LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/200 (16/163) 02.01.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Ralf Georgi (DIE LINKE.) betr.: Fortbildungsmaßnahmen und Schulungen im Bereich "Persönliches Budget" Vorbemerkung des Fragestellers: „Bereits seit Januar 2008 besteht in Deutschland für Menschen mit Behinderung der Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget. Noch immer ist diese Vorschrift jedoch wenig bekannt und wird schon deshalb kaum genutzt. Dazu kommen die zu komplex und zu kompliziert ausgestalteten Regelungen, die weder transparent noch nachvollziehbar sind. Dies führt dazu , dass sich Betroffene oft nur mit der Unterstützung juristischer Expertinnen und Experten gegenüber den Leistungsträgern behaupten können. Was wiederum dazu führt, dass die Antrags- und Bewilligungsverfahren häufig nur schleppend vorangehen. Von Betroffenen wird auch über Informationsdefizite bei den zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern berichtet.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Die Beantwortung der Anfrage bezieht sich auf diejenigen Institutionen, für die das Land eine Verwaltungszuständigkeit besitzt. Diese Institutionen sind das Landesamt für Soziales als überörtlicher Träger der Sozialhilfe einschließlich Integrationsamt, die Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken als örtliche Träger der Sozialhilfe sowie die Deutsche Rentenversicherung Saarland, die IKK Südwest und die Unfallkasse Saarland als landesunmittelbare Sozialversicherungsträger in den Bereichen der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung. Wie erklärt sich die Landesregierung die von vielen Antragstellerinnen und Antragstellern immer noch geäußerten Kritikpunkte, wie zum Beispiel die viel zu langen Bearbeitungszeiten, das äußerst komplizierte und für viele Betroffene unverständliche Verfahren oder die teils mangelhafte Information für Betroffene durch die einzelnen Träger? Ausgegeben: 03.01.2018 (28.11.2017) Drucksache 16/200 (16/163) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Zu Frage 1: Das Persönliche Budget ermöglicht Menschen mit Behinderung eine größtmögliche Autonomie hinsichtlich der Koordinierung der für sie notwendigen Hilfe- und Unterstützungsmaßnahmen. Der Budgetnehmer kann einerseits selbst als Arbeitgeber auftreten und andere Personen als Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Andererseits können auch Dienstleistungen, die entweder durch Einzelpersonen oder durch Sozialunternehmen erbracht werden können, unmittelbar stundenweise oder als Leistungspaket in Anspruch genommen werden. Diese weitgehende Autonomie ist sowohl naturgemäß als auch nach dem Willen des Gesetzgebers untrennbar mit einem entsprechend hohen Maß an Eigenverantwortung und Eigenleistung verbunden. Nicht nur für die Budgetnehmer sondern auch für die Sozialverwaltung stellt die Prüfung eines Antrages auf Gewährung eines Persönlichen Budgets sowie die entsprechenden Verlaufsprüfungen eine große fachliche und personelle Herausforderung dar. Die Sozialverwaltung muss nicht nur die allgemeinen Voraussetzungen für den Bezug von Eingliederungshilfeleistungen prüfen, sondern gleichsam die rechtliche und tatsächliche Konstruktion des budgetfinanzierten Hilfesystems auf Plausibilität und Rechtmäßigkeit hin überprüfen. Vor diesem Hintergrund bedarf es auch einer ständigen intensiven Kommunikation bzw. eines Informationsaustausches zwischen Sozialverwaltung und Budgetnehmer. Der Landesregierung ist nicht bekannt, dass sich Budgetnehmer über Informationsdefizite beschwert oder dies überhaupt zur Sprache gebracht hätten. Alle Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Sozialverwaltung verfügen über entsprechend fundierte Fachkenntnisse, sodass grundsätzlich