetzt (bitte bezogen auf die einzelne Anlage konkrete Angaben zu Anhaltspunkt , Betroffenheit und Inhalt der Auflage)? Zu Frage 6: Im Saarland gibt es bisher drei Fälle, bei denen im Laufe des Betriebs der Anlage nachträglich weitere Auflagen zum Schutz windkraftsensibler Arten nach § 44 BNatSchG festgesetzt wurden. Die Notwendigkeit zur Festlegung weiterer Vermeidungsmaßnahmen ergab sich aus dem im Genehmigungsbescheid festgesetzten Monitoring zur Überprüfung der Wirksamkeit der festgelegten Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen und dem dazu erforderlichen Risikomanagement. Bei einem weiteren Fall ergaben sich Hinweise (Schlagopfer eines Schwarzmilans im Mai), dass es aufgrund des Wiesenumbruchs zum Anbau von Mais unter zwei Anlagen zu Schädigungen des Schwarzmilans kommen kann. Dem Betreiber wurde eine Frist eingeräumt für vertragliche Vereinbarungen mit den Flächennutzern und Eigentümern zur Festlegung von landwirtschaftlichen Nutzungen unter den Rotoren, die als Nahrungshabitat für den Schwarzmilan unattraktiv sind. Fall 1: Für eine im April 2009 genehmigte Anlage wurden nachträglich nächtliche Abschaltzeiten zum Schutz der dort im Zuge des Höhen-Monitorings festgestellten Fledermausarten festgesetzt. Die Abschaltung hat abhängig vom Ergebnis des Monitorings, zur Absenkung des Tötungsrisikos unter die Erheblichkeitsschwelle in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte September, nachts bei festgelegten Windgeschwindigkeiten und Temperaturen zu erfolgen. Die Steuerung der Anlage nach dem fledermausfreundlichen Betriebsalgorithmus erfolgt automatisch und wurde vom Anlagenbauer der Windenergieanlage in die Steuerung der Anlage implementiert. Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Fall 2: Für drei im September 2009 genehmigte Anlagen wurden nachträglich Abschaltzeiten zum Schutz der im Zuge des Rotmilan-Monitorings, vorwiegend während der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen, dort in stark erhöhter Aktivitätsdichte und - dauer nachgewiesenen Rotmilane festgesetzt. Die Abschaltzeiten beschränken sich auf den Tag des landwirtschaftlichen Nutzungsereignisses und die beiden Folgetage und gelten für alle Flächen unter den Rotoren zzgl. eines Puffers von 50 m. Des Weiteren wurden eine Ganzpflanzen-Silage-Nutzung und eine Ernte vor Mitte Juli untersagt , um den Anlockeffekt in der Hauptgefährdungsphase während der Hauptbrutzeit zu unterbinden. Fall 3: Für sechs im Januar 2010 genehmigte Anlagen wurden auf der Grundlage der Ergebnisse des dreijährigen Rotmilan-Monitorings und eines Schlagopfers während des Vogelzugs die Minderungsmaßnahmen zum Schutz der fünf betroffenen Rotmilanpaare modifiziert und in einem weiteren immissionsschutzrechtlichen Bescheid festgesetzt. Die Anwendung der Abschaltzeitenregelung während der landwirtschaftlichen Nutzungsereignisse wurde verlängert bis Ende Oktober, so dass auch die Zugzeiten erfasst sind. Die Abschaltung nach den landwirtschaftlichen Nutzungsereignissen konnte von drei Folgetagen auf zwei Folgetage reduziert werden, da die Aktivität nachweislich am dritten Tage auf Null bzw. ein sehr niedriges Level sank. Ist aus Sicht der Landesregierung sichergesellt, dass alle in der Vergangenheit im Saarland errichteten Windkraftanlagen auch den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen des Natur- und Artenschutzes genügen (bitte mit ausführlicher Begründung )? Ist es aus Sicht der Landesregierung vor dem Hintergrund eines erforderlichen Risikomanagements nicht mindestens in Bezug auf die Altanlagen geboten, deren Auswirkungen auf den Natur- und Artenschutz unter Berücksichtigung aktuellster wissenschaftlicher Erkenntnisse zu