LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/244 (16/197) 01.02.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Dennis Lander (DIE LINKE.) betr.: Einsatz von Körperkameras bei der saarländischen Polizei und mögliche Neu- Regelungen nach datenschutzrechtlichen Bedenken Vorbemerkung des Fragestellers: „Die saarländische Datenschutzbeauftragte hat in ihrem aktuellen Jahresbericht auf datenschutzrechtliche Bedenken hinsichtlich der bestehenden Regelungen zum Einsatz von Körperkameras (Body-Cams) bei der saarländischen Polizei hingewiesen . So fordert sie, ‚Aufnahmen nur bei einer konkreten Gefahr für Leib und Leben zuzulassen … Angesichts des mit der Anfertigung von Ton- und Bildaufnahmen verbundenen erheblichen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bestehen gegen diese weite Eingriffsbefugnis ernstliche Zweifel hinsichtlich der Angemessenheit und damit ihrer Verhältnismäßigkeit .‘ Die Datenschutzbeauftragte weist zudem darauf hin, dass ‚nicht erkennbar‘ sei, ‚dass potentielle Angreifer durch zusätzliche Tonaufnahmen eher vor Übergriffen auf die Beamten abgehalten werden als durch das Anfertigen bloßer Bildaufnahmen ‘ und das Gesetz ‚durch die Verwendung des Begriffs ‚kurzzeitig‘ offen(lässt), wie lange der Zeitraum des sogenannten Pre-Recordings, also der Vorabaufnahme, zulässigerweise sein darf‘. In den USA kam die bislang umfangreichste Studie zu Körperkameras zum Ergebnis, dass es zu keiner ‚flächendeckenden Verhaltensänderung bei der Polizeiarbeit‘ durch die neue Technik kam. Die Body-Cams haben demnach keinen statistisch signifikanten Effekt auf die Sicherheit der Polizistinnen und Polizisten. Ausgegeben: 01.02.2018 (21.12.2017) Drucksache 16/244 (16/197) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - In einem Gutachten im Auftrag der rheinlandpfälzischen Landesregierung weist der Trierer Rechtswissenschaftler Mark Zöller darauf hin, dass die Vorabaufnahme (Pre-Recording) eine anlasslose Überwachung darstellt, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unverhältnismäßig und ‚verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen‘ sei.“ Vorbemerkung der Landesregierung: Um mögliche Begriffsverwirrungen von vornherein auszuschließen weist die Landesregierung darauf hin, dass die Befugnis, Körperkameras oder Body-Cams einzusetzen, auf die Vollzugspolizei beschränkt ist, und nicht etwa - wie jedoch die Fragestellung impliziert – allgemein die saarländische Polizei, welche nach § 1 Absatz 1 des Saarländischen Polizeigesetzes (SPolG) auch die Verwaltungspolizei etwa in Form der Orts- oder Kreispolizeibehörden umfasst. In Bezug auf die zitierten Ausführungen der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit hinsichtlich der sog. Pre-Recording-Funktion sowie der Verhältnismäßigkeit der gesetzlich geforderten Gefahrenlage weist die Landesregierung darauf hin, dass diese Bedenken durch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit bereits im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens vorgetragen wurden. Auch teilt die Landesregierung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „konkrete Gefahr “ die zitierte datenschutzrechtliche Bewertung der Landesbeauftragten nicht, insbesondere weil die offene Anfertigung ohnehin nur zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten sowie Dritter zur Abwehr konkreter Gefahren zulässig ist. Eine Beschränkung auf Leib und Leben hätte aus Sicht der Landesregierung unter Bezug auf die Fachebene eine situativ unter Zeitdruck kaum leistbare Gefahrenprognose abverlangt und darüber hinaus den zulässigen Anwendungsbereich in kaum praktikabler Weise eingeschränkt. Zudem erfordert der gesamte § 27 SPolG tatbestandlich für keine der dort geregelten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Einsatz von Bild- und Tontechnik das Vorliegen einer Gefahr für Leib und Leben. Insoweit erschließt sich die Forderung gerade bei dem Einsatz von Körperkameras zum direkten Schutz von Menschen (Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten sowie Dritten) vor Gefahren nicht. Was die monierte „Kurzfristigkeit“ der Vorabaufnahme anbetrifft, so handelt es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung vom konkreten Sachverhalt abhängt, auf den die Norm angewandt werden soll. Verfassungsrechtlich ist die Verwendung solcher Begriffe auch bei Eingriffsmaßnahmen bei einer den Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips folgenden Anwendung unbedenklich. Vorliegend beträgt die Speicherungsdauer der Vorabaufnahmen 30 Sekunden, danach werden sie überschrieben. Diese Zeitdauer wurde in der Errichtungsanordnung festgelegt und begegnete seinerzeit auch keinen Bedenken des Unabhängigen Datenschutzzentrums . Die Landesregierung erlaubt sich hierzu den abschließenden Hinweis, dass diesbezüglich bereits unter TOP 2 der Sitzung des Unterausschusses für Datenschutz und Informationsfreiheit am 31. August 2017 ausführlich berichtet wurde. Drucksache 16/244 (16/197) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Die Landesregierung hat in der Vergangenheit auf eine Studie der Universität von Rialto (Kalifornien) verwiesen. Sind der Landesregierung auch die Studien aus Washington DC und Trier bekannt und wie steht sie zu deren Erkenntnissen? Zu Frage 1: Die zitierten Studien aus den USA sind in Bezug auf die Situation in Deutschland und insbesondere auch im Saarland nur wenig tauglich. Diese Einschätzung gründet darauf , dass dort der Einsatz von Body-Cams auch die Zielrichtung der Nachweisbarkeit „unverhältnismäßigen Handelns“ durch die Polizeivollzugsbeamten selbst hat. Dabei steht anders als hier die präventive Wirkung eben nicht im Vordergrund. Das Thema wird in Deutschland durch die Fachgremien, hier Unterausschuss Führung , Einsatz und Kommunikation (UA FEK) des Arbeitskreises II der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, begleitet. Der aktuellste Sachstandsbericht datiert vom 1. August 2017. Dieser reflektiert auch die seitens des Fragestellers wohl in Bezug genommene Studie der Universität Trier, die wiederum Teil des Evaluationsprogramms zum Einsatz der Body-Cam in Rheinland-Pfalz war. Rheinland -Pfalz hat seinen Pilotversuch durch zwei Universitäten begleiten lassen. Der UA FEK stellt hierzu Folgendes fest: „Die Universität Trier untersuchte die Pilotierung in rechtlicher Hinsicht, wohingegen die Universität Koblenz-Landau sich mit der Akzeptanz der „Body-Cam“ in der Bevölkerung befasste. Ein Ergebnis der juristischen Evaluation war die Forderung nach Schaffung einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage für den Einsatz von Body-Cams, wie sie im Saarland vor deren Einsatz geschaffen wurde. Gleichzeitig wurde eine hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung für den Einsatz von „Body-Cams“ festgestellt. Gleiches galt für die Akzeptanz bei der Mitarbeiterschaft , welche separat erfragt wurde. In Baden-Württemberg wurde im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Pilotversuches durch die Hochschule der Polizei Baden-Württemberg festgestellt, dass durch den Einsatz von „Body-Cams“ eine spürbare Verminderung des Aggressionspotentials bei kognitiv und emotional noch steuerbaren Personen eintritt. Gleichzeitig vermindern sich Solidarisierungseffekte von Unbeteiligten. Die Grenze der Wirksamkeit liegt offensichtlich bei Personen, die unter einem erheblichem Rauschmittel- bzw. Alkoholeinfluss stehen. In Bayern wird der derzeitige Pilotversuch bei drei Verbänden durch die Hochschule für den öffentlichen Dienst (Fachbereich Polizei) wissenschaftlich begleitet. Erste vorliegende Ergebnisse sprechen für eine deutliche Mehrheit der Beamten, die eine überwiegend positive Haltung gegenüber des Führungs- und Einsatzmittels „Body-Cam“ haben. Drucksache 16/244 (16/197) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 4 - Die neu hinzugewonnen wissenschaftlichen Ergebnisse decken sich in wesentlichen Teilen mit den bereits in Hessen vorliegenden Erfahrungen bzw. Forschungsergebnissen . „Body-Cams“ erfahren ebenso bei den Mitarbeitern wie auch in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz. Ihr Einsatz führt regelmäßig dazu, dass sich noch kognitiv steuerbare (und daher mitunter noch rational handelnde) Personen durch den Einsatz mobiler Videoüberwachung davon abschrecken lassen, aktiv gegen Polizeivollzugsbeamte vorzugehen. Die bestehende kriminologischen Forschungen wiesen bisher schon eine präventive Wirkung von (stationärer) Videoüberwachung bei rational handelnden Personen nach, diese scheint nach den ersten Forschungsergebnissen auch bei dem Einsatz von „Body-Cams“ vorzuliegen .“ Das Landespolizeipräsidium hat zudem ein eigenes Pilotprojekt gestartet, damit wir auch selbst aus eigener Kenntnis zu belastbaren Aussagen zur konkreten Situation fähig sind. Plant die Landesregierung vor dem Hintergrund der datenschutzrechtlichen Bedenken eine Änderung des Polizeigesetzes und eine Klarstellung der Einsatz-Regelungen für Körperkameras? Zu Frage 2: Im Zusammenhang mit der zwingenden Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 04.05.2016, S. 89) prüft die Landesregierung auch, in welchem rechtlichen Rahmen die sicherheitspolitischen Vereinbarungen des Koalitionsvertrags umgesetzt werden können. Dieser enthält in Bezug auf die Innere Sicherheit folgenden Prüfauftrag: „Vor allem mit Blick auf die deeskalierende Wirkung der Bodycams möchten wir prüfen, inwiefern die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Erweiterung des Anwendungsbereiches geschaffen werden können.“ Diesem Prüfauftrag kommt das Ministerium für Inneres, Bauen und Sport aktuell nach, zu den Ergebnissen kann noch nichts berichtet werden. Eine Klarstellung im Sinne der Fragestellung 2 ist jedoch nicht beabsichtigt, da die aktuelle Regelung hinreichend klar und präzise auch hinsichtlich der Einsatzvoraussetzungen formuliert ist. Drucksache 16/244 (16/197) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 5 - Wie steht die Landesregierung zum Eingriff in die informelle Selbstbestimmung durch Vorabaufnahmen (Pre-Recording) und der Einschätzung des Trierer Rechtswissenschaftlers Mark Zöller, dies sei „verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen “? Zu Frage 3: Die Frage, ob eine (vollzugs-)polizeiliche Maßnahme verfassungskonform ist oder nicht, wird je nach Bezug in unterschiedlichem Ausmaß kontrovers diskutiert. So kommt etwa Lachenmann (vgl. Lachenmann, Matthias, Rechtliche Anforderungen und technische Maßnahmen zum Einsatz der Miniaturkameras, NVwZ 2017, S. 1425, 1429) zu dem Ergebnis, dass Pre-Recording zulässig sein könne, „…wenn es durch die Rechtsgrundlage ausdrücklich geregelt wird und die Aufnahmen in einem Ringspeicher nach maximal einer Minute ohne Wiederherstellungsmöglichkeit gelöscht werden.“ Diese Anforderungen erfüllen sowohl die saarländische Rechtslage als auch die Einsatzpraxis zweifellos