LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/838 (15/766) 18.03.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Waldzustandsbericht und Waldkalkung Vorbemerkung des Fragestellers: Eine in Deutschland verbreitete Methode zum Waldbodenschutz ist die sogenannte Kompensationskalkung . Hierbei wird gemahlener dolomitischer Kalk ausgebracht, um die versauernd wirkenden Stoffeinträge zu neutralisieren. Durch die Anhebung des pH-Wertes aufgrund der puffernden Wirkung des Kalkes soll schädlichen Bodenveränderungen entgegengewirkt werden. Die Landesregierung hat im Zusammenhang mit der Vorstellung des letzten Waldzustandsberichts angekündigt, die Wälder zukünftig verstärkt kalken zu wollen. Waldkalkungen stellen einen großflächigen Eingriff mit teilweise unbekannten Auswirkungen (z.B. auf die Bodenlebewelt) dar, darin sind sich die Experten einig. Insbesondere waldtypische und säureliebende Arten und teilweise mit den Waldpflanzen in Symbiose lebende Arten (z.B. Mykorrhizapilze), können durch Waldkalkungen erheblich geschädigt werden. Die Waldkalkung ist mit hohen Kosten verbunden und muss in einem zeitlich engen Rahmen wiederholt werden, um überhaupt einen ausreichenden nachhaltigen Schutz zu gewährleisten. Für den Staatswald des Saarlandes wurden in der Vergangenheit unter fachlicher Begleitung des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz die Waldflächen erfasst und in die Kategorien „dringend kalkungsbedürftig“ und „kalkungsbedürftig“ aufgeteilt. Dieser Beurteilung vorausgehend waren in der Regel bodenchemische und bodenphysikalische Voruntersuchungen. Ausgegeben: 19.03.2014 (06.02.2014) Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Die Frage, wie sich der großflächige Eintrag von Kalk gesamtökologisch, insbesondere auf die bodengebundene Lebensformen und die Waldgewässer mit ihren aquatischen Lebensformen auswirkt , wurde bisher im Saarland nicht untersucht, obwohl auch renommierte Wissenschaftler immer wieder auf mögliche schädliche Folgewirkungen einer Kalkung hingewiesen haben. Im Jahr 2011 hatte die Landesregierung auf Grundlage entsprechender Gutachten den Saar- Forst Landesbetrieb angewiesen, die gezielte Kalkung von dringend kalkungsbedürftigen Waldflächen im Saarkohlenwald auf einer Fläche von rund 20 Hektar durchführen zu lassen. In Abstimmung mit dem Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz und unter Beteiligung des Lehrstuhles für Geobotanik an der Universität Trier sollten darüber hinaus die Voraussetzungen geschaffen werden, in die Abwägung dieses großflächigen Eingriffs in den Naturhaushalt auch boden- und gewässerökologische Grundlagen einzubeziehen. Parallel dazu wurde damit begonnen über ein Waldvitalisierungsprogramm die Verbesserung der Bodenzustände auf natürlichem Weg einzuleiten . Die Ergebnisse einer Tagung von Experten vom 25.10.2013 in Stuttgart, die unter dem Titel „Waldkalkung – Umweltvorsorge oder Naturschutzproblem “ stand, stützen das Vorgehen der damaligen Landesregierung, dass die Beurteilung einer Waldkalkung sehr verantwortlich abzuwägen und eine gesamtökologische Beurteilung einer möglichen Waldkalkung vorzuschalten ist. Der Referent der Universität Freiburg wies z.B. darauf hin, dass die Bodenvegetation nach einer Kalkung mit einer Zunahme an in der Regel unerwünschten Arten, wie Brombeere, Himbeere und Reitgräsern