überprüfen (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 7: Es kann nicht sichergestellt werden, dass alle in der Vergangenheit im Saarland errichteten Windkraftanlagen den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, da für eine kontinuierliche, anlassunabhängige Anpassung der Genehmigungsinhalte an die jeweils aktuelle Rechtslage die Ermächtigungsgrundlage fehlt. Die Behörde hat auf der Grundlage des § 19 BNatSchG („Schädigung von Arten nach dem Umweltschadensgesetz“) die Möglichkeit, im Einzelfall, sofern konkrete Hinweise über mögliche Schäden an Arten (Arten nach Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie oder Vogelarten nach Anhang I oder Zugvogelarten der Vogelschutzrichtlinie) vorliegen , tätig zu werden. In diesem Fall wird eine Überprüfung veranlasst, ob ein Umweltschaden vorliegt oder unmittelbar zu besorgen ist und falls ja, in welcher Form weitere Maßnahmen zur Vermeidung oder Sanierung des Umweltschadens zu veranlassen sind. Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Hinsichtlich welcher der im Saarland bislang genehmigten Windkraftanlagen wurden im Hinblick auf den Natur- und Artenschutz welche konkreten Vorbehalte o.Ä. bereits in der Genehmigung festgesetzt ? Inwieweit wurde und wird die Einhaltung von Auflagen o.Ä. überwacht? Zu Frage 8: In Genehmigungen zu Windenergieanlagen wurden entsprechend der zum Genehmigungszeitpunkt vorhandenen Erkenntnisse und gesetzlichen Vorschriften die Belange des Natur- und Artenschutzes berücksichtigt. Dies führte dazu, dass im konkreten Einzelfall anlagenbezogen erforderliche Bedingungen oder Auflagen in Genehmigungsbescheide aufgenommen wurden, soweit die im Einzelfall erforderlichen artenschutzrechtlichen Maßnahmen nicht schon in den Antragsunterlagen enthalten waren bzw. einer planerischen Lösung zugeführt wurden. In der überwiegenden Anzahl der Fälle handelt es sich um die Festsetzung fledermausfreundlicher Betriebsalgorithmen in Anlehnung an BRINKMANN et al. (2011) und den Leitfaden, die Festsetzung von Abschaltzeiten für windenergierelevante Vogelarten und Monitoring-Verpflichtungen. Ebenfalls wurden einzelfallbezogen u. a. die Vorlage von Nachweisen, Ausarbeitung von Monitoring- und Ausführungskonzepten sowie die Dokumentation der tatsächlichen Abschaltzeiten festgesetzt. Die Überwachung obliegt nicht der Genehmigungsbehörde, da sich die Konzentrationswirkung nicht auf die Überwachung erstreckt, diese obliegt den zuständigen Fachbehörden selbst. Lediglich die Durchsetzung nicht eingehaltener Auflagen (z. B. mittels Zwangsmittel) oder die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (z.B. Bußgeld) – jedoch unter der Voraussetzung der Feststellung von Verstößen durch die zuständigen Fachbehörden - obliegen wiederum der Genehmigungsbehörde. Die Überwachung erfolgt überwiegend anlassbezogen bzw. stichprobenhaft. Kann nach Genehmigung und Inbetriebnahme einer Windkraftanlage für die Zukunft ausgeschlossen werden, dass künftig im Bereich einer Windkraftanlage keine neuen Brut- oder Nahrungshabitate planungsrelevanter Arten neu entstehen, die im Rahmen der Planung und Genehmigung zwangsläufig nicht berücksichtigt werden konnten (bitte mit ausführlicher Begründung)? Wäre es aus Sicht der Landesregierung im Interesse des Naturund Artenschutzes geboten, im Hinblick auf künftig sich neu einstellende Vorkommen planungsrelevanter Arten die Möglichkeit der Einschränkung und Anpassung der Genehmigung bereits in der Zulassung ganz grundsätzlich festzusetzen (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 9: Es kann nach Errichtung einer Windenergieanlage nicht ausgeschlossenen werden, dass sich nach Inbetriebnahme der Anlage planungsrelevante Arten neu ansiedeln. Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 8 - Dies kann u. U. bei einer Betroffenheit im konkreten Einzelfall zu einer Änderung der Genehmigung (Abschaltzeiten und/oder andere Maßnahmen zum Schutz der angesiedelten Arten) führen. (vgl. Antworten zu Fragen 4,5,6 und 7) Warum stellt die Landesregierung in Beantwortung meiner Frage 9 zum künftigen Verlust von Einzelexemplaren durch Windkraftanlagen auf eine Gefährdung für die Population ab, obwohl das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nach herrschender Auffassung Individuen- und nicht populationsbezogen ist? Zu Frage 10: Es ist zutreffend, dass nach herrschender Auffassung das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG individuenbezogen zu betrachten ist. Eine Beurteilung der Verlustes einzelner Individuen ist jedoch unter dem Gesichtspunkt , ob das Tötungsrisiko wesentlich das allgemeine Lebensrisiko der betroffenen Art übersteigt, zu betrachten und in Relation zur (lokalen) Population der Art zu setzen . Wie bereits in der früheren Frage ausgeführt, ist der Verlust von Einzelexemplaren , so bedauernswert dies auch in jedem Einzelfall ist, nicht gefährdend für die Population , solange das Verlustrisiko das des allgemeinen Lebensrisikos der Art nicht signifikant überschreitet. Somit bezieht sich das Tötungsverbot zwar auf das einzelne Individuum, zur Beurteilung und Wertung des Individualverlustes ist jedoch die Bedeutung dieses Verlustes für die Stabilität, (Über-)Lebensfähigkeit und Erhaltungszustand der (lokalen) Population entscheidend. Da die damalige Frage 9 auf eine Beurteilung und nicht rechtliche Wertung des Verlustes abstellte, wurde aus den voran stehenden Gründen populationsbezogen geantwortet . Welchen konkreten Inhalt haben die unter Nummer 8 meiner Anfrage angesprochenen Grundlagendaten , stör- und kollisionsgefährdete Brutvogelarten und Rastgebiete betreffend (die als Anlage 8 im Leitfaden zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland abgedruckte Konfliktkarte ist nicht hinreichend leserlich, scheint zu grob und umfasst vermutlich nur einen Teil der windkraftsensiblen Brut- und Rastvogelarten)? Zu Frage 11: Die im Leitfaden in der Anlage 8 abgedruckte Konfliktkarte illustriert einen sog. Raumwiderstand der subsummierten Betroffenheiten windkraftrelevanter Rast- und Brutvogelarten . Sie ermöglicht Investoren und Planungsträgern frühzeitig Räume mit bereits bekannten höheren Risiken bezüglich der betrachteten Vogelarten hinsichtlich einer Windenergieanlagen-Planung zu erkennen. Für konkrete Entscheidungen im Zulassungsverfahren spielt diese Karte keine Rolle. Grundlage sind hier die einschlägigen rechtlichen Vorschriften. Drucksache 15/680 (15/637) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 9 - Die für die Erstellung der Konfliktkarte berücksichtigten Vogelarten sind in Anlage 8 des Leitfadens auf Seite 112 genannt. Dort finden sich auch nähere Angaben zum konkreten Inhalt der Daten. Der Maßstab und die Darstellung der Konfliktkarte wurden bewusst nicht schärfer gewählt, um zu vermeiden, dass eine nicht gegebene Genauigkeit im Hinblick auf das tatsächliche artenschutzrechtliche Konfliktrisiko suggeriert wird. Welchen konkreten Inhalt haben die unter Nummer 8 meiner Anfrage angesprochenen Grunddaten , windkraftsensible Fledermausarten betreffend ? Zu Frage 12: Die angesprochenen Grundlagendaten umfassen Informationen zu unterschiedlichen Fledermausquartieren und Einzelnachweisen. Von Fledermäusen liegen bisher keine flächendeckenden Untersuchungen vor, so dass eine Konfliktkarte analog der Raumwiderstandskarte der Brut- und Rastvögel bisher nicht erstellt werden kann.