LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/706 (15/636) 06.12.2013 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Leitfaden zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland Vorbemerkung des Fragestellers: „Im Juni 2013 wurde ein im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz erstellter „Leitfaden zur Beachtung artenschutzrechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland“ herausgegeben, der nach eigenen Angaben die speziellen artenschutzrelevanten Fragestellungen aufgreift und zu fachlichen Empfehlungen oder Prognosen entwickelt.“ Wurden im Rahmen der Erarbeitung des Leitfadens zur Beachtung artenschutz-rechtlicher Belange beim Ausbau der Windenergienutzung im Saarland (nachfolgend: Leitfaden) Stellungnahmen des ehrenamtlichen Naturschutzes eingeholt und - bejahendenfalls - welchen Inhalt hatten diese ? Zu Frage 1: Stellungnahmen des ehrenamtlichen Naturschutzes wurden nicht eingeholt, jedoch haben zwei namhafte Experten des ehrenamtlichen Naturschutzes bei der Erstellung des Leitfadens mitgearbeitet. Darüber hinaus wurden wesentliche Bestandteile des Leitfadens durch die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland ausgearbeitet, die wiederum auch auf ehrenamtliche Kenntnisse, Daten und Beobachtungen zurückgreifen . Ebenfalls wurden im Rahmen der Erarbeitung des Leitfadens umfangreiche ehrenamtliche Datenbestände genutzt. Ausgegeben: 06.12.2013 (30.09.2013) Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Wie sind die Ausführungen unter Nummer 1 des Leitfadens konkret zu verstehen, wonach der Leitfaden zu konsensualen Lösungen zwischen der Nutzung der Windenergie und dem Naturschutz beitragen soll? Inwieweit sind hier nach Auffassung der Landesregierung die europäischen und nationalen Rechtsnormen zum Natur- und Artenschutz verhandelbar? Zu Frage 2: Die europäischen und nationalen Rechtsnormen zum Natur- und Artenschutz repräsentieren striktes Recht und sind selbstverständlich nicht verhandelbar. Eine Aufgabe des Leitfadens stellt jedoch die frühzeitige Bereitstellung von Informationen für Investoren , Planer und Kommunen dar, die u. a. auch fachliche Konzepte zur artenschutzrechtlichen Bewältigung der gesetzlichen Anforderungen an Windenergieanlagen umfasst . In der Praxis hat sich gezeigt, dass vielfach artenschutzrechtlich erforderliche Maßnahmen im Konsens zwischen Investoren und Behörden planerisch bewältigt werden können, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen – wie z. B. Grundstücksverhandlungen – frühzeitig in die Projektplanung eingestellt und umgesetzt werden können . Gelingt diese frühzeitige Berücksichtigung der artenschutzrechtlichen Erfordernisse bereits im Planungsprozess, kann dies vielfach spätere Schwierigkeiten im Genehmigungsverfahren und nachfolgende rechtliche Auseinandersetzungen vermeiden. Welche Auswirkungen hat der Leitfaden auf aktuell laufende Genehmigungsverfahren? Zu Frage 3: Der o.g. Leitfaden dient vornehmlich einer frühzeitigen umfassenden Information des Antragstellers (Genehmigungsverfahren) bzw. der Gemeinde (sachlicher Teil- Flächennutzungsplan), womit dem Träger der Planungshoheit eine Steuerungsmöglichkeit bei der Ausweisung von Konzentrationszonen an die Hand gegeben wird bzw. dem Vorhabenträger die Möglichkeit einer naturschutzrechtlich zulässigen Ausgestaltung seines konkreten Projektes in einem frühen Planungsstadium eröffnet wird. Die bisherigen Erfahrungen aus der Beratungs- und Vollzugspraxis zeigen, dass sowohl Gemeinden als auch einzelne Antragsteller die im Leitfaden aufgezeigten Empfehlungen maßgeblich berücksichtigen. Insgesamt kann als Auswirkung des Leitfadens für aktuell laufende Genehmigungsverfahren damit eine klare Rahmensetzung der fachlichen Anforderungen bei der planerischen Bewältigung von Zielkonflikten, der Abarbeitung der artenschutzrechtlichen Belange in Wechselwirkung mit der Eingriffsregelung bzw. der Umweltprüfung im Rahmen von Bauleitplan-Verfahren hervorgehoben werden . Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Die in Anlage 1 des Leitfadens dargestellten Abstandsempfehlungen und Prüfbereiche unterschreiten zum Teil die im Jahr 2006 vorgelegten Empfehlungen der Landesarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten deutlich. Ist dies allein auf die im Jahr 2012 „abgeschlossene“ und - soweit ersichtlich - bislang nicht publizierte Überarbeitung der Empfehlungen in der LAG VSW zurückzuführen ? Ist es bejahendenfalls sachgerecht, auf einen Entwurf zurückzugreifen, der sich nach eigenen Angaben der LAG VSW zurzeit noch zur weiteren Bearbeitung in Ausschüssen der LANA befindet? Welcher konkrete wissenschaftliche Erkenntniszuwachs rechtfertigt aus Sicht der Landesregierung die Absenkung? Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass sich Empfehlungen anderer Landesregierungen, die nach dem gegenständlichen Leitfaden publiziert wurden, noch an den Abstandsempfehlungen LAG VSW (2007) orientieren? Zu Frage 4: Hierzu muss zunächst angemerkt werden, dass es in der zitierten Anlage 1 des o.g. Leitfadens neben Unterschreitungen der von der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten gemachten Abstandsempfehlungen auch zu Erhöhungen (z.B. besonders relevant beim Rotmilan) der einzuhaltenden Abstände zwischen Fortpflanzungsstätten und Windenergieanlagen gekommen ist. Die in Anlage 1 aufgelisteten Abstandsempfehlungen beziehen sich auf den aktuellen Entwurf des sog. "Helgoländer Papiers" (= Fachkonvention "Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten", Stand 2012). Die diesbezüglichen Anpassungen erfolgten in Anlehnung an den gegenwärtigen Wissensstand zu Verhalten und Raumnutzung der betroffenen Arten, oftmals auf Grundlage einer entsprechenden Aktionsraumanalyse. Insofern ist es nicht nur gerechtfertigt , sondern geboten, hierauf zurückzugreifen, weil der gegenwärtige Wissensstand , der gemäß § 2 Absatz 4 BauGB auch explizit im Rahmen der Umweltprüfung von Bauleitplan-Verfahren Berücksichtigung finden muss, naturgemäß einem Wandel unterworfen sein kann, wenn neue Erkenntnisse hinzutreten. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass im Rahmen von NATURA 2000- Verträglichkeitsprüfungen (also wenn z.B. eine windkraftsensible Art als Erhaltungsziel eines solchen Schutzgebietes aufgeführt ist), die "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" zu Grunde zu legen sind, die zum entsprechenden Zeitpunkt verfügbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 – 9 A 20.05). Dies können z.B. auch auf Tagungen diskutierte neue Forschungsansätze und Erkenntnisse sein, auch wenn diese (noch) nicht die (vor)herrschende Meinung widerspiegeln (LAU 2010). Insofern ist es gerechtfertigt, auf die noch im Entwurfsstadium und möglicherweise weiteren Modifizierungen/Spezifizierungen unterworfene Fachkonvention der LAG-VSW ("Helgoländer Papier") zurückzugreifen. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Absenkungen des empfohlenen Mindestabstands gegenüber der Publikation LAG- VSW (2007): Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (Ber. Vogelschutz 44) sind außer beim Wachtelkönig, wo der als fachlich erforderlich erachtete "Ausschlussbereich " von 1000 m auf 500 m gesenkt wurde, ausschließlich bei den sog. Prüfbereichen erfolgt. Diese beschreiben Radien um jede einzelne Windenergieanlage, innerhalb derer zu prüfen ist, ob Nahrungshabitate, Schlafplätze oder andere wichtige Habitate der betreffenden Art (Artengruppe) vorhanden sind, die regelmäßig angeflogen werden. Eine Erhöhung des Prüfbereiches hat bei der Gruppe der Seeschwalben (Brutkolonien) stattgefunden. Bezüglich des Ausschlussbereiches hat es nur eine, jedoch für die Planungspraxis bedeutsame Erhöhung gegeben, nämlich im Fall des besonders windkraftsensiblen Rotmilans, von 1000 auf 1500 m. Diese Erhöhung beruht maßgeblich auf einer umfassenden und fachlich fundierten mehrjährigen (2007-2010) Telemetrie-Studie von MAMMEN et al. (2010) auf Basis von 2.760 Ortungen in 5 (für mitteleuropäische Verhältnisse typischen) Untersuchungsgebieten. Aus dieser Untersuchung geht eine entsprechende Nutzungsfrequenz von Rotmilan-Individuen (Revierpaaren ) in unterschiedlichen Distanzen zu den Horsten hervor (50 % innerhalb von 1000 m, 75 % innerhalb von 1500 m). Dass diese Aktivitäten naturgemäß (allein schon auf Grund unterschiedlicher Beschaffenheit des Horstumfeldes und infolgedessen differenzierter Eignung von Teilflächen als Nahrungshabitat) nicht kreisförmig um den Horst verlaufen (vgl. auch VG Hannover, Urt. v. 22.11.2012 – 12 A 2305/11), liegt auf der Hand, so dass im Genehmigungsverfahren die einzelfallbezogene Betrachtung der Raumnutzung erforderlich ist. Diese Vorgehensweise wird auch von der aktuellen Rechtsprechung aufgenommen, z.B. durch das Verwaltungsgericht Kassel, das sowohl den ursprünglichen "Tabu-Bereich" der o.g. Fachkonvention der LAG-VSW von 1000 m um die Fortpflanzungsstätte eines Rotmilanpaares bestätigt hat (VG Kassel, Urt. v. 20.10.2010 – 7 K 2768 04 KS) wie auch in einem neueren Urteil (VG Kassel, Urt. v. 15.06.2012 – 4 K 749/11.KS) das Überwiegen artenschutzrechtlicher Belange gegenüber einem WEA-Vorhaben innerhalb eines regelmäßig genutztes Aktionsraums des Rotmilans innerhalb des zu betrachtenden Prüfbereichs (hier sogar noch 6000 m zu Grunde gelegt) bestätigt, obwohl innerhalb des früher angesetzten 1000 m- Ausschlussbereiches in diesem Fall keine Anlagen geplant waren. In diesem Sinne sind auch die teilweise deutlich verringerten Prüfbereiche als Fachempfehlungen auf Grundlage des gegenwärtigen Wissensstands zu verstehen. Beispielsweise haben Studien gezeigt, dass Baumfalken zwar nach Errichtung von WEAs Brutplätze aufgaben, diese jedoch im Folgejahr wieder besetzten. Der neueren Erkenntnisse der Forschung haben zu einer Ersetzung des ehemaligen Ausschlussbereiches von 1000 m und eines Prüfbereiches von 4000 m zu einem jetzt nur noch bestehenden Prüfbereich von 3000 m geführt, innerhalb dessen z.B. Flugwege zu bevorzugten Nahrungshabitaten von Windenergieanlagen freigehalten werden sollten. Als konkreter wissenschaftlicher Erkenntniszuwachs seien die Publikationen von FIUCZYNSKI (2010), FIUCZYNSKI & SÖMMER (2011), FIUCZYNSKI et al. (2009) sowie KLAMMER (2011) genannt. Für die weiteren konkreten Begründungen der Modifizierung (Absenkung) der Prüfbereiche sei auf das umfangreiche Literaturverzeichnis der o.g. Fachkonvention verwiesen. Der dynamischen Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnislage ist auch die Tatsache geschuldet, dass in der aktuellen Version des hier in Rede stehenden Helgoländer Papiers der Kormoran (Brutkolonien) in der Liste der (windkraft)relevanten Vogelarten nicht mehr aufgenommen ist, jedoch Großtrappe, Ziegenmelker und Wiedehopf sowie bestandsbedrohte störungssensible Wiesenvogelarten hinzugekommen sind. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Grundsätzlich sei an dieser Stelle daher auch noch einmal auf den Empfehlungscharakter der o.g. Fachkonvention hingewiesen, was in der Planungs- und Genehmigungspraxis sowohl eine Absenkung der Abstände zu Windenergie-Projekten als aber auch eine Erweiterung derselben zur Folge haben kann, stets orientiert an dem konkreten Raumnutzungsverhalten der im Einzelfall betroffenen Vogelarten. Insofern kommt die grobe Rahmensetzung durch das Helgoländer Papier vor allem auf der höheren Abstraktionsebene der vorbereitenden Bauleitplanung (sachliche Teil-FNPs, siehe auch Antwort zu Frage 3) zum Tragen. Wie sind aus Sicht der Landesregierung die Ausführungen unter Nummer 4.1 des Leitfadens in Bezug auf die Bestandserfassung zu konkretisieren , wonach vielfach Potentialabschätzungen ausreichen würden und Untersuchungen „ins Blaue hinein“ nicht veranlasst seien? Zu Frage 5: Die Fragen 5, 6 und 7 betreffen die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative bei der behördlichen Ermessensentscheidung im Rahmen von Genehmigungsverfahren. Eine solche wurde der zuständigen Behörde mehrfach in der aktuellen Rechtsprechung zuerkannt (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 14.07; Urt. v. 12.08.2009 – 9 A 64.07; Urt. v. 14.07.2011 – 9 A 12.10) und spezifisch auch für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren betont (OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.04.2011 – 12 ME 274/10; VG Halle, Urt. v. 24.03.2011 – 4 A 46/10. Die Einschätzungsprärogative kommt auf zwei Ebenen zum Tragen: erstens im Rahmen der Erfassung des Bestands der geschützten Arten und zweitens bei der Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden (VG Hannover, Urt. v. 22.11.2012 – 12 A 2305/11). Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist es anerkannt, dass Beurteilungsspielräume der Verwaltung unter anderem bei komplexen Gefährdungslagen , über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Resultate vorliegen, bestehen . Die Rechtsanwendung ist daher auf die Erkenntnisse der ökologischen Wissenschaft und Praxis angewiesen. Die Ausführungen unter Punkt 4.1 des hier in Rede stehenden Leitfadens beziehen sich darauf, dass es auch bei einem fehlenden konkreten Nachweis einer windkraftsensiblen (kollisionsgefährdeten oder störungsempfindlichen) Vogelart ausreicht, wenn sich der Lebensraum als – gemäß einschlägiger Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnislage – geeignetes Aufenthalts-, Fortpflanzungs- oder Nahrungshabitat (also de facto "Homerange") der Art darbietet und die Art zumindest in einer ihrem räumlichen Dispersionsvermögen entsprechenden Entfernung zum Eingriffsort nachgewiesen war bzw. ist, um deren Vorkommen als gegeben im Rahmen der naturschutzrechtlichen Bewertung eines Vorhabens zu betrachten. Wenn beispielsweise eine relevante Vogelart seit Jahrzehnten nicht mehr im Gebiet nachgewiesen ist und auch keine Populationsreserve in relevanter Entfernung bekannt ist, würde die Potentialabschätzung auf eine negative Entscheidung (Art wird als nicht vorhanden angesehen) hinauslaufen . Umgekehrt reichen aber bei Vorliegen entsprechender Hinweise solche Abschätzungen anhand von Habitat-Merkmalen etc. aus, selbst wenn keine aktuellen Nachweise zum Zeitpunkt eines bestimmten Vorhabens vorliegen. Wie LAU (2011) ausführt , darf mit Prognosewahrscheinlichkeiten, Schätzungen und – soweit der Sachverhalt damit angemessen erfasst werden kann – mit Worst-Case-Annahmen gearbeitet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.08.2009 – 9 A 64.07; BVerwG, Urt. v. 18.03.2009 – 9 A 39.07). Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Regelmäßig geboten sind eine angemessene Literaturrecherche (bzw. die Auswertung vorhandener Daten aus Datenbanken, z.B. Zentrum für Biodokumentation) sowie eine Bestandserfassung vor Ort (vgl. Anforderungen des Leitfadens), da grundsätzlich nur durch eine aus diesen beiden Quellen gewonnene Gesamtschau die erforderliche hinreichende Erkenntnisgrundlage zur naturschutzrechtlichen Beurteilung eines Vorhabens ermöglicht wird (vgl. auch hierzu die vorgenannte höchstrichterliche Rechtsprechung ). Der Begriff "Untersuchungen ins Blaue hinein" bezieht sich auf die Tatsache, dass die Behörde nicht ohne konkrete Anhaltspunkte ein theoretisch mögliches Vorkommen einer Art als Basis für ihre Ermessensentscheidung heranziehen darf und in diesem Sinne auch nicht den Antragsteller für Untersuchungen, die den Charakter einer Grundlagenforschung haben, in Anspruch nehmen darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.07.2008 – 9 A 14.07; OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.04.2011; VG Hannover Urt. v. 22.11.2012 – 12 A 2305/11). Im Leitfaden wird unter Nummer 4.1 ausgeführt, bei der Bestandserfassung am Eingriffsort sei zu prüfen, ob die relevanten Arten im festgelegten Untersuchungsraum des Vorhabens aktuell vorkommen . Erfolgt mithin keine Prüfung dahingehend , ob relevante Arten künftig möglicherweise zu erwarten sind? Bejahendenfalls, warum nicht? Zu Frage 6: Diese Frage knüpft unmittelbar an die unter Frage 5 ausgeführten Aspekte an. Die Frage, ob relevante Arten möglicherweise künftig am Eingriffsort (WEA-Standort) zu erwarten sind, kann einem konkreten Vorhaben vernünftigerweise nicht entgegengehalten werden, wenn im Rahmen dieses Vorhabens eine fachlich fundierte, d.h. den qualitativen (Untersuchungsumfang) und quantitativen (Untersuchungsfrequenz) Kriterien entsprechende Untersuchung zum Vorkommen der relevanten Arten durchgeführt worden ist. Gerade hierfür dient auch der in Rede stehende Leitfaden mit den darin aufgeführten Rahmenbedingungen zu Untersuchungsumfang und -häufigkeit für die jeweiligen Arten(gruppen). Eine solche Vorgehensweise würde auch jeglicher Rechtsgrundlage des Natur- und Artenschutzrechts entbehren. Ist aus Sicht der Landesregierung bei der Prüfung der artenschutzrechtlichen Betroffenheit neben dem tatsächlichen Nachweis geschützter Tierarten durch eine Bestandserfassung vor Ort (mittels Begehung ) auch darüber hinaus maßgeblich, ob geschützte Tierarten lediglich möglicherweise aktuell in dem betroffenen Gebiet vorkommen? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 7: Diese Frage betrifft im Wesentlichen die gleiche Problemstellung, wie sie in Frage 5 aufgeworfen ist, weshalb zunächst auf die entsprechende Beantwortung verwiesen wird. Zusätzlich sei an dieser Stelle angemerkt, dass die naturschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit von Windenergie-Vorhaben anhand des aktuell vorhandenen Artenbestandes beurteilt wird. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Dem Auftreten (bzw. Bekanntwerden) windkraftsensibler Arten im Einwirkungsbereich eines konkreten Vorhabens nach Genehmigungserteilung bzw. nach Inbetriebnahme der Anlagen kann in der Vollzugspraxis mittels nachträglich zu vereinbarender bzw. anzuordnender Vermeidungs-, Minimierungs- und/oder Kompensationsmaßnahmen begegnet werden. Durch die Abarbeitung des im Leitfaden angegebenen Untersuchungsumfangs für windkraftsensible Vogel- und Fledermausarten soll eine solche Situation bereits im Vorfeld weitgehend vermieden werden. Die Dynamik der Natur lässt jedoch keine Prognose für die gesamte Laufzeit einer Windenergieanlage zu. Inwiefern finden bei der Prüfung der artenschutzrechtlichen Betroffenheit Erkenntnisse aus langjährigen Beobachtungen und aus früheren Untersuchungen Berücksichtigung (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 8: Erkenntnisse, die der Naturschutzbehörde vorliegen, finden in allen Phasen der Prüfung der artenschutzrechtlichen Betroffenheit sowie der Ausübung der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative bei der behördlichen Ermessensentscheidung im Rahmen von Genehmigungsverfahren Berücksichtigung. Inwieweit finden bei der Brutvogelerfassung und deren Bewertung auch Niststätten Berücksichtigung , die zwar in der Vergangenheit genutzt wurden , aber im Jahr der Erfassung nicht besetzt sind (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 9: Die Betrachtung von Fortpflanzungsstätten von Vögeln (Nester, Horste) findet grundsätzlich im Rahmen der naturschutzfachlichen Bewertung eines Vorhabens Berücksichtigung und zwar unabhängig davon, ob sie aktuell besetzt sind oder nicht. Dies geht schon aus der einschlägigen Rechtsprechung hervor, die Fortpflanzungsstätten ausdrücklich auch außerhalb der Phasen konkreter Nutzung schützt und dem Geltungsbereich des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG unterwirft. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass diese Stätten regelmäßig benutzt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.2009 – 9 A 39.07; BVerwG, Beschl. v. 13.03.2008 – 9 A 10.07). Beispielsweise sind Nistplätze von Zugvögeln auch während der winterlichen Abwesenheit der Tiere geschützt (vgl. VGH Kassel, Urt. v. 21.02.2008 – 4 N 869/07), wie SCHÜTTE u. GER- BIG (2012) ausführen. LAU (2011) weist darauf hin, dass sich das Schutzregime des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auch auf bloße Reste von Fortpflanzungsstätten erstreckt , wenn diese zum Wiederaufbau der vollständigen benötigten Lebensstätten Verwendung finden. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 8 - Vor diesem rechtlichen Hintergrund muss auch die spezifische Ökologie der betrachteten Arten berücksichtigt werden. Beispielsweise können Horste des besonders windkraft -sensiblen Rotmilans nicht nur während dessen winterlicher Abwesenheit, sondern – auf Grund der Nutzung von Wechselhorsten – auch während der Fortpflanzungsperiode unbesetzt sein, ohne dass sie ihre Funktion als Fortpflanzungsstätte verloren hätten und damit aus dem Schutzregime des § 44 Abs. 1 Nr. 3 herausfielen. Im konkreten Genehmigungsverfahren werden unbesetzte Horste also vollumfänglich mitberücksichtigt , wobei aus fachlichen Erwägungen eine solche Fortpflanzungsstätte als dauerhaft aufgegeben gelten kann, wenn sie im Falle von Greifvögeln durchgehend 3 Jahre, im Fall des Schwarzstorchs über 5 Jahre nicht mehr genutzt wurde. Nichtsdestoweniger können auch solche längerfristig unbesetzten Horste eine wichtige Rolle im Rahmen der Legalausnahme nach § 44 Abs. 5 BNatSchG spielen, wenn sie einer geschützten Art, die von einem eingriffsbedingten Wegfall ihrer bisherigen Fortpflanzungsstätte betroffen ist, in ausreichendem Umfang eine Ausweichmöglichkeit eröffnen . Hat die Landesregierung Kenntnisse darüber, ob in der Vergangenheit im Saar-land Brutstätten /Horste planungsrelevanter Arten, wie beispielsweise des Rotmilans, im Umfeld geplanter Windkraftanlagen zerstört wurden/verschwanden? Kann aus Sicht der Landesregierung ausgeschlossen werden, dass Brutstätten/Horste planungsrelevanter Arten bewusst zerstört werden, um Windkraftanlagen im Umfeld der Brutstätten /Horststandorte errichten zu können? Wie würde die Zerstörung bzw. das Verschwinden einer Brutstätte/eines Horstes planungsrelevanter Arten im Rahmen der Prüfung seitens der Verwaltung bewertet? Zu Frage 10: Bisher sind zwei Fälle bekannt geworden, bei denen Rotmilanhorste zerstört worden sind, bzw. Rotmilane vergiftet worden sind. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Planung von Windenergieanlagen wurde zwar unterstellt, ließ sich aber bei näherer Überprüfung nicht stichhaltig beweisen. Ehemalige Brutstätten werden drei bzw. fünf Jahre in der Kartei weitergeführt, bis der Nachweis geführt ist, dass keine Vögel mehr da sind. In der Regel werden aufgrund der hohen Reviertreue der Vögel insbesondere bei den Milanarten und dem Schwarzstorch Wechselhorste in großer räumlicher Nähe zu den ursprünglichen Niststätten genutzt. Naturgemäß kann nicht ausgeschlossen werden, dass entgegen den gesetzlichen Bestimmungen gehandelt und relevante Brutstätten / Horste zerstört werden. Wenn eine solche Handlung festgestellt würde, müsste der Verursacher mit den entsprechenden rechtlichen Konsequenzen rechnen. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 9 - Inwieweit ist der ehrenamtliche Naturschutz bei jedem einzelnen Planungs-/Genehmigungsverfahren , insbesondere hinsichtlich der Prüfung, ob naturschutz-rechtliche Verbote entgegenstehen , eingebunden? Erfolgt im Rahmen der Verschaffung einer hinreichenden Erkenntnisgrundlage zu der Häufigkeit und Verteilung geschützter Tierarten sowie deren Lebensstätten seitens der Behörde bei jedem Planungs-/Genehmigungsverfahren eine Abfrage bei den Stellen des ehrenamtlichen Naturschutzes? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 11: Eine Beteiligung des ehrenamtlichen Naturschutzes in jedem einzelnen Zulassungsverfahren erfolgt entsprechend den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen nicht. So werden u. a. anerkannte Naturschutzverbände im förmlichen Genehmigungsverfahren beteiligt, im sog. vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht. Dazu wird ihnen im Rahmen eines Scoping-Termins vor Einreichung des Genehmigungsantrags Gelegenheit gegeben, Vorschläge zum Untersuchungsumfang mitzuteilen . Dennoch erfolgt im Rahmen der Verschaffung einer hinreichenden Erkenntnislage zu der Häufigkeit und Verteilung geschützter Tierarten sowie deren Lebensstätten eine Berücksichtigung ehrenamtlich erarbeiteter Erkenntnisse. Im Jahre 2009 und 2010 wurde vom Ornithologischen Beobachterring Saar (OBS) eine Milan-Kartierung im gesamten Saarland durchgeführt. Diese Kartierung wurde in den Folgejahren ergänzt und die Horste werden regelmäßig kontrolliert. Zusätzlich bekannt gewordene Niststätten (oft von Naturschutzverbänden und Bürgerinitiativen übermittelt) windkraftrelevanter Vogelarten und Fledermausquartiere werden seitens des LUA (ZFB) überprüft, bei Stichhaltigkeit in die Kartei aufgenommen und bei den Genehmigungsverfahren berücksichtigt. Darüber hinaus werden seltene und planungsrelevante Arten zahlreicher Artengruppen im Arten- und Biotopschutzprogramm des Saarlandes (ABSP) und seiner Fortschreibungen geführt und turnusmäßig aktualisiert. Die hierfür verwendeten Daten werden ganz überwiegend von Artkennern und Artspezialisten aus ihrer meist ehrenamtlichen Tätigkeit zur Verfügung gestellt. Nach Plausibilitätsprüfung werden sie in den Datenpool des ABSP aufgenommen. Gleiches gilt für Daten, die im Auftrag des LUA bzw. des MUV erhoben wurden. Die Datenbereitstellung durch zahlreiche Privatpersonen im Rahmen des ABSP erfolgt insbesondere deshalb, damit seitens der Naturschutzbehörden eine angemessene Berücksichtigung der relevanten Artvorkommen in Zulassungsverfahren und bei Planverfahren gewährleistet werden kann, ohne dass in jedem Einzelfall einer Zulassung zahlreiche Privatpersonen kontaktiert werden müssen. Letzteres wäre in jedem konkreten Einzelfall für beide betroffenen Seiten nicht zu leisten. Liegen der Naturschutzbehörde besondere Hinweise oder Informationen über jüngere, relevante Artnachweise vor, so kann es im Einzelfall vorkommen, dass die Naturschutzbehörde gezielt nachfragt. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 10 - Ist es aus Sicht der Landesregierung sinnvoll, dass Gutachter zur artenschutzrechtlichen Prüfung von Antragstellern/Anlagenbetreibern selbst ausgewählt (und bezahlt) werden und sieht die Landesregierung in Bezug auf den Erhalt von Folgeaufträgen bei den Gutachtern einen möglichen Interessenkonflikt? Bestünde die Möglichkeit , entsprechende Gutachten durch Mitarbeiter der Landesverwaltung selbst oder zumindest im Auftrag der Verwaltung, aber auf Kosten der Antragsteller /Anlagenbetreiber, anzufertigen? Zu Frage 12: Grundsätzlich sind mit einer gutachterlichen Tätigkeit, die im Auftrag von Investoren durchgeführt wird, auch Interessenskonflikte zwischen der fachlichen und wissenschaftlichen Kenntnis und Beurteilung, dem Interesse des Auftraggebers, der Beachtung gesetzlicher Vorgaben sowie der Erarbeitung belastbarer Gutachten und Planungen verbunden. Nicht umsonst hat der Gesetzgeber bei Umsetzung der Umwelthaftungsrichtlinie in nationales Recht u. a. in § 19 Absatz 1 BNatSchG die Freistellung von Schädigungen im Sinne des Umweltschadensgesetzes im Rahmen der Prüfung bzw. Genehmigung durch die zuständige Behörde bzw. Umsetzung auf Grundlage eines Bebauungsplans an die zuvor erfolgte Ermittlung nachteiliger Auswirkungen von Tätigkeiten einer verantwortlichen Person geknüpft. Eine Erarbeitung der im Laufe eines Jahres in Verbindung mit Zulassungsverfahren erforderlichen Gutachten durch Mitarbeiter der Landesverwaltung ist – auch wenn Personen mit entsprechender Qualifikation beschäftigt sind – schon aufgrund der Vielzahl der erforderlichen Gutachten und des damit verbundenen Zeitaufwandes sowie der extremen Arbeitsspitzen zu relevanten Erfassungszeitpunkten im Laufe eines Jahres schlichtweg unmöglich. Eine Vergabe artenschutzrechtlich relevanter Bestandserfassungen und Planungsleistungen durch die Verwaltung - bei Kostenübernahme durch den jeweiligen Investor – würde die Eigenverantwortlichkeit des Vorhabenträgers unangemessen und nicht zielführend beschränken und im Umkehrschluss zur Frage der Voreingenommenheit des Gutachters im Sinne des Artenschutzes führen. Ebenso könnten für die Behörde vergaberechtliche Probleme entstehen. Ferner würde dies auch einen Eingriff in den Markt und die Schaffung neuer Konfliktfelder zwischen Investor und Behörde mit sich bringen. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 11 - Ist aus Sicht der Landesregierung der Stellenbestand in der Verwaltung ausreichend, um den quantitativ und qualitativ steigenden Anforderungen bei der Prüfung der natur- und artenschutzrechtlichen Belange im Zusammenhang mit dem Ausbau der Windenergie zu genügen (bitte mit ausführlicher Begründung)? Zu Frage 13: In den Jahren 2012 und 2013 entstand durch die Energiewende ein enormer Anstieg der Antragszahlen im Bereich der erneuerbaren Energien, deren Bearbeitung durch Anpassung der Schwerpunktsetzung der Aufgabenwahrnehmung bewältigt werden konnte. Welchen Standpunkt vertritt nach Kenntnis der Landesregierung die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung zu möglichen Ausnahmegründen gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG bei Windkraftanlagen und inwieweit hat die einschlägige Rechtsprechung (bitte unter Angabe der konkreten gerichtlichen Entscheidungen) aus Sicht der Landesregierung im Leitfaden (s. Nummer 5.1.2 „FCS- Maßnahmen bei der Ausnahmeprüfung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG“) Beachtung gefunden? Gab es in der Vergangenheit im Saarland zu Gunsten von Windkraft-anlagen Ausnahmegenehmigungen gemäß § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG? Zu Frage 14: Obergerichtliche Rechtsprechungen zu möglichen Ausnahmegründen nach § 45 BNatSchG gibt es zu Windenergieanlagen aktuell nach unserer Recherche keine. Die Ausführungen im Leitfaden unter Kapitel 5.1.2 basieren auf dem Dokument der EU- Kommission (Februar 2007): Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie 92/43/EWG (Guidance document on the strict protection of animal species of Community interest under the 'Habitats' Directive 92/43/EEC). Im Saarland wurden bisher keine Ausnahmegenehmigungen nach § 45 BNatSchG im Rahmen von Zulassungsverfahren von Windenergieanlagen erteilt. Durch kooperative Zusammenarbeit von Zulassungsbehörde, Naturschutzbehörde und Vorhabenträgern konnten die artenschutzrechtlichen Konflikte im Zuge der Planung und des Zulassungsverfahrens so weit gelöst werden, dass die artenschutzrechtliche Zulassung auf der Grundlage der Legalausnahme nach § 44 Abs. 5 BNatSchG möglich war. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 12 - Wie beurteilt die Landesregierung die in Anlage 3 des Leitfadens für den Rotmilan dargestellten Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die obergerichtliche Rechtsprechung einzelnen Vermeidungsmaßnahmen in Bezug auf den Rotmilan bei der Prüfung des Tötungsverbots zum Teil sehr skeptisch gegenübersteht? Welche konkreten Urteile wurden für die Darstellungen im Leitfaden ausgewertet? Zu Frage 15: Für die Darstellungen im Leitfaden wurden sowohl die aktuelle Rechtsprechung als auch die ökologische Kenntnis der Autoren und die Erfahrungen aus konkreten Genehmigungsverfahren berücksichtigt. Folgende Rechtsprechung sei jedoch besonders hervorgehoben: Im Urteil des VG Halle (Saale) vom 23. November 2010 – 4 A 34/10 –, wird die als Auflage formulierte Minderungsmaßnahme zur Abschaltung der Windkraftanlage während des überregionalen Herbstzugs der Fledermäuse in den Monaten August und September jeweils 1 Stunde vor bzw. nach Sonnenaufgang mit der Ausnahme, dass die Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe von über 8 m/s beträgt, als rechtmäßig bewertet , weil der unbeschränkte Betrieb ein gesteigertes Tötungs- und Verletzungsrisikos für die Fledermäuse verursacht. Das Urteil wurde durch das OVG Sachsen-Anhalt am 16.5.13, Az.: 2 L 80/11 aufgehoben , da das Gericht keine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos beim Herbstzug sah und die Auflage nicht erforderlich war, weil die genehmigten Anlagen auch dann nicht gegen das Tötungsverbot verstoßen, wenn sie innerhalb der angeordneten Abschaltzeiten betrieben werden. Begründet wurde dies mit dem mehrere Kilometer breiten Herbstzug des Großen Abendseglers der sich im Bereich des beantragten Windparks auch nicht verdichtete und lediglich einem Schlagopfer im benachbarten Windpark , auch wenn die Auffindwahrscheinlichkeit unter 50 % lag. Eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos kann nach aktueller Rechtsprechung zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Windenergieanlagen im Wald (vgl. Gatz, Rechtsfragen der Windenergienutzung, DVBl 2009, 737 [744], mit weiteren Nachweisen ) oder innerhalb bevorzugter Jagdgebiete oder in Hauptflugrouten errichtet werden sollen (BVerwG, Urt. v. 12.03.2008 – 9 A 3.06 –, BVerwGE 130, 299, Rdnr. 219; VG Gera, Urt. v.28.04.2005 – 4 K 1071/02.GE, juris Rn. 14). Gerade die Bewertung, wann ein – bestehendes – Tötungs- oder Verletzungsrisiko "signifikant" erhöht ist, lässt sich nicht im strengen Sinne "beweisen", sondern unterliegt einer wertenden Betrachtung (vgl. zum Ganzen: Urt. d. Senats v. 26.10.2011 – 2 L 6/09 – juris, Rdnr. 60 bis 65; OVG RP., Urt. v. 28.10.2009 – 1 A 10200/09 –, NuR 2010, 348 [350 f.], juris, Rdnr. 42, 52; NdsOVG, Beschl. v. 20.04.2011 – 12 ME 274/10 –, NuR 2011, 431). Die Signifikanzschwelle ist auch in solchen Fällen erst dann überschritten, wenn aufgrund einer hinreichend gesicherten Tatsachenbasis feststeht, dass gerade an dem konkreten Standort der zu errichtenden Windkraftanlagen und nicht nur in dessen näherer und weiterer Umgebung zu bestimmten Zeiten schlagopfergefährdete Fledermäuse in einer Zahl auftreten, die Kollisionen von mehr als nur einzelnen Individuen mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. Bei ein oder zwei Fledermäusen im Jahr ist diese Zahl jedoch noch nicht erreicht. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 13 - Im Urteil des VG Kassel vom 15.6.2012 – 4K 749/11.KS wurde entschieden, dass die Errichtung einer Windkraftanlage innerhalb eines wesentlichen Nahrungshabitats des Rotmilans unzulässig ist und das signifikant erhöhte Tötungsrisiko nicht durch bestimmte Maßnahmen vermieden oder spürbar verringert werden könne. Bei der Frage des signifikant erhöhten Kollisionsrisikos war der von der LAG VSW aus 2007 empfohlene Ausschlussbereich von 1000 m und Prüfbereich von 6000m von maßgeblicher Bedeutung. Das VG geht im Urteil vom 15.06.2012 in Übereinstimmung mit dem Urteil des VG Kassel vom 20.10.10, Az.: 7K-2768/04.KS davon aus, dass ein signifikant erhöhtes Risiko innerhalb des Ausschlussbereichs immer vorliegt und innerhalb des Prüfbereichs dann, wenn sich hier mehrere für den Rotmilan attraktive, nicht nur kurzzeitig bzw. zeitweise zur Verfügung stehende Nahrungshabitate befinden oder die Anlagen innerhalb eines Flugkorridors gebaut werden sollen und dies durch Untersuchungen belegt ist (vgl. Urteil ThürOVG vom 14.10.09, 1KO 372/06). Im vorliegenden Fall wurden die Nahrungshabitate nahezu ganzjährig von den Rotmilanen genutzt, so dass Vermeidungsmaßnahmen wie z.B. die temporäre Abschaltung keine spürbare Verringerung des Kollisionsrisikos gebracht hätte und der Betreiber keinen Einfluss auf alle Nahrungshabitate hatte. Diese Entscheidungen finden bei den artenschutzrechtlichen Bewertungen Berücksichtigung . Windenergieanlagen innerhalb von essentiellen Nahrungshabitaten des Rotmilans wurden entweder vom Betreiber nicht weiter verfolgt oder der Antrag im Zuge des Verfahrens zurück gezogen. Die im Leitfaden vorgeschlagenen Vermeidungsmaßnahmen für den Rotmilan sind z.B. dann anwendbar, wenn die Anlage innerhalb eines nur während der landwirtschaftlichen Nutzung vom Rotmilan häufig genutzten Bereichs liegt und dies durch eine Abgrenzung der Hauptaktionsräume belegt ist und der Betreiber die Nutzung der Flächen unter dem Rotor bzw. im Gefahrenbereich um den Rotor regeln kann. Warum findet der Mäusebussard, der neben dem Rotmilan in der zentralen Fundkartei über Vogelverluste an Windenergieanlagen der Staatlichen Vogelschutzwarte in Brandenburg die häufigste Art darstellt, keinerlei Erwähnung im Leitfaden? Ist nach Auffassung der Landesregierung die in dem Leitfaden vorgenommene Verengung auf die dort aufgeführten Arten sachgerecht? Zu Frage 16: Der Mäusebussard ist der mit Abstand häufigste Greifvogel Mitteleuropas. Er ist etwa 20mal so häufig wie der Rotmilan. Rechtlicher Maßstab für die Bewertung des Tötungsrisikos ist das individuenbezogene, signifikant erhöhte Tötungsrisiko. Die Artsteckbriefe im Leitfaden wurden federführend durch die Staatlich anerkannte Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland erarbeitet. Der Mäusebussard wird von den Vogelschutzwarten nicht zu den windkraftrelevanten Vogelarten gezählt. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 14 - Vergleicht man die aktuellen Schlagopferzahlen (LUGV Brandenburg, Oktober 2013) von Mäusebussard (245) und Rotmilan (213) wird ersichtlich, dass unter Berücksichtigung der gravierend unterschiedlichen Häufigkeit der Arten der Mäusebussard im Vergleich zum Rotmilan ein Schlagopferrisiko von 5 – 10 % des Risikos des Rotmilans aufweist. In zahlreichen Zulassungsverfahren, in denen Nutzungsregelungen für Milane unter und im Umfeld um Windenergieanlagen festgelegt werden oder Abschaltzeiten während der landwirtschaftlichen Nutzung unter oder im Umfeld von Windenergieanlagen festgelegt werden, profitiert auch der Mäusebussard von diesen Maßnahmen. Wonach richtet sich die Entscheidung, ob die in Anlage 7 des Leitfadens unter Nummer 2.1.1 aufgeführte detaillierte Funktionsraumanalyse mit integrierter Habitatnutzungsuntersuchung sowie die Abschätzung des Kollisionsrisikos, erfolgt? Zu Frage 17: Die Entscheidung zur Durchführung einer detaillierten Funktionsraumanalyse spielt vor allem dann eine Rolle, wenn von den fachlich (Fachkonvention der LAG-VSW) für erforderlich gehaltenen Mindestabständen (Schutzabständen) zwischen einer bekannten Fortpflanzungsstätte einer windkraftsensiblen Vogelart und einem konkreten Vorhaben bzw. einer in einem sachlichen Teil-FNP darzustellenden Konzentrationszone abgewichen werden soll. In der bisherigen Verwaltungspraxis ist in erster Linie der Rotmilan betroffen. Einschränkend muss allerdings an dieser Stelle angemerkt werden, dass aus aktuellen wissenschaftlichen Studien (MAMMEN et al. 2010) hervorgeht, dass auch Aktionsraumanalysen keine vollständige Abbildung der langjährigen Raumnutzung eines Revierpaares erlauben, da Rotmilane nicht nur dorthin fliegen, wo sie tatsächlich Nahrung vorfinden, sondern auch solche Strukturen (v.a. Grenzlinien) patrouillieren, wo sie Nahrung erwarten und zudem teilweise starke jährliche Abweichungen zu beobachten sind. Auch angesichts der Tatsache, dass eine den wissenschaftlichen Maßstäben genügende Funktionsraumanalyse mittels Telemetrie und entsprechender Auswertung einen hohen materiellen und zeitlichen Aufwand mit sich bringt, wird in der Planungspraxis in den meisten Fällen auf die Frequenz der Habitatnutzung durch die beobachteten Individuen Bezug genommen. Hieraus lassen sich durchaus Jagdgebiete hoher, mittlerer und eher geringer Bedeutung kategorisieren. Neben der hohen Bedeutung der spezifischen Beschaffenheit der Freilandflächen (Grünland, Feldfrüchte) im Homerange eines Rotmilans ziehen Ernteereignisse die Tiere (in der Erwartung von dort befindlichen Kleinsäugern, auch Kadaver) regelmäßig stark an, so dass solche Flächenteile ebenfalls in der Raumnutzungs-Frequenz bedacht werden müssen. Trotz dieser Erkenntnisse sind Funktionsraumanalysen dazu geeignet, einschlägige Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen grundsätzlich verorten und planen zu können. Auf Ebene der Flächennutzungsplanung wird sich eine solche Analyse regelmäßig auf eine überschlägige (gleichwohl methodisch saubere) Einschätzung der Nutzungsintensität der jeweiligen Flächenanteile (Wald, Grenzlinien- Strukturen, Grünland, Acker etc.) beschränken müssen, während auf Ebene der Genehmigungsplanung mit dann bekannter Anlagenanzahl, deren Höhe, Rotordurchmesser und Anordnung im Raum eine detailliertere Herangehensweise mit entsprechend erhöhter Beobachtungs-Frequenz und Datendichte erforderlich ist. Grundsätzlich wird man einen umso höheren Detaillierungsgrad der Betrachtung der Raumnutzung einer betroffenen Vogelart ansetzen müssen, je geringer die Distanz zwischen dem Standort einer geplanten Windenergieanlage und einer Fortpflanzungsstätte bzw. einem für die Art attraktiven Nahrungs-/Jagdhabitat ist. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 15 - Frage 18: Wie beurteilt die Landesregierung die unter Anlage 7 Nummer 2.2 des Leitfadens erwähnte Möglichkeit, im Hinblick auf Fledermäuse eine Anlage mit grob pauschalierten Abschaltzeiten zu beantragen, angesichts der Tatsache, dass es bereits im ersten Jahr der Inbetriebnahme unter pauschalen Abschaltzeiten zu erheblichen Tötungen kommen kann? Wie ist zu verfahren, wenn eine Schlagopferreduktion unter der Signifikanz-Schwelle seitens der Anlage nicht erreicht wird? Zu Frage 18: Die hier angesprochenen pauschalierten Abschaltzeiten (konkret zwischen 01.03. und 31.10. eines Jahres bei gleichzeitig herrschenden Windgeschwindigkeiten von über 6 bzw. 7 m/s und gleichzeitig herrschenden Temperaturen von unter 10 °C) entsprechen dem Untersuchungsdesign von BRINKMANN et al. (2011) zur Implementierung fledermausfreundlicher Betriebsalgorithmen in Windenergie-Anlagen. Da im ersten Jahr des Monitorings noch keine genauen Aktivitätsrhythmen der vor Ort auftretenden Fledermausarten bekannt sind, muss im Sinne des Vorsorgeprinzips mit grob pauschalierten Abschaltzeiten gearbeitet werden. Bei den hierfür normierten Parametern zum Anlagenbetrieb ist nach einschlägiger Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnislage nicht von einer Aktivitätsdichte auszugehen, bei der ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko besteht und damit der Eintritt des Verbotstatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (Tötungsverbot) zu besorgen ist. Angesichts der Tatsache, dass zumindest bezogen auf die Windgeschwindigkeit und die Tages-/Nachtzeit, die aktuelle Rechtsprechung "Grenzwerte" von 8 m/s (VG Halle, Urt. v. 23.11.2010 – 4 A 34/10, hier auf die Monate August u. September während des herbstlichen Zuggeschehens der Tiere in der Zeit zwischen 1 Stunde vor Sonnenuntergang bis 1 Std. nach Sonnenaufgang bezogen; VG Halle, Urt. v. 24.3.2011 – 4 A 46/10) und 6 m/s "zu Nachtzeiten in den Sommermonaten" (OVG Weimar, Urt. v. 14.10.2009 – 1 KO 372.06) als effektive Vermeidungsmaßnahmen zur Verhinderung des Eintritts des o.g. Verbotstatbestands anerkannt hat, sind die im Leitfaden beschriebenen Rahmenbedingungen für das Monitoring im ersten Jahr als mildestes Mittel zur Senkung der Signifikanzschwelle für die Erhöhung des Tötungsrisikos an einer Windenergieanlage anzusehen und stellen damit einen effizienten Ansatz zur artenschutzrechtlichen Konfliktbewältigung auf Grundlage des besten derzeit verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisstands dar. Zum zweiten Teil der Frage ist anzumerken, dass der einzurichtende Betriebsalgorithmus die Anlage so steuern soll, dass bei Überschreitung der fachwissenschaftlich vertretbaren Schwellenwerte der Fledermausaktivität bzw. der zu Grunde liegenden Parameter -Kombination aus Nachtzeit, Temperatur und Windgeschwindigkeit eine Abschaltung erfolgt, um diese Signifikanzschwelle eben nicht zu erreichen. Sollte an einem Standort die Fledermausaktivität dergestalt sein, dass es zu einer deutlichen Verschärfung der zuvor als vertretbar pauschalisierten Parameter kommen müsste, also die Anlage schon bei niedrigerer Temperatur oder bei noch höheren Windgeschwindigkeiten abgeschaltet bleiben müsste, liegt es im Ermessen des Betreibers, ob damit noch ein wirtschaftlicher Anlagenbetrieb möglich ist. Unter anderem aus diesem Grund eröffnet der im Leitfaden angegebene Untersuchungsumfang für Fledermäuse auch die Möglichkeit, im Vorfeld eines Anlagenbaus an einer ggf. in räumlicher Nähe befindlichen (und damit eine Vergleichbarkeit zulassenden) Vertikalstruktur oder eines zu errichtenden Windmessmastes das erste Monitoring-Jahr zu realisieren. Drucksache 15/706 (15/636) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 16 - Frage 19. Wie beurteilt die Landesregierung - vor dem Hintergrund von § 71 f BNatSchG und entsprechenden (öffentlichen) Diskussionsbeiträgen von einzelnen Beteiligten des ehrenamtlichen Naturschutzes im Bundesgebiet zu einer unzulänglichen Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben des BNatSchG durch die Genehmigungsbehörden im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb von Windkraftanlagen - in ganz grundsätzlicher Hinsicht eine mögliche strafrechtliche Verantwortung auf Seiten der Verwaltung? Zu Frage 19: Grundsätzlich kann die Behörde in Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG nicht Adressat der Norm des § 71 BNatSchG sein, da die Genehmigungsbehörde von Gesetzes wegen die besonderen artenschutzrechtlichen (Verbots-)tatbestände des BNatSchG zu prüfen hat. Hierbei steht ihr eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, die in die Prognoseeinschätzung einfließt und auch vor Gericht nur dahingehend überprüft wird, ob die Genehmigungsbehörde bei ihrer Einschätzung fachlich anerkannte und nachvollziehbare Kriterien angewandt hat.