LANDTAG DES SAARLANDES 15. Wahlperiode Drucksache 15/919 (15/803) 23.05.2014 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Andreas Augustin (PIRATEN) betr.: Kontenabfragen durch saarländische Behörden Vorbemerkung des Fragestellers: „Nach einem Online-Artikel des Tagesspiegels vom 26.11.2013 hat die Anzahl der automatisierten Abfragen privater Bankkonten z. B. durch Finanzämter , Sozialbehörden und Jobcenter in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Trotz wiederholter Forderungen des damaligen Bundedatenschutzbeauftragten Peter Schaar, Kontodatenabrufe durch Behörden zukünftig zu beschränken , ist für das vergangene Jahr nach uns vorliegenden Angaben vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bundesweit ein weiterer, zum Teil erheblicher Zuwachs solcher Abfragen zu verzeichnen. So haben sich die vom BZSt erfassten Zahlen vom Jahr 2012 auf 2013 von 70.706 auf 141.640 Kontoabfragen mehr als verdoppelt, was vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass seit Beginn 2013 erstmals auch Gerichtsvollzieher Kontoabfragen durchführen dürfen . Nach Angaben des Bundeszentralamtes sollen Kontoabfragen Sozialleistungsmissbrauch, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung oder anderen Arten von Kriminalität vorbeugen. Allerdings muss für die Durchführung einer Prüfung der konkrete Verdacht bestehen, dass Steuerzahler falsche Angaben gemacht haben. Ausgegeben: 23.05.2014 (10.03.2014) Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 2 - Schaar kritisiert damals, es sei die Tendenz zu erkennen , dass sich durch die alljährliche Steigerung der Zugriffszahlen die Zugriffsmöglichkeit auf Kontodaten von einer Ausnahme hin zur Regel entwickelt hätte. Dadurch, dass mittlerweile sogar Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen Konten abfragen dürfen, seit dem Jahreswechsel 2012/2013 Gerichtsvollzieher Auskünfte beantragen und schon seit Anfang 2012 in Einzelfällen der Bundesverfassungsschutz Zugriff auf Kontodaten nehmen können, sei zu erwarten, dass die Zahl der Kontoabfragen zukünftig dadurch noch weiter steigen werde. Die Zahlen für 2013 bestätigen diese Kritik. Es sei deshalb nach Schaar zwingend geboten, die aktuelle Rechtslage mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen, indem Kontoabfragen künftig nur noch möglich sein sollen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Steuerhinterziehung, Sozialbetrug oder erhebliche Straftaten vorlägen. Zurzeit würden bei der Kontoeröffnung die Stammdaten automatisch als Datensatz gespeichert und somit über das Abrufverfahren zur Verfügung gestellt, sodass ‚letztlich eine anlasslose Erfassung grundsätzlich aller Kontoinhaber in Deutschland‘ durchgeführt werde, führt Schaar weiter aus. Mich interessiert nun, welche Rolle das Saarland bei diesen doch sehr erheblichen Zuwächsen der Kontoabfragen gespielt hat.“ Vorbemerkung der Landesregierung 1 : Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner grundlegenden Entscheidung zum Kontenabrufverfahren vom 13. Juni 2007 (BVerfGE 118, 168; BStBl 2007 II S. 896) ausdrücklich bestätigt, dass die gesetzlichen Kontenabrufmöglichkeiten nach § 24c des Kreditwesengesetzes (KGW) und § 93b i. V. m. § 93 Abs. 7 und 8 der Abgabenordnung (AO) Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung dienen, nämlich - einer gleichmäßigen Besteuerung, - der Bekämpfung des Sozialleistungsbetrugs sowie - der wirksamen Strafverfolgung und Rechtshilfe in Strafsachen. Insoweit sind auch nach Auffassung des BVerfG die mit einem Kontenabruf verbundenen Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zur effektiven Besteuerung und wirksamen Strafverfolgung notwendig und gerechtfertigt. 1 Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung vom 22.02.2012 auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 3 - Ein ebenso wirksamer, den Betroffenen aber weniger belastender Weg, bei unzureichender Mitwirkung an einer hinreichenden Aufklärung einen für die Strafverfolgung oder Steuererhebung oder sozialbehördliche Überprüfung erforderlichen Überblick über seinen Kontenbestand zu erlangen, ist auch nach Auffassung des BVerfG nicht ersichtlich. Die Nachteile, die dem von einem Kontenabruf Betroffenen infolge des Abrufs drohen, führen angesichts der verfolgten Ziele nicht zur Unangemessenheit der Regelungen in § 24c KWG und § 93b i. V. m. § 93 Abs. 7 und 8 AO. Die Gestaltung der Einschreitschwellen in diesen Normen wahrt auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . Die Vorschriften ermächtigen nämlich insbesondere nicht zu anlasslosen Routineabrufen; sie ermöglichen auch keinen Einblick in Kontostände oder Kontobewegungen , was vielfach bei der Diskussion um den „gläsernen Steuerbürger“ missachtet wird. Die steigende Anzahl der Kontenabrufe durch die hierzu befugten Stellen wird zu Unrecht kritisiert; sie spiegelt nur den tatsächlichen Ermittlungsbedarf wider. Eine Einschränkung der bestehenden Kontenabrufberechtigungen erscheint nicht gerechtfertigt . Dies gilt insbesondere für die Finanzverwaltung mit ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag, die Steuern gleichmäßig und vollständig festzusetzen und zu erheben. Eine Reduzierung der Kontenabrufmöglichkeit auf Fälle mit konkreten Anhaltspunkten für Steuerhinterziehung hätte nicht hinnehmbare Einschränkungen vor allem bei der Steuererhebung und Vollstreckung zur Folge. Nicht vollstreckbare Steuerforderungen gehen letztlich zu Lasten der Allgemeinheit der Steuerzahler. Zum Schutz der Gemeinwohlbelange ist der Kontenabruf als legitimes Mittel aber auch bei der Strafverfolgung, der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, bei der Erhebung von Sozialdaten und der Überprüfung der Leistungsberechtigung bei Sozialleistungen unverzichtbar. Kontenabrufe betreffen in erster Linie „pathologische“ Fälle; daher muss das Interesse des im Einzelfall Betroffenen hinter den höherwertigen Interessen der Allgemeinheit zurückstehen. In wie vielen Fällen und mit welcher Begründung haben die saarländischen 1. Finanzämter, 2. Finanzbehörden, 3. Polizeibehörden, 4. Arbeitsagenturen (SGB II) / Jobcenter, 5. Sozialbehörden (SGB XII), 6. BaFöG-Ämter, 7. Wohngeldstellen, 8. Realsteuergemeinden (nach § 1 Absatz 2 AO), 9. Unterhaltsvorschusskassen 10. und die Staatsanwaltschaft in den Jahren 2009 bis 2013 Kontoabfragen vorgenommen ? (Bitte nach Institution, Fallzahl, Jahr und Begründung einzeln aufschlüsseln.) Zu Frage 1: Im Zeitraum 2009 bis 2013 wurden für die in der Frage aufgelisteten Stellen folgende Kontenabrufe durchgeführt: Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 4 - 2009 2010 2011 2012 2013 Finanzämter 903 1051 846 821 850 Finanzbehörden 0 0 0 0 0 Polizeibehörden 2 --- --- --- --- 4290 Arbeitsagenturen/Jobcenter 38 52 48 36 69 Sozialbehörden 0 0 0 4 1 BAföG-Ämter 0 0 0 0 0 Wohngeldstellen 0 0 0 0 0 Realsteuergemeinden 3 --- --- --- --- --- Unterhaltsvorschusskassen 0 0 0 0 62 Staatsanwaltschaft 4 --- --- --- --- --- Sa. 941 1103 894 861 5271 Die Begründung für ein zulässiges und rechtmäßiges Kontenabrufersuchen ergibt sich aus der jeweils zum Kontenabruf berechtigenden Gesetzesvorschrift. Nach § 93 Abs. 7 AO ist ein Abruf von Kontoinformationen für die Finanzämter und die Realsteuergemeinden insbesondere zur Erhebung - einschließlich der Vollstreckung - von bundesgesetzlich geregelten Steuern zulässig, wenn ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen (zur Ermittlung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse ) nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Der Kontenabruf im Steuerfestsetzungsverfahren - zur Verifikation der Besteuerungsgrundlagen - ist nach Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge weitgehend obsolet geworden. Nur mit Zustimmung des Steuerpflichtigen ist ein Abruf von Kontoinformationen uneingeschränkt zulässig. Zu Kontenabrufersuchen nach § 93 Abs. 8 AO berechtigt sind die für die Verwaltung 1. der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch , 2. der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, 3. der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, 4. der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und 5. des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz 2 Die Zahl konnte automatisiert bei der BaFin für den Zeitraum Mai 2012 bis 28.03.2014 festgestellt werden ; im Übrigen Hinweis auf Antwort zu Frage 1 am Ende. 3 Keine Angaben, Hinweis auf Antwort zu Frage 2 4 Keine Angaben, Hinweis auf Antwort zu Frage 1 am Ende Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 5 - zuständigen Behörden, soweit dies zur Überprüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich ist. Voraussetzung ist auch in diesen Fällen, dass ein vorheriges Auskunftsersuchen an den Betroffenen nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht. Darüber hinaus ist ein Kontenabrufersuchen nur zulässig, soweit es durch ein Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist (z.B. durch § 802l ZPO für Gerichtsvollzieher). Kontenabrufersuchen nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei in Ermittlungsverfahren werden bei den ersuchenden Stellen statistisch nicht erfasst und sind dort auch nicht automatisiert recherchierbar. Sie erfolgen häufig im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen bei Vermögens- und Wirtschaftsdelikten , etwa in Fällen des Vorwurfs des Betruges (§§ 263 ff. StGB), der Untreue und ähnlicher Delikte (§§ 266 ff. StGB), in Fällen der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170b StGB), von Korruptionsdelikten (§§ 299, 330 ff. StGB) und weiterer Delikte sowie in Fällen der Vermögensabschöpfung. Um die angefragten Daten zu ermitteln, müssten grundsätzlich alle Ermittlungsverfahren von 2009 bis 2013 ausgewertet werden. Hierzu müsste eine sehr umfangreiche, zeit- und arbeitsaufwändige detaillierte Auswertung der zugrunde liegenden Ermittlungsakten nach Vorlage bzw. Beiziehung von externen Stellen durchgeführt werden. Mit den vorhandenen personellen Ressourcen ist dies innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens nicht möglich. Entsprechende Statistiken bewirken im Übrigen eine zu vermeidende Bürokratie, die die konkrete Ermittlungsarbeit belastet. In wie vielen Fällen und mit welcher Begründung wurden, seitdem diese ebenfalls berechtigt sind, Kontoabfragen durchführen zu dürfen, bis Ende 2013 im Saarland durch saarländische Gemeinden , Gerichtsvollzieher und den Verfassungsschutz durchgeführt? (Bitte nach Gemeinde, Gerichtsbezirke der Gerichtsvollzieher, Verfassungsschutzbehörde , Fallzahl, Jahr und Begründung einzeln aufschlüsseln.) Zu Frage 2: Informationen über Kontenabrufersuchen saarländischer Kommunen (Gemeinden und Gemeindeverbände) liegen dem Ministerium für Inneres und Sport nicht vor. Auf die statistischen Erhebungen des Bundeszentralamtes für Steuern, die zu einem Teil auch Kontoabfragen kommunaler Behörden erfassen, kann nicht zurückgegriffen werden, weil der auf das Saarland entfallende Anteil der insoweit erfassten Zahlen nicht angegeben ist. Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 6 - Erkenntnisse über Kontoabfragen für saarländische Gemeinden könnten nur aufgrund von Erhebungen bei den einzelnen Gemeinden gewonnen werden, von denen wegen des damit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes abgesehen werden sollte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände keine nachgeordneten Behörden der Landesregierung darstellen und diese wegen des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts daher nur der Rechtsaufsicht des Landes unterliegen. Das nach § 129 KSVG insoweit bestehende Informationsrecht darf sie daher nur aufgrund eines gegenständlich bestimmten Anlasses und nicht im Sinne einer Bevormundungs- oder Einmischungsaufsicht ausüben. Konkrete Anhaltspunkte, dass Gemeinden Kontoabfragen unter Verletzung geltenden Rechts durchgeführt haben, bestehen nicht. Im Jahr 2013 wurden im Saarland durch 61 Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher in 10 Amtsgerichtsbezirken insgesamt 1.332 Kontenabrufe veranlasst. Amtsgerichtsbezirk Anzahl der Gerichtsvollzieher/ innen Anzahl der Kontenabfragen in 2013 Homburg 6 154 Lebach 3 44 Merzig 5 209 Neunkirchen 5 72 Ottweiler 4 70 Saarbrücken 19 377 Saarlouis 8 179 St. Ingbert 3 82 St. Wendel 4 59 Völklingen 4 86 Summe: 61 1332 § 802l Abs. 1 ZPO bestimmt den Umfang der Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers gegenüber Dritten. Die Einholung von Fremdauskünften ist grundsätzlich subsidiär gegenüber der Einholung einer Selbstauskunft des Schuldners. Unter Berücksichtigung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Schuldners sowie in Abwägung mit den Gläubiger- und Allgemeininteressen an einer zügigen und erfolgreichen Vollstreckung ist die Einholung von Fremdauskünften in den Fällen zulässig , in denen der Schuldner eine Vermögensauskunft nicht abgibt bzw. wenn eine Vollstreckung in die in dem Vermögensverzeichnis aufgeführten Gegenstände voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt und die zu vollstreckende Forderung mindestens 500 Euro beträgt. Die Auskunftsmöglichkeit umfasst die Bereiche, die für weitere Vollstreckungsmaßnahmen von Bedeutung sein können, nämlich den Bezug von Arbeitseinkommen (§ 802l Abs. 1 Nummer 1 ZPO: Abfrage bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung ), das Bestehen einer Kontoverbindung (§ 802l Abs. 1 Nummer 2 ZPO: Abfrage beim Bundeszentralamt für Steuern) sowie das Vorhandensein eines Kraftfahrzeugs (§ 802l Abs. 1 Nummer 3 ZPO: Abfrage beim Kraftfahrt-Bundesamt). Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 7 - Die Regelung in Nummer 2 ermöglicht Anfragen durch den Gerichtsvollzieher an das Bundeszentralamt für Steuern ausschließlich im Rahmen konkreter, die besonderen oben genannten Voraussetzungen von § 802l Abs. 1 ZPO erfüllender Vollstreckungsverfahren . In diesen Fällen erhält der Gerichtsvollzieher nach Angabe von Name und bei natürlichen Personen des Geburtsdatums Auskunft aus den nach § 24c Abs. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) von den Kreditinstituten zu führenden Dateien über Nummern von Konten bzw. Depots sowie Namen des Inhabers und des Verfügungsberechtigten . Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rasterabfrage oder eine Abfrage „ins Blaue hinein“ wird nicht eröffnet. Die Abfragemöglichkeit, die auch der Durchsetzung privater Vollstreckungsansprüche dient, genügt dem Verhältnismäßigkeitsprinzip , da das Mittel der Selbstauskunft durch den Schuldner stets vorrangig zu nutzen ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat im Zeitraum 2009 bis 2013 keine Kontenabrufersuchen durchgeführt. In wie vielen Fällen wurden die Betroffenen unterrichtet , dass Kontodaten abgefragt werden, und in wie vielen Fällen wurde etwa aus ermittlungstechnischen Gründen von der Unterrichtung abgesehen , um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden ? Zu Frage 3: Vor einem Abrufersuchen ist der Betroffene auf die Möglichkeit des Kontenabrufs hinzuweisen , danach ist er über die Durchführung zu benachrichtigen (§ 93 Abs. 9 AO). Es gibt keine Erkenntnisse, dass die abrufenden Behörden diese Bestimmungen nicht beachteten. In wie vielen Fällen die Betroffenen gem. § 93 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 AO zulässigerweise weder einen Hinweis noch eine Benachrichtigung erhielten, um den Untersuchungszweck nicht zu gefährden, könnte nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermittelt werden; entsprechende Zahlen liegen nicht vor, da Aufzeichnungen insoweit nicht zu führen sind. In allen Fällen, in denen Kontenabrufersuchen durch den Gerichtsvollzieher getätigt werden, wird der Gläubiger unverzüglich und der Schuldner innerhalb von vier Wochen nach Erhalt über die Kontenabfrage informiert, § 802l Abs. 3 ZPO. Die Zeitspanne von vier Wochen ermöglicht dem Gläubiger die Vollstreckung in die durch die Drittauskunft bekanntgewordenen Kontenverbindungen ohne dass der Schuldner Verfügungen vornehmen kann, die den Gläubigerzugriff vereiteln würden. Darüber hinaus wird durch den Vorrang der Selbstauskunft durch den Schuldner vor der Kontenabfrage durch den Gerichtsvollzieher sichergestellt, dass die Kontenabfrage nicht ohne Wissen des Betroffenen erfolgt, da jeder der zur Abgabe einer Vermögensauskunft aufgefordert wird, für den Fall der Untätigkeit mit Drittstellenabfragen und somit auch einer Kontenabfrage rechnen muss. Die Entscheidung über die Unterrichtung von Betroffenen über Kontenabfragen nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen obliegt der Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Sachleitungsbefugnis. Die Beantwortung der Frage setzt grundsätzlich eine händische Auswertung aller Ermittlungsakten von 2009- 2013 voraus, was mit einem unverhältnismäßigen, nicht zu rechtfertigenden Aufwand verbunden wäre. Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 8 - Durch welche Maßnahmen stellt die Landesregierung sicher, dass Kontoabfragen eine gesetzliche Ausnahme bleiben und sich nicht zu einem Routineinstrument entwickeln, weil nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa BVerfG-Beschluss vom 13.06.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05 – BStBl II, S.896) kein begründeter Verdacht vorliegt, sondern lediglich vorgesetzt wird, dass aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Kontenabruf angezeigt ist? Zu Frage 4: Kontenabrufersuchen sind nur in den bundesgesetzlich abschließend geregelten Fällen zulässig. Als nicht erforderlich wird ein Kontenabruf angesehen, wenn es zur Aufklärung des Sachverhalts ein ebenso geeignetes, aber für den Betroffenen weniger belastendes Beweismittel gibt. Ein Kontenabruf kann nur anlassbezogen und zielgerichtet erfolgen und muss sich auf eine bestimmte Person beziehen. Die ersuchende Stelle muss in dem Ersuchen die Rechtsgrundlage angeben und zugleich versichern, dass eigene Ermittlungen nicht zum Ziel geführt haben oder keinen Erfolg versprechen ; damit trägt sie die Verantwortung für die Zulässigkeit des Datenabrufs und der Datenübermittlung (§ 93b Abs. 3 AO). Kontenabrufersuchen „ins Blaue hinein“, also anlasslose Routineabrufe, scheiden wegen der strengen gesetzlichen Vorgaben für die Berechtigung zum Abruf aus (vgl. BVerfG-Beschluss vom 13.06.207 - BVerfG 1 BvR 1550/03, 1 BVerfG 2357/04, 1 BvR 603/05 <143>). Für einen ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug bedarf es keiner besonderen Maßnahmen der Landesregierung. Im Bereich der Steuerbehörden wird die Rechtmäßigkeitskontrolle durch formularmäßige Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen sowie durch ein doppeltes Zeichnungsrecht auf Sachbearbeitungs- und Leitungsebene sichergestellt . Wie beurteilt die saarländische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit die aktuelle Praxis der saarländischen Behörden bei der Durchführung von Kontoabfragen? Zu Frage 5: Die Regierung des Saarlandes ist für die Beantwortung dieser Frage nicht zuständig; die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gehört – wegen ihrer sachlichen und personellen Unabhängigkeit von der Exekutive - der Landesregierung nicht an. Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 9 - In wie vielen Fällen wiesen Kontoabfragen datenschutzrechtliche Mängel auf, insbesondere unter Berücksichtigung der Aussagen des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, dass in der Vergangenheit, etwa im Jahr 2006, bis zu neun von zehn Kontoabfragen rechtliche Mängel aufwiesen , und welche eigenen Erkenntnisse liegen er Landesregierung hierzu vor? Zu Frage 6: Das Unabhängige Datenschutzzentrum Saarland hat anlässlich einer Prüfung im Mai 2012 Defizite bei einem Vollstreckungssachgebiet eines Finanzamtes betreffend die Mitteilung über durchgeführte Kontenabrufersuchen und die Form der Dokumentation festgestellt; im Übrigen hat es die Verfahrensweise bei Kontenabrufersuchen als ordnungsgemäß beurteilt. Es hat von einer förmlichen Beanstandung abgesehen, weil die festgestellten Mängel umgehend behoben wurden. Die Rechtsanwender in den Finanzämtern sind entsprechend geschult und werden fortgebildet. Im Wege der Fach- und Rechtsaufsicht ist das Kontenabrufverfahren Gegenstand von Geschäftsprüfungen. Weitere konkrete Erkenntnisse über systemische Mängel liegen der Landesregierung nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Hat die Landesregierung vor, durch eine Initiative im Bundesrat darauf hinzuwirken, dass die BaFin künftig alle Abfragen dokumentieren muss und der Bürger (ggf. nach Abschluss von Ermittlungstätigkeiten ) die im Rahmen der Ermittlungstätigkeit erhobenen Daten und ihn betreffende Informationen herausverlangen kann, um diese dann ggf. zum Gegenstand einer (personalaktenrelevanten) Dienstaufsichtsbeschwerde machen zu können? Zu Frage 7: Nach § 24c Abs. 4 KWG ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bereits heute - wie auch schon in der Vergangenheit - zur Protokollierung verpflichtet . Die Vorschrift lautet: (4) Die Bundesanstalt protokolliert für Zwecke der Datenschutzkontrolle durch die jeweils zuständige Stelle bei jedem Abruf den Zeitpunkt, die bei der Durchführung des Abrufs verwendeten Daten, die abgerufenen Daten, die Person, die den Abruf durchgeführt hat, das Aktenzeichen sowie bei Abrufen auf Ersuchen die ersuchende Stelle und deren Aktenzeichen. Eine Verwendung der Protokolldaten für andere Zwecke ist unzulässig. Die Protokolldaten sind mindestens 18 Monate aufzubewahren und spätestens nach zwei Jahren zu löschen. Drucksache 15/919 (15/803) Landtag des Saarlandes - 15. Wahlperiode - - 10 - Der Bürger hat nach dem SIFG ein Informationsrecht. Im Übrigen steht ihm der Rechtsweg offen, etwa wenn er die Rechtmäßigkeit eines Bankauskunfts- oder Vorlageersuchens , das auf Erkenntnissen aus einem Kontenabruf fußt, rechtlich überprüfen lässt. Das BVerfG hat in der bereits zitierten Entscheidung betont, dass die einschlägigen Normen nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen. Die Landesregierung sieht daher keinen Anlass für eine Initiative im Bundesrat.