reagiere. Dagegen gingen Moose zurück und die Artenzusammensetzung von Mykorrhizapilzen und Bodenfauna verändere sich vollständig . Zum Schutz der Biodiversität sollten Bodenschutzkalkungen in stark bodensauren Wäldern mit besonderen Lebensgemeinschaften und auf von Natur aus versauerten Böden ausdrücklich verboten werden. Im Saarland kommen solche natürlich stark bodensauren Wälder auf großen Flächen vor. Die Forderungen bei der Tagung gingen sogar soweit, keine öffentlichen Mittel mehr für die Waldkalkung bereitzustellen. Für die natürliche Revitalisierung der Waldböden böten sich darüber hinaus im Bereich der Bewirtschaftung der Wälder viele Möglichkeiten. Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Vorbemerkung Landesregierung: Der anthropogen bedingte Eintrag von Säuren und Stickstoff in Waldböden ist die wesentliche Ursache für die Schädigungen von Waldbäumen, der Böden und der ökosystemaren Funktionen des Waldes. Mit einer Kompensationskalkung - auch regenerationsorientierte Bodenschutzkalkung - wird das Ziel verfolgt, eine schrittweise Wiederannäherung der Bodenreaktion sowie der Basen- und Nährstoffausstattung sowie die Diversität der Böden anzustreben, wie sie natürlicherweise - ohne anthropogene Stoffeinträge - bestehen würde. Die Kalkungsbedürftigkeit von Waldböden stützt sich auf verschiedene bodenchemische Parameter . Dabei stehen pH-Wert, Austauschkapazität, Anteil sauer wirkender Ionen am Austauschkörper und Basensättigung, sowie Relation von basischen und sauren Elementen im Vordergrund. Mit diesen Werten kann eine Aussage über das Ausmaß der Säurebelastung getroffen werden. Im Saarland wird auf die Bewertungskriterien der Elastizität von Waldböden gegen Säuretoxizität nach AK Standortskartierung (2003) und Meesenburg und Schubert (2008) zurückgegriffen. Nach Einschätzung von SaarForst und LUA sind allein im Staatswald ca. 20.000 ha prioritär kalkungsbedürftig (Konzept zur Bodenschutzkalkung, SFL/LUA 2013). Darunter fallen von Natur aus schwach basenversorgte, calzium- und magnesiumarme, stark versauerte und durch atmogene Säureeinträge besonders gefährdete Standorte. Schwerpunkträume notwendiger Bodenschutzkalkungen liegen im Buntsandsteinbereich (insbesondere Mittlerer Buntsandstein), im Bereich nährstoffarmer Böden im Devon (insbesondere Taunusquarzit) sowie im Bereich saurer Ergussgesteine und ärmerer Verwitterungsdecken des Rotliegenden. Nicht kalkungsbedürftig sind hingegen alle carbonatisch geprägten Böden und Böden auf basischen Silikatgesteinen. Im Winter 2013/14 wurde eine 2009 begonnene, aber nach ca. 80 ha Waldfläche kurzfristig wieder abgebrochene Kompensationskalkung, auf ca. 2.160 ha Staatswald des Saarkohlenwaldes fortgeführt. Der Kompensationskalkung war ein umfangreiches Monitoring auf 34 Flächen mit insgesamt 504 Bodenproben aus drei unterschiedlich tiefen Bodenzonen (0-5, 5-10 und 10-30cm) vorausgegangen. Ergebnis: ¾ der Proben wiesen Werte von pH 3,1-3,8 (Aluminium/Eisenpufferbereich, sehr stark sauer) auf. Im Jahr 2011 wurde auf der Grundlage dieser Messergebnisse als Sofort-Maßnahme die am schlimmsten betroffene Fläche (20 ha) gekalkt. Dies wird von der Landesregierung als nicht ausreichend angesehen. Ziel ist es, systematisch Maßnahmen einzuleiten, schädlichen Waldbodenveränderungen im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG 2012) entgegenzuwirken. Nach § 2 Absatz 7 Nr. 3 BBodSchG sind Bodenschutzkalkungen zur Regulierung des pH-Wertes bei versauerten Waldböden eine Sanierungsmaßnahme zur Beseitigung bzw. Verminderung schädlicher Veränderungen der chemischen Beschaffenheit des Bodens. Der pH-Wert bildet die aktuell wirksame Säurestärke der Böden ab, die sich direkt auf die Lebensmöglichkeiten von Fauna und Flora auswirkt. Die Absenkrate des pH- Wertes durch anthropogen bedingte Versauerung liegt im Vergleich zum vorindustriellen Niveau in einer Größenordnung von etwa 1,5 – 2,0 pH-Stufen. Praxisüblich werden bei einer Kompensationskalkung 3 Tonnen magnesiumhaltiges Gesteinsmehl pro Hektar Waldbodenfläche aufgebracht. Dies führt über einen Zeitraum von 10 Jahren zu einem moderaten pH-Anstieg um etwa 0,45 - 0,8 pH-Stufen. Diesbezügliche Wirkungskontrollen finden in diesem Zusammenhang erstmalig nach 3 Jahren und ein zweites Mal nach 10 Jahren statt. Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Bodenschutzkalkungen verändern das bodenchemische Milieu, sie führen zu einer Steigerung der mikrobiellen Aktivität der Bodenorganismen (Streuzersetzung, Kohlenstoffspeicherung , Bodenauflockerung, Filterfunktionen usw.). Ergebnisse aus Baden- Württemberg (Versuchsfläche Ochsenhausen, 2013) belegen, dass auf Flächen mit Bodenschutzkalkung die Humusauflage durch Bioturbation vertikal vermischt und eingearbeitet wurde und die Böden das typische Krümelgefüge von Regenwurmlosung aufweisen. Die unbehandelten Nullflächen weisen hingegen keine derartige Durchmischung und Einarbeitung der Humusauflage auf. Die Veränderungen der Humusform kann ursächlich auf eine Zunahme von Regenwürmern zurückgeführt werden. Liegt der pH- Wert des Bodens unter 4 sind Regenwürmer praktisch nicht mehr überlebensfähig. Mit der Verbesserung des Säuren-Basen-Verhältnisses, verbessern sich die Lebensbedingungen und führen zum Anstieg der Lumbricidenanzahl (Individuen pro m² Waldboden ). Die Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen erfolgt im Baum über die zarten Spitzen der Feinwurzeln mit Durchmessern von weniger als zwei Millimetern. Diese Wurzelspitzen sind von einem dichten Geflecht aus Pilzfäden umgeben, die als Mykorrhizen bezeichnet werden und eine dauerhafte Lebensgemeinschaft (Symbiose) aus Pilz und Wurzel repräsentieren. Göttinger Wissenschaftlerinnen (FZW, Uni Göttingen 2013) haben in einem Forschungsauftrag des BMBF Baumwurzeln von Buchen im Solling (Buntsandstein, pH Werte 2,9 – 3,6) und dem Göttinger Wald (Kalk, pH-Werte immer > 5) untersucht. Ergebnis: Sinkende pH-Werte führen zu einer deutlichen Abnahme der Anzahl der Mykorrhizen (Göttinger Wald: 24 verschiedenartige Mykorrhiza-Typen, Solling 11 verschiedenartige Mykorrhiza-Typen). Säureeinträge fördern nicht Mykorrhiza, sondern haben in Kombination mit hohen Stickstoffeinträgen einen nachteiligen Einfluss. Depositionen von mehr als 10 kg Stickstoff pro Jahr und Hektar führen zudem zu einer geringeren Fruchtkörperproduktion der Mykorrhizen und zu einer veränderten Artenzusammensetzung (nitrophile Flora) am Boden (BFW, Wien, 2013). Im Rahmen des Grundwasserschutzes werden Wasserschutzgebiete der Schutzzone I grundsätzlich von einer Bodenschutzkalkung ausgenommen. In Schutzzone II dürfen keine Lagerplätze eingerichtet werden. Der Gewässerschutz wird in Absprache mit den zuständigen Stellen berücksichtigt. Untersuchungen des LUA vom Oberlauf der Prims und ihrer Nebenbäche brachte folgendes Ergebnis: Das Messprinzip ist rein biologisch. Die in naturnahen, saprobiell unbeeinflussten Gewässern vorkommenden Lebensgemeinschaften des Makrozoobenthos verlieren bei zunehmender Versauerung immer mehr Arten, wobei zunächst die am stärksten säureempfindlichen Arten, dann zunehmend die säuretoleranten Arten wegfallen, bis zum Schluss nur noch sehr wenige säuretolerante Arten übrig bleiben. Es handelt sich um ein klassisches Toleranzsystem. Es kommen also keine zusätzlichen Arten vor, die den Säurestand anzeigen, sondern die ursprüngliche Artengemeinschaft wird immer artenärmer, bis nur noch tolerante Arten übrig bleiben (LUA 2012). Im Februar 2013 fand in Dresden ein bundesweites Fachkolloquium zur Bodenschutzkalkung statt. Keitel (Staatliche Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft) stellte die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu Veränderungen der aquatischen Artenzahl zwischen 1992 und 2010 am Beispiel der Großen Pyra (Vogtland) im Kontext der getätigten Kalkungen im Einzugsgebiet vor. Ergebnis: bei gleichbleibendem Anteil der säureresistenten Makrozoobenthos-Arten stieg parallel dazu die Gesamtartenzahl im Gewässer in den zurückliegenden Beobachtungsjahren deutlich an. Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Am 25.10.2013 veranstalteten der Landesnaturschutzverband (LNV) und die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg (FVA) in Stuttgart die gemeinsam organisierte Tagung „Waldkalkung – Umweltvorsorge oder Naturschutzproblem?“ Die Veranstaltung hatte den Anspruch, die Thematik umfassend und integrativ zu beleuchten . Dementsprechend kamen insgesamt sechs Expertinnen und Experten zu Wort, um das Spektrum der Positionen abzubilden. Der LNV pflichtete den Förstern in der Bewertung der aktuellen Situation bei. So heißt es im Positionspapier: „Der Gesundheitszustand der Wälder ist nach wie vor unbefriedigend . Trotz großer Fortschritte bei der Luftreinhaltung leiden viele Wälder immer noch unter zu hohen Stickstoffeinträgen aus der Landwirtschaft und dem Verkehr.“ Kaupenjohann (Institut für Bodenkunde, TU Berlin) thematisierte die Säureneutralisationskapazität des Bodens, welcher die Ab- bzw. Zunahme der Bodenver- bzw. entsauerung beschreibt. Natürliche, von menschlichen Einflüssen ungestörte Versauerungsprozesse , haben nicht das Potenzial, Boden pH-Werte unter 5 zu senken. Dies sei nur in anthropogen veränderten Ökosystemen mit dem Eintritt atmogener Säuren möglich. Amerikanische Studien über einen Betrachtungszeitraum von 1880 – 1980 sowie ab 1980 belegen, wie eine zunehmende anthropogene Versauerung die Auswaschung von Pflanzennährstoffen, aber auch von toxischen Aluminium-Ionen aus dem Boden bewirkt (Robarts und Wetzel, 2000). Sein Fazit: Waldböden sind anthropogen bedingt versauert. Waldbodenkalkung neutralisiert die Säuren langsam. Kalke, die in den versauerten Unterboden eindringen, wären wünschenswert. Aus der Schweiz wurden Ergebnisse von Dauerbeobachtungsflächen von Braun (Institut für Angewandte Pflanzenbiologie, Schönenbuch) vorgestellt. In der Schweiz ist die Kalkung seit jeher verboten. Gleichzeitig dominiert die naturnahe Waldbewirtschaftung. Auf den schweizer Dauerbeobachtungsflächen sanken innerhalb von zehn Jahren die pH-Werte um bis zu zwei Stufen. Die geschilderten Prozesse finden in geschützten Wäldern (Naturschutzgebiete…) in gleicher Weise statt wie in Wirtschaftswäldern. Während in Wirtschaftswäldern die Alternative besteht: nicht kalken und Holzernte einschränken oder kalken und noch eine „sanfte“ Nutzung zulassen, besteht in Schutzgebieten häufig diese Alternative nicht. Fazit: Gegen das vollständige Setzen auf die Selbstheilungskräfte der Böden spricht, dass auf vielen Standorten der Säureeintrag nicht durch Mineralisierung kompensiert werden kann, die Schäden am Boden werden also auch nach dem Greifen von Luftreinhaltemaßnahmen größer. An eine natürliche Revitalisierung der Waldböden, ohne flankierende Maßnahmen ist nicht zu denken. Der in der Landtagsanfrage genannte Referent aus Freiburg Reif (Institut für Landespflege , Uni Freiburg) kommt zum Ergebnis, dass Bodenschutzkalkungen zum Schutz der Biodiversität in natürlich stark bodensauren Wäldern mit besonderen Lebensgemeinschaften verboten werden sollten. Im Saarland kommt die Waldgesellschaft bodensaurer Hainsimsen-Buchenwald häufig vor. Der pH-Wert dieser Waldgesellschaft liegt natürlicherweise im Austauscherpufferbereich (pH 4,2 – 5,0). Durch anthropogene Stoffeinträge liegen die pH-Werte allerdings deutlich darunter. Diese Waldgesellschaft hatte Reif mit seiner Aussage nicht gemeint, sondern bezog sich auf die Waldgesellschaft Artenarme Moderbuchenwälder, die auf sehr sauren Böden mit dem Säurezeiger Besenheide (Calluna vulgaris) vorkommt . Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Im Übrigen wies er darauf hin, dass es auch Gewinner einer Bodenschutzkalkung gäbe und führte hierfür stellvertretend Stendelwurz (Epipactis ssp.), eine Rote-Liste-Art, an. Wurde das Projekt der damaligen Landesregierung weitergeführt, gemeinsam mit dem Landesamt für Umweltschutz und der Universität Trier einer möglichen Waldkalkung eine qualifizierte Beurteilung der Umweltverträglichkeit (Bodenbiologische und Gewässerökologische Auswirkungen) vorzuschalten? Zu Frage 1: Im Saarland ist jeder Waldkalkungsmaßnahme eine qualifizierte naturschutzfachliche Bewertung durch das LUA - Zentrum für Biodokumentation - vorgeschaltet. Kalkungssensible Areale mit gefährdeten Arten werden auf diesem Wege von der jeweiligen Maßnahme ausgenommen (Fetzer 2014). Ein im Jahr 2006 vom Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz initiiertes vegetationskundliches Monitoring, welches Vegetationsaufnahmen vor und nach der Kalkungsmaßnahme vorsah, konnte nach 2008 aus Kapazitätsgründen nicht mehr fortgeführt werden. Eine spezifische Untersuchung gewässerökologischer Auswirkungen der Waldkalkung existiert im Saarland nicht. Das Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz bewertete im Jahr 2012 den Stand der Gewässerversauerung im Saarland anhand von Makrozoobenthos . Ein direkter Zusammenhang zwischen Bodenversauerung und Gewässerversauerung konnte dabei nicht gefunden werden (Haybach 2012). Langfristige negative Einflüsse durch Kalkungsmaßnahmen (z. B. erhöhte Nitratkonzentrationen) im Saarland sind bisher nicht bekannt. Aktuellen Befunden zufolge ist keine Negativwirkung auf die Schutzgüter Grund- und Quellwasserqualität durch die Waldkalkung gegeben. Vielmehr ist von einer verringerten Versauerungstendenz in Gewässern gekalkter Waldgebiete und einer verbesserten Wasserbeschaffenheit infolge verminderter Stoffeinträge in den letzten 20 Jahren auszugehen (Jacob et al. 2013). In den 1990er Jahren wurde in anderen Bundesländern (z. B. RLP, Eisenbeis et al. 1996) eine Vielzahl von Untersuchungen hinsichtlich der Auswirkungen von Kalkungsmaßnahmen durchgeführt. Diese bestätigen die zumeist positive (direkte) Wirkung von Kompensationskalkungen in moderaten Mengen auf das Bodenleben in durch Versauerung belasteten Wäldern und nur kurz bis mittelfristige floristische Veränderungen (Immer 1993). Die im Saarland ausgebrachte Kalkmenge (3 t pro ha) zielt auf eine Pufferung eingetragener anthropogener Säuren und die Angleichung an ein natürliches Säure-Basen- Verhältnis ab. Eine dauerhafte Anhebung des pH-Wertes kann und soll auf diese Weise nicht erfolgen. Untersuchungsergebnissen zufolge hat die Kompensationskalkung i. d. R. eine Erhöhung der Abundanz, der Diversität und der Aktivität (Bioturbation) von Bodenorganismen (Reaktivierung des Systems), verbunden mit positiven Effekten auf bodenphysikalische Parameter zur Folge (mündl. Mitteilung von Prof. Dr. Emmerling, Abt. Bodenkunde, Universität Trier). Zudem profitierten auch säuretolerante Pflanzenund Tierarten von moderaten Kalkgaben (mündl. Mitteilung von Prof. Dr. Werner, Abt. Geobotanik, Universität Trier). Bundesweit besteht unter Experten der prinzipielle Konsens , dass Bodenschutzkalkungen zur langfristigen Stabilisierung von Waldökosystemen beitragen können (Jacob et. al. 2013) Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Wurden in den zur Versauerung neigenden Wäldern die damaligen konkreten Überlegungen umgesetzt , den Entzug von Biomasse (Holzernte) entsprechend der Bodensituation, bis hin zum Nutzungsverzicht, zu steuern und ein entsprechendes Monitoring (der Bodenphysik, Bodenchemie , Bodenbiologie etc.) zu entwickeln? Zu Frage 2: Entsprechende Untersuchungen zur Verteilung der Nährelemente in Bäumen, zum Nährstoffexport durch Holznutzung sowie zur Bilanzierung der wesentlichen Elementein - und -austräge führt die Universität Trier gemeinsam mit dem Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz durch. Erste Ergebnisse liegen vor (Ruf 2013, Werner 2013, Werner & Prantl 2012). Zur Ableitung von Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung saarländischer Waldbestände auf unterschiedlichem geologischem Ausgangsgestein sind weitere spezifische Untersuchungen erforderlich. Ein Monitoring erscheint im Kontext des Nährstoffentzugs vor dem Hintergrund des Bilanzierungszeitraumes (Baumgeneration, im Mittel 150 Jahre) wenig sinnvoll. Im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung und des Erhalts der Bodenfruchtbarkeit sollen zukünftig Nährstoffvorräte, ökosystemare Stoffbilanzen und Zuwachsprognosen möglichst standortspezifisch mithilfe von Simulationsmodellen quantifiziert werden. Unterliegt die großflächige Waldkalkung den Bestimmungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Saarland (SaarlUVPG) vom 30. Oktober 2002, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28. Oktober 2008 (Amtsbl. 