LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/186 (16/136) 04.12.2017 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Rudolf Müller (AfD) betr.: Entsenderichtlinie Vorbemerkung des Fragestellers: „Der Rat der europäischen Arbeitsminister hat sich für eine Verschärfung der Entsenderichtlinie ausgesprochen. Zusätzlich zu bereits bestehenden nationalen Regelungen zu Mindestlöhnen sollen weitere tarifliche Vorgaben und arbeitsrechtliche Regelungen angewendet werden. Das dazu nötige Wissen gibt es noch nicht einmal bei Konzernen – erst recht nicht bei Mittelständlern – und muss teuer eingekauft werden. Bei Missachtung des jeweiligen Arbeitsrechts und tausender Tarifregelungen drohen in jedem Land empfindliche Strafen.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Am 23. Oktober hat sich der EPSCO-Rat (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) auf eine allgemeine Ausrichtung zur Revision der Entsenderichtlinie verständigt. Auf Basis der allgemeinen Ausrichtung ist der Rat der Europäischen Union in die Trilog-Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission eingetreten. Es handelt sich derzeit um ein laufendes ordentliches Gesetzgebungsverfahren (Art. 289 i.V.m. Art. 294 AEUV), in dem die gemeinsame Annahme der Änderung der Entsenderichtlinie durch das Europäische Parlament und dem Rat der Europäischen Union auf Vorschlag der Europäischen Kommission erfolgt. Ausgegeben: 04.12.2017 (07.11.2017) Drucksache 16/186 (16/136) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Die allgemeine Ausrichtung des Rates der Europäischen Union betrifft unter anderem folgende Änderungen: Die derzeitige Entsenderichtlinie schreibt lediglich vor, dass für entsandte Arbeitnehmer die Mindestlohnsätze gelten. Zukünftig sollen nun die gleichen Vergütungsvorschriften wie im Aufnahmestaat gelten, so wie sie in Rechtsvorschriften oder allgemein verbindlichen Tarifverträgen festgelegt sind. Zudem ist beabsichtigt, dass die durch allgemein verbindliche Tarifverträge festgelegten Vorschriften für entsandte Arbeitnehmer aller Wirtschaftszweige verbindlich werden. Derzeit gilt dies verbindlich nur für das Baugewerbe. Bei Entsendungen, die länger als 12 Monate andauern, soll grundsätzlich das volle Arbeitsrecht des Aufnahmestaates gelten, mit Ausnahme der Vorschriften über Bestand, Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die allgemeine Ausrichtung zur Revision der Entsenderichtlinie sieht zugleich aber eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Errichtung einer einzigen nationalen Webseite vor, auf der Informationen zu den die Entlohnung ausmachenden Bestandteilen und allen geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmestaates für entsendende Arbeitnehmer veröffentlicht werden müssen. Hat die Landesregierung Informationen darüber, wie viele (von Betrieb zu Betrieb) entsandte ausländische Arbeitnehmer im Saarland arbeiten und wie viele ebenso entsandte Saarländer im Ausland arbeiten? Zu Frage 1: Eine statistische Erhebung darüber, wie viele entsandte ausländische Arbeitnehmer im Saarland arbeiten und wie viele ebenso entsandte Saarländer im Ausland arbeiten liegt nicht vor. Allerdings nahmen rund 350 Unternehmen aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg an einer Umfrage der IHK Südlicher Oberrhein zu dem Thema Arbeitseinsatz in Frankreich in dem Zeitraum vom 28. Juni 2017 bis 20. Juli 2017 teil. Davon waren Industrieunternehmen 36 Prozent, Handelsunternehmen 20 Prozent, Handwerksunternehmen 18 Prozent sowie Verkehrsunternehmen 5 Prozent und andere 21 Prozent. In dieser Umfrage wurde u.a. die Frage nach der Häufigkeit der Entsendung gestellt. Die Auswertung dieser Frage ergab, dass 25 Prozent der Unternehmen zwischen ein bis viermal pro Jahr Mitarbeiter nach Frankreich entsendet, 20 Prozent zwischen 100 bis 500 Mal. Den Spitzenreiter stellt ein Unternehmen mit 2500 bis 3500 Entsendungen pro Jahr dar. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen entsendet zwischen 1 bis 10 Mitarbeiter pro Jahr nach Frankreich. Sieht die saarländische Landesregierung noch Möglichkeiten, den zu erwartenden negativen Auswirkungen auf entsandte Arbeitnehmer nach Deutschland/Saarland bzw. auf Arbeitnehmer aus Deutschland/Saarland insbesondere nach Frankreich entgegen zu wirken? Zu Frage 2: Die saarländische Landesregierung hat sich bereits sehr dafür eingesetzt, den negativen Auswirkungen entgegenzuwirken. Sie nimmt auch jetzt jede Möglichkeit wahr, die negativen Auswirkungen abzuschwächen bzw. zu verhindern wie nachfolgend deutlich wird: Drucksache 16/186 (16/136) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Die Landesregierung setzt sich durch ihre aktive Mitwirkung am deutsch-französischen Dialog zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit sowie in ihren direkten Kontakten zu französischen Regierungsstellen dafür ein, die für die deutschen Entsendebetriebe aufgetretenen Problemfälle darzustellen und politische Gesprächskanäle für die betroffenen Kammern und Verbände zu eröffnen. Im Rahmen der Frankreich-Länderkonferenz, die auf Einladung der Ministerpräsidentin des Saarlandes am 25. Januar 2017 in Saarbrücken stattfand, wurde das koordinierte und gemeinsame Vorgehen zwischen dem Saarland, Baden-Württemberg und Rheinland -Pfalz vereinbart. Es wurde beschlossen, die Bundesregierung um Unterstützung gegenüber der französischen Regierung zu bitten und zwar durch ein gemeinsames Schreiben der Ministerpräsidentinnen Frau Annegret Kramp-Karrenbauer und Frau Malu Dreyer sowie von Ministerpräsident Herrn Winfried Kretschmann an die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. Unterstützt von der deutschen Botschaft in Paris konnte am 17. Februar 2017 in Paris ein erstes Arbeitsgespräch zwischen Vertreterinnen und Vertretern des französischen Arbeits- und Sozialministeriums sowie einem regionalen Vertreter der Präfektur in Straßburg mit Vertreterinnen und Vertretern der deutschen grenznahen Kammern und Verbänden realisiert werden. Hieran haben die Vertreter des Ministeriums für Wirtschaft , Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg und des Ministeriums für Finanzen und Europa des Saarlandes teilgenommen. Das Gespräch verlief nach Einschätzung aller Beteiligten konstruktiv und lösungsorientiert. Es wurde in Aussicht gestellt, dass eine deutsch-französische Arbeitsgruppe zur Klärung weiterer technischer Fragen eingesetzt werden könnte. Im Rahmen der gemeinsamen Vorgehensweise hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr zusammen mit den zuständigen Ministerien aus Baden- Württemberg und Rheinland-Pfalz eine koordinierende Funktion übernommen mit dem Ziel, dass sich alle grenznahen Kammern und Verbände aus dem Saarland, Rheinland -Pfalz und Baden-Württemberg regelmäßig austauschen und gemeinsam abgestimmt auftreten. Am 20. Februar hat Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger in einem Schreiben an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles die für die deutschen grenznahen Betriebe entstandenen Probleme ebenfalls dargelegt und um Unterstützung gebeten. Auf Bitten der grenznahen Kammern, unter denen sich auch die IHK Saarland und die HWK des Saarlandes befanden, ist am 14. März 2017 die baden-württembergische Staatssekretärin des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Frau Schütz mit einem Vertreter des französischen Arbeitsministeriums in Paris zu einem Gespräch zusammengetroffen und hat dabei ein Positionspapier überreicht, welches unter Verantwortung der grenznahen Kammern und Verbände erstellt wurde. Dieses stellt aus Sicht der grenznahen Kammern die für die deutschen Betriebe entstandenen Probleme dar und zeigt praktische Erleichterungen auf. Im Rahmen der deutsch-französischen Grenzraumkonferenz des Auswärtigen Amtes mit dem französischen Außenministerium wurde am 06. April 2017 in Hambach /Rheinland-Pfalz gegenüber den Beauftragten der beiden Regierungen für die deutsch-französische Zusammenarbeit auf die Auswirkungen der französischen Entsenderichtlinie für die zahlreichen Unternehmen auf deutscher Seite des Grenzraumes und auf die administrativen Erschwernisse bei Entsendung von Mitarbeitern nach Frankreich hingewiesen. Es wurde eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingesetzt. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung die Bestrebungen der französischen Regierung unterstützt, die ursprüngliche Entsenderichtlinie 96/71 EG, wie nun am 23.Oktober 2017 auch in einer gemeinsamen Ausrichtung des europäischen EPSCO-Rat (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) geschehen ist, zu verschärfen. Drucksache 16/186 (16/136) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Schließlich fand am 25. Juli in Straßburg ein weiteres Gespräch der grenznahen Kammern, Verbände und Ministerien mit einem Vertreter des französischen Arbeitsinspektorats statt. Daran nahmen vor allem wiederum Vertreter der IHK Saarland als auch die beim Wirtschaftsministerium angesiedelte TFG der Großregion 2.0 als Experten teil. Dort wurden die Probleme nochmals eingehend erläutert und auf die negativen Konsequenzen für die grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Aktivitäten der deutschen aber auch der französischen Betriebe hingewiesen. Darüber hinaus hat die TFG 2.0 zusammen mit der IHK Saarland am 18. Oktober 2017 eine Informationsveranstaltung zu dem Thema Entsendung zwischen Deutschland und Frankreich organisiert um Unternehmen, Verbände und Kammern über die rechtlichen und administrativen Voraussetzungen und aktuellen Entwicklungen zum Thema Entsendung zu informieren. Mit Blick auf die interregionale europäische Betroffenheit der Grenzgänger in der Großregion hat der Wirtschafts- und Sozialausschuss des Gipfels der Großregion (WSAGR) das Thema Entsenderichtlinie in seinem aktuellen Arbeitsprogramm aufgenommen . Er führt dazu am 29. November 2017 den Workshop „Arbeitnehmerentsendung und soziale Folgen des Dienstleistungspakets der Europäischen Kommissionwas bedeutet das für den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt in der Großregion?“ durch, bei dem auch die TFG 2.0 referieren wird. Die Bemühungen der Ministerien, Kammern und Verbände der Länder Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zeigen nun erste Erfolge. Am 15. September 2017 hat Frankreich im Rahmen seiner aktuellen Arbeitsmarktreform zur Novellierung des französischen Arbeitsrechts in einem ersten Paket das Ermächtigungsgesetz zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Ergreifung von Maßnahmen für die Verstärkung des sozialen Dialogs (Loi n° 2017-1340 d`habilitation à prendre par ordonannce les mesures pour le renforcement du dialogue social) verabschiedet. Mit diesem Gesetz wird die französische Regierung dazu ermächtigt, innerhalb von 6 Monaten Verordnungen über Ausnahmevorschriften für Grenzregionen, sowie für wiederkehrende kurzzeitige Entsendungen in bestimmten Bereichen zu erlassen. Weiterhin soll der Verwaltungsaufwand zur Erhebung der Verwaltungsgebühr von 40,00 € verbessert und vereinfacht werden, ggf. ist sogar die Abschaffung der Verwaltungsgebühr vorgesehen . Derzeit hat die französische Regierung von dem Ermächtigungsgesetz zum Erlass von Rechtsverordnungen noch keinen Gebrauch gemacht. Daher ist bereits ein gemeinsames Schreiben von den Wirtschaftsministerien Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden -Württemberg an die französische Arbeitsministerin in Vorbereitung, um möglicherweise inhaltlich auf den Erlass von Ausnahmevorschriften einzuwirken. Ist eine Beratungsstelle zur Bearbeitung der zu erwartenden Komplizierung für Arbeitgeber vorgesehen und wenn ja, wer trägt die entstehenden Kosten? Zu Frage 3: Für die notwendige Beratung von Einzelfällen stehen die zuständigen Kammern und Verbände den Unternehmen bei Entsendungen zur Seite. Sie haben dazu auf ihren Internetseiten Informationsmaterial zur Verfügung gestellt und beraten auch telefonisch im persönlichen Gespräch. Die TFG 2.0 hat für Unternehmen sowie Einzelberatung durchführende Institutionen einen umfangreichen Leitfaden zum Thema Entsendung zwischen Deutschland und Frankreich auf ihrer Homepage veröffentlicht, der allen Beteiligten als Informationsgrundlage dient. Drucksache 16/186 (16/136) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Ist aus Sicht der Landesregierung mit Arbeitsplatzverlusten zu rechnen, weil die neue Entsenderichtlinie bestehende Arbeitsplätze wirtschaftlich sinnlos macht? Zu Frage 4: Im Rahmen der Umfrage der IHK Südlicher Oberrhein zu dem Thema Arbeitseinsatz in Frankreich in dem Zeitraum vom 28. Juni 2017 bis 20. Juli 2017 wurde den Unternehmen die Frage gestellt, welche Konsequenzen sie aus den rechtlichen Anforderungen bei der Entsendung nach Frankreich für ihr Unternehmen ziehen. Danach gaben 30 Prozent der befragten Unternehmen an, wegen der seit 2015 geltenden Entsendeformalitäten ihre Aktivitäten nach Frankreich reduziert zu haben. 41 Prozent der Unternehmen gaben an, durch die geplante Einführung einer Gebühr von 40,00 € pro entsendetem Mitarbeiter ihre Aktivitäten in Frankreich stark zu reduzieren. Nach Einschätzung der Landesregierung besteht aufgrund der Verschärfung der Entsenderegelungen in Frankreich daher zwar ein Risiko dafür, dass Unternehmen ihr Frankreichgeschäft reduzieren werden, allerdings ist aufgrund der derzeit sehr guten Auftragslage im Saarland davon auszugehen, dass sich für die ausfallenden Aufträge ein Ausgleich im Saarland und deutschlandweit finden lässt, so dass Arbeitsplatzverluste eher unwahrscheinlich sind.