eine gute Wissensvermittlung erfolgt. Zudem kann festgestellt werden, dass die Bearbeitungszeiten auch nicht übermäßig viel Zeit in Anspruch nehmen, sondern regelmäßig in den gesetzlichen geregelten Höchstbearbeitungsfristen erfolgreich bearbeitet und realisiert werden. Da für die Prüfung beispielsweise von Ansprüchen auf Eingliederungshilfe aufgrund zwingender bundesgesetzlicher Regelungen ein hohes Maß an Mitwirkung der antragstellenden Personen unabdingbar ist (Beschaffung ärztlicher Unterlage, intensive Mitwirkung im Rahmen der Bedarfserhebung, vollständige Offenlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse etc.), ist die Gesamtdauer des Prüf- und Bewilligungsverfahrens auch stets abhängig von deren erfolgreicher Kooperation. Oben dargestellter Sachverhalt bzgl. Bearbeitungszeiten wird in den Darlegungen der örtlichen Sozialhilfeträger als auch der landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger in den Bereichen der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung bestätigt. Ferner wird auch von diesen Trägern bestätigt, dass keine Kenntnisse über mangelnde Informationen an Budgetnehmer bekannt sind. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung oder wird sie zukünftig ergreifen, um Menschen mit Behinderung zu informieren, ihnen ihre Vorbehalte gegenüber der Leistungsform Persönliches Budget zu nehmen, und die in der Frage 1 aufgeführten Probleme im Sinne der Betroffenen zu lösen, um somit die Zahl der Anträge auf ein Persönliches Budget zu steigern? Drucksache 16/200 (16/163) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Zu Frage 2: Das Saarland zählt bundesweit zu den führenden Bundesländern in der Umsetzung Persönlicher Budgets. Im Oktober 2017 gab es im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen 289 laufende Persönliche Budgets darunter 25 trägerübergreifende Budgets. Das Landesamt für Soziales bietet Beratung über die Möglichkeiten der Eingliederungshilfe durch regionale Teams. In den Beratungsgesprächen wird dabei ebenfalls über die Möglichkeiten des Persönlichen Budgets informiert. Mit dem Bundesteilhabegesetz wurden in § 32 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch neu (SGB IX-neu) die gesetzlichen Voraussetzungen für ein unentgeltliches, allen Menschen mit (drohenden) Behinderungen und ihren Angehörigen offenstehendes und Orientierung gebendes Angebot zur Beratung über Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe geschaffen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 30.05.2017 im Amtlichen Teil des Bundesanzeigers die Förderrichtlinie zur Durchführung der „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ veröffentlicht. Gefördert werden niedrigschwellige Beratungsangebote zur Stärkung der Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen. Auch im Saarland wird es zukünftig mehrere Angebote der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung geben. Gemäß § 14 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ist jeder Leistungsträger zur Beratung verpflichtet. Weitere Maßnahmen sind daher nicht geplant. Wie viele Personen haben im Zeitraum 2014 – 2017 ein Persönliches Budget beantragt? Bitte nach Jahren auflisten. Zu Frage 3: Im Bereich der landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger (DRV Saarland, IKK Südwest, Unfallkasse Saarland) sowie im Bereich der örtlichen Träger der Sozialhilfe (die jeweiligen Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken) wurden in den Jahren 2014 bis 2017 die in der nachfolgenden Tabelle genannte Anzahl von Anträgen gestellt. Im Bereich des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe und beim Integrationsamt (Landesamt für Soziales) können aufgrund organisatorischer Prozesse und einer Umstellung in der Datenerfassung