2009 S. 3), wenn ja warum, und wenn nein warum nicht? Zu Frage 3: Die Waldkalkung unterliegt nicht der Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Saarl UVPG. Ungeachtet der Frage, ob eine Gesetzgebungskompetenz des Landes überhaupt besteht, wird die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die kompensatorische Waldkalkung nicht für erforderlich erachtet. Ziel der Umweltverträglichkeitsprüfung ist es, Vorhaben, die erhebliche negative Umweltauswirkungen haben können, einer Prüfung in Bezug auf diese Auswirkungen zu unterziehen. Wie oben ausgeführt gehen von der rein kompensatorischen Waldkalkungen keine erheblichen negativen Umweltauswirkungen aus. Existiert im Saarland ein gezieltes und regelmäßiges Monitoring der gekalkten Flächen seit Beginn der Waldkalkung und welche Parameter wurden erfasst? Zu Frage 4: Ein solches Monitoring existiert. Es wurde in einer Expertenrunde fachübergreifend abgestimmt und ist im Konzept zur Bodenschutzkalkung festgeschrieben (LUA 2013). Monitoringflächen (aktuell 160) werden jeweils vor Beginn einer Kalkungsmaßnahme eingerichtet und untersucht (Bewertung der Kalkungsbedürftigkeit). Frühestens 3 Jahre nach Durchführung der Kalkungsmaßnahme erfolgt eine Wirkungskontrolle. Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 8 - Die Bewertungskriterien (AK FORSTL. STANDORTSKARTIERUNG 2003, Meesenburg & Schubert 2008) umfassen folgende bodenchemische Kennwerte der Austauscherbelegung in drei Tiefenstufen (0-5, 5-10, 10-30 cm): Effektive Kationenaustauschkapazität (Ake, µmol(c)/g), Basensättigung (%), Erdalkali-(Ca+Mg)-sättigung (%) an der Ake, Anteil von Fe+H (%) an der Ake, Anteil Mg (%) an der Ake, Anteil von K (%) an der Ake, pH-Wert (Kennzeichnung der Pufferbereiche). Parallel wird die Ernährungssituation der Bestände auf Basis von Blatt- / Nadelanalysen durch die Universität Trier bewertet. Die Wirkungskontrollen zeigen, dass durch die Bodenschutzkalkung i. d. R. eine deutliche Zunahme der Elastizität der Böden gegen Säuretoxizität im Boden und eine signifikant verbesserte Nährstoffversorgung der Bäume erreicht wird (Werner 2011). Darüber hinaus erfolgt eine tonmineralogische Untersuchung zur Beurteilung der Gefährdung der Bodenfunktionen. Tonminerale als wesentliche Träger der Bodenfunktionen nach Bodenrecht (§ 2 BBodSchG 1998) können bei zunehmender Acidität derart alteriert werden, dass nur noch amorphe Zerfallsprodukte (Zerstörung der Kristallgitter) verbleiben. An einigen Standorten hat die langanhaltende Versauerung bereits zu einer beginnenden de-Al-Chloritisierung geführt. Hierbei kommt es zu einem unwiederbringlichen Verlust an basischen Kationen und Aluminium, welches mit dem Sickerwasser in das Grundwasser und angrenzende Gewässer gelangen kann. Bodenschutzkalkungen stellen die einzige realistische Möglichkeit dar, diesen irreversiblen Prozess zu minimieren (Butz-Braun, 2007, 2011). Wurden in diesem Zusammenhang Vergleichsflächen angelegt die nicht gekalkt wurden, welche Parameter wurden erfasst und wie haben sich diese bodenchemisch, bodenphysikalisch und bodenbiologisch in den darauf folgenden Jahren entwickelt? Zu Frage 5: Diese sog. Null- oder Kontrollflächen (derzeit 58) sind für wissenschaftlich vergleichende Untersuchungen unverzichtbar und wurden selbstverständlich angelegt. Sie befinden sich innerhalb der nach naturschutzfachlicher Prüfung von den Kalkungsmaßnahmen ausgenommenen Waldgebiete und decken den größten Teil der standortsökologischen Einheiten des Saarlandes ab. Die Beprobung und Bewertung erfolgt identisch zu der in Antwort 4 erläuterten Vorgehensweise. Ergebnis der Wiederholungsuntersuchung auf den Nullflächen ist eine zunehmende Acidität und eine fortschreitende Degradierung in den jeweiligen Böden. Ein regelmäßiges bodenbiologisches Monitoring erfolgt derzeit nicht. Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 9 - Quellennachweis: ARBBEITSKREIS (AK) FORSTLICHE STANDORTSKARTIERUNG (2003): Forstliche Standortsaufnahme. – 6. Aufl..; IHW-Verlag Eching BBODSCHG (1998): Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz) vom 17. März 1998. – Bundesgesetzblatt Jahrgang 1998, Teil I, Nr. 16 vom 24.03.1998 BUTZ-BRAUN, R. (2011): Tonmineralische Untersuchungen im Rahmen der Wirkungskontrolle der Waldkalkung und quantitative Mineralienanalyse zur Charakterisierung von Nährstoffvorräten und -gehalten der Böden im Bezug auf eine nachhaltige Holzwirtschaft im Nordsaarland. – Bericht im Auftrag des Landesamtes für Umwelt und Arbeitsschutz, 27 S. BUTZ-BRAUN, R. (2007): Ton-/Mineralanalysen zur Charakterisierung kalkungsbedürftiger Böden im Saarland. Werkvertrag: Az.:5.2/3.6-07/DL/Sche EISENBEIS, G., WEBER, M., FRITSCH, N. & LENZ, R. (1996): Bodenfauna und Waldkalkung. - In: Min. Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz (ed.): Waldschäden , Boden- und Wasserversauerung durch Luftschadstoffe in Rheinland-Pfalz - Ökosystemschäden und Gegenmaßnahmen. – 47-66 pp., Mainz. FETZER, K. D. (2014): Planung und Durchführung der Bodenschutzkalkung im Saarland . – Forstarchiv 2014; im Druck. HAYBACH, A. (2012): Stand der Gewässerversauerung im Saarland. Bericht 2.4 – 2012 – 02, Landesamt für Umwelt- und Verbraucherschutz des Saarlandes, 12. S.; 2 Anlagen. IMMER, A., SCHMIDT, W., MEIWES, K.J., BEESE, F. (1993): Langzeitwirkungen von Kalkung und Düngung auf den chemischen Zustand im Oberboden, die Humusfirmen und die Bodenvegetation in einem Fichtenforst. Forstw. Cbl. 112: 334- 346. JACOB, F., ANDRAE, H., EISENHAUER, D.-R. (2013): Medizin für den Wald - Bundesweites Fachkolloquium zur Bodenschutzkalkung in Dresden. AFZ-Der Wald 2013/13: 4-8. LUA (2013): Konzept zur Bodenschutzkalkung des Staatsforstes im Saarland. Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz, Saarbrücken, 13. S. MEESENBURG, H. UND SCHUBERT, A. (2008): Redaktionsgruppe „Boden-Dauerbeobachtung “ – Prioritäre länderübergreifende Fragestellungen des Bodenschutzes : Versauerung. – Manuskript, 11 S. RUF, T. (2013): Modellierung der Auswirkungen anthropogener Depositionen auf die Nährstoffkreisläufe ausgewählter Standorte des Forstlichen Umweltmonitorings im Saarland auf Basis von PROFILE 4.2. Manuskript, Landesamt für Umweltund Arbeitsschutz (LUA), Fachbereich 5.2 - Bodenschutz und Waldökologie, 57 S. WERNER, W. (2013): Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit der Mineralstoffversorgung und Holznutzung in Waldökosystemen. - Ergebnisdokumentation im Auftrag des Landesamtes für Umwelt und Arbeitsschutz des Saarlandes. Drucksache 15/838 (15/766) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 10 - WERNER, W. (2011): Waldkalkung – Angewandter Naturschutz oder Zerstörung natürlicher Waldlebensräume – Versauerungsprozesse in Waldökosystemen und die Wirkung von Kompensationskalkungen. – Vortrag ANW Saarland. WERNER, W., PRANTL, D. (2012): Abschätzung der Biomassen- und Nährstoffvorräte von Buchen und Eichen unterschiedlicher Standorte im Saarland. Bericht, 46 S.