LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/876 (15/806) 10.04.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich (B90/Grüne) betr.: Wildtiere als Opfer des Straßenverkehrs Vorbemerkung des Fragestellers: „An das Bild überfahrener Tiere hat sich der Autofahrer gewöhnt. Die hohe Dichte an Verkehrswegen und die hohe Zahl an Verkehrsmitteln führt zwangsweise zu einer erheblichen Mortalitätsrate, der vor allem auch Vögel und andere Kleintiere zum Opfer fallen. Neben den sich jahreszeitlich häufenden Unfällen mit jagbaren Wildtieren und Amphibien finden Kollisionen mit vielen anderen Tierarten über das ganze Jahr statt. Im Straßenverkehr werden allein in Deutschland nach offizieller Statistik jährlich 220.000 Rehe, 200.000 Hasen und Kaninchen, 30.000 Wildschweine und 15.000 Hirsche (Rotwild) getötet. Dann hört die Statistik auf. Wie viele Vögel, Frösche, Kröten, Igel, Eichhörnchen , Füchse, Katzen, Hunde und viele andere Tiere durch den Straßenverkehr getötet werden , ist völlig unbekannt. Es sind wahrscheinlich Millionen, so ist aus Fachkreisen zu hören. In den letzten Jahren verzeichnen KFZ- Versicherungsgesellschaften eine dramatische Zunahme von Tierkollisionen im Straßenverkehr. So gab es im Jahr 2012 deutschlandweit rund 258.000 gemeldete Wildunfälle. Insgesamt bezahlten die deutschen Autoversicherer im Jahr 2012 rund 583 Millionen Euro für diese Schäden. Grundsätzlich ist in der Teilkasko nur der Zusammenstoß mit so genanntem „Haarwild“ (z.B. Reh, Hirsch, Wildschwein) versichert, der Zusammenstoß mit einem großen Vogel hingegen nicht. 2011 kam es im Saarland zu 2.980 Verkehrsunfällen mit jagbaren Wildarten mit 7 Schwer- und 29 Leichtverletzten und insgesamt hohem Sachschaden. Ausgegeben: 10.04.2014 (10.03.2014) Drucksache 15/876 (15/806) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Viele Tierarten die nicht zu Schaden gehen werden nicht erfasst. Um einen ersten Überblick über die Mortalitätsrate im Straßenverkehr zu erhalten, hat die damalige Landesregierung im Jahr 2011 den Landesbetrieb für Straßenbau in enger fachlicher Abstimmung mit der zuständigen Fachabteilung mit der Umsetzung eines Todfundkatasters beauftragt. Dieses Todfundkataster sollte die aufgefundene Tierart, den Fundort und Angaben zum Umfeld (z.B. Wald, Wiese, Gewässer) erfassen und unter Einbindung der Straßenmeistereien, örtlichen Naturschutzbeauftragten , Jagdpächter, etc. erarbeitet werden.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Der Landesbetrieb für Straßenbau wurde im Jahr 2011 beauftragt, ein dv-gestütztes Kataster zur Darstellung von Wildtier-Todfunden auf den klassifizierten Straßen im Saarland zu erstellen, welches Hinweise auf Unfallhäufungen mit querenden Tieren geben soll. Diese Daten dienen sowohl der Steigerung der Verkehrssicherheit (Feststellung von Lücken im Wildschutzzaun, Erforderlichkeit von Beschilderung „W ildwechsel“) als auch zur Stützung und Ergänzung der Daten des Tierwegeplans des NABU. Die aufgeführten Anforderungen an das zu erstellende Erfassungssystem “Todfundkataster “ sowie die Bestimmung der zu erfassenden Tierarten wurden mit der Obersten Naturschutzbehörde abgestimmt. Anforderungen an das Erfassungssystem: Entwicklung eines Erfassungsmoduls auf Basis des Informationssystems „ZORA“, Entwicklung eines Geschäftsprozesses zur Erfassung, Übernahme, Pflege und Bereitstellung der Daten. Artenliste der zu erfassenden Tierarten (nicht