und -verarbeitung erst ab dem 4. Quartal 2015 validierte Zahlen dargestellt werden. Leistungsträger 2014 2015 2016 2017 Insgesamt DRV Saarland k. A. IKK Südwest 1 0 2 4 7 Unfallkasse Saarland 2 2 0 0 2 Regionalverband Saarbrücken 5 1 1 0 7 Landkreis Merzig-Wadern 0 0 0 0 0 Landkreis Neunkirchen 0 0 0 0 0 Landkreis Saarlouis 0 0 0 0 0 Landkreis St.Wendel 4 3 3 3 13 Saarpfalz-Kreis 0 0 0 0 0 Insgesamt 12 6 6 7 29 Drucksache 16/200 (16/163) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Die Anzahl der Anträge ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen. Leistungsträger Q4 2015 2016 2017 Insgesamt Landesamt für Soziales 14 99 73 186 Wie viele Anträge wurden bewilligt, und wie viele wurden abgelehnt? Bitte ebenfalls nach Jahren, sowie nach Trägern auflisten. Zu Frage 4: Im Bereich der landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger sowie der örtlichen Träger der Sozialhilfe wurde in den Jahren 2014 bis 2017 insgesamt 29 Anträgen stattgegeben. Es wurden keine Anträge abgelehnt. Im Bereich des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe und beim Integrationsamt (Landesamt für Soziales) können aufgrund organisatorischer Prozesse und einer Umstellung in der Datenerfassung und -verarbeitung erst ab dem 4. Quartal 2015 validierte Zahlen dargestellt werden. In diesem Zeitraum wurde insgesamt 109 Anträgen stattgegeben, 24 Anträge wurden abgelehnt. Leistungsträger Q4 2015 2016 2017 Insgesamt Bewilligung = ja; Ablehnung = nein ja nein ja nein ja nein ja nein Landesamt für Soziales 7 4 62 10 40 10 109 24 Die Anträge, die weder abgelehnt noch bewilligt wurden, haben sich aus den verschiedenen Gründen erledigt. Der zentrale Grund für die Erledigung von Anträgen auf ein persönliches Budget ist die nachträgliche Entscheidung für die Inanspruchnahme einer Sachleistung. Es wird besonders darauf hingewiesen, dass sich die Leistungen des Integrationsamtes sowohl hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen als auch hinsichtlich des Leistungsumfanges von den Leistungen der Eingliederungshilfe nach Maßgabe der SGB IX und XII erheblich unterscheiden. Leistungsträger 2014 2015 2016 2017 Insgesamt Bewilligung = ja; Ablehnung = nein ja nein ja nein ja nein ja nein ja nein DRV Saarland k. A. k. A. IKK Südwest 1 0 0 0 2 0 4 0 7 0 Unfallkasse Saarland 2 0 2 0 0 0 0 0 2 0 Regionalverband Saarbrücken 5 0 1 0 1 0 0 0 7 0 Landkreis Merzig-Wadern 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Landkreis Neunkirchen 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Landkreis Saarlouis 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Landkreis St.Wendel 4 0 3 0 3 0 3 0 13 0 Saarpfalz-Kreis 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Insgesamt 12 0 6 0 6 0 7 0 29 0 Drucksache 16/200 (16/163) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Gibt es zwischenzeitlich eine einheitliche Form der Schulung bzw. Fortbildung der Sacharbeiterinnen und Sachbearbeiter der jeweiligen Träger, welche mit dem Bewilligungsverfahren im Rahmen des Persönlichen Budgets betraut sind? - Falls ja: Wo, in welcher Form und in welcher Häufigkeit finden die Schulungen bzw. Fortbildungen statt? - Falls nein: In welcher Form und in welcher Häufigkeit finden die Schulungen bzw. Fortbildungen der jeweiligen Träger statt? - Falls nein: Beabsichtigt die Landesregierung Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Schulungen bzw. Fortbildungen? Zu Frage 5: Nein. - Falls nein: In welcher Form und in welcher Häufigkeit finden die Schulungen bzw. Fortbildungen der jeweiligen Träger statt? DRV Saarland (Rentenversicherung) Seitens der DRV war eine Auskunftserteilung nicht möglich. IKK-Südwest (Kranken- und Pflegeversicherung) Die in diesem Fachbereich eingesetzten Mitarbeiter sind