LANDTAG DES SAARLANDES 16. Wahlperiode Drucksache 16/245 (16/203) 01.02.2018 A N T W O R T zu der Anfrage des Abgeordneten Rudolf Müller (AfD) betr.: Altersfeststellung unbegleiteter minderjähriger Ausländer und Konsequenzen aus falschen Altersangaben Vorbemerkung des Fragestellers: „Die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) wird zu einer immer größeren Belastung für die Kinder- und Jugendhilfe. Die Altersangaben minderjähriger unbegleiteter Ausländer beruhen häufig auf Selbstauskünften, sofern amtliche Dokumente fehlen! Im Hinblick auf den in Deutschland hohen Schutzstatus Minderjähriger ist es naheliegend, dass falsche Altersangaben gemacht werden, um so eine noch bessere Versorgung als volljährige Asylbewerber zu erhalten!“ Vorbemerkung der Landesregierung: Um die Frage der Altersfeststellung möglichst zeitnah und einheitlich für alle umA klären zu können, die im Saarland gem. § 42a SGB VIII vorläufig in Obhut genommen werden, wurde die Einrichtung einer zentralen Vorclearingstelle landesrechtlich geregelt . Mit der Altersbestimmung wird die Tatbestandsvoraussetzung der Minderjährigkeit festgestellt. § 42f SGB VIII ist hierfür die rechtliche Grundlage. Die Altersfeststellung erfolgt im Saarland zentral in der Vorclearingstelle Schaumbergerhof in einem gestuften Verfahren: Neben der Selbstauskunft des unbegleitet eingereisten Minderjährigen, sind zunächst in jedem Fall die Ausweispapiere heranzuziehen. Fehlen die Ausweispapiere, was ganz überwiegend der Fall ist, wird von den pädagogischen Fachkräften der zentralen Vorclearingstelle eine Befragung zu Herkunft und Fluchtgeschichte durchgeführt. Ausgegeben: 01.02.2018 (08.01.2018) Drucksache 16/245 (16/203) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 2 - Zusätzlich erfolgt eine qualifizierte Inaugenscheinnahme, d.h. das Erscheinungsbild des Flüchtlings wie etwa Bartwuchs oder körperliche Entwicklung wird betrachtet. Erst wenn daraus keine eindeutige Einschätzung hervorgeht und immer noch berechtigte Zweifel an der Minderjährigkeit des jungen Flüchtlings bestehen, wird eine radiologische Untersuchung eines Handgelenks durchgeführt, erforderlichenfalls ergänzend des Gebisses und der Brustbein- Schlüsselbeingelenke. Diese radiologische Untersuchung darf nur mit Einwilligung der betroffenen Person und ihres gesetzlichen Vertreters durchgeführt werden. In wie vielen Fälle, seit Januar 2016, wurden Verfahren zur Altersfeststellung bei entsprechenden Verdachtsfällen durchgeführt? Zu Frage 1: Das zentrale Vorclearing im Saarland hat erst zum 01.02.2016 begonnen, so dass die saarländische Landesregierung erst über einen Zeitraum ab dem angegebenen Datum berichten kann. Vom 1.2.2016 bis zum 15.01.2018 wurden in der zentralen Vorclearingstelle des Saarlandes 986 Fälle behandelt. In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle gaben die jungen Flüchtlinge an, zwischen 16 und 18 Jahre alt zu sein. 251 von diesen Personen waren nach kürzester Zeit, also noch vor Klärung der Alterseinschätzung abgängig. Von den restlichen 735 Fällen wurden nach qualifizierter Inaugenscheinnahme und pädagogischer Befragung 538 als nicht zweifelsfrei minderjährig eingeschätzt. In diesen Fällen wurde eine radiologische Untersuchung des Handskeletts durchgeführt. Welche Verfahren kommen zur Anwendung? Wird auch die nicht die Gesundheit belastende Methode des Fraunhofer Instituts per mobilen Ultraschall -Handscanner angewandt? Zu Frage 2: Bereits dargelegt wurde das gestufte Verfahren zur Altersbestimmung. Sofern nach pädagogischer Befragung sowie qualifizierter Inaugenscheinnahme weiterhin Zweifel über die Minderjährigkeit bestehen, wird eine Röntgenuntersuchung einer Hand durchgeführt , wobei der Wachstumsfugenschluss der Handknochen untersucht wird. Sofern dann noch Zweifel bestehen erfolgt eine Röntgenuntersuchung des Gebisses (Wachstumsentwicklung /Zahnentwicklung) und eine Röntgenuntersuchung der Schlüsselbeine (Ossifikation: Bildung des Knochengewebes, um daran das Alter zu bestimmen). Die so vorliegenden Gutachten sprechen in der Zusammenfassung dann von einer an mit Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit des dann angegebenen Lebensjahres. Das Verfahren per mobilen Ultraschall-Handscanner ist derzeit in der Erprobung und aus diesem Grund noch nicht anwendbar. In wie vielen Fällen wurden angeblich minderjährige unbegleitete Ausländer als volljährig erkannt? Zu Frage 3: Bei den unter Frage 1 aufgeführten 538 Untersuchungen wurden 254 Personen als volljährig eingeschätzt, dies sind rund 35 % der Personen, die insgesamt angegeben hatten minderjährig zu sein (ohne abgängige Personen). Drucksache 16/245 (16/203) Landtag des Saarlandes - 16. Wahlperiode - - 3 - Welche Konsequenzen haben als falsch erkannte Altersangaben? Zu Frage 4: Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe werden die betroffenen Personen über die rechtlichen und tatsächlichen Konsequenzen belehrt, die Altersfeststellung wird bekanntgegeben und die vorläufige Inobhutnahme mittels Bescheid beendet. Gegen diesen Bescheid besteht für die betroffene Person die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen , worüber diese auch belehrt wird. Anschließend wird die Person der Landesaufnahmestelle übergeben. Welche Konsequenzen hat die zugrundeliegende Straftat des unberechtigten Grenzübertritts für die betreffenden Ausländer? Zu Frage 5: In strafrechtlicher Hinsicht richtet sich ein unberechtigter Grenzübertritt nach den Strafvorschriften des § 95 AufenthG. Da es vorliegend um diejenigen Fälle geht, in denen amtliche Dokumente – insbesondere ein Pass oder Passersatz – bei der Einreise in das Bundesgebiet fehlen, handelt es sich um die sog. unerlaubte Einreise nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Gelangt eine solche Straftat den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis, wird grundsätzlich ein Ermittlungsverfahren gegen die betroffene Person eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft entscheidet sodann, ob sie einen Strafbefehl beantragt , Anklage bei Gericht erhebt oder das Ermittlungsverfahren einer Einstellung zuführt . Wird eine gerichtliche Verurteilung angestrebt, so liegt der Strafrahmen für eine unerlaubte Einreise bei einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe . Dem Gericht steht es jedoch frei, das Verfahren aus den in der StPO festgelegten Gründen seinerseits auch noch im Stadium der Hauptverhandlung – gegebenenfalls mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft – einzustellen. Welche Konsequenzen die zugrundeliegende Straftat im jeweiligen Einzelfall für die betroffene Person hat, kann somit nicht pauschal beantwortet werden. Es handelt sich hierbei um Einzelfallentscheidungen , bei denen die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht verschiedene Aspekte , wie z.B. etwaige Vorstrafen, Nachtatverhalten, Hintergründe der Tat usw., berücksichtigen muss. Hierbei entscheiden die Gerichte im Rahmen des Gesetzes wie stets in richterlicher Unabhängigkeit. Wird ein beantragtes Asylverfahren durch die festgestellte falsche Altersangabe beeinflusst? Zu Frage 6 Über Asylanträge und damit auch über die Frage, ob durch die festgestellte falsche Altersangabe ein beantragtes Asylverfahren beeinflusst wird, entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.