abschließend): Marder, Fuchs, Dachs, Reh, Wildschwein, Biber, Otter, Marderhund, Waschbär, Fasan , Wildkatze, Sonstige. Projektziele: Mobile, dv-gestützte Erfassung von Todfunden auf klassifizierten Straßen durch Mitarbeiter der saarländischen Straßenbauverwaltung (LfS, Außenstellen ), Georeferenzierung und Geocodierung von Todfunden durch Positionsbestimmung über GPS, Drucksache 15/876 (15/806) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Zentrale Datenablage der Funde in einer Datenbank, Darstellung der Funde in einer thematischen Karte, Erstellung von Berichten. Wie ist der aktuelle Stand dieses, auch für den Artenschutz wichtige Projekt? Zu Frage 1: In verschiedenen Praxistests wurden die erstellte Software sowie die entwickelten Geschäftsprozesse in zwei Straßenmeistereien des Landesbetriebes für Straßenbau erprobt . Das entwickelte Softwaremodul „Todfundkataster“ sowie die eingesetzte Hard- und Software erfüllten in einem 6-monatigen Testbetrieb alle zugedachten Aufgaben und erwiesen sich als praxistauglich. Im nächsten Schritt erfolgt eine Endabstimmung mit allen Projektbeteiligten sowie der Obersten Naturschutzbehörde, sodass baldmöglichst der Produktivbetrieb „Todfundkataster “ flächendeckend für alle klassifizierten Straßen im Saarland eingeführt werden kann. Welche Ergebnisse liegen für die einzelnen Tierarten vor? Zu Frage 2: Erfassungsergebnisse der Testphase: Straßenmeisterei 6 - St. Wendel Bezeichnung Jahr 2 0 1 3 2 0 1 3 Tierart J a n u a r F e b ru a r M ä rz A p ri l M a i J u n i J u li A u g u s t S e p te m b e r O k to b e r N o v e m b e r D e z e m b e r Dachs 1 1 3 1 6 Ente 4 4 Fuchs 5 2 1 8 Hase 1 1 1 3 Igel 1 3 5 1 3 13 Katze 3 1 2 1 1 8 Marder 2 3 6 2 1 14 Reh 2 2 2 2 1 1 1 11 Vogel 2 2 6 10 Eichhörnchen 3 1 2 3 9 Wildschwein 2 2 Gesamt 5 7 9 6 10 21 15 6 4 5 88 Drucksache 15/876 (15/806) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - Straßen- und Autobahnmeisterei 3 - Dillingen Bezeichnung Jahr 2 0 1 3 2 0 1 3 Tierart J a n u a r F e b ru a r M ä rz A p ri l M a i J u n i J u li A u g u s t S e p te m b e r O k to b e r N o v e m b e r D e z e m b e r Dachs 1 1 2 Fuchs 2 2 Hase 1 1 Marder 3 3 Reh 4 1 2 1 2 1 1 2 14 Igel 3 1 4 Eichhörnchen 1 1 2 Wildschwein 1 2 1 1 5 Gesamt 8 4 2 1 7 1 2 2 6 33 Gibt es Schwerpunktbereiche für einzelne Arten und welche Maßnahmen sollen bzw. können ergriffen werden, um die Kollisionen zu reduzieren? Zu Frage 3: In den Jahren 2007 bis 2013 registrierte die Polizei im Saarland insgesamt 21.226 Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Wild, wobei 48 Personen schwer bzw. 325 leicht verletzt wurden. Der dabei entstandene Gesamtsachschaden belief sich auf ca. 22,5 Millionen Euro. Das Saarland unterstützt seit dem Start im Jahr 2008 die nationale Verkehrssicherheits -Kampagne des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) „Runter vom Gas“ mit Schwerpunkt auf dem Thema Landstraße. Grund dafür ist das dort besonders hohe Sicherheitsrisiko beispielsweise wegen hoher Geschwindigkeiten sowie insbesondere wegen der vornehmlich dort stattfindenden Wildunfälle. Die Verkehrsunfallkommission hat als Beitrag zur Bekämpfung von Wildunfällen auf Bundes- und Landstraßen im Jahr 2012 in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) optische sowie akustische Wild-Warner beschafft. Diese wurden nach einer durch das Landespolizeipräsidium im Jahr 2011 vorgenommenen Analyse des Wildunfallgeschehens im