Sozialversicherungsfachangestellte und ausgebildete Casemanager mit internen Zusatzweiterbildungen sowie Weiterbildungsseminaren bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e. V. (BAR). Unfallkasse Saarland (Unfallversicherung) Schulungen für Sachbearbeiter bzw. RehaManager werden seitens des Dachverbandes, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), regelmäßig in Form von mehrtägigen Seminaren angeboten. Außerdem werden Informationen zum Persönlichen Budget im Intranet der DGUV zur Verfügung gestellt. Hier findet sich auch ein Workflow zur Bearbeitung eines Antrags auf ein Persönliches Budget. Landesamt für Soziales (Überörtlicher Träger der Sozialhilfe) Seit 2013 gibt es für alle Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Medizinisch Pädagogischen Dienstes eine verpflichtende Weiterbildung zu Fallmanagerinnen oder Fallmanagern in der Eingliederungshilfe. Diese Weiterbildung beinhaltet auch das Thema des Persönlichen Budgets. Örtliche Träger der Sozialhilfe (Landkreise und Regionalverband Saarbrücken) In der Regel waren die örtlichen Sozialhilfeträger an Persönlichen Budgets nur beteiligt, d.h. es wurde Hilfe zur Pflege als Teil-Budget gewährt. Regionalverband Saarbrücken Die Budgetfälle werden bei Neubeantragung und Weiterbewilligung von der zuständigen Teamkoordinatorin bzw. vom zuständigen Abteilungsleiter bearbeitet. Bisher fanden keine Schulungen bzw. Fortbildungen zu dieser Thematik statt. Drucksache 16/200 (16/163) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 6 - Landkreis Merzig-Wadern Das Amt für soziale Angelegenheiten war in den Jahren 2014 bis 2017 an einem trägerübergreifenden Budget im Rahmen der ambulanten Hilfe zur Pflege beteiligt, daher besteht kein Bedarf an Schulungen. Landkreis Neunkirchen Das Kreissozialamt war seit 2014 bei drei Fällen als beteiligter Träger tätig. Bei der Bearbeitung der drei Fälle ist eine Mitarbeiterin involviert. Ein Schulung oder Fortbildungsmaßnahme wurde bislang nicht besucht. Landkreis Saarlouis Das Kreissozialamt war in den Jahren 2014 bis 2017 bei fünf Fällen als beteiligter Träger tätig. Die Teilnahme an einer Fortbildung erfolgt im Schnitt alle zwei Jahre. Das Thema Budget wird dabei im Rahmen von Grundlagenseminaren angesprochen. Landkreis St. Wendel Die im Landkreis St. Wendel zuständige Sachgebietsleiterin für Ambulante Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII hat an einer mehrtätigen Fortbildungsveranstaltung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. teilgenommen und fungiert seither als Multiplikatorin. Saarpfalz-Kreis Da in den letzten Jahren kein Antrag auf ein Persönliches Budget mehr gestellt wurde, wird kein Bedarf an Schulungen oder Fortbildungen gesehen. - Falls nein: Beabsichtigt die Landesregierung Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Schulungen bzw. Fortbildungen? Nein. Die Landesregierung beabsichtigt keine Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Schulungen bzw. Fortbildungen auf für das Persönliche Budget zuständiger Sachbearbeitungsebene. Begründung: 90% der Anträge auf ein Persönliches Budget werden beim Landesamt für Soziales gestellt. Wie bereits erwähnt, gibt es für alle Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Medizinisch Pädagogischen Dienstes eine verpflichtende Weiterbildung zu Fallmanagerinnen oder Fallmanagern in der Eingliederungshilfe. Die restlichen 10% an Anträgen verteilen sich auf die IKK-Südwest (Kranken- Pflegeversicherung), die Unfallkasse des Saarlandes und die örtlichen Träger der Sozialhilfe, die an Persönlichen Budgets in der Regel nur beteiligt sind, d.h. es wurde Hilfe zur Pflege als Teil-Budget gewährt. Aus den vorangegangenen Darlegungen geht hervor, dass entsprechende Schulungen bzw. Fortbildungen angeboten werden.