Saarland im Verlauf von drei geeigneten Streckenabschnitten an der Rückseite von aufgestellten Leitpfosten installiert. Dabei handelt es sich um die L 142 (zwischen Saarwellingen und Lebach-Hoxberg), die B 41 (zwischen Nohfelden und Wolfersweiler) und die L 157 (Losheim am See, Ortsteil Bachem und Losheim am See). Drucksache 15/876 (15/806) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - Die aktuell festgestellten Unfallzahlen auf den saarländischen Erprobungsstrecken lassen derzeit noch keine belastbaren Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der jeweils eingesetzten Art der Wild-Warner zu. Auch die auf die einzelnen Wildtierarten erhobenen Auswertungen lassen insoweit keine Korrelationen erkennen. Deshalb können keine Aussagen dahingehend getroffen werden, ob die eingesetzten Wild-Warner artenspezifisch abhängige Wirkungen erzielen. Die bislang vorliegenden Erkenntnisse hinsichtlich des Einsatzes von Wild-Warnern machen deutlich, dass monokausale Wirkungen dieser Geräte nicht erwartet werden können. Von daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass kurzfristige Betrachtungen des Verkehrsunfallgeschehens in aufeinander abgestimmten Vergleichszeiträumen zu validen Ergebnissen führen, die klare Aussagen hinsichtlich der Wirksamkeit bzw. Nichtwirksamkeit einzelner Maßnahmenansätze deutlich erkennen lassen. Neben den Straßenverkehrs- bzw. Straßenbaubehörden und der Polizei können aber auch andere Stellen einen entsprechenden Beitrag zur Senkung der Anzahl von Wildunfällen leisten. So beispielsweise Landwirte, mit dem Ziel „wild-attraktive“ Produkte nicht unmittelbar bis in den Bereich des Fahrbahnrandes anzupflanzen. Daneben ist auch die Jägerschaft aufgerufen, den Bestand an Wild im Blick zu behalten, damit die Population und die dem Wild zur Verfügung stehenden Rückzugsflächen in einem ausgewogenen Verhältnis bleiben. Auch gilt es, den Umstand zu berücksichtigen, dass Wildtiere sich nicht über einen längeren Zeitraum an einer Stelle konzentrieren, sondern öfters das „Revier“ wechseln. Die Wahrscheinlichkeit, zu valideren Aussagen zu kommen, dürfte mit der Laufzeit des Projekts in einem gewissen Maße steigen, da mit einer Erweiterung des Zeitrahmens auch davon ausgegangen werden kann, dass sich die einzelnen Einflussfaktoren in ihren jeweiligen Wechselwirkungen mehr oder minder nivellieren. Das MWAEV beabsichtigt, in den kommenden Jahren die Entwicklung der Verkehrsunfallzahlen mit Beteiligung von Wild auf den ausgestatteten Strecken weiterhin zu beobachten. Im Sinne einer belastbaren Wirksamkeitseinschätzung wird es für sachgerecht und zielführend gehalten, die Vorher-Nachher-Untersuchung nicht ausschließlich auf den Bereich installierter Wild-Warner zu beziehen, sondern auch auf angrenzende Streckenabschnitte auszudehnen. Hierdurch soll ein möglicher Verdrängungseffekt des Wildes durch Wild-Warner in die Betrachtung mit einbezogen werden. Dies kann jedoch erst nach einem längeren Zeitraum geschehen. Sollte sich langfristig eine statistisch belegbare Wirksamkeit der Wild-Warner ergeben, wird darüber nachzudenken sein, weitere Strecken mit entsprechenden Sicherungseinrichtungen auszustatten. Langfristig könnte dies auch bedeuten, wildunfallträchtige Streckenabschnitte mit Leitpfosten auszustatten, in welche Wild-Warner bereits integriert sind. Belastbare Aussagen zu diesen Maßnahmen können jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden.